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Der Oelprinz

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Rollins beachtete weder den bösen Blick noch den Gefühlsausdruck des Fragenden und antwortete:

»Warum wollt Ihr das wissen, Sir?«

»Weil es von großer Wichtigkeit für mich und auch für Euch ist. Wir befinden uns in der Wildnis, wo man seines Lebens oder wenigstens seines Eigentumes niemals sicher ist. Das habt Ihr ja im Pueblo erfahren. Wie nun, wenn wir überfallen und beraubt werden, wenn man Euch die Papiere abnimmt und mit ihnen nach Frisco reitet, um das Geld zu erheben?«

»Das wird nicht geschehen, denn ich bin vorsichtig gewesen. Ich habe zwar Formulare mitgenommen, aber sie sind nicht ausgefüllt und unterschrieben.«

»Das ist recht; das beruhigt mich. Aber wie wollt Ihr sie ausfüllen? Meint Ihr, daß da oben am Chellyflusse Federn wachsen und statt des Wassers Tinte fließt?«

»Habt keine Sorge! Ich bin natürlich mit einigen Federn versehen und habe auch ein kleines Fläschchen Tinte bei mir. Was übrigens den gestrigen Vorgang im Pueblo betrifft, so wundre ich mich allerdings darüber, daß es diesem Häuptlinge Ka Maku nicht eingefallen ist, uns die Taschen auszuleeren. Ich kann mir das wirklich nicht erklären.«

»O, die Erklärung ist doch so einfach wie nur möglich. Die Roten waren mit der Gefangennahme so beschäftigt, daß sie zum Plündern zunächst gar keine Zeit fanden; dies sollte später geschehen.«

»Meint Ihr, daß sie es auch auf unser Leben abgesehen hatten?«

»Natürlich! Ihr wäret auf alle Fälle beim Anbruche des Morgens an den Marterpfahl gebunden worden.«

»Dann haben wir beide euch dreien viel, sehr viel zu verdanken, und es thut mir um unsre armen Gefährten um so mehr leid. Wahrscheinlich lebt in diesem Augenblicke kein einziger mehr.«

»Ja,« fügte Baumgarten hinzu, »ich mache mir die bittersten Vorwürfe, daß wir fortgeritten sind und nur an uns gedacht haben. Es war unbedingt unsre Pflicht, alles zu versuchen, sie auch zu retten.«

»Das sagt Ihr nur, weil Ihr Euch jetzt in Sicherheit befindet und es Euch nun wohl leicht erscheint, diese Leute aus dem Innern des Pueblo herauszuholen. Ich aber gebe Euch die Versicherung, daß dies nicht nur ungeheuer schwierig, sondern sogar unmöglich gewesen wäre. Wir hätten unser Leben nicht etwa bloß gewagt, sondern es unbedingt verloren, ohne damit den andern den geringsten Nutzen gebracht zu haben. Ich bin hier im wilden Westen erfahren, und Ihr könnt also jedes Wort glauben, welches ich Euch sage. Wir brauchen uns nicht den geringsten Vorwurf zu machen; ja, ich behaupte im Gegenteile, daß unsre Flucht den Gefährten nützlicher gewesen ist, als wenn wir geblieben wären, um sie zu retten, und dabei unser Leben ohne Vorteil für sie eingebüßt hätten.«

»Wieso?«

»Weil sie dadurch Zeit gewonnen haben. Die Roten sind, sobald sie heut früh unser Entkommen entdeckten, sicher sofort aufgebrochen, um uns zu verfolgen; sie haben also keine Zeit, ihre Gefangenen schon heut zu martern und zu töten. Ich rechne einen Tag, daß sie uns folgen, und einen Tag, daß sie zurückkehren; das gibt eine Frist von zwei Tagen, und man weiß, was in zwei Tagen alles geschehen kann, zumal wenn es sich um so tüchtige, erfahrene und kühne Leute handelt. Ja, Ihr könnt sehr ruhig sein!«

»Hm,« brummte der Bankier, »was ihr da sagt, scheint Hände und Füße zu haben. Der Hobble-Frank ist zwar ein origineller Kauz, aber gewiß kein Mann, der sich gemächlich niederstechen läßt, von Droll möchte ich dasselbe sagen, und nun gar diese drei Jäger, welche sich das “Kleeblatt” nennen, die haben noch viel weniger den Eindruck auf mich gemacht, als ob sie mit sich scherzen ließen.«

»Ihr meint Sam Hawkens?« fragte Buttler.

»Ja, ihn und Dick Stone und Will Parker. Das sind Westmänner, wie sie im Buche stehen. Ihr habt sie nicht gesehen, Mr. Buttler und Mr. Poller, und ich habe euch noch nicht erzählt, wie sie mit den deutschen Auswanderern zusammengetroffen sind. Das müßt ihr hören, um zu wissen, was für tüchtige Männer sie sind.«

»Waret Ihr dabei, Sir?« fragte Poller.

»Nein; aber während des Rittes von Forners Rancho nach dem Pueblo wurde es erzählt; daher weiß ich es.«

Und nun berichtete er, was er gehört hatte. Er ahnte dabei nicht, daß Buttler und Poller die Sache noch viel besser und genauer wußten als er, weil sie ja dabei gewesen waren. Als er geendet hatte, fragte er sie:

»Müssen das nicht tüchtige Kerls sein, da sie mit den berüchtigten Finders in dieser Weise umgesprungen sind?«

»Ja,« antwortete Buttler mit einem erzwungenen Lächeln. »Besonders scheint dieser Hawkens eine außerordentlich listige Kreatur zu sein.«

»Kreatur? Wie kommt Ihr dazu, ihn so zu nennen? Das hatte einen beinahe feindlichen Klang, Sir. Kennt Ihr ihn etwa? Hat er Euch einmal beleidigt?«

»Nicht im geringsten. Ich habe ihn nie gesehen, ja nicht einmal seinen Namen gehört. Aber die Hauptsache ist, daß Ihr nun seht, wie recht ich vorhin hatte, als ich sagte, Ihr braucht um die Gefangenen im Pueblo nicht besorgt zu sein. Männer wie diejenigen, welche Ihr jetzt genannt habt, wissen sich in jeder Lage zu helfen, und ich möchte fast sagen, ich hege die Ueberzeugung, daß sie unsrer Hilfe gar nicht bedürfen, um sich zu befreien. Ich wette mit Euch gegen jeden Einsatz: Wenn die Roten, welche uns verfolgen, heimkehren, sind die gefangenen Vögel ausgeflogen.«

»Ich wette nicht, will aber wünschen, daß Ihr recht habt. Vielleicht befinden wir uns dann in viel größerer Gefahr als diejenigen, um welche wir uns so vergeblich gesorgt haben.«

»Wieso?«

»Nun, Ihr sagtet doch, daß wir verfolgt werden.«

»Allerdings.«

»Wenn die Roten uns nun aufstöbern? Wenn sie unser Feuer sehen, welches so schön hell und offen brennt!«

»Das werden sie wohl bleiben lassen. Sie holen uns nicht ein.«

»Irrt Ihr Euch da nicht, Sir? Ich kenne den wilden Westen nicht; aber ich habe viel von ihm gehört und noch mehr über ihn gelesen. Diese Indianer sind schreckliche Leute, welche einem Menschen, den sie haben wollen, monatelang auf der Ferse bleiben, bis sie ihn erwischen.«

»Das wird hier nicht geschehen, denn ich würde dafür sorgen, daß unsre Spur ihnen verloren ginge. Das ist aber gar nicht nötig, denn sie können uns nicht einholen. Bedenkt doch, wann wir vom Pueblo fortgeritten sind, und daß sie erst nach Tagesanbruch sich auf die Verfolgung gemacht haben können! Wir besitzen also einen Vorsprung, den sie gar nicht einholen können.«

»Warum nicht? Sie brauchen nur weiterzureiten, während wir hier sitzen, so sind sie noch vor Mitternacht hier an dieser Stelle.«

Da stieß der Oelprinz ein schallendes Gelächter aus und rief:

»Ihr behauptetet vorhin, vom wilden Westen nichts zu verstehen und habt da allerdings sehr recht gehabt, Sir. Ihr versteht ganz und gar nichts. Ihr behauptet, daß die Roten uns während der Nacht folgen können?«

»Ja. Wenigstens wenn sie klug sind, werden sie es thun, um den Vorsprung, welchen wir haben, auszugleichen.«

»Wie sollen sie das anfangen? Wissen sie denn, wo wir uns befinden?«

»Das nicht; aber sie brauchen doch nur auf unsrer Spur zu bleiben, um uns zu finden.«

»Kann man Spuren etwa riechen, Sir, oder dieselben des Nachts sehen?«

»Na, das nun freilich nicht.«

»Können die Roten also jetzt, da es dunkel geworden ist, unsrer Fährte folgen?«

»Nein.«

»Richtig, nein; sie müssen halten bleiben und warten, bis es wieder Tag geworden ist. Wie also wollen sie unsern Vorsprung einholen, zumal morgen früh unsre Fährte auf keinen Fall mehr zu erkennen ist? Nein, Sir, wir haben nichts, aber auch gar nichts zu fürchten und werden glücklich nach dem Gloomy-water kommen und dort unser Geschäft hoffentlich ganz glücklich zum Abschluß bringen.«

»Gloomy-water (*Finsteres Wasser.)? Was ist das?«

»Das ist eben der Ort, an welchem ich das Petroleum entdeckt habe.«

»Und dieser Ort hat diesen Namen? Das klingt ja ganz anders, als Ihr vorhin sagtet.«

»Wieso, Sir?«

»Ihr sagtet doch, es sei wohl noch kein Mensch dorthin gekommen.«

»Das habe ich allerdings gesagt und das ist meine ganz entschiedene Meinung.«

»Aber es muß doch jemand dort gewesen sein!«

»Aus welchem Grunde kommt Ihr auf diese Vermutung?«

»Weil der Ort Gloomy-water heißt; er hat also einen Namen.«

»Nun? Weiter! Ich verstehe Euch noch nicht ganz.«

»Wer einen Namen hat, muß ihn doch von jemand bekommen haben. Nicht?«

»Allerdings.«

»Es muß also einen Menschen geben, von welchem Euer Ort seinen Namen erhalten hat, und dieser Mensch muß dort gewesen sein. Warum hat man nichts davon gehört? Er muß das Petroleum doch ebensogut bemerkt haben, wie Ihr es gesehen habt.«

Dieses Argument brachte den Oelprinzen in Verlegenheit; trotz seiner Verschlagenheit fiel ihm nicht sogleich eine Antwort ein, mit welcher er sich heraushelfen konnte; er füllte die kurze Pause, welche dadurch eintrat, durch ein halblautes Lachen aus, das überlegen klingen sollte. Zum Glücke für ihn wurde es durch seinen Stiefbruder Buttler unterbrochen:

»Mr. Rollins, Ihr glaubt jedenfalls, eine recht geistreiche Bemerkung gemacht zu haben. Nicht?«

»Geistreich?« antwortete der Gefragte. »Nein, das denke ich keineswegs; aber sachlich war sie jedenfalls. Der Ort hat einen Namen, also muß unbedingt jemand, der ihm denselben gegeben hat, vor Mr. Grinley dort gewesen sein. Und da man diesen Namen kennt, muß dieser jemand viel und oft von dem Orte gesprochen haben. Warum hat er nicht auch vom Petroleum erzählt, welches er doch unbedingt entdeckt haben muß? Und wenn er es entdeckt hat, so wird es ihm nicht eingefallen sein, von diesem Orte zu sprechen, sondern er muß um

seines eigenen Vorteiles willen darüber geschwiegen haben. Ihr seht also, es gibt hier gewisse Widersprüche, denen ich meine Aufmerksamkeit unbedingt schenken muß.«

»Thut das immerhin; aber laßt Euch dabei sagen, daß diese Widersprüche nur scheinbar sind.«

 

»Könnt Ihr sie etwa lösen und erklären?«

»Nichts leichter als das!«

»Nun?«

»Sonderbar, höchst sonderbar, daß man Euch das erst sagen muß, daß Ihr nicht selbst darauf kommt! Der jemand, von welchem Ihr redet, ist eben hier unser Mr. Grinley, der Oelprinz gewesen.«

»Ah!« machte jetzt der Bankier verwundert.

»Ja, er ist es gewesen und er hat dem Orte den Namen Gloomy-water gegeben, weil – —«

»Weil,« fiel der Oelprinz schnell ein, »die Oertlichkeit eine düstere ist und weil das Wasser eine fast ganz schwarze Farbe hat.«

Er war nun außerordentlich froh, von Buttler aus seiner Verlegenheit erlöst worden zu sein und warf ihm einen dankbaren Blick zu, welchen dieser mit einem mißbilligenden, leisen Kopfschütteln beantwortete. Weder dieser Blick noch dieses Kopfschütteln wurden von Rollins oder Baumgarten bemerkt. Der Oelprinz schien die Lust, das Gespräch fortzusetzen, verloren zu haben; er stand auf und entfernte sich mit der Bemerkung, daß er noch Holz für das Feuer sammeln wolle.

Nun war es Zeit für Old Shatterhand und Winnetou, sich zurückzuziehen, weil sie, wenn sie noch länger blieben, von Grinley ganz gewiß entdeckt werden mußten. Zum Glück für sie entfernte er sich bachaufwärts und ohne einen Blick nach der Seite zu werfen, wo sie lagen. Wäre sein Auge nach dieser Richtung gefallen, er hätte sie unbedingt sehen müssen.

Er hatte mit dem Rücken nach ihnen gesessen und die Baumstämme und Sträucher hatten sich zwischen ihm und ihnen befunden; aus diesem Grunde hatten sie sein Gesicht nicht sehen können. Aber als er jetzt aufstand, um fortzugehen, mußte er eine Wendung machen, infolge deren sie seine Züge auf das deutlichste erkannten. Sie krochen zurück, in den Wald hinein, bis der Schein des Feuers sie nicht mehr treffen konnte; dann richteten sie sich auf und kehrten nach der Stelle zurück, an welcher sie ihre Pferde versteckt hatten.

Andre Personen hätten nun nichts Eiligeres zu thun gehabt, als sich ihre Bemerkungen über das Gehörte und Gesehene mitzuteilen; diese beiden berühmten Westmänner aber waren aus einem andern Stoffe gemacht. Sie verstanden sich auch ohne Worte und pflegten nur dann zu reden, wenn die Zeit dazu gekommen war.

Winnetou zog sein Pferd aus dem Gebüsch heraus und schritt, es an dem Zügel hinter sich herführend, in den Wald hinein. Old Shatterhand folgte ihm mit dem seinigen, ohne zu fragen, warum der Apache diesen bequemen Ort verließ und den finstern Wald aufsuchte, wo bei der gegenwärtigen abendlichen Dunkelheit mit den Pferden so schlecht fortzukommen war. Er kannte den Grund und hätte, wenn er allein gewesen wäre, genau so wie Winnetou gehandelt.

Da, wo die Pferde gesteckt hatten, gab es Gras für dieselben und auch Wasser, zwei Dinge, welche unbedingt nötig waren. Man hätte dort also recht gut lagern können, ohne befürchten zu müssen, während der Nacht von den fünf Personen, welche belauscht worden waren, entdeckt oder gar belästigt zu werden. Aber es war die Möglichkeit doch nicht ausgeschlossen, daß am nächsten Morgen zufällig einer von ihnen nach dieser Stelle kam, wo er sie sehen oder, falls sie schon fort waren, ihre Lagerspuren entdecken mußte. Darum gingen sie fort. Die Spuren, welche sie bis jetzt gemacht hatten, konnten am nächsten Morgen gewiß nicht mehr erkannt werden, da das Gras sich bis dahin wieder aufgerichtet haben mußte.

Da sie aber unbedingt Wasser und Weide für ihre Tiere brauchten, verstand es sich ganz von selbst, daß sie wieder zu dem Bache zurückkehrten, allerdings an einer sehr entfernten Stelle. Der Weg dorthin mußte durch einen Bogen gemacht werden, den man durch den Wald schlug, weil das weiche Moos desselben die Huf- und Fußeindrücke am Morgen nicht mehr sehen ließ. Das alles verstand sich ganz von selbst, und so kam es, daß Old Shatterhand dem Apachen folgte, ohne zu fragen.

Es gehörten die an die Dunkelheit gewöhnten Augen Winnetous und Old Shatterhands dazu, ohne anzustoßen oder gar zu fallen, durch das Gehölz zu kommen. Sie bewegten sich mit einer Sicherheit, als ob es am hellen Tage wäre, wohl eine ganze Viertelstunde lang zwischen den Bäumen hin und bogen dann nach rechts, um den Bach wieder zu gewinnen. Ganz genau an der Stelle, wo sie ihn erreichten, floß ein kleines Wässerchen in denselben; sie überschritten den Bach und folgten diesem schmalen Wasser aufwärts, bis sie seinen Ursprung erreichten. Das war die Quelle, von welcher Winnetou gesprochen hatte und an der er hatte lagern wollen. Wie außerordentlich ausgeprägt mußte der untrügliche Ortssinn des Häuptlings sein, trotz der Dunkelheit und mitten im wilden Walde diese Quelle zu finden!

Sie nahmen nun ihren Pferden die Sättel ab und ließen sie dann frei grasen; sie durften das, weil die beiden Rappen treu wie die Hunde waren, dem leisesten Ruf gehorchten und sich nie von ihren Herren entfernten. Erst jetzt fiel das erste Wort, indem Winnetou fragte:

»Hat mein Bruder einen Imbiß bei sich?«

»Ein Stück trockenes Fleisch,« antwortete Old Shatterhand. »Ich sorgte nicht für mehr, weil ich morgen auf Ka Makus Pueblo vorsprechen wollte.«

»Mein Bruder mag sein Fleisch aufheben; wir werden das Coon braten, welches ich vorher geschossen habe.«

Nach diesen Worten entfernte er sich. Old Shatterhand fragte nicht, wohin er wolle; er wußte, daß Winnetou jetzt die Umgebung der Quelle umkreisen würde, um sich zu überzeugen, daß dieselbe sicher sei. Er kehrte nach vielleicht zehn Minuten zurück und brachte einen Arm voll trockenes Holz mit, ein Beweis, daß kein feindliches Wesen in der Nähe sei. Das außerordentlich scharfe Ohr Old Shatterhands hatte das Abbrechen und Knacken dieses Holzes nicht gehört, wieder ein Zeichen von der unvergleichlichen Geschicklichkeit des Apachen.

Bald brannte ein Feuer, aber klein, nach indianischer Weise; die beiden Männer ließen sich an demselben nieder, um den Waschbär aus seinem Fell zu schälen. Nach kurzer Zeit verbreitete das bratende Fleisch desselben jenen feinen Duft umher, welchen es in keiner Küche, sondern nur am Lagerfeuer gibt. Es wurde gegessen, langsam und mit Genuß, ohne daß ein Wort dabei fiel. Als beide satt waren, brieten sie die Ueberreste des Fleisches für den morgenden Tag, an welchem sie sich nicht mit der Jagd befassen durften, und nun erst hielt Winnetou es an der Zeit, sich hören zu lassen.

»Hat mein Bruder Riemen bei sich?«

»Vielleicht zwanzig Stück,« antwortete Old Shatterhand, welcher genau wußte, warum der Apache nach Riemen fragte. Mit Riemen ist ein Westmann überhaupt stets gut versehen.

»Ich habe auch so viel, « erklärte der Häuptling; »dennoch werden wir das Fell dieses Waschbären auch noch in Streifen schneiden, weil wir morgen vielleicht Riemen brauchen.«

»Für Ka Makus Krieger,« nickte Old Shatterhand. »Dieser Häuptling ist uns zwar nie feindlich begegnet, aber es steht zu erwarten, daß wir ihn morgen zwingen müssen, das zu thun, was wir wollen.«

»Mein Bruder hat recht. Kennt er die Männer, welche wir belauscht haben, oder vielleicht einen von ihnen?«

»Nur einen habe ich schon einmal gesehen, den, welcher Grinley und Oelprinz genannt wurde. Ich entsinne mich, ihn bei einer Bande Buschklepper gesehen zu haben.«

»Auch ohne dies zu wissen, habe ich mir gesagt, daß er ein gefährlicher Mensch ist. Mein Bruder ist mit mir am Chellyflusse, von dem sie sprachen, gewesen; er mag mir sagen, ob es dort Erdöl geben kann!«

»Keinen Tropfen!«

»Und hat dieser Grinley das Gloomy-water entdeckt und ihm den Namen gegeben?«

»Nein. Ich bin mit dir ja schon vor Jahren an diesem kleinen See gewesen und schon damals hatte er seinen Namen. Der “Oelprinz” hat einen großen Schwindel und jedenfalls noch viel Schlimmeres mit den beiden Männern vor.«

»Einen Doppelmord!«

»Ja. Zwei von den fünf Männern, die wir sahen, sollen betrogen und dann ermordet werden. Sie sollen eine Petroleumquelle vorfinden, diese Entdeckung bezahlen und dann – verschwinden.«

»Wir müssen sie retten!«

»Das versteht sich ganz von selbst.«

»Will mein Bruder das gleich jetzt thun?«

»Nein. Und auch dir kommt das nicht in den Sinn, sonst hättest du dich nicht so weit von ihrem Lager entfernt. Wir würden durch Streitigkeiten aufgehalten werden und selbst dann, wenn die beiden Betrogenen uns Glauben schenkten, würden wir sie zu uns nehmen müssen und dabei die kostbare Zeit verlieren, welche wir brauchen, um die Gefangenen Ka Makus zu befreien.«

»Ja, diese Leute müssen schon morgen unsre Hilfe haben, und darum werden wir den Oelprinzen mit seinen Begleitern einstweilen ziehen lassen. Wir holen sie später sicher ein.«

»So ist mein roter Bruder entschlossen, unsern ursprünglichen Plan aufzugeben?«

»Ja. Wir wollten uns auf Forners Rancho treffen und haben uns schon hier getroffen. Wir wollten von dort aus nach der Sonora hinüber, um die dortigen Stämme der Apachen zu besuchen; das können wir später thun. Jetzt gilt es, diesen zweien Bleichgesichtern das Leben zu retten und die Gefangenen aus dem Pueblo zu holen. Aber was sagt mein Bruder dazu, daß unter ihnen Freunde von uns sind?«

»Ich war natürlich überrascht, als ich es hörte.«

»Was will der Hobble und was will auch Droll jetzt hier?«

»Ich mußte dem kleinen Hobble versprechen, ihm einmal zu schreiben. Das habe ich gethan und dabei erwähnt, daß und wann und wo ich beabsichtigte, mit dir zusammenzutreffen. Da ist in dem kleinen komischen Kerl das Westfieber erwacht und hat ihn herübergetrieben. Droll hat ihn natürlich gern begleitet.«

»Und Hawkens, Stone und Parker sind auch dabei! Uff!«

Dies war ein Ausruf der Verwunderung und Mißbilligung. Der Grund dieser Mißbilligung wurde sofort von Old Shatterhand deutlich angegeben:

»Daß sich so erfahrene Leute fangen lassen; es ist kaum glaublich! Sie müssen doch unbedingt gehört haben, daß sich eine gefährliche kriegerische Bewegung einiger roter Stämme bemächtigt hat, und da ist doppelte Vorsicht geboten. Sie durften das Pueblo nicht betreten, ohne vorher mit dem Häuptling die Pfeife des Friedens geraucht zu haben. Nur das Unwetter von gestern kann daran schuld sein.«

»Ganz richtig! Das Wetter hat sie wahrscheinlich in das Pueblo getrieben, ohne daß sie Zeit fanden, sich vorher der Freundschaft des Häuptlings zu versichern. Das ist klar und leicht zu begreifen.«

»Dieser Häuptling ist den Weißen sonst freundlich gesinnt.«

»Ja, aber anders ist es kaum möglich. Ka Maku muß im Einvernehmen mit diesem Oelprinzen gestanden haben und von ihm verführt worden sein. Wir werden morgen erfahren, daß diese Vermutung die richtige ist. Ferner gebe ich meinem Bruder Winnetou etwas höchst Wichtiges zu bedenken: Unser Hobble-Frank ist mit seinem Droll nach Forners Rancho gekommen, um dort mit uns zusammenzutreffen. Er kennt uns genau und hat also gewußt, daß wir pünktlich dort ankommen würden. Warum hat er nicht auf uns gewartet? Warum hat er sich dem Zuge dieser Auswanderer angeschlossen?«

»Oelprinz!«

Winnetou sagte nur dieses eine Wort und bewies damit, daß es ihm keine Schwierigkeiten bereitete, auch diese schwere Frage zu beantworten.

»Ganz recht. Der kleine Hobble hat auf dem Rancho von dem vermeintlichen Oelfunde gehört und nicht daran geglaubt, sondern Verdacht gefaßt. Er ist ein ritterliches Kerlchen und wagt gern mehr, als er auszuführen vermag; er und Droll haben sich vorgenommen, einmal Winnetou und Old Shatterhand zu spielen und sich der beiden Männer, welche betrogen werden sollen, anzunehmen. Das haben sie natürlich auch Sam Hawkens und seinen beiden “Kleeblättern” gesagt, und diese sind mit ihnen in den Bund getreten. Das hat der Oelprinz gemerkt und sich ihrer dadurch entledigt, daß er Ka Maku auf irgend eine Weise veranlaßte, den ganzen Zug gefangen zu nehmen und dann aber die Betreffenden entkommen zu lassen.«

»Mein Bruder Old Shatterhand spricht meine eignen Gedanken aus. Wann meint er, daß wir zur Befreiung der Gefangenen von hier aufbrechen werden? Jetzt?«

»Nein; das ist ja sicher auch deine Absicht nicht. Reiten wir jetzt schon fort, so kämen wir am Tage beim Pueblo an und würden leicht entdeckt. Was wir vorhaben, kann nur des Nachts ausgeführt werden. Wenn wir morgen früh von hier fortreiten, kommen wir zeitig genug dort an.«

»Winnetou stimmt bei. Wir werden kurz vor Abend in der Nähe des Pueblo sein, um, bevor es dunkel wird, unsre Augen auf dasselbe zu richten.«

»Ja, um zu rekognoszieren. Durch mein Fernrohr können wir alles sehen, ohne uns soweit nähern zu müssen, daß wir Gefahr laufen, entdeckt zu werden. Löschen wir jetzt das Feuer aus!«

Während Old Shatterhand die Flamme mit Wasser aus der Quelle löschte, machte Winnetou noch einmal die Runde, um sich zu überzeugen, daß sie ohne Besorgnis schlafen konnten; dann streckten sie sich neben einander zur nächtlichen Ruhe im weichen Grase aus. Sie hielten es nicht für nötig, abwechselnd zu wachen; sie konnten sich auf ihr gutes Gehör und auf ihre Pferde verlassen, welche gewohnt waren, die Annäherung von Menschen oder Tieren durch Schnauben zu verraten.

 

Am andern Morgen früh erwacht, ließen sie vor allen Dingen die Pferde tüchtig trinken, weil vorauszusehen war, daß dieselben wohl länger als einen Tag kein Wasser bekommen würden, denn am Pueblo konnten sie nicht getränkt werden, weil die Bewohner desselben jetzt als Gegner zu betrachten waren. Die beiden so verschiedenfarbigen und doch so innigen Freunde genossen einen Teil des gestern Abend übrig gebliebenen Fleisches, sattelten dann und ritten mutig dem Tage entgegen, dessen Abend für sie ein sehr schwieriger zu werden versprach.

Von ihrem Lagerplatze bis zum Pueblo war es ein guter Tagesritt, ihre vortrefflichen Pferde aber brauchten sie gar nicht anzustrengen, um schon lange vor Abend an Ort und Stelle zu sein. Sie kannten die Gegend so genau, wie sie dem Oelprinzen bekannt gewesen war. Da dieser die gerade Richtung eingeschlagen hatte und sie dasselbe thaten, fiel ihr Weg mit dem seinigen zusammen. Die Fährte, welche er mit seinen vier Begleitern gestern zurückgelassen hatte, war für gewöhnliche Westmänner nicht zu sehen, für ihre scharfen Augen aber doch von Zeit zu Zeit zu erkennen. Sie ritten während des ganzen Vormittages und machten erst um die Mittagszeit einen Halt, um ihre Pferde ruhen zu lassen. Es war bis dahin nur davon die Rede gewesen, was sie seit ihrer letzten Trennung erlebt hatten; über ihr heutiges Vorhaben hatten sie nichts erwähnt. Jetzt aber, während sie ruhten, sagte Winnetou:

»Mein Bruder sieht ein, daß wir uns nicht getäuscht haben: Ka Maku hat mit dem Oelprinzen im Bunde gestanden.«

»Jawohl,« nickte Old Shatterhand, »Wäre das nicht der Fall, so hätte der Häuptling die Flüchtigen verfolgt und wir wären ihm entweder begegnet, oder müßten seine Fährte sehen. Und wie wir uns hier nicht geirrt haben, werden wir uns auch in Beziehung auf das übrige nicht täuschen.«

Dann ging es weiter, bis sie am Nachmittage soweit gekommen waren, daß sie bis zum Pueblo nur noch eine Stunde zu reiten hatten. Nun galt es, vorsichtig zu sein, wenn sie sich nicht sehen lassen wollten. Sie stiegen also abermals ab, um noch einige Zeit verstreichen zu lassen, da sie sich dem Pueblo erst kurz vor Abend nähern wollten.

Die Gegend, in welcher sie sich befanden, war eben und sandig. Diese Ebene zog sich als immer schmaler werdende, unfruchtbare Zunge in die Mogollonberge hinein. Hier und da sah man einen einzelnen Felsblock liegen. Sie hatten aus Berechnung sich hinter einen solchen Block niedergesetzt, hinter dessen Ecke hervor sie südwärts blicken konnten, wo das Pueblo lag. jemand, der von dorther kam, konnte sie und auch ihre Pferde nicht sehen.

Sie hatten noch nicht lange dagesessen, so deutete Winnetou nach rechts hinüber und rief überrascht aus:

»Teshi, tlao tchate!«

Diese drei Worte der Apachensprache bedeuten: »Schau, viel Rehe,« oder »schau, ein Rudel Rehe!« Es sind aber nicht wirkliche Rehe gemeint, sondern eine Art der amerikanischen Antilope, welche in Arizona äußerst selten vorkommt.

Daher die Ueberraschung des Apachenhäuptlings. Wie gern hätten er und Old Shatterhand die Jagd auf diese schnellfüßigen Tiere aufgenommen, die einen sehr zarten Braten geben; aber die Aufgabe, welche sie heut zu lösen hatten, verbot es ihnen.

Das schöne Wild zog in reizenden, eleganten Sprüngen dem Winde entgegen, südwärts, wo es bald hinter dem Horizonte verschwand. Wird es gejagt, so pflegt es mit dem Winde davonzugehen, um den Verfolgern nicht nur aus den Augen, sondern auch aus der Nase zu kommen.

»Herrliches Wildpret!« sagte Old Shatterhand. »Kommt uns hier aber außerordentlich ungelegen.«

Er prüfte die Luft, welche aus Süden kam.

»Kann uns leicht die Feinde herbeiführen,« nickte Winnetou. »Das Rudel zieht grad nach dem Pueblo hin. Wenn es von dort gesehen wird, können wir bald rote Jäger hier haben, da die Luft von dorther weht.«

Sie nahmen nun den südlichen Horizont noch schärfer als bisher ins Auge. Es verging eine halbe Stunde und noch mehr, und nichts war zu sehen; die Antilopen schienen also nicht bemerkt worden zu sein. Da aber tauchten da, wohin die Augen gerichtet waren, mehrere kleine Punkte auf, welche sich schnell vergrößerten.

»Uff! Sie kommen!« sagte Winnetou., »Nun werden wir entdeckt!«

»Vielleicht doch nicht,« meinte Old Shatterhand. »Es ist möglich, daß wir uns verbergen können. Reiten sie nicht geteilt, sondern in einem Trupp vorüber, so kommen sie nur an einer Seite vorbei, und wir können uns auf die andre hinübermachen. Wollen sehen!«

Sie standen auf und nahmen ihre Pferde kurz bei den Zügeln.

Ja, die Antilopen waren bemerkt worden; sie kamen zurück, und hinter ihnen sah man vier Reiter, welche ihre Pferde zur äußersten Anstrengung antrieben.

»Nur vier!« sagte Winnetou. »Wäre doch der Häuptling dabei!«

Schnell nahm Old Shatterhand sein Fernrohr aus der Tasche und richtete es auf die Reiter.

»Er ist dabei,« meldete er. »Er reitet das schnellste Pferd und ist der vorderste.«

»Das ist gut!« rief der Apache, indem seine Augen leuchteten. »Nehmen wir ihn?«

»Ja. Und natürlich nicht ihn allein, sondern die drei andern auch.«

»Uff!«

Indem er dieses Wort ausrief, sprang er in den Sattel und nahm seine Silberbüchse zur Hand. In demselben Augenblicke saß auch Old Shatterhand schon auf seinem Pferde und hielt den Henrystutzen bereit. Das war so schnell gegangen, daß von dem Augenblicke, in welchem die zurückkehrenden Antilopen gesehen wurden, bis jetzt kaum eine Minute vergangen war. Da kam das flüchtige Wild herangeflogen und jagte in der Entfernung von vielleicht tausend Schritten vorüber. Die vier Indianer waren noch zurück; man hörte ihre scharfen Schreie, mit denen sie ihre Pferde antrieben.

»Jetzt!« rief Winnetou.

Zugleich mit diesem Worte schoß er hinter dem Felsen hervor, Old Shatterhand dicht neben ihm, den Indianern schräg entgegen. Diese stutzten, als sie so plötzlich zwei Reiter erblickten, die sich ihnen in den Weg warfen.

»Halt!« rief ihnen Old Shatterhand zu, indem er seinen Rappen parierte und der Apache dasselbe that. »Wo will Ka Maku mit seinen Kriegern hin?«

Es wurde den Indianern schwer, ihre Pferde im schnellsten Laufe anzuhalten; sie thaten es; aber der Häuptling schrie zornig:

»Was haltet ihr uns auf! Nun ist das Fleisch für uns verloren!«

»Ihr hättet es überhaupt nicht bekommen. Jagt man denn die flüchtige Gazelle wie einen langsamen Prairiewolf? Wißt ihr nicht, daß man ihr Fleisch nur dann erlangt, wenn es gelingt, sie einzuschließen, so daß sie trotz ihrer Flüchtigkeit keinen Ausweg findet?«

Erst jetzt war es den vier Roten gelungen, ihre aufgeregten Pferde zur Ruhe zu bringen, und nun konnten sie die beiden Störenfriede genauer betrachten.

»Uff!« rief da der Häuptling aus. »Old Shatterhand, der große, weiße Jäger!«

»So kennst du mich noch? Kennst du auch den Krieger hier neben mir?«

»Winnetou, der berühmte Häuptling der Apachen!«

»Ja, wir sind es; du täuschest dich nicht. Steig ab mit deinen Leuten, und folge uns dorthin in den Schatten des Felsens, hinter dem wir ruhten, als wir euch kommen sahen.«

»Warum sollen wir denn dorthin gehen?« fragte jetzt Ka Maku.

»Wir haben mit euch zu sprechen.«

»Kann das nicht auch hier geschehen?«

»Gewiß; die Sonne scheint uns noch zu warm; dort aber gibt es Schatten.«

»Wollen meine beiden berühmten Brüder nicht mit mir nach dem Pueblo kommen, wo sie mir alles ebensogut sagen können, was sie mir hier mitteilen wollen?«

»Ja, wir werden mit dir nach dem Pueblo reiten; vorher aber sollst du die Pfeife des Friedens mit uns rauchen.«

»Ist das nötig? Ich habe sie doch schon längst mit euch geraucht.«

»Damals gab es Frieden in dieser Gegend; jetzt aber ist das Schlachtbeil ausgegraben; darum trauen wir nur dem, welcher bereit ist, das Calumet mit uns zu teilen; hingegen, wer sich dessen weigert, den betrachten wir als unsern Feind. Also entscheidet euch; aber schnell!«