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Der Oelprinz

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»Herr Franke klagte über Durst; darum kletterte ich hier herunter, um ihm heimlich eine Freude – – —«

»Schweigen Sie!« herrschte ihn der Jäger an und wendete sich von ihm ab.

Einige Indianer nahmen den Emeritus zwischen sich, denn er sollte nicht mit seinen Reisegefährten sprechen. Die Nijoras bildeten einen Kreis um die Gefangenen; ihr Häuptling stand mit den bedeutendsten Kriegern in demselben und ergriff nun das Wort, indem er sich an Winnetou wendete:

»Winnetou, der Häuptling der Apachen, ist gekommen, uns zu töten; er wird dafür am Marterpfahle sterben müssen.«

»Pshaw!«

Nur dieses eine Wort antwortete der Apache; dann setzte er sich nieder. Er war zu stolz, sich zu verteidigen. Der Häuptling zog die Brauen zornig zusammen und richtete sein Wort nun an Old Shatterhand:

»Die weißen Männer werden alle mit dem Apachen sterben müssen; das Kriegsbeil ist ausgegraben und sie haben uns töten wollen.«

»Wer hat das gesagt?« fragte Old Shatterhand.

»Dieser Mann.«

Dabei zeigte er auf den Kantor.

»Er spricht eine Sprache, welche du nicht verstehst; wie hast du da mit ihm reden können?«

Der Häuptling deutete auf Poller und antwortete:

»Durch diesen, welcher den Dolmetscher gemacht hat.«

»So ist der Dolmetscher ein Lügner und Fälscher gewesen. Du weißt, wer ich bin. Darf jemand Old Shatterhand einen Feind der roten Männer nennen?«

»Nein; aber jetzt ist der Kampf ausgebrochen, und ein jedes Bleichgesicht ist unser Feind.«

»Auch ohne euch beleidigt zu haben?«

»Ja.«

»Gut, so wissen wir, woran wir sind! Schau diese drei Bleichgesichter, welche du vor uns gefangen hast; sie sind Lügner, Betrüger, Diebe und Mörder. Nur um sie zu ergreifen, sind wir in diese Gegend gekommen, nicht um euch zu belästigen oder gar zu bekämpfen. Gib sie heraus, so ziehen wir weiter, ohne uns in eure Angelegenheiten zu mischen!«

»Uff! Ist Old Shatterhand plötzlich ein Kind geworden, daß es ihm in den Sinn kommt, ein solches Verlangen an uns zu stellen? Diese Bleichgesichter sollen wir ihm ausliefern? Sie gehören uns, sollen unsern Siegeszug schmücken und dann am Marterpfahle sterben. Dasselbe soll mit Old Shatterhand geschehen und allen, die jetzt mit ihm von uns ergriffen worden sind. Welcher Häuptling der roten Männer gibt solche Gefangenen heraus! Und wenn ich es thun wollte, würde Old Shatterhand noch viel mehr von uns verlangen.«

»Was?«

»Wir haben eure Pferde erbeutet und alles, was ihr bei euch hattet. Das gehört nun uns. Das köstlichste aber, was wir erhalten haben, ist Winnetous Silberbüchse, dein berühmter Bärentöter und das Zaubergewehr, mit welchem du, ohne laden zu brauchen, so viele Male schießen kannst, wie du willst. Würdest du nicht das alles von uns fordern, wenn wir euch ziehen ließen?«

»Allerdings.«

»So siehst du, daß ich recht hatte. Wir geben die Beute nicht heraus und werden auch euch festhalten, denn euer Tod am Marterpfahle wird unsern Stamm berühmter machen, als jemals ein Stamm der roten Männer gewesen ist, und wir werden nach unserm Tode in den ewigen Jagdgründen zu den obersten der Seligen gehören, weil eure abgeschiedenen Seelen uns dort bedienen müssen.«

Old Shatterhand machte trotz seiner enggefesselten Hände eine geradezu unnachahmlich stolze Armbewegung und fragte:

»Pshaw! Ist dies dein fester Entschluß?«

»Ja.«

»Aber wir sind nicht eure Feinde!«

»Wir halten euch dafür, folglich seid ihr es!«

»So hast du gesprochen, und ich werde auch mein letztes Wort sagen. Höre es: Ihr könnt uns nicht festhalten und werdet auch die Beute herausgeben. Unsre Seelen werden die eurigen nicht bedienen, denn wenn es uns beliebt, senden wir euch jetzt, in diesem Augenblicke, in die ewigen Jagdgründe, wo ihr dann uns bedienen müßt, anstatt wir euch. Ich habe gesprochen.«

Er wollte sich abwenden; da trat der Häuptling ihm um einige Schritte rasch näher und herrschte ihn an:

»Wagst du, so mit mir, dem obersten Häuptlinge der Nijoras zu reden! Seid ihr unsre Gefangenen oder sind wir die eurigen? Zähle deine Leute; sie sind gefesselt und nur wenige Männer; wir aber sind frei, bewaffnet und zählen über dreimal zehn mal zehn tapfere Krieger!«

»Pshaw! Old Shatterhand und Winnetou sind nicht gewöhnt, ihre Feinde zu zählen, und ob wir gefesselt sind oder nicht, das ist uns gleich. Wir haben nicht eure Feinde sein, sondern friedlich von euch ziehen wollen; du aber hast uns die Feindschaft aufgezwungen. Wohlan, wir nehmen sie an. Das Kriegsbeil mag ausgegraben sein zwischen mir und dir, zwischen uns und euch. Nicht die Zahl der Köpfe oder die gefesselten Hände werden entscheiden, sondern die Vortrefflichkeit der Waffen und die Macht des Geistes!«

Er warf einen kurzen Blick auf Winnetou und dieser neigte zustimmend, doch kaum bemerkbar, das Haupt. Die beiden verstanden sich ohne Worte. Der Häuptling der Nijoras beachtete dies in seinem Zorne nicht; er rief mit vor Wut bebender Stimme.

»Wo sind eure Waffen und wo ist der Geist, von dem du sprichst? Eure drei berühmten Gewehre hängen hier an meiner Schulter, und – – —«

»Der Geist, von dem ich sprach, wird sie dir nehmen!« fiel Old Shatterhand ihm in die Rede.

In diesem Augenblicke stand er bei ihm, erhob die gefesselten Hände und schmetterte ihn mit einem Hiebe der beiden Fäuste besinnungslos zu Boden. Schon stand auch Winnetou bei ihm, riß dem Leblosen das Messer aus dem Gürtel und schnitt mit demselben die Armriemen Old Shatterhands durch, worauf dieser ihm die seinigen zerschnitt. Nun hatten sie die Hände frei. Noch etwa zwei Schnitte und auch ihre Fußriemen fielen. Das war so schnell geschehen, daß die Roten gar keine Zeit gefunden hatten, eine Bewegung zu machen, es zu verhindern; sie standen vielmehr ganz starr vor Staunen darüber, daß zwei Männer es wagten, mitten zwischen dreihundert Feinden in dieser Weise aufzutreten. Es galt, den Augenblick zu benutzen und sie abzuhalten, von allen Seiten heranzudringen. Darum riß Old Shatterhand ihren Häuptling mit der linken Hand von der Erde zu sich empor, zückte mit der Rechten das Messer und rief:

»Weicht zurück! Wenn ein einziger Nijora es wagt, nur einen Fuß gegen uns zu bewegen, so wird mein Messer augenblicklich in das Herz eures Häuptlings fahren! Und seht Winnetou, den Häuptling der Apachen, an! Soll er euch die Kugeln meines Zaubergewehres in die Köpfe geben?«

Winnetou hatte nämlich den Henrystutzen ergriffen und hielt ihn schußbereit in den Händen. Die Macht solcher Persönlichkeiten ist eine außerordentliche, zumal auf wilde, abergläubische Menschen. Dennoch war es ein höchst gefährlicher Augenblick. Wenn nur ein einziger Nijora den Mut besaß, zum Angriffe zu schreiten, so mußte er erschossen werden, und dann war die Rache sicherlich entfesselt und es mußte ein Niedermetzeln der Gefangenen folgen. Noch waren aller Mienen starr vor außerordentlicher Betroffenheit, und noch wollte keiner eine Bewegung wagen; aber schon in der nächsten Sekunde konnte dieser Zauber seine Macht verlieren; da erschien eine Hilfe, die der kühne Jäger wohl kaum für möglich gehalten hätte, denn unter den Bäumen des Waldes heraus erscholl eine laute Stimme:

»Zurück, ihr Nijoras! hier stehen auch noch Bleichgesichter. Weicht ihr nicht sofort, so fressen euch unsre Kugeln. Um euch zu warnen, holen wir uns zunächst die Feder des Unterhäuptlings! Dann aber treffen wir die Köpfe. Also Feuer!«

Der Unteranführer, welcher gemeint war, stand in der Nähe von Old Shatterhand; er trug als Zeichen seiner Würde in seinem Schopfe eine Adlerfeder; die finstern, kampfeslustigen Blicke, welche er auf die beiden kühnen Männer warf, sagten mehr als deutlich, daß er nicht willens war, sich einschüchtern zu lassen. Aber da krachte in dem Dunkel des Waldes, da, wo die beiden erwähnten Steine lagen, der Schuß, und die Kugel riß ihm die Feder vorn Kopfe. Das wirkte augenblicklich. Die Drohung, welche er gehört hatte, konnte in der nächsten Sekunde in Erfüllung gehen: jetzt war es nur auf seine Feder abgesehen gewesen; nun aber galt es seinem Leben. Er ahnte nicht, daß es nur zwei Personen waren, welche dort im Dunkel steckten; es mußten vielmehr, da sie so keck auftraten, ihrer viele sein. Darum stieß er einen Schrei des Schreckens aus und sprang vom Feuer weg. Die andern Nijoras folgten seinem Beispiele, indem sie sich ebenso rasch entfernten.

»Gott sei Dank!« raunte Old Shatterhand dem Apachen zu. »Wir haben gewonnen. Das war Sam Hawkens, den wir hörten. Der Hobble-Frank wird bei ihm sein. Ziele du auf den Häuptling; ich brauche das Messer, um die andern von den Fesseln zu befreien.«

Er ließ den Häuptling, auf welchen Winnetou die Mündung des Gewehres richtete, zur Erde fallen und wendete sich zu seinen Gefährten, um ihnen die Riemen zu durchschneiden. Das geschah außerordentlich schnell, so daß die Indianer gar keine Zeit zu dem Gedanken fanden, ihn daran zu hindern. Sie hatten alles, was den Gefangenen abgenommen worden war, mit heruntergebracht, also auch die Waffen, und hier beim Feuer auf einen Haufen geworfen; die Weißen brauchten sich also nur zu bücken, um in den Besitz ihrer Messer und Gewehre zu kommen. Sie standen nun frei und bewaffnet da, noch ehe zwei Minuten seit dem Beginne der gefährlichen Scene vergangen waren.

»Jetzt die Pferde, und dann mir nach in den Wald!« gebot Old Shatterhand.

Er selbst nahm sein und Winnetous Pferd beim Zügel, während der Apache den Häuptling der Nijoras aufhob, um mit ihm in das Dunkel zu verschwinden, dahin, von wo sie Sam Hawkens Stimme vernommen hatten. Der Platz am Feuer war leer; die Roten starrten auf denselben hin, kaum im stande, sich selbst zu begreifen, daß sie sich so hatten überraschen lassen.

Die beiden Helden dieser befreienden That hatten nicht Zeit gefunden, auf ein Vorkommnis zu achten, dessen Folgen ihnen später sehr ärgerlich werden sollten. Dem Kantor emeritus war nämlich plötzlich eingefallen, daß er in der oberen Westentasche, welche ihm nicht geleert worden war, sein Federmesser stecken hatte. Er wollte den Fehler, den er begangen hatte, wieder gut machen und ging, während alle andern nur für Old Shatterhand und Winnetou Augen hatten, zu Poller hin, setzte sich neben denselben nieder und sagte:

 

»Eben denke ich daran, daß ich ein Federmesser habe. Sie wollen meinen Kameraden mit helfen. Hier ist es.«

»Schön, schön!« antwortete Poller ganz entzückt. »Legen Sie sich lang neben mich her, und schneiden Sie mir die Riemen an den Händen entzwei, doch so, daß niemand es sieht. Wenn Sie mir dann das Messer geben, besorge ich das weitere selbst.«

»Aber Sie müssen dann auch meine Gefährten von ihren Fesseln befreien!«

»Natürlich, natürlich! Also machen Sie nur schnell, schnell!«

Der Kantor kam dieser Aufforderung nach und gab Poller das Messer in dem Augenblicke, in welchem Old Shatterhand das Durchschneiden der Riemen, mit denen die Weißen gefesselt waren, selbst in die Hand nahm. Darum sagte er:

»Sehen Sie dorthin! Nun ist Ihre Hilfe nicht nötig. Shatterhand wird Sie auch frei machen. Sie können mir mein Messer wieder geben.«

»Fällt mir nicht ein!« antwortete Poller. »Machen Sie sich schnell wieder zu Ihren Leuten hin; wir drei kommen dann gleich nach!«

Der Kantor stand also auf und sprang, als er sah, was die andern auf Old Shatterhands Befehl machten, zu seinem Pferde, um dasselbe auch schnell fortzuziehen.

Jetzt nun war die Situation so, daß nur Buttler, Poller und der Oelprinz am Feuer lagen; die Indianer hatten sich, um ihren Feinden keine sicheren Ziele zu bieten, gegen den Fluß hin in das Dunkel zurückgezogen, während die Weißen am Fuße der Thalwand unter den Bäumen steckten. Aus diesem Verstecke heraus rief Old Shatterhand den Roten zu:

»Die Krieger der Nijoras mögen sich ja ruhig verhalten. Beim geringsten Zeichen der Feindseligkeit oder wenn auch nur einer von ihnen es wagen wollte, zu uns herüberzuspähen, werden wir ihren Häuptling töten. Wenn es Tag geworden ist, soll über denselben verhandelt werden. Wir sind Freunde aller roten Männer und werden uns nur dann an ihm vergreifen, wenn wir gezwungen werden, uns zu verteidigen.«

Die Indianer nahmen als ganz natürlich an, daß er Wort halten würde, obgleich es ihm selbst dann, wenn sie angegriffen hätten, nicht eingefallen wäre, einen Mord zu begehen. Und für einen Mord hielt er es selbst in diesem Falle, einem wehrlosen Gefangenen das Leben zu nehmen, denn wehrlos war jetzt der Häuptling, weil man ihn an den Händen und Füßen gefesselt hatte.

Sam Hawkens und der Hobble-Frank waren unter den Steinen hervorgekrochen. Der erstere sagte in seiner eigentümlichen Weise:

»Das haben die roten Gentlemen wohl nicht gedacht! Dreihundert solche Kerle lassen sich von zwei Männern in das Bockshorn jagen. So etwas ist noch gar nicht dagewesen! Aber selbst dann, wenn es nicht gelungen wäre, hätte es dasselbe Ende genommen, nur ein wenig später, denn wir lagen hier, um euch zu befreien, hihihihi!«

»Ja,« stimmte der Hobble bei, »wir hätten euch herausgeholt, das schtand bei uns bombenfest. Ob es zehn oder dreihundert Indianer waren, das hielten wir ganz ebenso für Wurscht als wie für Schnuppe.«

»Ja, ihr seid zwei außerordentliche Helden,« meinte Old Shatterhand, halb zornig und halb belustigt. »Wo habt ihr denn gesteckt? Mir scheint, ihr seid spazieren gegangen, während ihr schlafen solltet?«

»Schpazieren gerade nich. Ich hatte eenen Troom, der meine physikalische Seele in innere Offregung versetzte; ich wachte darum off und bemerkte zu meinem Erschtaunen, daß der Herr Kantor fort war. Da weckte ich meinen Busenfreund Sam, und wir gingen, den abwesenden Herrn in die Anwesenheet zurückzuführen, Inzwischen geschah der Ueberfall, den wir nich verhindern konnten. Wir verschteckten uns und sahen, daß ihr an uns vorübergeschafft wurdet. Da schtiegen wir ins Thal herunter und verschteckten uns, um euch im Momente des geeigneten Oogenblickes aus der Gefangenschaft zu befreien. Es war een Glück für uns, daß der Herr Emeritus sich entfernt hatte, denn wäre dies nich der Fall gewesen, so hätten wir ihn nich gesucht und wären doch mit gefangen genommen worden.«

»Das wird wohl ein Irrtum sein,« entgegnete Old Shatterhand. »Ich bin überzeugt, daß der Ueberfall gar nicht hätte stattfinden können, wenn dieser Unglücksmann ruhig liegen geblieben wäre. Wo steckt er denn jetzt? Ich bemerke ihn nicht.«

»Hier bin ich,« antwortete der Kantor hinter einem Baum hervor.

»Schön! Sagen Sie mir doch um aller Welt willen, wie es Ihnen einfallen konnte, sich von unserm Lagerplatze zu entfernen!«

»Ich wollte Wasser holen, Herr Shatterhand.«

»Wasser! Hier unten vom Flusse?«

»Ja.«

»Sollte man so etwas für möglich halten! War denn Ihr Durst gar so groß, daß Sie ihn nicht bis morgen früh bezwingen konnten?«

»Aber nicht für mich.«

»Für wen denn?«

»Für meinen guten Freund Herrn Hobble-Frank. Er klagte über Durst, und ich hatte mich mit ihm im Streite überworfen; das wollte ich wieder gut machen, indem ich ihm behilflich war, seinen Durst zu löschen.«

»Welch ein Unsinn! Eines ganz und gar albernen Zankes wegen haben Sie unser aller Leben in Gefahr gebracht! Wahrlich, wenn wir uns nicht hier mitten in der Wildnis befänden, würde ich Sie auf der Stelle fortjagen. Das kann ich aber leider nicht, weil Sie da unbedingt zu Grunde gehen würden.«

»Ich? Glauben Sie das ja nicht! Wer eine so hohe, künstlerische Mission zu erfüllen hat, wie die meinige ist, welche zwölf volle Akte betragen wird, der kann nicht zu Grunde gehen.«

»Lassen Sie sich doch nicht auslachen! Ich werde Sie in Zukunft des Abends anbinden müssen, damit Sie keine ferneren Dummheiten machen können. Und an dem ersten zivilisierten Ort, den wir erreichen, lasse ich Sie sitzen. Dann dürfen Sie meinetwegen nach Stoff für Ihre berühmte Oper suchen, bei wem und so viel Sie wollen. Ist es Ihnen denn gelungen, den Fluß hier unten zu erreichen?«

Der Emeritus verneinte und berichtete seine Festnahme, wie es ihm ergangen, bis zu dem Umstande, daß er Poller sein Messer geliehen habe.

»Alle Wetter!« rief Old Shatterhand, »ist dieser Mann ein Unglücksrabe, da müssen wir schnell dafür sorgen, daß sie uns nicht entkommen. Ich werde es wagen, an das Feuer zu gehen, um sie wieder zu binden. Ich will dabei nur hoffen, daß es den Nijoras nicht einfällt, mich – – —«

Er wurde durch ein lautes Geschrei unterbrochen, welches die Nijoras in diesem Augenblicke erhoben. Als er nach dem Feuer blickte, sah er die Ursache desselben. Nämlich Poller, Buttler und der Oelprinz hatten sich plötzlich von ihren Plätzen erhoben und rannten fort, dorthin, wo sich die Pferde der Indianer befanden.

»Sie reißen aus; sie reißen aus!« schrie der Hobble-Frank. »Rasch off die Pferde und ihnen nach, sonst – – —«

Er vollendete seinen Satz nicht, in der Eile, seinen Worten die That folgen zu lassen, doch Old Shatterhand hielt ihn fest und gebot:

»Hierbleiben! Und still! Horcht!«

Man sah und hörte, daß die Indianer nach ihren Pferden rannten; aber die drei Flüchtlinge waren rascher als sie, denn man vernahm trotz des Wutgeheules ganz deutlich den Hufschlag der Pferde, deren sie sich bemächtigt hatten und auf denen sie davongaloppierten.

»Da sind sie fort, futsch, für uns verloren in alle Ewigkeit!« lamentierte Frank. »Ich wollte ihnen nach. Warum sollte ich denn nich?«

»Weil es nichts genützt hätte und auch sehr gefährlich war,« antwortete Old Shatterhand.

»Gefährlich? Meenen Sie etwa, daß ich mich vor diesen drei Halunken fürchte? Da kennen Sie mich, wie es scheint, noch immer nich!«

»Ich meine die Roten, Wir haben noch nicht mit ihnen verhandelt und müssen also sehr vorsichtig sein. Wollten wir die Fliehenden jetzt verfolgen, so fielen wir wahrscheinlich den Nijoras in die Hände. Wir müssen hier verborgen bleiben, bis wir uns mit ihnen auseinandergesetzt haben.«

»Und die drei Schurken entkommen lassen?«

»Würde es uns gelingen, sie jetzt, in der Nacht, zu ergreifen? Wenn die Möglichkeit dazu vorhanden ist, so können wir dies den Roten überlassen. Hört! Sie reiten den Entkommenen nach. Wir brauchen uns also nicht zu bemühen.«

»Ach was! Selber is der Mann! Diese Indianer werden sich keine große Mühe geben.«

»Damit würden sie nur beweisen, daß sie klug sind. Wenn wir warten, bis es Tag geworden ist, können wir die Spuren sehen und ihnen folgen.«

»Aber der Vorschprung, den die Kerls dann haben!«

»Den holen wir wohl ein. Es ist dann ganz leicht, sie festzunehmen, weil sie sich nicht verteidigen können; sie haben nur das Federmesser, welches unser sehr pfiffiger Herr Kantor ihnen geborgt hat, und das ist doch wohl nicht als eine sehr furchtbare und gefährliche Waffe zu betrachten.«

Alle sahen ein, daß er recht hatte, und auch Frank gestand dies zu. Nach einiger Zeit hörte man wieder den Hufschlag von Pferden; dann war es still. Die Indianer kamen resultatlos von der Verfolgung zurück, denn wenn sie die Flüchtlinge ergriffen gehabt hätten, wären sie jedenfalls sehr laut gewesen.

Da es voraussichtlich morgen einen anstrengenden Tag gab, mußte sich die Gesellschaft wieder schlafen legen; Winnetou und Old Shatterhand aber blieben wach, um die Nijoras zu beobachten, da ein Versuch ihrerseits, ihren gefangenen Häuptling zu befreien, doch immerhin möglich war. Aber sie blieben während der ganzen Nacht ruhig und als es Morgen wurde und die Schläfer erwachten, sah man sie drüben am Ufer des Flusses sitzen; sie waren wahrscheinlich alle munter geblieben.

Bis jetzt hatte niemand ein Wort mit Mokaschi gesprochen, und auch er hatte den Mund nicht geöffnet; ja, er hatte so still und unbeweglich gelegen, als ob Old Shatterhands Hieb ihn getötet habe. Aber er lebte und blickte mit sehr scharfen Augen um sich her; es war Zeit, ihm zu sagen, was man von ihm verlangte. Darum wollte Old Shatterhand das Wort nehmen. Winnetou erriet dies, bat ihn durch einen Wink zu schweigen, und wendete sich, ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, selbst an den Häuptling Mokaschi.-

»Der Häuptling der Nijoras ist ein starker Mann, ein großer Jäger und ein sehr tapferer Krieger; er hat die stärksten Büffel mit einem einzigen Pfeile getötet; darum wird er Mokaschi genannt. Ich möchte gern als sein Freund und Bruder zu ihm sprechen und bitte ihn, mir zu sagen, wer ich bin!«

Das war scheinbar eine sonderbare Aufforderung, doch hatte sie ihren guten Grund und Zweck; das mochte Mokaschi denken, und darum antwortete er bereitwillig:

»Du bist Winnetou, der Häuptling der Apachen.«

»Du hast ganz richtig gesprochen. Warum hast du nicht einen besondern Stamm der Apachen genannt, zu dem ich gehöre?«

»Weil alle Stämme dieses großen Volkes dich als Häuptling anerkennen.«

»So ist es. Weißt du, zu welchem Volke der Stamm der Navajos gehört?«

»Sie sind Apachen.«

»Und was sind die Nijoras, die dich ihren Häuptling nennen?«

»Auch Apachen.«

»Dein Mund sagt die Wahrheit. Wenn aber diese ebenso wie jene zu dem großen Volke der Apachen gehören, so sind sie Brüder. Hat ein Vater mehrere Kinder, so sollen sie sich lieben und einander beistehen in jeder Sorge, Not und Gefahr, aber sich nicht zanken oder gar bekämpfen. Da unten im Südosten wohnen die Komanchen, die Todfeinde der Apachen; ihre Krieger ziehen alljährlich aus, die Apachen zu bekämpfen; darum sollten unsre Stämme fest zusammenhalten gegen diese Diebe und Mörder. Aber sie thun dies nicht; vielmehr entzweien sie sich untereinander, reiben sich gegenseitig auf und sind dann zu schwach, wenn es gilt, den gemeinschaftlichen Feind zurückzuweisen. Wenn meine Seele daran denkt, wird mir mein Herz schwer von Sorgen wie ein Fels, der nicht von dannen zu wälzen ist. Die Nijoras und die Navajos nennen mich einen Häuptling der Apachen; sie sind auch Apachen; darum sollten ihre Ohren auf die Worte meines Mundes hören. Du hast mich und meine weißen Brüder gefangen genommen, obgleich wir euch nichts gethan haben und obwohl ich eines Stammes oder Volkes mit dir bin. Kannst du mir einen Grund angeben, den ich anerkennen muß?«

»Ja.«

»Welchen?«

»Dein Herz hängt mehr an den Navajos als an meinem Stamm.«

»Du irrst. Ich bin euer aller Bruder.«

»Aber deine Seele gehört den Bleichgesichtern, welche unsre Feinde sind.«

»Auch das ist ein Irrtum. Ich liebe alle Menschen, gleichviel ob sie eine rote oder eine bleiche Farbe haben, wenn sie das Gute thun. Und ich bin der Feind aller bösen Menschen, ohne zu fragen, ob sie Indianer oder Weiße sind. Das Beil des Krieges ist ausgegraben und nun zieht der Bruder gegen den Bruder, um sein Blut zu vergießen; das ist nicht gut, sondern bös, und darum bin ich heute nicht euer Freund. Doch dürft ihr auch nicht meinen, daß ich euer Feind sei. Ich helfe weder euch noch den Navajos, sondern ich möchte euch mahnen, den Tomahawk des Krieges wieder zu vergraben und Frieden walten zu lassen.«

 

»Das ist nicht möglich, Das Beil, welches die Hand des Kriegers einmal ergriffen hat, darf nicht eher zur Ruhe kommen, als bis es Blut gekostet hat, Wir hören auf keinen Mund, welcher vom Frieden redet.«

»Auch auf den meinigen nicht?«

»Nein.«

»So sehe und höre ich, daß jedes meiner Worte vergeblich sein würde; Winnetou aber pflegt nicht unnütz zu reden; ich will also schweigen. Fechtet euren Streit mit den Navajos aus; aber hütet euch, mich und meine weißen Brüder mit hineinzuziehen! Du hast uns als Feinde behandelt; das wollen wir vergessen. Nun befindest du dich in unsern Händen; dein Leben ist in unsre Gewalt gegeben. Soll man in den Zelten eurer Feinde erzählen: Old Shatterhand und Winnetou, diese beiden Männer, haben Mokaschi gefangen genommen, obgleich er dreihundert Krieger bei sich hatte? Sollst du mit deinen Kriegern an allen Lagerfeuern verlacht und verspottet werden? Willst du, daß man von dir sage: Er hat sogar die weißen Squaws und Kinder, welche sich in seiner Gewalt befanden, wieder hergeben müssen?«

Winnetou sprach diese Fragen mit sehr gutem Grunde aus. Es war für Mokaschi unbedingt eine große Schande, unter solchen Verhältnissen und trotz seiner großen Kriegerschar festgenommen worden zu sein. Er sollte seine vorherigen Gefangenen ungehindert ziehen lassen und dafür selbst freigegeben werden. Ging er nicht darauf ein, so mußte dann das Versprechen, daß seine Schande verschwiegen bleiben solle, ihn doch noch willfährig machen. Er sah jetzt finster vor sich hin und antwortete nicht. Darum fuhr Winnetou fort:

»Deine Krieger haben vernommen, daß du sofort getötet wirst, wenn sie uns angreifen. Hast du es auch gehört, als mein Bruder Shatterhand es ihnen hinüberrief?«

Mokaschi nickte.

»So weißt du also, was du zu erwarten hast. Du sollst aber dein Leben behalten und deine Freiheit zurückbekommen. Dafür verlangen wir freien Abzug von hier und alle Sachen zurück, welche uns genommen worden sind und die wir noch nicht wieder haben.«

»Die gehören nun uns!«

»Nein. Wir werden nicht eine einzige Nadel in euren Händen lassen.«

»So mag es zum Kampfe kommen!«

»Aber du wirst zuerst sterben!«

»Ich bin ein Krieger und fürchte den Tod nicht. Meine Leute werden mich rächen!«

»Du irrst. Wir befinden uns hier unter dem Schutze der Felsen und Bäume; auch haben wir nie die Zahl unsrer Feinde gezählt; ob ihr dreihundert seid oder weniger, das ist uns gleich, und deine Krieger wissen, was für Gewehre wir besitzen. Ich sage dir, daß wir ganz gewiß nicht unterliegen werden.«

»So mögen meine Leute mit mir sterben. Sie tragen ja ebenso wie ich die Schande, von welcher du vorhin gesprochen hast.«

»Wenn du klug bist und sie dir gehorchen, wird diese Schande nicht auf euch liegen bleiben. Wir versprechen dir, nicht davon zu sprechen.«

Da leuchteten die Augen Mokaschis freudig auf, und er rief:

»Das versprichst du mir?«

»Ja.«

»Und wirst Wort halten?«

»Hat Winnetou sein Wort jemals gebrochen?«

»Nein. Aber sage mir, wie ihr euch dann gegen uns verhalten werdet, wenn wir euch ziehen lassen!«

»So, wie ihr euch gegen uns verhaltet. Folgt ihr uns, um uns von neuem zu bekämpfen, so werden wir uns wehren.«

»Wohin werdet ihr euch wenden?«

»Das wissen wir noch nicht.«

»Etwa zu den Navajos?«

»Wir müssen den drei entflohenen Gefangenen folgen. Wo diese hingeritten sind, dahin reiten wir auch. Sind sie zu den Navajos, so suchen auch wir diese auf.«

»Und steht ihnen gegen uns bei?«

»Wir werden sie zum Frieden ermahnen, so wie ich es bei dir gethan habe. Ich sagte dir ja schon, daß wir nicht eure Feinde sind, aber auch nicht die ihrigen. Entscheide dich schnell! Wir müssen bald aufbrechen, sonst bekommen die drei Bleichgesichter einen zu großen Vorsprung.«

Mokaschi schloß die Augen, um alles für und wider zu überlegen; dann schlug er sie wieder auf und erklärte:

»Ihr sollt alles zurückbekommen, was euch gehört, und dann fortreiten können.«

»Ohne daß ihr uns verfolgt?«

»Wir werden nicht mehr an euch denken; dafür aber werdet ihr nicht davon reden, wie ich hier in eure Hände geraten bin!«

»Einverstanden! Ist mein Bruder Mokaschi bereit, mit uns hierüber die Pfeife des Friedens zu rauchen?«

»Ja.«

»Halt!« fiel da Old Shatterhand ein. »Mein Bruder Winnetou hat etwas Wichtiges vergessen. Er hat nicht an die acht Navajos gedacht, welche sich in den Händen der Nijoras befinden.«

»Ich habe an sie gedacht,« antwortete der Apache.

»Wir müssen auch ihre Freiheit verlangen.«

Da fuhr Mokaschi zornig auf:

»Was gehen diese euch an? Sind sie eure Gefährten? Haben wir sie in eurer Gesellschaft gefangen? Ihr sagt, daß ihr weder ihre noch unsre Feinde seid, und ich habe das geglaubt. Soll ich nun daran irre werden? Ich habe euch den Willen gethan, soweit es eure Personen und eure Sachen betrifft. Diese Navajos aber, unsre Feinde, sind euch fremd: sie gehen euch nichts an, und ihr habt sie nicht von uns zu fordern. Wenn ihr dies dennoch thut, so nehme ich mein Versprechen zurück, und der Kampf zwischen uns und euch mag beginnen, obgleich ihr mir gedroht habt, daß ich der erste sein werde, welcher sterben muß.«

Die Menschlichkeit trieb Old Shatterhand, dennoch auf seinem Verlangen zu beharren; Winnetou aber glaubte, auf eine andre Weise zu demselben Ziele kommen zu können; er gab ihm daher einen heimlichen Wink und sagte zu dem Nijora:

»Mein Bruder Mokaschi hat recht; wir dürfen diese Navajos nicht von euch verlangen, denn sie sind nicht unsre Gefährten gewesen; aber du weißt, daß ich sie ebenso wie euch als meine Brüder betrachte, und darum werde ich eine Bitte für sie aussprechen.«

»Winnetou mag reden, und ich werde hören.«

»Was beabsichtigt ihr, mit diesen Gefangenen zu thun?«

»Sie werden am Marterpfahle sterben, gerade so wie alle andern Navajos, die noch in unsre Hände fallen.«

»So bitte ich dich, sie nicht schon jetzt sterben zu lassen.«

»Wann?«

»Wenn der Kampf beendet und das Kriegsbeil wieder vergraben worden ist.«

»Das würde auch geschehen, ohne daß du es erbittest. Du bist der berühmteste Krieger der Apachen und mußt also den Gebrauch aller Stämme kennen. Kein Gefangener wird während des Kriegszuges gemartert, sondern erst dann, wenn die Sieger in ihre Dörfer heimgekehrt sind. So wird es auch bei uns geschehen.«

»Ich wußte es, Wir sind nun einig und werden die Pfeife des Friedens und der Besiegelung darüber rauchen.«

»So bindet mich los und kommt mit mir unter den Bäumen hervor und in das Freie hinaus, damit meine Krieger sehen, daß wir das Calumet rauchen. Da werden sie wissen, daß sie für mich nichts zu fürchten haben und daß der Friede zwischen uns und euch geschlossen worden ist.«

Sein Wunsch wurde sogleich erfüllt. Man löste ihm die Fesseln und dann setzten sich alle hinaus ins Freie, wo gestern die Feuer gebrannt hatten. Dort stopfte Winnetou seine Friedenspfeife, zündete sie an und ließ Mokaschi die ersten Züge aus derselben thun. Dann ging sie von Hand zu Hand weiter. Sogar die Frauen und die Kinder mußten sie wenigstens in den Mund nehmen, sonst hätte sich nach indianischen Begriffen der Vergleich nicht mit auf sie erstreckt und sie hätten überfallen oder gar getötet werden können, ohne daß man das Recht gehabt hätte, deshalb auf die Roten den Vorwurf der Treulosigkeit zu schleudern.

Als diese Zeremonie vorüber war, reichte Mokaschi allen, selbst auch den Kindern, die Hand und ging dann zu seinen Leuten hinüber, um ihnen das Uebereinkommen mitzuteilen.

»Ich hätte die acht Navajos zu gern frei gehabt,« sagte Old Shatterhand. »Nun müssen wir sie in den Händen der Nijoras lassen!«

»Mein Bruder mag sich nicht um sie sorgen; es wird ihnen nichts geschehen,« versicherte Winnetou.