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Der Oelprinz

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Das war dem Oelprinzen natürlich lieb. Er hoffte zu entkommen, das war dann mit der Anweisung natürlich weit besser, als ohne dieselbe.

Mittlerweile war der Tag so weit vorgeschritten, daß es am See schon dunkel zu werden begann. Die Indianer wären hier über Nacht geblieben, doch trieb sie der Oelgeruch davon. Die Gefangenen wurden auf ihre Pferde gefesselt; dann ritten sie davon, durch die Schlucht zurück und dann ein Stück in den Wald hinein, wo es Wasser gab. Hier saßen sie ab, banden die Gefangenen an drei Bäume und trafen ihre Vorbereitungen zum Lagern. Sie schienen sich an dieser Stelle vollständig sicher zu fühlen; aber hätten sie gewußt, was hinter ihnen geschah, so wären sie gewiß so weit wie möglich fortgeritten.

Mokaschi nämlich, der Häuptling der Nijoras, war, als die fünf Weißen ihn verlassen hatten, so vorsichtig gewesen, die Spuren der

Navajokundschafter noch einmal genauer zu untersuchen. Er hatte vorher schon gesehen, daß außer den zwei Ermordeten noch ein dritter dagewesen war; nun wollte er wissen, wo dieser hingekommen war.

Nach längerem Suchen fand er die Fährte; sie führte auf einem Umwege auf die Spur der Bleichgesichter und dann hinter denselben her.

»Dieser Navajo will sich an den Mördern rächen. Er folgt ihnen; daraus ist zu schließen, daß der Kriegertrupp, zu welchem er gehört, sich in derselben Richtung befindet. Wir werden ihm nachreiten und diese Navajos gefangen nehmen.«

So sagte der Häuptling und ritt zunächst in die gerade entgegengesetzte Richtung, bis er eine tief versteckte Lichtung im Walde erreichte, wo ungefähr dreißig Nijorakrieger lagerten, Das waren die Kundschafter, welche dem eigentlichen großen Kriegertruppe voranritten. Mit diesen Leuten kehrte er zu der Fährte der Weißen und des Navajo zurück und folgte derselben. Dabei gebrauchte er die Vorsicht, einen einzelnen seiner Leute weit vorauszusenden.

Sie kamen bis in die Nähe der Schlucht, welche auf den Oelsee mündete. Dort versteckten sie sich. Nach kurzer Zeit sahen sie den Navajokundschafter aus der Schlucht kommen und eiligst fortspringen. Einer der Nijoras machte eine Bewegung, als ob er auf ihn schießen wolle; der Häuptling machte eine abwehrende Handbewegung und flüsterte ihm zu:

»Laß ihn laufen! Er wird bald wiederkommen und andre Navajos mitbringen. Die fangen wir dann.«

Schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit zeigte es sich, daß er ganz richtig vermutet hatte, denn der Kundschafter kehrte mit sieben andern zurück, mit denen er in die Schlucht hineinritt. Sie wollten am Ende derselben von den Pferden steigen und die Weißen überfallen.

Die Nijoras warteten. Mokaschi wunderte sich nicht wenig, als er die Navajos dann mit nur drei Weißen aus der Schlucht kommen sah. Er hatte sie in dem Augenblicke, an welchem er sie aus derselben herauskommen sah, überfallen wollen, gab aber seinen Leuten nun einen Wink, noch versteckt zu bleiben. Er wollte erst sehen, warum zwei Weiße fehlten. Darum ließ er die Feinde fort und ging dann mit noch einigen seiner Leute durch die Schlucht nach dem »finstern Wasser«. Sie suchten so schnell, aber auch so vorsichtig wie möglich den ganzen Rand desselben ab, doch ohne eine Spur der fehlenden Bleichgesichter zu entdecken.

»Fort können sie nicht sein,« sagte Mokaschi. »Sie leben nicht mehr, und da wir ihre Leichen nicht sehen, sind sie gewiß in das Wasser geworfen worden.«

Er verließ mit seinen Begleitern den See und kehrte zu dem Verstecke der andern zurück. Dort blieben die Pferde unter der Aufsicht von zwei Wächtern zurück; mit den übrigen achtundzwanzig Männern machte er sich zu Fuße hinter den Navajos her. Diese waren jedenfalls nicht weit entfernt, da der Abend hereinzubrechen begann, und also anzunehmen war, daß sie bald lagern würden.

Es war gerade noch so hell, daß man ihre Spuren erkennen konnte; sie führten in den Wald hinein, wo sie dann nicht mehr zu sehen waren. Mokaschi ließ sich dadurch nicht stören. Um die Gesuchten zu finden, brauchte er nur die bisherige Richtung einzuhalten.

Es dauerte auch gar nicht lange, so bemerkte er erst einen Brandgeruch und gleich darauf den Schein eines kleinen indianischen Lagerfeuers. Er blieb halten und flüsterte seinen Leuten zu:

»Diese Navajos sind keine Krieger, sondern junge Knaben, welche keinen Verstand besitzen. Welcher Kundschafter brennt des Nachts ein Feuer an! Meine Brüder mögen sie umzingeln und, sobald ich den Kriegsruf hören lasse, sich auf sie werfen. Wir müssen sie lebendig haben, um sie an den Marterpfahl binden zu können.«

Die Nijoras huschten wie unhörbare Schatten unter den Bäumen hin. Mokaschi schlich sich möglichst nahe zum Feuer heran und nahm sich einen Navajo ins Auge, den er fassen wollte. Als er sich nach einigen Minuten sagen konnte, daß seine Leute bereit seien, stieß er den bekannten, schrill durch den Wald schneidenden Ruf aus und sprang mitten unter die Navajos hinein, um den Betreffenden zu packen. In demselben Augenblicke wiederholten seine Krieger das Kriegsgeschrei und warfen sich von allen Seiten auf die Feinde, welche eine solche Ueberrumpelung für ganz unmöglich gehalten hatten und so überrascht, so erschrocken waren, daß sie für den Augenblick gar nicht an Widerstand dachten. Sie wurden überwältigt, ohne daß auch nur einer von ihnen Zeit fand, nach dem Messer, Gewehre oder Tomahawk zu greifen.

»Gott sei Dank!« raunte der Oelprinz seinen beiden Gefährten zu. »Wir sind nun gerettet!«

»Oder nicht!« antwortete Poller.

»O, gewiß. Mokaschi hat uns ja schon einmal fortreiten lassen. Aus welchem Grunde sollte er uns jetzt festhalten?«

»Aus gar keinem. Diese roten Halunken fragen eben gar nicht nach Gründen.«

»Wartet es ab! Ihr werdet sehen, daß ich recht habe.«

Niemand hatte auf dieses kurze, leise Gespräch geachtet. Die Navajos lagen gebunden auf der Erde; die Nijoras teilten sich in ihre Waffen. Mokaschi stand hoch aufgerichtet am Feuer und gebot:

»Die Söhne der Navajos mögen mir sagen, welcher von ihnen ihr Anführer ist!«

»Ich bin es,« antwortete der älteste.

»Wie ist dein Name?«

»Ich werde das “schnelle Roß” genannt.«

»Dieser Name mag zutreffend sein. Auf der Flucht vor dem Feinde wirst du noch schneller als der Mustang der Prairie sein.«

»Mokaschi, der Häuptling der Nijoras, lügt. Noch niemals hat ein Feind meinen Rücken zu sehen bekommen!«

»Du nennst meinen Namen; also kennst du mich?«

»Ja, ich habe dich gesehen. Du bist ein kluger und tapferer Krieger. Ich wollte, daß ich mit dir kämpfen dürfte. Dein Skalp würde dann an meinem Gürtel hangen.«

»Meinen Skalp wird nie ein Feind besitzen, am allerwenigsten einer, wie du bist. Hat der große Geist euch denn ohne Gehirn erschaffen? Wißt ihr nicht, daß die Späher der Nijoras ebenso gegen euch unterwegs sind, wie ihr gegen sie? Welcher Kundschaftet geht durch den Wald und über das Gras, ohne sich nach den Spuren seiner Feinde umzusehen? Ein kluger Späher trachtet vor allen Dingen darnach, verborgen zu bleiben; ihr aber brennt ein Feuer an, als ob es euch gerade darauf ankomme, uns herbeizulocken! Ihr werdet freilich nie wieder Gelegenheit haben, solche Fehler zu begehen, denn ihr werdet am Pfahle sterben und vorher so gemartert werden, daß vor Schmerzen eure Stimmen über alle Berge schallen.«

Da antwortete das »schnelle Roß«:

»Martert uns! Wir werden als Krieger sterben, keinen Laut hören lassen und mit keiner Wimper zucken. Die Krieger der Navajos haben gelernt, die größten Schmerzen zu verachten. Was werdet ihr mit diesen Weißen thun?«

Als der Oelprinz diese Frage hörte, antwortete er:

»Mokaschi, der edle und berühmte Häuptling, wird uns freilassen.«

Aber dieser edle und berühmte Häuptling fuhr ihn an:

»Hund! Wer wurde gefragt, ich oder du? Wie kannst du es wagen, vor mir zu reden, noch ehe ich den Mund geöffnet habe!«

»Weil ich weiß, daß du das thun wirst, was ich gesagt habe.«

»Was ich thun werde, wirst du bald erfahren. Einmal habe ich euch ziehen lassen, um euch zu zeigen, daß ich euch verachte; zweimal aber kann dies nicht geschehen. Ihr waret fünf Bleichgesichter. Wo sind die zwei, welche fehlen?«

»Tot,« antwortete Grinley bedeutend kleinlauter als vorher.

»Tot? Wer hat sie getötet?«

»Wir.«

»Warum?«

»Weil wir bemerkten, daß sie uns nach dem Leben trachteten. Sie wollten uns heimlich ermorden.«

Mokaschi zog die Brauen erstaunt empor und rief aus:

»Uff! Euch heimlich ermorden? Diese Leute! Wer hat euch diese Lüge gesagt?«

»Es ist keine Lüge, sondern Wahrheit. Sie sprachen miteinander, als sie glaubten, daß wir es nicht hörten; aber ich belauschte sie.«

»Hund, das ist eine Lüge! Ich habe die Augen, die Gesichter dieser zwei Männer genau betrachtet; sie waren gute und ehrliche Menschen; ihr aber seid Mörder und Diebe, die man ausrotten muß wie wilde und giftige Tiere. Wo befinden sich ihre Leichen? Ich habe sie nicht gesehen.«

»Im Wasser.«

»Auch sah ich keine Spur von Blut. Also habt ihr sie nicht vorher getötet, ehe sie in das Wasser geworfen wurden?«

»Nein.«

»So sind sie ersäuft worden?«

»Ja.«

Es kostete dem Oelprinzen große Anstrengung, dieses ja auszusprechen. Die Wirkung zeigte sich sofort: Der Häuptling versetzte ihm einen Fußtritt, spie ihm ins Gesicht und rief:

»Ungeheuer, du scheußliches! Du bist kein Mensch, sondern ein Ungeziefer, und sollst eines Todes sterben, welcher deiner würdig ist. Seine Gefährten, die ihn nicht beleidigt haben, nicht nur zu erschlagen, sondern sogar zu ersäufen! Du bist hinterrücks über sie hergefallen, wie du auch Khasti-tine heimtückisch ermordet hast!«

Als das »schnelle Roß« dies hörte, richtete er sich auf, soweit seine Fesseln dies erlaubten, und sagte:

»Welche Worte hat Mokaschi da gesprochen? Wer hat Khasti-tine ermordet?«

 

»Dieses Bleichgesicht, welches wagt, zu glauben, daß ich es freilassen werde.«

»Uff! Der Elende sagte, die beiden Ersäuften seien die Mörder.«

»Lüge! Er selbst hat sich gegen mich gerühmt, die beiden Späher der Navajos getötet zu haben. Der feige Schurke bebt nun vor Angst und schiebt die Schuld den zwei ehrlichen Männern zu, welche er ermordet hat. Diese zwei erschossenen Späher und die beiden ermordeten Bleichgesichter sollen fürchterlich gerächt werden, obgleich keiner von ihnen zu meinem Stamme gehört hat. Seht diese drei weißen Mörder vor euch liegen, ihr roten Krieger, sie werden Qualen erleiden müssen, ohne sterben zu können, und dann am Ende ersäuft werden, wie sie ihre Opfer auch ersäuft haben. Howgh; ich habe es gesagt!«

Er spie dem Oelprinzen nochmals in das Gesicht, gab Buttler und Poller je einen sehr kräftigen Fußtritt und wendete sich dann von ihnen ab.

Es wurde ein Bote fortgeschickt, welcher die Pferde holen mußte; als diese kamen, wurde getrocknetes Fleisch aus den Satteltaschen genommen und das Mahl gehalten. Die gefangenen Navajos bekamen auch zu essen; die drei Weißen aber erhielten keinen Bissen.

»Verteufelte Geschichte!« flüsterte Buttler seinem Stiefbruder zu. »Dieses Ersäufen bricht uns den Hals. Es wäre doch vielleicht besser gewesen, die Wahrheit zu sagen.«

»Nein,« antwortete der Oelprinz. »Die roten Kerls hätten den Bankier und den Deutschen befreit, ohne daß unsre Lage dadurch verbessert worden wäre. Vor allen Dingen wären wir um die Anweisung gekommen.«

»Pshaw! Was nützt sie uns, wenn wir am Marterpfahle braten!«

»So weit ist es noch nicht.«

»Wird aber so weit kommen! Hast ja gehört, was der Häuptling sagte!«

»Gesagt wird manches, was dann doch nicht zur Ausführung kommt.«

»So hast du noch Hoffnung?«

»Natürlich! Befinde mich nicht zum erstenmal in einer solchen Klemme; bin immer mit einem blauen Auge davongekommen. Und selbst wenn ich an den Marterpfahl gebunden werde, halte ich noch immer die Hoffnung fest, bis sie mir den Todesstoß versetzen. Es hat, wie du weißt, schon mancher am Pfahle gehangen und ist doch gerettet worden.«

»Der hatte Freunde, die ihn befreiten; wen aber haben wir?«

»Hm!«

»Keinen Menschen, welcher um unsertwillen wagen würde, hier mit den Roten anzubinden. Wenn die Befreiung nicht uns selbst gelingt, so sind wir verloren.«

Er hatte nur zu recht. Wenn sie es wert gewesen wären, Freunde zu besitzen, so hätten sie jetzt die Hilfe aus der Not viel, viel näher gehabt, als sie glauben oder auch nur ahnen konnten. Es waren Helfer da, nämlich Old Shatterhand und Winnetou.

Diese beiden Männer waren seit dem Augenblicke, an welchem sie nach ihrem Zusammentreffen den Oelprinzen mit seinen Begleitern belauscht hatten, entschlossen gewesen, diesen fünf Männern nach dem Gloomy-water zu folgen. Dadurch aber, daß sie vorher nach dem Pueblo mußten, um die dortigen Gefangenen zu befreien, hatte Grinley einen Vorsprung von zwei Tagereisen bekommen. Eine dieser Tagereisen war diesem freilich dadurch verloren gegangen, daß er Buttler und Poller nach dem See vorausgeschickt hatte und einen ganzen Tag lang liegen geblieben war. Und die zweite Tagereise wurde beinahe dadurch wieder eingebracht, daß Winnetou und Old Shatterhand die besten Pferde der Puebloindianer mitgenommen hatten; der Ritt ging also schneller als sonst von statten. Ueberdies folgte man keineswegs den Spuren des Oelprinzen; Winnetou wußte einen Weg, welcher mit Umgehung verschiedener Terrainschwierigkeiten rascher an das Ziel führte, und so kam es, daß der Reitertrupp heute kurz vor Abend höchstens noch zwei Stunden zu reiten hatte, um den See zu erreichen. Das war eine Leistung, welche um so mehr anerkannt zu werden verdiente, als sich ja Frauen und Kinder dabei befanden.

Seit dem Pueblo bis hierher war man auf keine einzige Fährte getroffen. Jetzt aber vereinigten sich die Richtungen Old Shatterhands und des Oelprinzen. Da verstand es sich ganz von selbst, daß der erstere auf die Spur des letzteren treffen mußte. Dies geschah an einer Stelle, wo sie über eine Lichtung führte, welche mehr eine Waldwiese als eine Prairie zu nennen war. Man sah sie als ziemlich breite und gerade Linie über dieselbe gehen. Der Zug hielt an. Winnetou und Old Shatterhand stiegen von ihren Pferden, um diese Fährte anzusehen. Die andern blieben im Sattel sitzen; sie waren gewohnt, den beiden ebenso berühmten wie scharfsinnigen Männern den Vortritt zu lassen. Selbst Sam Hawkens, so erfahren und listig wie er war, pflegte sich erst dann der Sache anzunehmen, wenn er von den beiden dazu aufgefordert wurde.

Die Spur schien sehr schwer zu lesen zu sein, denn Old Shatterhand folgte ihr vorwärts, Winnetou schritt sie rückwärts ab, und es verging beinahe eine Viertelstunde, ehe sie wieder um- und zueinander zurückkehrten. Sie stießen gerade da, wo die Reiter hielten, wieder zusammen, so daß also die andern hörten, was sie sich mitzuteilen hatten.

»Was sagt mein roter Bruder zu dieser Spur?« fragte Old Shatterhand seinen Freund. »Ich habe noch selten eine Fährte gefunden, welche so schwer zu verstehen ist.«

Winnetou blickte gerade vor sich hin, in die Luft hinein, als ob die Erklärung dort zu lesen sei, und antwortete mit der ihm eigenen Bestimmtheit, der man es stets anhörte, daß jede Täuschung ausgeschlossen sei:

»Wir werden morgen dreierlei Menschen sehen- Bleichgesichter und Krieger von zwei roten Nationen.«

»Ja, das meine ich auch. Die Roten werden Navajos und Nijoras sein. Diese drei Parteien befinden sich in diesem Augenblicke am Gloomy-water, um einander zu beschleichen.«

»Mein weißer Bruder hat das richtige erraten, wie immer und stets. Erst sind hier fünf Pferde geritten; das waren die Bleichgesichter, denen wir folgen. Dann kam ein einzelner Reiter und später folgte ein Trupp, welcher wohl aus dreimal zehn Männern bestehen kann.«

Nach diesen Worten blickte er nach Westen, um sich über den Stand der Sonne zu unterrichten, und fuhr dann fort:

»Es wäre wohl vorteilhaft, noch heute das Gloomy-water zu erreichen; aber die Zeit ist zu kurz und die Gefahr dabei zu groß. Was sagt Old Shatterhand dazu?«

»Ich gebe dir recht. Ehe wir am Wasser ankämen, würde es Nacht sein, also zu spät, um noch etwas vornehmen zu können. Wir würden nichts sehen, dafür aber im Gegenteile von den Feinden bemerkt werden. Und schließlich ist zu bedenken, daß unser Trupp nicht nur aus Kriegern oder Männern zusammengesetzt ist.«

»Sehr richtig! Wir können erst morgen früh, wenn es hell geworden ist, an das Wasser und werden also baldigst Lager machen.«

»Wo?«

»Winnetou kennt einen Ort, welcher eine Stunde vom Gloomy-water entfernt ist. Dort kann man sogar ein Feuer anbrennen, welches weder gesehen noch gerochen werden kann. Meine Brüder mögen mir dorthin folgen!«

Damit war für ihn die Sache entschieden und geordnet; er ritt weiter, ohne sich umzusehen, ob die andern ihm auch folgten. Old Shatterhand aber blieb halten, denn er sah mit leisem Lächeln, daß die Westmänner jetzt von den Pferden stiegen, um nun auch ihrerseits die Fährte zu untersuchen. Es war jenes gutmütig-überlegene Lächeln, mit welchem zum Beispiel ein Klaviervirtuos die »berühmten« Klosterglocken oder das ebenso bekannte Gebet einer Jungfrau spielen hört.

Sie suchten hin und her, teilten sich leise ihre Meinungen mit und schienen nicht einig werden zu können. Da mahnte Old Shatterhand endlich:

»Macht, daß ihr fertig werdet, Mesch’schurs! Winnetou ist schon weit fort und wird soeben dort im Wald verschwinden.«

»Ja, Sir,« antwortete Sam Hawkens, indem er sich kratzte, »ihr beide habt gut reden, ihr seid Meister;

unsereiner aber wird aus der Sache nicht so schnell klug wie ihr, wenn ich mich nicht irre.«

»Was ist denn noch Unklares dabei?«

»Das von den zwei roten Parteien.«

»Das ist doch sehr leicht zu ersehen.«

»Finde es nicht so leicht. Zuerst gab es fünf Reiter; das war natürlich der Oelprinz mit seinen Leuten. Zuletzt kamen ungefähr dreißig Pferde; die wurden von Indianern geritten. Das ist die eine Partei. Nicht?«

»Ja.«

»Und die andre Partei?«

»Ist der einzelne Indianer, welcher den Weißen gefolgt ist.«

»Kann der nicht zu den dreißig Roten gehören?«

»Nein.«

»Er kann doch von ihnen vorausgeschickt worden sein.«

»Nein, denn in diesem Falle wäre er zu ihnen zurückgekehrt, um ihnen Nachricht zu bringen, was aber nicht geschehen ist. Wir wissen, daß der Tomahawk des Kampfes ausgegraben worden ist; wenn es in der hiesigen Gegend zum Streite kommt, so kann es nur zwischen den Nijoras und Navajos geschehen. Diese beiden Nationen senden vorher Kundschafter gegeneinander aus. Die dreißig Reiter, welche hier geritten sind, bilden einen Spähertrupp. Sie sind auf die Spur des einzelnen gestoßen, welcher sie dann folgten, um über seine Kameraden herzufallen.«

»Kameraden? Sollte er welche haben?«

»Das versteht sich ganz von selbst. Keine kriegführende rote Nation schickt einen einzelnen Mann auf Kundschaft aus; die Späher gehen in Trupps; er hat sich aus irgend einem Grunde von dem seinigen entfernt und kehrt jetzt zu ihm zurück. Sie verfolgen ihn.«

»Und gerade auf der Spur der Weißen?«

»Warum nicht? Das kann sowohl Zufall als auch Absicht sein. Kein Späher darf eine Fährte, welche er findet, unberücksichtigt lassen; er muß ihr so weit folgen, bis er sich über sie klar geworden ist. Ich möchte sogar so kühn sein, zu bestimmen, welchen Stämmen diese Kundschafter angehören.«

»Das kann ich ooch!« fiel da der Hobble-Frank eifrig ein.

»Wirklich?« fragte Old Shatterhand.

»Ja. Für unsereenen is es doch nich etwa schwer, zu beschtimmen, ob Herodot zu den Makkabäern oder Simson zu den Japanesen gehört hat.«

»Schön; dann mal los!«

»Na, die dreißig sind Nijoras gewesen; der eene aber war een Navajo. Wenn das nich wahr is, will ich nich der berühmte Hobble-Frank sein.«

»Und die Gründe zu dieser Annahme?«

»Die sind so klar wie meine Hutkrempe. Es ist doch erwiesen, daß die Navajos tapfer sind. Nich?«

»Ja.«

»Tapferer wohl als die Nijoras?«

»Möglich.«

»Na, was zeigt denn nu von größerer Tapferkeet? Wenn dreißig hier beisammen sind oder wenn een eenzelner sich ganz alleene in so eene gefährliche Gegend wagt?«

»Das letztere.«

»Also! Er hat mehr gewagt als die andern; darum is er een Navajo und die andern sind Nijoras. Is das die richtige Guitarre oder nich?«

»Auch ich bin überzeugt, daß er ein Navajo ist und die dreißig Nijoras sind, doch aus andern Gründen. Es gibt aber keine Zeit, dieselben auseinanderzusetzen. Man sieht Winnetou schon nicht mehr. Machen wir, daß wir ihn einholen!«

Die Westmänner stiegen wieder auf und ritten im Trabe weiter, bis sie den Apachen erreichten. Noch ehe die Sonne ganz verschwunden war, lenkte dieser links von der Fährte ab, in den Wald hinein, wo sie bald an eine Bodenvertiefung kamen, als ob hier ein Schacht, ein Stollen zusammengestürzt sei. Er zeigte hinab und sagte:

»Da unten werden wir lagern. Stellen wir hier oben eine Wache her, so dürfen wir unten ein Feuer anzünden, ohne daß ein Feind uns zu entdecken vermag.«

Es ging nicht sehr steil zur Tiefe, so daß die Pferde unschwer hinabgeführt werden konnten. Sie fanden an den Zweigen der dort stehenden Büsche genug Futter für die Nacht. Oben blieb ein Wächter stehen, und unten wurde ein Feuer angezündet, an welchem das Abendessen bereitet wurde.

Der Gegenstand des Gespräches war natürlich der morgende Tag, doch wurde dasselbe nicht lange fortgeführt, weil nach dem langen Ritte alle so ermüdet waren, daß sie sich sehr bald niederlegten. Ehe Old Shatterhand und Winnetou dies thaten, hatten sie noch eine kurze Verständigung. Der erstere sagte:

»Es ist möglich, daß es morgen zu einem Kampfe kommt, bei welchem wir die Frauen und Kinder nicht gefährden dürfen, auch möchte ich die Auswanderer nicht dabei haben. Sie sind unerfahren und würden uns nur hinderlich sein. Wollen wir sie nicht lieber hier zurücklassen? Der Ort ist sicher und eignet sich sehr gut zum Verstecke.«

»Für den Fall eines Kampfes hat mein Bruder recht. Aber wie nun, wenn wir das Gloomy-water schnell verlassen müssen? Vielleicht bleibt uns keine Zeit, hierher zurückzukehren und diese Leute zu holen.«

»Hm, ja! Es steht allerdings zu erwarten, daß wir uns beeilen müssen. Ich befürchte, daß die Indsmen die fünf Weißen gefangen nehmen.«

»Winnetou denkt, daß dies schon geschehen ist.«

»Dann müßten wir aber denn doch schnell hinterher sein, um dieselben zu befreien. Wären wir gezwungen, vorher hierher zurückzukehren, so würden wir eine kostbare Zeit versäumen. Aber es ist auch gefährlich, mit den Frauen und Kindern so stracks nach dem See zu gehen.«

 

»Es gibt nur ein Mittel, diese Gefahr zu vermeiden und doch nicht die Zeit zu versäumen.«

»Ich weiß es. Es muß einer von uns beiden sehr zeitig voranreiten, um die Gegend des “dunklen Wassers” auszuspähen.«

»So ist es, « nickte Winnetou.

»Wer soll es thun? Ich bin gern bereit dazu.«

»Nein; ich werde dies thun. Mein Bruder Old Shatterhand muß hier bleiben, weil er mit diesen Leuten besser verkehren kann als ich. Winnetou ist ein Krieger; er wird diese weißen Squaws und Babies beschützen, weil er es versprochen hat, aber ihnen mit Worten die Zeit zu vertreiben, dazu fehlt ihm das Geschick. Ich werde fortreiten, noch ehe es ganz Tag geworden ist. Mein Bruder mag mir dann mit den andern langsam nachkommen. Er braucht nur meiner Spur zu folgen, so wird er, falls Gefahr vorhanden ist, meine Warnungszeichen finden, oder ich komme auch selbst zurück.«

Dabei blieb es. Als Old Shatterhand am nächsten Morgen erwachte, war der Apache fort. Nach vielleicht einer Stunde wurde aufgebrochen. Die Westmänner untersuchten ihre Waffen, ob dieselben in gutem Zustande waren, doch hüteten sie sich wohl, den Auswanderern zu sagen, daß der heutige Ritt vielleicht ein gefährlicher sei; dieselben wurden nur angehalten, die tiefste Stille zu bewahren.

Winnetou hatte dafür gesorgt, daß seine Fährte leicht zu erkennen war. Man folgte derselben langsam, um ihm die zum Spähen erforderliche Zeit zu lassen, und hatte darum die Gegend des Sees erst nach fast zwei Stunden erreicht. Da sah man ihn geritten kommen.

»Alle Wetter, das ist kein gutes Zeichen!« sagte Sam Hawkens.

»Und ich denke grad das kongruente Gegenteel,« erklärte der Hobble-Frank. »Er wird uns sagen, wie die Sache schteht; da wissen wir nachher, woran wir sind mit dem neuen Klavier. Käme er nich, da würden unsre Köppe in ihren unklaren Dimensionen schtecken bleiben.«

»Nein. Stände es gut, so würde er am See auf uns warten.«

»Schtreite nur nich so, alter Waschbär! Wir werden gleich erfahren, was richtig is, ob Connewitz oder ob Schtötteritz.«

Jetzt war der Apache angekommen. Der Zug hielt an und Winnetou erklärte:

»Ich kehre nicht zurück, weil eine Gefahr vorhanden ist; sie ist vorüber; ich komme nur, weil es für mich jetzt nichts mehr zu thun gab. Meine Brüder mögen mir folgen!«

Als einige sich an ihn machten, um ihn auszufragen, sagte er:

»Winnetou wird an Ort und Stelle reden, aber nicht vorher.«

Man ritt weiter. Die Fährte derer, welche gestern hier geritten waren, war stellenweise noch ziemlich deutlich zu sehen; nur da, wo es steinigen Boden gab, bedurfte es eines Auges wie dasjenige des Apachen, sie noch zu erkennen. So wurde der Eingang der Schlucht erreicht, welche zum See führte. Da hielt Winnetou an und berichtete.

»Durch diese kurze Schlucht muß man reiten, um nach dem Gloomy-water zu gelangen. Winnetou hat erforscht, was gestern hier geschehen ist.«

Er deutete nach der Höhe des Berges und fuhr fort:

»Da oben haben sieben Kundschafter der Navajos kampiert. Der achte, welcher zu ihnen gehörte, ist der einzelne Reiter, dessen Spur wir gestern gesehen haben. Er ist hinter den Weißen her und hat, als sie sich am See befanden, seine sieben Krieger herbeigeholt, um sie zu überfallen.«

»Ist das geschehen?« fragte Hawkens.

»Ja. Die Weißen sind überwältigt worden. Aber inzwischen sind die dreißig Nijoras gekommen und haben sich hier hinter den Bäumen versteckt. Meine Brüder können die Spuren derselben noch ganz deutlich sehen. Sie haben gewartet, bis die Navajos mit den weißen Gefangenen vom See zurückkehrten und sind ihnen dann gefolgt.«

»Um sie zu überfallen?«

»Ja.«

»Warum thaten sie das nicht gleich hier? Diese Stelle ist wie geschaffen zu einem Ueberfalle.«

»Winnetou hat darüber nachgedacht, ohne aber die richtige Antwort zu finden. Vielleicht entdecken wir später den Grund, weshalb die Nijoras noch gewartet haben. Die Navajos sind mit ihren Gefangenen da links in den Wald hinein bis zu einer Stelle, an welcher es Wasser gibt. Dort lagerten sie sich und dort wurden sie von den Nijoras angegriffen.«

»Also hat es Kampf und Blut gegeben?«

»Von Blut hat mein Auge keinen Tropfen entdecken können und ein wirklicher Kampf hat auch nicht stattgefunden. Die Navajos sind so überrascht gewesen, daß sie wohl gebunden worden sind, ehe sie an Widerstand gedacht haben.«

»Pfui Schande!« rief da der Hobble-Frank aus. »Und ich habe diese Feiglinge tapfere Leute genannt! Wenn ich gewußt hätte, daß sie sich so mir nischt und dir ooch nischt bei den Haaren ergreifen lassen, da hätte ich ihnen eenen ganz andern Namen gegeben. Wer sich fangen läßt, ohne sich ooch nur zur Wehre zu setzen, der hat sich für alle Zeit um meine ganze konvexe Hochachtung gebracht!«

Winnetou beachtete diese in deutscher Sprache vorgebrachte Rede nicht; er fuhr in seiner Erklärung fort:

»Die Navajos und die Weißen befinden sich also in der Gewalt der Nijoras. Diese sind während der Nacht an derselben Stelle lagern geblieben und am Morgen mit ihren Gefangenen fortgeritten.«

»Wohin?« fragte Sam Hawkens.

»Das weiß ich nicht. Ich habe ihrer Spur nicht folgen können, weil ich ja auf euch warten mußte.«

»Wir müssen ihnen nach! Es handelt sich nicht um den Oelprinzen und die beiden Kerls, welche bei ihm sind.

Die mögen meinetwegen skalpiert werden. Aber der Bankier und sein Buchhalter müssen befreit werden. Mir ist nur eins unerklärlich: Am See gibt es doch Wasser und Futter genug für die Pferde. Warum sind die Roten nicht dort geblieben? Warum haben sie da im Walde gelagert, wenn ich mich nicht irre?«

Old Shatterhand hatte bis jetzt noch nichts gesagt, sondern seine Aufmerksamkeit neben den Erklärungen des Apachen auch dem seichten Abflußwässerchen zugewendet, welches aus der Schlucht gerieselt kam. Jetzt, bei Sams letzten Worten, deutete er auf dieses Wasser und antwortete:

»Mir scheint, daß hier die Erklärung fließt!«

»Wieso?«

»Riecht ihr denn nichts? Betrachtet doch das Wasser! Es schwimmen ölige Augen darauf.«

Jetzt blickten alle zu dem Bächlein nieder, sogen die Luft ein und fanden, daß dieselbe nach Petroleum roch.

»Hat mein Bruder etwa Oel im See gesehen?« fragte Old Shatterhand den Apachen.

»Ja,« nickte dieser.

»So hat der Oelprinz das ausgeführt, was wir belauschten. Reiten wir hinein. Ich muß sehen, wie es steht.«

»Aber dabei verlieren wir Zeit,« warf Sam Hawkens ein. »Wir wollen doch den Nijoras nach!«

»Die entgehen uns nicht. Die werden durch die Gefangenen aufgehalten. Wir holen sie jedenfalls noch rechtzeitig ein. Jetzt vor allen Dingen will ich das Gloomy-water sehen.«

Er lenkte sein Pferd nach der Schlucht und die andern folgten ihm. Der Petroleumgeruch wurde von Schritt zu Schritt stärker, bis sie den See vor sich liegen sahen. Der Anblick desselben wirkte so, daß alle ihre Augen wortlos auf die dunkle, unheimliche Fläche richteten. Nur bei einer Person war die Wirkung eine entgegengesetzte, nämlich bei Frau Rosalie Ebersbach. Als diese den See erblickte, stieß sie einen Ruf des Erstaunens aus, rutschte von ihrem Pferde herab, eilte an das Ufer, hielt einen Finger in das Wasser, besah und beroch denselben und rief aus:

»Dunner Sachsen, is das eene großartige Entdeckung! Herr Hobble-Frank, riechen Sie doch gleich ‘mal da an meinen Finger! Schpüren Sie, was das is?«

Sie hielt ihm den Finger unter die Nase. Er zog den Kopf zurück und antwortete.

»Lassen Sie mich mit Ihrem Spitz- und Zeigefinger in Ruhe! Den brauch’ ich nich, um zu erfahren, woran ich bin. Wenn ich ‘was riechen will, schtecke ich die Nase da in den See. Da habe ich die Petroleumwonne aus der erschten Hand.«

»Also Sie geben ooch zu, daß es Petroleum is?«

»Natürlich! Oder denken Sie etwa, daß ich es für Himbeerlikör halte? Da kennen Sie meine Nase schlecht; die is oft feiner, als ich selber bin.«

»Aber so eene Menge, so eene Menge!« rief sie, noch immer ganz fassungslos. »Ich hab’ freilich schon gehört, daß das Petroleum in Amerika aus der Erde geloofen kommt, hab’s aber nich gegloobt. Nu aber liegt’s vor meinen eegenen und leibhaftigen Oogen. Ich bleibe hier; ich bleibe hier; mich bringt keen Mensch von dieser Schtelle fort.«