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Der Oelprinz

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»So? Was wollen Sie denn da?«

»Ich fange eenen Petroleumhandel an. Da is ja een Geschäft zu machen, wie es gar nich größer sein kann. Hier kostet das Oel nich eenen Pfennig und drüben in Sachsen muß man fürs Liter beinahe zwee Groschen bezahlen. Es bleibt dabei: ich laß mich hier nieder und handle mit Petroleum!«

Sie schlug die Hände sehr energisch zusammen, ein Zeichen, daß dieser Entschluß ein unerschütterlicher sei. Frank antwortete lachend:

»Schön! Setzen Sie sich immer in den Besitz dieser schönen Gegend! Aber gleich schon am erschten Tage kommen die Indianer und roofen Ihnen die Haare alle eenzeln aus. Denken Sie denn, Sie können sich hier so gemütlich niederlassen wie derheeme off den Großvaterschtuhl oder off die Ofenbank? Handeln wollen Sie? Wer kooft Ihnen hier was ab? Wovon leben Sie? Und wonach riechen Sie? Wenn Sie nur drei Tage lang hier sitzen bleiben, hat Ihre ganze komparative Persönlichkeet eenen Duft angenommen, den Sie mit dem ganzen transatlantischen Ozean nich nunterwaschen können.«

Diese Warnung hatte den Erfolg, daß Frau Rosalie ein bedenkliches Gesicht machte und sich ihrem Manne zuwandte, um dessen Meinung zu hören. Die andern hatten sich indessen von ihrem Staunen erholt; sie knieten am Ufer, untersuchten das Oel und teilten sich in lauten Ausrufen ihre Bemerkungen mit. Am ruhigsten waren selbstverständlich Winnetou und Old Shatterhand. Sie hatten sich von den andern entfernt, um einen Gang um den See zu machen und die Ufer desselben genauer abzusuchen, als es vorher von dem Apachen hatte geschehen können.

Derjenige, auf welchen diese Petroleummasse den größten Eindruck machte, war der Kantor. Die andern waren schon längst von ihrem Staunen zurückgekommen, da stand er noch immer da und starrte mit weitgeöffneten Augen und ebenso offenstehendem Munde auf das Wasser. Als der Hobble-Frank dies bemerkte, trat er zu ihm, gab ihm einen Klaps auf den Rücken und sagte:

»Ihnen is wohl der ganze menschliche Verschtand schtehen geblieben? Fassen Sie sich! Nehmen Sie sich zusammen und erinnern Sie sich daran, daß so een See voll Kaffee viel besser schmecken würde, als seine jetzigen Inhaltsbeschtandteele! Wahrhaftig, Sie scheinen Ihre ganze Mutterschprache verloren zu haben! Wenn Sie nich reden können, so versuchen Sie wenigstens, einige Töne zu singen, Herr Kantor!«

Da kehrte dem musikalischen Herrn die Sprachfähigkeit zurück. Er holte tief, tief Atem und antwortete:

»Kantor emeritus, wenn ich bitten darf, Herr Franke! Ich fühle mich ganz grandios berührt. Es ist ein ganz unbeschreiblicher Anblick. Mich überkommt ein Gedanke, ein Gedanke, ebenso grandios und unbeschreiblich wie dieser See, sage ich Ihnen.«

»Welcher Gedanke, Herr Emeritikus?«

»Emeritus, lieber Freund. Sie haben eine Silbe zu viel.«

»Wie? Was? Eene Silbe hätte ich zu viel? Eene ganze Silbe? Wer Ihnen das weiß gemacht hat, der hat das A-B-C noch nich im Koppe. Ehe ich eene Silbe zu viel ausschpreche, gehn eher Sonne, Mond und Schterne zu Grunde. Ich habe mein Silbenmaß schtets bei mir; es is mir angeboren. Ich mach’s ganz so wie die Pflaumenhändler: ich laß eher eene weg, als daß ich eene zu viel gebe; darauf können Sie sich verlassen. Das wollte ich nur so nebenbei bemerkt haben. Die Hauptsache war der grandezziose Gedanke, der Ihnen gekommen is. Darf ich den erfahren?«

»Ja, Ihnen will ich ihn mitteilen, vorausgesetzt, daß Sie es nicht ausplaudern.«

»O, was das betrifft, so dürfen Sie meiner größten und verschwiegensten Dislokation versichert sein. Is dieser Gedanke so een großes Geheimnis?«

»Außerordentlich! Wenn ein andrer Komponist ihn erführe, er würde ihn sofort für sich verarbeiten. Sie wissen doch von meiner Heldenoper? Was?«

»Ja – – zwölf Akte.«

»So ist es, Und wissen Sie, was ich in dieser Oper bringen werde?«

»Natürlich weeß ich das.«

»Nun, was?«

»Musik werden Sie bringen.«

»Natürlich! Das ist ja selbstverständlich. Ich meine in Beziehung auf den Inhalt dieser Musik und auch betreffs der Scenerie, der Ausstattung.«

»Da muß ich sagen, daß ich mich zwar mit allen Wissenschaften beschäftigt habe, aber die musikalische Ausschtattung soll erscht noch drankommen. Also weiter! Was wollen Sie bringen?«

Der Kantor näherte seinen Mund dem Ohre Franks, hielt seine hohlen Hände wie ein Sprachrohr an dasselbe und flüsterte hinein:

»Einen solchen Petroleumsee werde ich bringen.«

Frank fuhr zurück und fragte:

»Etwa off die Bühne?«

»Jawohl, ganz selbstverständlich.«

»Herrjemineh, eenen Petroleumsee off die Bretter, welche die Erde bedeuten! Is das die Möglichkeet?«

»Nicht wahr, Sie staunen?« fragte der Emeritus triumphierend. »Da wird sogar Ben Akiba zu Schanden.«

»Ben Akiba? In wiefern der?«

»Er hat behauptet, es sei alles schon dagewesen; aber einen Petroleumsee auf der Bühne hat es noch nicht gegeben.«

»Das mit der Bühne mag richtig sein; das mit Ben Akiba aber is unbedingt falsch.«

»Wieso?«

»Es is eene Verwechslung identischer Persönlichkeeten. Wissen Sie, wer das gewesen is, der gesagt hat, es sei schon alles ‘mal dagewesen?«

»Eben dieser Ben Akiba.«

»Nee. Wenn Sie das sagen, da halten Sie die ungerade Fünfe vor eene gerade Neune. Das Wort, daß alles schon dagewesen is, hat Benjamin Franklin gesagt, als er den Blitzableiter erfand und nachher an eene Scheune kam, wo schon seit langer Zeit eener droff gewesen war. Ben Akiba war een ganz andrer Mann, een persischer Feldherr, und hat den griechischen Kaiser Granikus in der Seeschlacht bei Gideon und Ajalon besiegt.«

»Aber, lieber Herr Frank, Gideon und Ajalon, das kommt ja in der Bibel vor, im Buche der Richter, wo Josua – – —«

»Schweigen Sie ergebenst!« unterbrach ihn Frank in beleidigtem Tone. »Wo das vorkommt, das is meine Sache, aber nich die Ihrige. Reden Sie mir nich in meine Wissenschaft, wie ich Ihnen nich in die Ihrige rede. Ich lasse Ihnen doch ooch Ihren Willen. Ob Sie in Ihrer Oper eenen Petroleumsee bringen oder Ihre Oper hier im Petroleumsee, das is mir ganz egal; das können Sie machen, wie Sie wollen; den Ben Akiba aber nehme ich für mich in Anschpruch; der is mein; den laß ich mir nich von Ihnen komponieren!«

Er wendete sich entrüstet ab und schloß sich Droll, Sam, Dick Stone und Will Parker an, welche sahen, was Winnetou und Old Shatterhand thaten und nun auch zu suchen begannen. Der letztere bemerkte dies, kam eiligst herbei und bat:

»Nehmt euch in acht, Mesch’schurs, daß ihr mir die Spuren nicht verderbt! Was wollt ihr denn entdecken?«

»Wir wollen die Stelle suchen, an welcher die fünf Weißen überrumpelt worden sind,« antwortete Hawkens.

»Die könnt ihr nicht mehr entdecken. Die Spuren davon sind durch unsre Pferde ausgetreten worden; sie liegt da vorn in der Nähe des Einganges. Wir aber wollen etwas andres, etwas weit Wichtigeres entdecken.«

»Was, Sir?«

»Die Höhle, in welcher, wie ich euch ja erzählt habe, die Petroleumfässer versteckt gewesen sind.«

»Die wird doch wohl zu finden sein!«

»Nicht so leicht, wie ihr denkt. Die Kerls haben die Spuren außerordentlich gut ausgewischt.«

»Sollte man es denken! Eine Höhle, wo so viele Fässer aufbewahrt worden sind, muß groß sein und also einen weiten Eingang haben. Die Fässer sind herausgeschafft, an das Wasser gerollt und nachher, als sie leer waren, wieder hineingeschafft worden. Das muß doch Spuren geben!«

»Natürlich. Sie sind aber leider geradezu meisterhaft verwischt worden.«

»Laßt uns mit suchen, Sir! Dann wird sie sich schon finden.«

»Gut; aber verderbt mir nichts.«

Die sonst so scharfsinnigen Westmänner forschten das ganze Seethal durch; es verging Stunde um Stunde, ohne daß sie ihren Zweck erreichten. Winnetou, der unübertroffene Meister im Spüren, gab endlich alle Hoffnung auf und sagte zu Old Shatterhand:

»Mein weißer Bruder mag sich nicht mehr bemühen. Die Höhle kann wohl nur durch einen Zufall entdeckt werden.«

Aber Shatterhand war hartnäckiger. Er ärgerte sich.

Sollte es heißen, daß er nicht im stande gewesen sei, einen Ort zu finden, dessen Dasein vollständig erwiesen war? Er betrachtete es nachgerade als Ehrensache, seinen Zweck doch noch zu erreichen, und antwortete:

»Was der Zufall kann, müssen wir doch auch können. Wozu haben wir gelernt, zu denken?«

Er schloß die Augen, um sich durch nichts irre machen zu lassen, und stand eine Weile still und unbeweglich. Winnetou beobachtete ihn, sah, daß eine eigentümliche Bewegung über sein Gesicht ging und fragte —

»Mein Bruder hat den Weg gefunden?«

»Ja,« meinte Old Shatterhand, indem er die Augen wieder öffnete; »wenigstens hoffe ich es. Wenn ich mich nicht irre, so war es gar nicht schwierig, ja sogar sehr leicht, die Höhle zu finden. Die vollen Fässer waren schwer, und vierzig waren es. Wo vierzig Fässer hin und her gerollt werden, wird das Gras so fest niedergedrückt, daß es mit den Händen unmöglich aufgerichtet werden kann; es wird mehrere Tage liegen bleiben. Die Arbeit, welche hier geschehen ist, ist aber erst gestern, höchstens vorgestern verrichtet worden. Das Gras müßte also noch niederliegen. Gibt dies mein roter Bruder zu?«

»Old Shatterhand hat recht,« stimmte der Apache bei.

»Die Stelle muß also da liegen, wo es kein Gras gibt, kein Gras nämlich auf dem ganzen Wege vom Ufer nach dem Felsen, in welchem sich die Höhle befindet.«

»Uff, uff!« rief Winnetou aus, indem sein bronzenes Angesicht erglühte, vielleicht vor Freude, vielleicht aber auch vor Scham, nicht auch auf diesen Gedanken gekommen zu sein.

»Ferner,« fuhr Old Shatterhand fort, »beim Auslaufenlassen der Fässer ist unbedingt Oel verschüttet worden, auch muß der Rand des Ufers beschädigt worden sein. Beides müßte man sehen, wenn dieser Rand aus Rasen bestände. Besteht er aber aus Erde oder Gestein, so kann leicht nachgeholfen werden. Nun suche mein roter Bruder das ganze Ufer ab; er wird überall Gras und Rasen finden, zwei Stellen ausgenommen, die wir sofort untersuchen werden.«

 

Die eine dieser Stellen war nicht allzuweit vom Eingange des Thales entfernt. Dorthin gingen die beiden, gefolgt von den Westmännern, welche begierig waren, zu erfahren, ob der Scharfsinn Old Shatterhands auch dieses Mal das richtige getroffen hatte.

Ein vielleicht drei Ellen breiter, aus Schlammsand und Steingeröll bestehender grasloser Streifen zog sich da von dem Felsen nach dem Wasser hin. Der Jäger kniete in der Nähe des Ufers nieder und beroch den Boden.

»Gefunden!« rief er aus. »Hier riecht das Gestein nach Oel; es ist welches verschüttet worden.«

Er scharrte mit den Händen den Boden auf; die untere Schicht war voller Oel; man hatte, um dies zu verbergen, die obere darauf geworfen.

»Also hier sind die Fässer geleert worden,« sagte er. »Wurde dabei das Ufer beschädigt, so war es leicht und schnell ausgebessert, da es aus Geröll bestand. Ich wette mein Leben, daß dort, wo dieser Streifen an den Felsen stößt, die Höhle zu suchen ist. Laßt sehen!«

Er folgte dem Streifen, welcher am Felsen in einen hohen Geröllhaufen auslief; die andern kamen hüben und drüben nachgegangen. Er blieb vor dem Haufen stehen, betrachtete denselben nur einen Augenblick und erklärte dann:

»Ja, wir sind am Ziele. Hinter diesem Steinhaufen befindet sich die Höhle.«

Der Hobble-Frank wollte sich gern auch als berühmten Westmann aufspielen und fragte darum:

»Das sehen Sie mit diesem einen Blick, Herr Shatterhand?«

»Ja,« antwortete der Gefragte.

»Das müßte ich doch ooch erkennen können. Darf ich ‘mal hinschen?«

»Thun Sie es!«

Frank betrachtete den Haufen von allen Seiten, schien aber nichts zu finden.

»Nun?« fragte Old Shatterhand. »Was sehen Sie, lieber Frank?«

»Eenen Haufen, der so wie alle Haufen is; das heeßt een Schteenhaufen, der aus eenem Haufen von Schteenen beschteht.«

»Sehen Sie denn nur die Steine?«

»Ja, nur.«

»Weiter gar nichts?«

»Nich das Geringste.«

»Bedenken Sie, daß unter diesen Umständen der kleinste Gegenstand von der größten Bedeutung sein kann!«

»So, also nach eenem kleenen Gegenschtande soll ich suchen. Ich finde aber nischt.«

Auch die andern bei ihm Stehenden suchten gerade so vergeblich wie er. Nur der Apache ließ ein leises, befriedigendes »Uff!« vernehmen. Sein Auge war auf einen toten Laufkäfer gefallen, der halb unter einem Steine lag.

»Sonderbar!« lächelte Old Shatterhand. »Nur Winnetou sieht, was ich meine. Frank, sehen Sie denn den schwarzen Käfer nicht, dessen halber Leib da unter dem Steine hervorblickt?«

»Ja, den Käfer, den habe ich freilich schon längst entdeckt.«

»Nun, und – – —?«

»Nu – und –? Ja, was denn nu, und was denn und? Es is eben een Käfer, weiter nischt.«

»Weiter nichts? Sogar sehr viel, denn er sagt mir, daß wir bei der Höhle sind.«

»Wie? Der? Was kann der sagen? Selbst wenn er bei Lebzeiten eene verschtändliche Schprache besessen hätte, er is jetzt tot.«

»Ja, er ist tot. Woran mag er wohl gestorben sein?«

»Weeß ich’s? Vielleicht an Diphtheriteris oder Trommelfellentzündung.«

»Nehmen Sie ihn weg und betrachten Sie ihn!«

Frank mußte den Stein aufheben, um den Käfer wegnehmen zu können.

»Er is von dem Schteene zerquetscht worden,« erklärte er, indem er ihn betrachtete.

»Ganz richtig! Wie aber hat dies geschehen können? Hat sich das Tierchen etwa selbst unter den Stein gedrängt, so daß es von diesem zermalmt wurde?«

»Nee, dazu hätte das Käferchen die Kraft nich besessen. Der Schteen is off ihn droff geworfen worden.«

»Schön! Endlich haben Sie es! Wenn geworfen wird, ist jemand da, welcher wirft; das sehen Sie doch ein?«

»Ja, das sehe ich – – —«

Er hielt inne, besann sich einige Augenblicke, schlug sich dann mit der Hand an die Stirn und rief aus:

»Jetzt habe ich endlich den Ochsen bei den Hörnern erwischt! Jetzt begreife ich’s! Sollte man’s denken, daß so een gescheiter Kerl, wie ich bin, so riesenhaft dumm sein kann! Diese Schteene sind unter- und übereenander geworfen worden, wobei der Käfer sein irdisches Dasein verloren hat. Dieser aus eenern Haufen von Schteenen beschtehende Schteenhaufen is erscht weggeschafft und nachher wieder offgerichtet worden. Warum und wozu? Weil er den verschlossenen Eingang zu der Höhle bildet und —«

Hobble-Frank hielt wieder inne und horchte.

»Was gibt’s?« fragte Old Shatterhand.

»Ich habe ‘was gehört,« antwortete Frank.

»Wo? In der Höhle?«

»Ja.«

»Was?«

»Een Geräusch wie von eener unterirdischen Schtimme. Es klang so dumpf. Herr meine Güte, es wird doch nich etwa een Bär drin sein!«

»Schwerlich.«

»Es klang aber beinahe so!«

»Von einem Bären kann keine Rede sein. Wäre einer da, so wäre das Loch vorhanden, durch welches er ein und aus geht.«

»Das is eben gestern zugemacht worden.«

»Das würde er sich wohl verbeten haben,«

»Horchen Sie einmal! Ich hör’s schon wieder.«

Old Shatterhand kniete nieder und horchte. Kaum hatte er das gethan, so sprang er wieder auf und rief aus:

»Herr Gott, es sind Menschen drin! Sie rufen um Hilfe. Schafft die Steine weg, schnell, schnell!«

Sofort waren zehn und mehr Arme bereit, diesen Befehl auszuführen. Schon nach einigen Augenblicken kam das Loch zum Vorscheine.

»Ist da jemand drin?« fragte Old Shatterhand in englischer Sprache hinein.

»Yes,« antworteten zwei Stimmen zu gleicher Zeit.

»Wer seid ihr?«

»Ich heiße Rollins,«

»und ich Baumgarten,« erwiderten die beiden.

»Rollins und Baumgarten!« erklang es aus aller Munde. Das war eine große Ueberraschung; man hatte ja geglaubt, daß diese beiden mit von den Nijoras ergriffen worden seien, nachdem sie vorher von den Navajos gefangen genommen worden waren. Sie waren ganz glücklich, wieder Menschen zu hören und das Tageslicht zu erblicken, welches durch das sich immer mehr vergrößernde Loch zu ihnen drang. Doch war der Gedanke auch nicht ausgeschlossen, daß der Oelprinz mit Buttler und Poller sich draußen befand. Darum fragte der Bankier, wer vor der Höhle sei. Da antwortete der Hobble-Frank, das gern und stets bereite Kerlchen:

»Wir sind es, die Helfer in der Not: Old Shatterhand, Winnetou, Droll, Sam, Dick und Will. Und wer ich bin, das sollt ihr gleich sehen; ich komme hinein!«

Er zwängte sich durch das Loch, aus welchem ein Freudenruf erschallte. Nun dauerte es nicht lange mehr bis der ganze Steinhaufen entfernt war. Der Eingang besaß die Höhe eines Mannes von mittlerer Größe und war so breit, daß ein Petroleumfaß bequem hinein- oder herausgerollt werden konnte. Als die Retter eintreten wollten, rief Frank ihnen zu:

»Bleibt draußen! Wir kommen hinaus. Ich muß den armen Teufeln nur erst die Fesseln zerschneiden.«

Ja, sie kamen, leichenblaß und angegriffen von der ausgestandenen Angst, ebensosehr auch von dem Petroleumgeruche, welcher in der Höhle herrschte. Sie reichten denen, welche sie von Forners Rancho her kannten, die Hände und blickten dann mit hochachtungsvollen Blicken zu Winnetou und Old Shatterhand auf.

»Das ging um euer Leben, Mesch’schurs,« sagte der letztere. »Wir haben diese Höhle lange vergeblich gesucht und faßten schon den Entschluß, den See zu verlassen. Hätten wir dies gethan, wo wäre der Tod des langsamen Verschmachtens euer Los gewesen. Ihr habt natürlich Durst und Hunger?«

»Keins von beiden,« antwortete Baumgarten. »Danke Euch, Sir! Wir haben nicht an Essen und Trinken gedacht, sondern nur an den elenden Tod, der uns getroffen hätte, wenn ihr nicht gekommen wäret.«

»Habt ihr denn nicht gedacht, daß eure Bekannten hier euch folgen würden?«

»Wie konnten wir das? Wir glaubten sie ja noch im Pueblo gefangen. Ich darf euch wohl versichern, daß der Dank, den wir euch – – —«

»Still davon!« unterbrach ihn Old Shatterhand. »Hebt euern Dank für später auf! Jetzt möchte ich vor allen Dingen einiges erfahren, was wir wissen müssen, wenn wir nichts versäumen wollen. Hoffentlich seid ihr nicht so sehr angegriffen, daß ihr nicht antworten könnt?«

»O, nun wir uns wieder in freier Luft befinden, ist alles gut.«

»Schön! Ich habe das Nötige über euch schon erfahren und möchte nur nach dem fragen, was in den letzten Tagen mit euch geschehen ist. Uebrigens seid ihr mir nicht ganz unbekannt. Winnetou und ich haben euch schon gesehen.«

»Ah! Wann und wo?« erkundigte sich der Bankier.

»Einen Tagesritt hinter dem Pueblo, wo ihr des Abends am Bache saßet. Wir krochen unter den Bäumen so nahe zu euch hin, daß wir euer Gespräch hören konnten.«

»Good luck! So erfuhrt ihr wohl, daß es sich um einen Petroleumsee handelte?«

»Ja.«

»Und daß wir nach dem Gloomy-water wollten?«

»Wo es kein Petroleum gibt, ja, das hörten wir.«

»Ihr meintet, daß es hier keins geben könne? Warum ließet ihr euch da nicht sehen? Warum warntet ihr uns nicht?«

»Warum? Weil es sich fragt, ob ihr uns geglaubt hättet. Ihr seid ja auch schon vorher von andrer Seite gewarnt worden, ohne daß es gefruchtet hat. Uebrigens hatten wir keine Zeit, uns sogleich mit eurem famosen Oelprinzen abzugeben. Wir mußten nach dem Pueblo, um die Gefangenen zu befreien.«

»Das ist euch gelungen, Sir?«

»Wie ihr seht, ja.«

»Wer hat euch da geholfen? Ihr hattet noch andre bei euch, Westmänner, erfahrene Prairieleute?«

»Nein; wir waren allein.«

»Allein?« rief Rollins aus, indem er vor Erstaunen die Augen weit öffnete. »Ihr beide allein? Und da habt ihr die Gefangenen befreit?«

»Ja,« antwortete Old Shatterhand, innerlich belustigt über die ungeheure Verwunderung des Bankiers.

»Das ist aber doch gar nicht möglich! Zwei Männer! Niemand weiter dabei! Wie habt Ihr das nur angefangen, Sir?«

»Das laßt Euch später einmal erzählen, Mr. Rollins. Jetzt möchten wir von Euch erfahren, wie Ihr vom Pueblo entkommen seid und was dann bis jetzt geschehen ist. Setzt Euch nieder und erzählt!«

Die ganze Gesellschaft nahm im Grase Platz, und der Bankier berichtete über die Erlebnisse der letzten Tage. Man kann sich denken, in welcher Weise er sich schließlich über Grinley, Buttler und Poller aussprach; da fiel ihm aber Old Shatterhand in die Rede:

»Raisonniert nicht bloß über sie, sondern auch über euch, Sir! Ein solches Vertrauen, wie ihr diesen Kerls entgegengebracht habt, ist mir unbegreiflich. Und die – ich will sagen Harmlosigkeit, mit welcher ihr in die euch gestellte Falle gelaufen seid, ist mir recht unverständlich. Nehmt es mir nicht übel, aber ihr seid an dem, was euch betroffen hat, selber schuld. Ihr vertraut euch, beide allein, unerfahren und ohne allen Schutz, solchen Halunken an! Das ist stark!«

»Ich hielt Grinley für einen ehrlichen Menschen,« verteidigte sich Rollins kleinlaut.

»Pshaw! Dem spricht der Schurke doch gleich aus den Augen. Und wenn es sich um eine so hohe Summe, um ein solches Unternehmen handelt, trifft man doch ganz andre Vorbereitungen!«

»Das wollte er nicht. Es sollte alles heimlich betrieben werden.«

»Aha! Ist denn Mr. Baumgarten hier Sachverständiger in Beziehung auf Petroleum?«

»Nein.«

»Was seid ihr doch für Menschen! Ihr hättet doch wenigstens einen Fachmann mitnehmen müssen!«

»Grinley meinte, dies sei fürerst nicht nötig. Da das Petroleum offen auf dem Wasser schwimme, so bedürfe es nur eines Blickes, um mir zu beweisen, daß das Geschäft ein wahrhaft glänzendes für mich sei.«

»Und als ihr dann kamt und das schöne Oel so schwimmen saht, da waret ihr wohl ganz entzückt?«

»Natürlich! Ihr gebt doch zu, Sir, daß es hier ein ganz außerordentliches Placer für Oel ist?«

Old Shatterhand warf einen fast betroffenen Blick auf den Sprecher, ehe er antwortete:

»Es scheint, ihr wißt selbst jetzt noch nicht, woran ihr eigentlich seid. Ihr haltet diesen See für ein natürliches Oelbassin?«

»Allerdings. Darin hat Grinley die Wahrheit gesagt; aber nachdem er meine Anweisung in den Händen hatte, sind wir niedergeschlagen und eingesperrt worden, um zu Grunde zu gehen. Wahrscheinlich will er nun den See an einen zweiten verkaufen.«

»Habt ihr euch denn nicht in der Höhle umgeblickt?«

»Wie konnten wir das? Als wir aus unsrer Betäubung erwachten, war es finster um uns her. Aber es roch so gewaltig nach Petroleum, daß in der Höhle wahrscheinlich der eigentliche Quell des Petroleums zu suchen ist.«

»Das ist richtig; nur handelt es sich nicht um einen Quell, sondern um viele Quellen, welche aus hölzernen Dauben gefertigt sind.«

»Dauben? Ich verstehe Euch nicht.«

 

»Na, habt ihr euch denn auch jetzt nicht drin umgesehen?«

»Nein. Wir haben vor lauter Wonne für nichts andres Augen gehabt, als für das Loch, durch welches das Licht des Tages drang.«

»So geht einmal hinein und schaut, was ihr drin finden werdet! Ich bin zwar selbst noch nicht in der Höhle gewesen, glaube aber, ihren Inhalt gut zu kennen. Vorher aber möchte ich Euch fragen, ob Ihr denn, als Ihr hier ankamt, das Petroleum betrachtet habt?«

»Natürlich habe ich das gethan.«

»Und wie habt Ihr es gefunden?«

»Ausgezeichnet gradezu!«

»Ja, ich auch,« lachte Old Shatterhand. »Es hat gar nicht die Eigenschaften des Rohpetroleums, welches erst in Lampenöl, Schmieröl und Naphtha gespalten werden muß; es ist schon raffiniert. Ist Euch das nicht aufgefallen?«

»Nein. Wollt Ihr etwa sagen, daß es kein Rohpetroleum ist?«

»Ja, grad das meine ich.«

»Was sollte es denn sonst sein?«

»Diese Frage werdet Ihr Euch, wenn Ihr nochmals in der Höhle gewesen seid, wohl selbst beantworten. Wie lange glaubt Ihr wohl, daß das Oel sich hier im See befindet?«

»Wer kann das wissen? Wohl seit Jahrhunderten schon oder gar noch länger.«

»Wer das wissen kann? Ich zum Beispiel weiß es ganz genau. Von Jahrhunderten ist keine Rede. Da wäre die Quelle längt ausgebeutet worden.«

»Es hat sie niemand gekannt. Grinley ist der einzige Mensch, der jemals hier an diesem See gewesen ist.«

»Wenn das wahr ist, so bin ich kein Mensch, und Winnetou ist auch keiner; denn wir sind schon vor Jahren hier gewesen.«

»Ihr – – auch – —?« fragte Rollins verwundert. »Ihr wart hier? Und habt keinen Gebrauch von diesem Oelreichtum gemacht?«

»Nein.«

»Aber das begreife ich nicht, Sir! Warum denn nicht?«

»Weil noch kein Oel zu sehen war, kein einziger Tropfen, sage ich Euch.«

»So ist es erst später gekommen?«

»Ja, vorgestern.«

»Vor – ge – – stern?« wiederholte der Bankier dieses Wort. »Ich verstehe Euch wieder nicht, Sir.«

»Nicht? Na, da muß ich deutlicher werden. Ihr habt doch Augen und seht also die große Menge toter Fische schwimmen?«

»Natürlich.«

»Was mag wohl schuld an ihrem Tode sein?«

»Das Oel, ganz selbstverständlich. Kein Fisch kann im Petroleum leben.«

»Schön! Wie lange werden diese Tiere wohl tot sein?«

»Vielleicht zwei Tage, länger nicht, sonst wären sie mehr von der Verwesung ergriffen.«

»Und wo haben sie sich bei Lebzeiten befunden? Sind sie etwa hier unter den Bäumen herumspaziert?«

Da antwortete Rollins im Tone des Gekränktseins:

»Ich möchte doch bitten, zu bedenken, daß ich kein Knabe, sondern ein Mann bin. Ich bin auch nicht geistesschwach und weiß sehr wohl, daß diese Fische hier im See gelebt haben.«

»Sehr gut, Mr. Rollins! Jetzt habe ich Euch da, wohin ich Euch haben wollte. Die Fische sind seit zwei Tagen tot, haben also bis vorgestern hier im See gelebt. Im Petroleum können sie nicht leben. Seit wann also wird sich das Oel hier auf dem Wasser befinden?«

Erst jetzt ging dem Bankier das Licht auf, welches ihm angezündet werden sollte. Er sprang von seinem Sitze empor, starrte auf Old Shatterhand nieder, ließ seinen Blick auch über die andern schweifen, bewegte die Lippen, als ob er reden wolle, brachte aber kein einziges Wort hervor.

»Nun, Sir, wollt Ihr mir keine Antwort geben? Wenn es seit vorgestern hier eine Sorte von Petroleum gibt, welches in einer Raffinieranstalt künstlich gereinigt worden ist, so möchte man doch wohl fragen, wie dieser hochinteressante und unbegreifliche Fall zu erklären ist. Die Antwort werdet Ihr da in der Höhle finden. Geht hinein, Mr. Rollins.«

»Das werde ich; das werde ich!« rief der Bankier aus. »Es kommt mir ein Gedanke, der so außerordentlich ist, daß ich ihn gar nicht auszudenken vermag. Kommt mit, Mr. Baumgarten! Ihr seid bisher mein Gefährte gewesen und müßt auch jetzt, in diesem Augenblicke, bei mir sein.«

Er zog den Buchhalter von seinem Sitze empor und verschwand mit ihm in der Höhle. Die außerhalb derselben Befindlichen horchten. Es waren einige Rufe zu hören; dann vernahm man das Zusammenstoßen und Rollen von Fässern; hierauf stürzte der Bankier heraus und rief in großer Aufregung:

»Welch ein Schwindel! Welch ein raffinierter Betrug! Das Oel ist in diese Gegend transportiert worden, um mir mein Geld abzulocken!«

»Seht Ihr das nun ein?« fragte ihn Old Shatterhand. »Was habt Ihr denn in der Höhle gefunden?«

»Eine ganze Menge leerer Petroleumfässer.«

»Weiter nichts?«

»Einige Werkzeuge, weiter nichts. Es ist gar keine Quelle vorhanden!«

»So ist es, Sir. Gleich als ich die Kerls von dem Oele, welches hier gefunden worden sein sollte, sprechen hörte, war ich überzeugt, daß dies ein Schwindel sei. Buttler und Poller sind nicht vorausgeschickt worden, um die Sicherheit des Weges zu erforschen, sondern um die Fässer auslaufen zu lassen und sie dann wieder in der Höhle zu verbergen. Der Betrug ist mit vieler Mühe und von langer Hand vorbereitet worden, denn es will etwas sagen, so gegen vierzig schwere Oelfässer nach und nach hierher zu schaffen.«

»Sind aber auch gut bezahlt worden, hihihihi,« lachte Sam Hawkens. »Wollt Ihr das Oel ausschöpfen und wieder hineinfüllen, oder nur die leeren Fässer mitnehmen, Mr. Rollins?«

»Lacht mich nicht auch noch aus!« rief dieser. »Mein Geld, mein schönes, schönes Geld! Ich muß es unbedingt wieder haben. Ihr müßt mir dazu verhelfen, Mr. Shatterhand!«

»Einstweilen handelt es sich nicht um das Geld, sondern um die Anweisung,« antwortete der Jäger. »Meint Ihr, daß dieselbe in San Francisco wirklich honoriert wird?«

»Ganz gewiß, wenn es den Kerls gelingt, den Indianern zu entkommen und Frisco zu erreichen. Ihr machtet doch vorhin während meiner Erzählung die Bemerkung, daß sie von den Nijoras gefangen genommen worden seien?«

»So ist es. Erst wurden sie von den Navajos überfallen und dann mit diesen von den Nijoras ergriffen.«

»Wahrscheinlich haben diese die Weißen beraubt. Meint Ihr nicht, Sir?«

»Jedenfalls.«

»Und also dem Oelprinzen die Anweisung abgenommen? In diesem Falle würde sie wahrscheinlich nicht präsentiert.«

»Ich glaube auch, daß dies nicht geschehen würde, möchte aber behaupten, daß sie ihm den Zettel nicht nehmen. Es gibt ja Indianerstämme, welche in der Zivilisation so weit vorgeschritten sind, daß sie lesen und sogar schreiben können, zu diesen gehören aber die hiesigen Völker nicht. Der wilde Indianer hält jede Schrift für einen Zauber, mit dem er sich nicht befassen mag; darum ist es wahrscheinlich, daß die Nijoras dem Oelprinzen die Anweisung lassen. Gelingt es ihm, ihnen zu entkommen, so wird er ganz gewiß nach Frisco gehen und das Geld erheben.«

»So wäre es am besten, ihm zuvorzukommen. Was meint Ihr dazu, Sir, daß ich mich mit Mr. Baumgarten sofort nach San Francisco aufmache, um die dortige Bank zu verständigen? Wenn der Halunke dann kommt, wird er festgenommen.«

»Unter den jetzigen und hiesigen Verhältnissen werdet Ihr das am liebsten bleiben lassen. Ihr würdet nicht weit kommen. Es wäre übrigens auf keinen Fall nötig, die weite Reise nach San Francisco zu machen, sondern es genügte jedenfalls, nur nach Prescott zu gehen, die dortige Behörde zu verständigen und von da aus die betreffende Bank durch die Post unterrichten zu lassen.«

»Richtig, sehr richtig! Also gehen wir nach Prescott!«

»Nicht so eilig, Mr. Rollins 1 Von hier nach Prescott hättet Ihr wenigstens zehn Tage zu reiten, da die Entfernung in der Luftlinie ungefähr fünfzig geographische Meilen betragen wird. Und, was die Hauptsache ist, kennt Ihr denn den Weg?«

»Nein. Vielleicht hätte einer von euch, der ihn kennt, Lust, gegen eine gute Bezahlung mit uns zu gehen.«

»Es ist wohl keiner unter uns, der den Lohnführer machen würde. Es ist auch zu bedenken, daß der Weg nach Prescott durch Gegenden geht, welche bei den jetzigen Verhältnissen nicht nur unsicher, sondern sogar gefährlich genannt werden müssen. Drei Personen, ihr beide und ein Führer? Selbst wenn er ein tüchtiger Mann wäre, stände zu erwarten, daß ihr nicht lebendig an das Ziel gelangen würdet.«

»So soll ich also nichts thun, sondern mein Geld verlieren?«

Da trat Schi-So, der Navajojüngling, zu Old Shatterhand heran und sagte:

»Sir, werdet Ihr mir erlauben, die Frage zu beantworten, welche Mr. Rollins soeben ausgesprochen hat?«

»Thue es!« nickte der Jäger. Er nannte ihn »du«, weil er ein Freund seines Vaters war und ihn schon als Knaben gekannt hatte. Schi-So wendete sich an den Bankier und sagte in zuversichtlichem Tone: