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Der Oelprinz

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»Das ist nicht so sicher, wie du zu denken scheinst.«

»Es ist sicher. Die Nijoras werden gezwungen sein, auch diese Gefangenen frei zu geben.«

»Wer soll sie zwingen? Die Navajos?«

»Ja.«

»Wieso denn?«

»Wir werden sie dazu auffordern.«

»So denkst du, daß wir uns nun direkt zu den Navajos wenden werden?«

»Wir werden das thun müssen, weil der Oelprinz zu ihnen ist.«

»Hm! Es gibt allerdings Gründe, dies anzunehmen. Die drei Kerls haben keine Waffen; sie können kein Wild erlegen; Feuerzeug fehlt ihnen auch; sie werden hungern müssen und also gezwungen sein, Menschen aufzusuchen; andre Menschen als die Navajos gibt es aber da, wohin sie kommen, nicht. Freilich fragt es sich, wie sie von diesen aufgenommen werden.«

»Gut.«

»Das ist zu bezweifeln und doch auch möglich. Wenn sie sagen, daß sie Feinde der Nijoras, bei diesen gefangen gewesen, ihnen aber entflohen sind, so wird der Empfang ein leidlicher sein.«

»Mein Bruder mag berücksichtigen, daß sie auch noch andres sagen können. Sie werden von den Navajokundschaftern sprechen und vielleicht erzählen, daß Khasti-tine, der Anführer derselben, von den Nijoras ermordet worden ist. Sie werden dich und mich erwähnen und alles versuchen, um sich bei den Navajos einzuschmeicheln.«

»Und von ihnen Hilfe zu erlangen, nämlich Waffen und alles, was sie sonst noch brauchen. Denkst du, daß sie das bekommen werden?«

»Es kommt darauf an, was sie erzählen werden. Nitsas-Ini aber, der große Häuptling der Navajos, ist ein sehr kluger Mann; er wird jedes Wort, was er von ihnen hört, prüfen, ehe er es glaubt. Doch, schau hinüber zu den Nijoras! Sie besteigen ihre Pferde.«

Es war so, wie er sagte. Mokaschi hatte seinen Leuten gesagt, daß Friede geschlossen sei. Sie waren zwar nicht sehr damit einverstanden, mußten sich aber fügen, weil das Calumet darüber geraucht worden war. Aus Aerger über diesen für sie gar nicht glänzenden Abschluß des Abenteuers wollten sie am liebsten jetzt gar nichts mehr sehen; sie stiegen also auf ihre Pferde und ritten davon. Einige aber waren zurückgeblieben und brachten alle Gegenstände, welche die Weißen noch zu verlangen hatten. Es fehlten zwar einige Kleinigkeiten, doch hatten dieselben einen so geringen Wert, daß gar kein Wort darüber verloren wurde. Warum solche Nichtigkeiten erwähnen, wo es sich vorher um ganz andre Dinge, sogar um Tod und Leben gehandelt hatte!

Viertes Kapitel: Gerechte Strafe

Es war zwei Tage später. Da, wo der Chelly-Arm sich in den Rio San Juan ergießt, welcher auch den Namen Rio del Navajos führt, gab es auf der Landzunge zwischen diesen beiden Flüssen ein ganz bedeutendes Indianerlager. Es mochten da wohl an die sechshundert Navajos versammelt sein, und zwar nicht zur Jagd, weil man da Zelte mitgebracht haben würde, die jetzt aber fehlten, sondern es handelte sich um einen Kriegszug, denn alle Gesichter waren mit den Kriegsfarben bemalt.

Die Stelle war außerordentlich gut zum Lager geeignet. Sie bildete ein Dreieck, welches an zwei Seiten von den beiden Flüssen eingefaßt und beschützt wurde und also nur von der dritten Seite angegriffen werden konnte. Gras gab es mehr als genug, Bäume und Sträucher auch, und an Wasser war nun vollends gar kein Mangel.

An langen Riemen, welche von Baum zu Baum gezogen worden waren, hingen lange, dünn geschnittene Fleischstücke zum Trocknen, der notwendige Proviant für den beabsichtigten Kriegszug. Die Roten lagen entweder unbeschäftigt im Grase oder sie badeten in einem der Flüsse.

Andre dressierten ihre Pferde und noch andre übten sich im Gebrauche ihrer Waffen.

In der Mitte des Lagers stand eine Hütte, welche aus Strauchwerk errichtet worden war. Eine lange Lanze, welche neben der Thür in der Erde steckte, war mit drei Adlerfedern geschmückt; die Hütte war also die Wohnung von Nitsas-Ini, dem obersten Häuptlinge des Navajovolkes. Er befand sich nicht im Innern, sondern saß vor derselben. Er war wohl noch nicht ganz fünfzig Jahre alt, von kräftiger, ebenmäßiger Gestalt und hatte, was wohl auffallen mußte, sein Gesicht nicht mit Farbe bestrichen. Daher waren die Züge desselben deutlich zu sehen. Man konnte das Resultat einer Betrachtung dieser Züge in das eine Wort zusammenfassen: edel. In seinem Blicke lag eine ungewöhnliche Intelligenz, eine Ruhe und Klarheit, welche man an Indianern sonst nicht zu beobachten pflegt, Er machte keineswegs den Eindruck eines wilden oder auch nur halbwilden Menschen. Wenn man nach der Ursache davon suchte, so brauchte man nur auf die Person zu blicken, welche an seiner Seite saß und sich mit ihm unterhielt – – eine Squaw.

Das war unerhört! Eine Squaw im Kriegslager, und noch dazu an der Seite des Häuptlings! Man weiß ja, daß selbst die geliebteste Indianerfrau es nicht wagen darf, öffentlich an der Seite ihres Mannes zu sitzen, falls derselbe eine nur einigermaßen hervorragende Stellung einnimmt. Und hier handelte es sich um den obersten Häuptling eines Stammes, welcher noch heutigen Tages im stande ist, fünftausend Krieger zusammenzubringen. Aber diese Frau war keine indianische Squaw, sondern eine Weiße, ja sogar eine Weiße von deutscher Abstammung; sie war – kurz sei es gesagt, Schi-Sos Mutter, welche den Häuptling der Navajos zum Manne genommen und einen so glücklichen, bildenden Einfluß über ihn gewonnen hatte, wie schon früher einmal erwähnt worden ist.

Vor diesen beiden stand, an den Sattel seines Pferdes gelehnt, ein langer, hagerer, aber sehr kräftig aussehender Mann, dessen Vollbart eine glänzend eisgraue Farbe angenommen hatte. Man mußte es ihm auf den ersten Blick ansehen, daß er nie gewohnt gewesen war, die Hände in den Schoß zu legen, und wohl mehr erfahren und erlebt hatte als tausend andre. Diese drei Personen sprachen miteinander, und zwar in deutscher Sprache. Auch der Häuptling bediente sich derselben, was sich freilich nur dadurch erklären ließ, daß seine Frau eine Deutsche war.

»Ich beginne nun auch, Sorge zu haben,« sagte soeben der Eisgraue. »Unsre Kundschafter sind so lange fort, daß wir nun endlich eine Nachricht von ihnen haben müßten.«

»Es muß ihnen ein Unglück begegnet sein,« nickte die Frau.

»Das befürchte ich nicht,« meinte der Häuptling. »Khasti-tine ist der beste Kundschafter des ganzen Stammes und hat neun erfahrene Späher mitbekommen; da kann mir nicht bange um sie sein. Wahrscheinlich sind sie nicht auf Nijoras gestoßen und müssen nun lange suchen, um Spuren von ihnen zu finden. Dabei haben sie sich zu teilen, um verschiedene Richtungen abzustreifen und dann ist es nicht leicht, sich wieder zusammenzufinden; wenigstens vergeht eine längere Zeit dabei.«

»Wollen hoffen, daß es so ist! Also ich reite jetzt und darf mir einige Krieger mitnehmen?«

»Soviel wie du willst. Wer die Antilope jagen will, darf nicht allein reiten, sondern muß genug Leute haben, um sie müde zu treiben.«

»So lebe wohl, Nitsas-Ini!«

»Lebe wohl, Maitso!«

Der Eisgraue bestieg sein Pferd und forderte im langsamen Fortreiten einige Indianer auf, mit ihm zu kommen. Sie waren gern bereit dazu, denn die Antilopenjagd ist ein Vergnügen, welches die Indianer jener Gegenden mit Leidenschaft betreiben. Er war von dem Häuptlinge Maitso genannt worden. Dieses Wort bedeutet in der Navajosprache so viel wie Wolf, woraus sich auch schließen ließ, daß dies der ursprüngliche deutsche Name dieses Mannes war. Denkt man daran, daß der junge Freund und Kamerad Schi-Sos Adolf Wolf hieß, so wird man leicht zu der Ahnung kommen, daß dieser Maitso der Onkel war, den Adolf aufsuchen wollte.

Der Graue ritt mit seinen indianischen Begleitern weit in die Ebene hinein, und es gelang ihnen, einige Antilopen zu erlegen. Auf dem Heimwege bemerkten sie, noch lange bevor sie das Lager erreicht hatten, drei Reiter, welche langsam aus östlicher Richtung geritten kamen; die Pferde derselben mußten einen langen und anstrengenden Weg zurückgelegt haben, denn man sah ihnen schon von weitem an, daß sie außerordentlich ermüdet waren.

Diese drei Reiter hielten, als sie den Trupp erblickten, ihre Pferde an, um zu beraten, ob es geraten sei, demselben zu trauen; dann kamen sie vollends herbei. Diese Leute waren Poller, Buttler und der Oelprinz.

»Guten Abend, Sir!« grüßte der letztere, da die Sonne schon tief im Versinken war. »Ihr seid ein Weißer, und darum kalkuliere ich, daß Ihr uns eine wahrheitstreue Auskunft geben werdet. Zu welchem Stamme gehören die Roten, welche da bei euch sind?«

»Zu den Navajos,« antwortete Wolf, indem er die ihm Unbekannten mit nicht eben günstiger Miene musterte.

»Wer führt sie an?«

»Nitsas-Ini, der oberste Häuptling.«

»Und Ihr? Wer seid Ihr? Ihr könnt doch unmöglich zu den Navajos gehören!«

»Warum nicht?«

»Weil Ihr ein Weißer seid.«

»Pshaw! Es kann auch weiße Navajos geben. Ich wohne schon lange Jahre in ihrer Nähe und rechne mich auch zu ihnen.«

»Wo sind sie jetzt?«

»Hm? Warum fragt Ihr so?«

»Weil wir es wissen müssen.«

»Müssen? Das heißt, ich muß es Euch sagen? Kein Mensch muß, und ich muß erst recht nicht.«

»Und dennoch werdet Ihr mir Auskunft geben. Wir wollen Nitsas-Ini aufsuchen, um ihm eine sehr wichtige Nachricht zu bringen.«

»Von wem?«

»Von seinen Kundschaftern.«

Wenn er geglaubt hatte, den Alten damit sofort zu ködern, so hatte er sich geirrt. Dieser sah ihn vielmehr noch mißtrauischer als vorher an und sagte:

»Kundschafter? Wüßte nicht, wo wir Kundschafter hätten!«

»Verstellt Euch nicht! Ihr dürft Vertrauen zu uns haben. Wir bringen wirklich eine sehr wichtige Botschaft von ihnen.«

»Das von der Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ich setze den Fall, wir hätten wirklich einige Späher zu irgend einem Zwecke ausgesandt und diese hätten uns etwas zu berichten, meint Ihr, daß sie da auf den außerordentlichen Gedanken kommen würden, uns dies durch drei Bleichgesichter sagen zu lassen? Die würden uns wohl einen von sich schicken.«

 

»Ja, wenn sie könnten!«

»Warum sollten sie nicht können?«

»Weil sie gefangen sind.«

»Gefangen? Alle Teufel! Bei wem?«

»Bei den Nijoras.«

»Hole Euch der Kuckuck! Leute, wie unsre Späher sind, nimmt man nicht so leicht gefangen.«

»Sie sind es aber doch!«

»Wo?«

»Zwei Tagesritte von hier, aufwärts im Chellythale.«

»Wie viele sind’s?«

»Acht Mann.«

»Stimmt leider nicht, stimmt wirklich nicht!«

»Donner und Doria, seid doch nicht so ungläubig! Ich weiß wohl, daß es zehn gewesen sind; aber es fehlen zwei, die von den Nijoras ausgelöscht worden sind.«

»Ausgelöscht? Hört, Master, seht Euch vor! Keiner von euch dreien hat ein Gesicht, welches mir gefallen könnte. Wenn Ihr uns etwas sagt, so sorgt ja dafür, daß es wahr ist, sonst kann es Euch schlimm ergehen!«

»Ganz wie Ihr wollt! Wir sind gar nicht so sehr darauf erpicht, Euch einen solchen Dienst zu erweisen und dafür Grobheiten und Beleidigungen einzuernten!«

»Begehrt nicht so auf! Ihr habt keine Waffen und seid also ohne jede Hilfe. Es gehört gar keine übergroße Phantasie dazu, euch für Vagabunden zu halten.«

»Weil wir Flüchtlinge sind!«

»Ach so! Woher kommt ihr denn?«

»Von den Nijoras, bei denen wir gefangen waren.«

»Hm! Mitgefangene unsrer Kundschafter also?«

»Ja. Zuckt immerhin mit der Achsel! Ihr werdet es uns doch noch Dank wissen, daß wir zu Euch gestoßen sind. Ist Euch vielleicht das Gloomy-water jenseits des Chelly bekannt?«

»Ja.«

»Nun, gar nicht weit davon ist Euer Khasti-tine von Mokaschi mit noch einem Kundschafter erschossen worden, und die acht übrigen wurden am Gloomy-water gefangen genommen und nach dem Chelly geschleppt. Dort gelang es uns dreien, die wir auch in die Hände der Nijoras geraten waren, zu entkommen. Nun glaubt mir oder glaubt mir nicht; es ist mir sehr egal!«

Jetzt, da Wolf den Namen Khasti-tine hörte, konnte er nicht länger zweifeln; er rief erschrocken aus:

»Khasti-tine erschossen? Ist das wahr? Und die andern Gefangenen? Alle Wetter, da steht es schlimm um sie!«

»O, es gibt noch andre, um die es ebenso schlimm steht!«

»Noch andre? Wen denn?«

»Winnetou, Old Shatterhand, Sam Hawkens und noch andre Westmänner; dazu eine ganze Gesellschaft deutscher Auswanderer.«

»Seid Ihr toll!« stieß Wolf hervor. »Old Shatterhand und Winnetou auch gefangen?«

Da nahm sich auch Poller des Gespräches an, indem er antwortete:

»Noch mehr, viel mehr! Schi-So ist auch dabei; er kommt aus Deutschland mit einem andern jungen Manne, welcher Adolf Wolf heißt.«

Da brüllte der Alte förmlich heraus:

»Adolf Wolf? Ein Deutscher? Wißt Ihr das genau?«

»Natürlich weiß ich es. Ich bin ja der Führer der ganzen Gesellschaft gewesen; ich kann deutsch sprechen und habe mir ihr Vertrauen erworben.«

»Mein Himmel! Da muß ich Euch sagen, daß ich der Oheim dieses Adolf Wolf bin. Er will zu mir. Also er gefangen, und Schi-So auch? Schnell, schnell, kommt zum Häuptling! Ihr müßt uns alles erzählen, und dann brechen wir sofort auf, um Hilfe zu bringen.«

Er gab seinem Pferde die Sporen und galoppierte davon, dem Lager zu. Die drei Weißen folgten ihm, indem sie verstohlen befriedigte Blicke unter sich wechselten. Den Schluß bildeten die Indianer. Es lag Poller, Buttler und dem Oelprinzen nur daran, sich hier bei den Navajos Waffen und Munition zu holen und dann schleunigst weiter zu reiten. Sie sagten sich natürlich, daß sie verfolgt würden, und hegten keineswegs die Absicht, sich ergreifen zu lassen. Da hatten sie nur mit zwei Möglichkeiten zu rechnen. Entweder gelang es ihnen, den Navajos bald, nachdem sie von diesen ausgerüstet worden waren, wieder zu entwischen, das war das Wünschenswerteste, oder man ließ sie nicht fort, sondern zwang sie, wieder umzukehren und mit gegen die Nijoras zu ziehen. In diesem Falle galt es vor allen Dingen, Zeit zu gewinnen, um eine passende Gelegenheit zur Flucht abzuwarten. Dies konnte aber nur dadurch geschehen, daß das Zusammentreffen der Navajos mit Old Shatterhand und seinen Leuten verhindert wurde. Wie dies anzufangen war, darüber dachte der Oelprinz jetzt während des Rittes nach dem Lager nach. Erst wollte ihm nichts einfallen, schließlich aber kam ihm doch ein passender Gedanke: Old Shatterhand und Winnetou befanden sich mit ihren Begleitern auf der linken Seite des Chellyflusses; wenn man die Navajos veranlaßte, auf dem rechten Ufer zu bleiben, so wurde das Zusammentreffen jedenfalls um mehrere Tage hinausgeschoben, und es stand zu erwarten, daß sich während dieser Zeit eine Gelegenheit zum Entrinnen finden werde. Darum instruierte der Oelprinz seine beiden Freunde mit gedämpfter Stimme, so daß der voranreitende »Wolf« es nicht hören konnte:

»Laßt mich reden, wenn wir gefragt werden, und merkt euch vor allen Dingen das eine: Wir haben uns nicht am linken, sondern am rechten Ufer des Flusses befunden, und auf derselben Seite befindet sich auch Old Shatterhand mit seinen Leuten.«

»Warum das?« erkundigte sich Buttler.

»Werde es dir später erklären; jetzt ist keine Zeit dazu.«

Er hatte recht, denn die Reiter näherten sich eben jetzt dem Lager. Die in demselben befindlichen Indianer blickten verwundert auf die drei fremden Weißen, denn sie hatten in dieser abgelegenen Gegend und jetzt, wo das Kriegsbeil ausgegraben worden war, keine Bleichgesichter vermuten können. Wolf ritt mit diesen bis an das Zelt des Häuptlings, welcher wie vorher vor dem Eingange saß, stieg da von seinem Pferde und meldete:

»Ich habe diese weißen Männer getroffen und zu dir gebracht, weil sie eine sehr wichtige Botschaft für dich haben.«

Nitsas-Ini, der »Große Donner«, betrachtete die drei Ankömmlinge, welche auch aus ihren Sätteln sprangen, und fragte dann den Wolf:

»Hast du sie als Freunde begrüßt?«

»Ja.«

Da zog der Häuptling seine Stirn in Falten und meinte:

»Ein geübtes Auge sieht es schon dem Baume an seiner Rinde an, wenn er innerlich faul ist. Du hast deine Augen nicht offen gehabt.«

Die drei Weißen hatten also keinen guten Eindruck auf ihn gemacht; sie hätten taub sein müssen, um dies seinen Worten nicht anzuhören. Der Oelprinz trat nahe zu ihm heran und sagte in halb höflichem und halb vorwurfsvollem Tone:

»Es gibt Bäume, welche innerlich gesund sind, obgleich ihre Rinde krank zu sein scheint. Der “Große Donner” mag erst dann über uns urteilen, wenn er uns kennen gelernt hat!«

Die Falten in der Stirn des Häuptlings vertieften sich, und seine Stimme klang streng abweisend, als er antwortete:

»Es sind mehrere hundert Sommer vergangen, seit die Bleichgesichter in unser Land gekommen sind; wir haben also Zeit genug gehabt, sie kennen zu lernen. Es gab nur wenige unter ihnen, welche Freunde der roten Männer genannt werden konnten.«

»Zu diesen gehören wir; das werden wir Euch beweisen.«

»Wenn ihr dies könnt, so wird es zu eurem Glücke sein!«

»Zu unserm Glücke? Ich denke, wir haben hier bei Euch nichts zu befürchten, weil Mr. Wolf uns freundlich aufgenommen hat!«

»Was er gethan und gesprochen hat, bindet die roten Männer nicht. Ich bin der oberste Häuptling der Navajos, bei denen ihr euch befindet, und euer Schicksal hängt nicht von seinem Willen ab, sondern von dem, was ich über euch bestimme.«

Bei diesen Worten wurde es den drei Männern bange; der Oelprinz ließ sich dies aber nicht merken, sondern fuhr in zuversichtlichem Tone fort:

»Ich habe gehört, daß der “Große Donner” ein gerechter und weiser Anführer ist; er wird Krieger, welche zu ihm gekommen sind, um ihn und seine Leute zu retten, nicht feindlich behandeln.«

»Ihr uns retten?« fragte der Häuptling, indem er sein Auge abermals geringschätzig über ihre Gestalten gleiten ließ. »Wer gerettet werden soll, muß sich in einer Gefahr befinden.«

»Dies ist freilich der Fall.«

»So sagt, was für eine Gefahr es ist, aus welcher ihr uns erlösen wollt!«

»Die Gefahr vor den Nijoras.«

»Pshaw!« rief er unter einer wegwerfenden Handbewegung aus. »Die Nijoras sind Männer, welche wir zertreten werden!«

»Das denkest du, aber sie sind euch an Zahl weit überlegen.«

»Und wenn sie zehnmal hundert zählten, wir würden sie doch vernichten, denn ein Navajo ist so viel wie zehn Nijoras zusammen. Und ihr wollt uns helfen, ihr, die ihr keine Waffen habt? Nur ein Feigling kann sich sein Gewehr nehmen lassen.«

Das war eine Beleidigung. Hätte der Oelprinz sich dieselbe gefallen lassen, so wäre er allerdings feig gewesen, das sah er gar wohl ein, und darum antwortete er in zornigem Tone:

»Wir sind gekommen, euch Gutes zu erweisen, und du vergiltst uns diese Absicht mit beleidigenden Worten? Wir werden euch augenblicklich verlassen.«

Er trat zu seinem Pferde und gab sich den Anschein, als ob er wieder in den Sattel steigen wolle. Da aber sprang der Häuptling auf, streckte seine Hand gebieterisch aus und rief:

»Herbei, ihr Navajo-Krieger; laßt diese Bleichgesichter nicht von der Stelle!«

Diesem Rufe wurde augenblicklich Folge geleistet; als die drei Weißen von den Roten ringsum eingeschlossen waren, fuhr er fort:

»Meint ihr, daß man zu uns kommen und von uns gehen darf wie ein Prairiehase von und zu seinem Baue? Ihr befindet euch in unsrer Gewalt und verlaßt diesen Ort nicht eher, als bis ich es euch erlaube. Beim ersten Schritte, den ihr gegen meinen Willen thut, treffen euch die Kugeln meiner Leute!«

Das klang drohend und sah nicht weniger bedrohlich aus, denn eine Menge Gewehre waren auf die drei gerichtet. Doch auch jetzt ließ der Oelprinz seine Besorgnis nicht erkennen; er nahm den Fuß wieder aus dem Bügel und die Hand vom Sattel weg und sagte in möglichst ruhigem Tone:

»Ganz, wie du willst! Wir sehen ein, daß wir in eure Hände gegeben sind, und müssen uns fügen; aber alle eure Gewehre sollen uns nicht zwingen, euch die Botschaft mitzuteilen, welche wir euch bringen wollten.«

»Die Botschaft? Ich kenne sie.«

»Nein!«

»Pshaw! Ihr wolltet mir sagen, daß die Hunde von Nijoras das Kriegsbeil gegen uns ausgegraben haben.«

»Nein. Das brauchen wir dir nicht zu sagen, denn das weißt du schon.«

»So wolltet ihr mir melden, daß sie schon aus ihren Hütten aufgebrochen sind. Aber dazu brauche ich euch nicht, denn ich habe Kundschafter ausgesandt, welche mich zur rechten Zeit benachrichtigen werden.«

»Da irrst du dich. Deine Kundschafter können dir keine Nachricht bringen.«

»Warum?«

»Weil sie gefangen sind.«

»Gefangen? Bei wem?«

»Eben bei den Nijoras.«

»Das ist eine Lüge! Ich habe die erfahrensten, die klügsten Männer ausgewählt, denen es nicht einfallen wird, sich ergreifen zu lassen. Ich durchschaue dich; ich errate alle deine Gedanken!«

»So? Wärst du wirklich so klug, dahin blicken zu können, wo meine Gedanken wohnen?«

»Ja. Du weißt, daß man Kundschafter aussendet, und kannst dir denken, daß wir dies auch gethan haben. Darum redest du von unsern Spähern, ohne aber etwas von ihnen zu wissen.«

»Meinst du? Es wäre allerdings besser für euch, wenn das, was ich weiß, nicht geschehen wäre. Ich will dir zeigen, in welchem Irrtum du dich befindest. Du hast zehn Späher ausgeschickt, deren Anführer Khasti-tine war. Ist es so oder nicht?«

»Uff! Es ist so,« gestand der Häuptling erstaunt.

»So höre weiter! Khasti-tine wurde mit noch einem Krieger erschossen – – —«

»Uff, uff! Von wem?«

»Von Mokaschi, dem Häuptling der Nijoras, eigenhändig; die andern acht wurden gefangen genommen, gerade so wie wir.«

»Gerade so wie ihr? Auch ihr seid in die Hände der Nijoras gefallen gewesen?«

»Ja, Es gelang uns, zu entfliehen, doch ohne Waffen, die man uns abgenommen hatte. Darum sind wir unbewaffnet hier angekommen. Du hältst uns aus diesem Grunde für Feiglinge. Wie nennst du da deine Kundschafter, die ihre Waffen auch hergeben mußten und nicht die Klugheit und Thatkraft besaßen, sich einen Weg zur Flucht zu öffnen?«

»uff, uff, uff!« rief der Häuptling. »Meine Späher gefangen und Khasti-tine erschossen! Das erfordert Rache! Wir müssen sofort aufbrechen, um diese Hunde von Nijoras zu überfallen. Wir – —«

Er war außerordentlich aufgeregt, ganz gegen die sonstige Indianerruhe, und wollte in sein Zelt, um seine Waffen zu holen. Da ergriff Wolf, welcher bisher geschwiegen hatte, ihn beim Arm und sagte:

»Halt, warte noch! Du mußt doch erfahren, wo die Nijoras sich befinden, wenn du sie überfallen willst. Das werden dir diese Männer sagen. Sie wissen auch noch andre Dinge, welche sogar noch viel, viel wichtiger sind.«

 

»Noch wichtiger?« fragte der Häuptling, indem er sich wieder umwendete. »Was kann wichtiger sein, als daß Khasti-tine tot ist und unsre Kundschafter gefangen genommen worden sind?«

»Schi-So ist auch gefangen!«

»Schi – – – Schi-Schi- – —«

Er wollte den Namen seines Sohnes vollständig aussprechen, brachte aber nur die erste Hälfte desselben über die Lippen. Dann stand er steif, als ob er zu Stein geworden sei, und nur seine rollenden Augen zeigten, daß Leben in ihm war. Seine Krieger drängten sich näher herbei, doch ließ keiner einen Laut hören. Der Oelprinz sah ein, daß er den jetzigen Augenblick für sich ausnützen müsse, und sagte also mit weithin hörbarer Stimme:

»Ja, so ist es; Schi-So ist auch gefangen. Er soll am Marterpfahle sterben.«

»Und mein Neffe Adolf, welcher mit ihm aus Deutschland gekommen ist, befindet sich auch in der Gewalt der Nijoras.« fügte Wolf hinzu.

Da kehrte dem Häuptling die Fassung zurück. Er besann sich, daß es doch unter seiner Würde sei, merken zu lassen, wie sehr die Nachricht ihn getroffen hatte; darum zwang er sich zu äußerlicher Ruhe und fragte:

»Schi-So gefangen? Wißt Ihr das genau?«

»Sehr genau,« antwortete der Oelprinz. »Wir haben nicht nur in seiner Nähe gefesselt gelegen, sondern sogar mit ihm und allen seinen Begleitern gesprochen.«

»Wer befand sich bei ihm?«

»Ein junger Freund von ihm, welcher Wolf heißt, mehrere deutsche Familien, welche von drüben ausgewandert sind, und sodann eine ganze Schar berühmter Westmänner, von denen Ihr gewiß nicht denken werdet, daß sie sich so leicht gefangen nehmen lassen.«

»Wer sind diese Männer?«

»Old Shatterhand – – —«

»Old Shat – – – uff, uff!«

»Ferner Winnetou.«

»Der größte Häuptling der Apachen? Uff, uff, uff!«

»Sam Hawkens, Dick Stone, Will Parker, Droll, der Hobble-Frank, gewiß lauter Leute, welche du nicht zu den Feiglingen zählen wirst.«

Es erklangen rundum laute Rufe des Erstaunens, ja des Schreckens; dadurch fand der Häuptling Zeit, sich zu fassen, denn die Selbstbeherrschung hatte ihm abermals vergehen wollen. Er schob die ihm im Wege Stehenden auseinander und eilte in sein Zelt. Man hörte seine Stimme und diejenige seiner weißen Frau; dann kamen beide heraus, und die letztere rief, sich an die drei Bleichgesichter wendend:

»Ist es möglich, ist es wahr? Mein Sohn befindet sich in den Händen der feindlichen Nijoras?«

»Ja,« antwortete der Oelprinz.

»So muß er Schnell, schnell gerettet werden! Erzählt, was Ihr davon wißt, und sagt, wo sich die Feinde befinden! Wir müssen eilen. Also macht, redet, sprecht!«

Sie als Frau konnte ihre Aufregung natürlich viel weniger beherrschen, als der Häuptling. Sie hatte Grinleys Arm ergriffen und schüttelte denselben, als ob sie die gewünschte Auskunft dadurch beschleunigen könne; der Oelprinz aber antwortete in einem ruhigen Tone:

»Ja, wir sind allerdings gekommen, um Euch von dem, was geschehen ist, zu benachrichtigen; aber der Häuptling hat uns wie Feinde empfangen, und so wollen wir das, was wir wissen, doch lieber für uns behalten.«

»Hund!« fuhr ihn da der »Große Donner« an. »Du willst nicht sprechen? Es gibt Mittel, dir den Mund zu öffnen!«

»Nein,« behauptete der Oelprinz mit einem siegesgewissen Lächeln.

»Wir braten euch am Feuer!«

»Pshaw!«

»Wir binden euch an den Marterpfahl!«

»Pshaw! Wir sind tapfere Männer und wissen zu sterben.«

Da legte die Frau die Hände auf Schulter und Arme ihres roten Mannes und bat ihn in dringendem Tone:

»Sei freundlich mit ihnen! Sie haben uns benachrichtigen wollen und also nicht verdient, daß du sie als Feinde behandelst.«

»Ihre Gesichter sind nicht die Gesichter guter Männer; ich traue ihnen nicht,« antwortete er finster.

Die Frau des roten Mannes aber fuhr fort zu bitten, und Wolf vereinigte seine Vorstellungen mit den ihrigen, weil ihm um seinen Neffen bange war. Auch ihm gefielen diese drei Weißen desto weniger, je öfter er sie anschaute; aber sie hatten ihm nichts Böses gethan, und er konnte auf Grund ihrer Aussage seinen Verwandten retten; das war für ihn Grund genug, auch Fürbitte einzulegen. Der Häuptling, welcher allerdings viel lieber Strenge angewendet hätte, konnte diesem doppelten Drängen nicht widerstehen und erklärte schließlich.

»Es soll so sein, wie Ihr wünscht; die Bleichgesichter mögen in Frieden sagen, was sie uns mitzuteilen haben. Also redet!«

Diese Aufforderung war an den Oelprinzen gerichtet. Wenn der Häuptling glaubte, daß dieser ihr sofort nachkommen werde, so irrte er sich, denn Grinley antwortete:

»Ehe ich deinen Wunsch erfülle, muß ich erst wissen, ob ihr unsre Wünsche erfüllen werdet.«

»Welche Wünsche habt ihr?«

»Wir brauchen Waffen. Werdet ihr uns welche geben, wenn wir euch den Dienst leisten, den ihr von uns verlangt?«

»Ja,«

»Jedem ein Gewehr und ein Messer?«

»Ja.«

»Auch Munition?«

»Ja.«

»Auch einen Vorrat von Fleisch, da wir nicht wissen, ob wir bald auf ein Wild treffen werden?«

»Auch das, obgleich es nicht notwendig ist, denn so lange ihr bei uns seid, werdet ihr nicht Not leiden.«

»Davon sind wir ja fest überzeugt; aber wir können leider doch nicht lange bleiben.«

»Wann wollt ihr fort?«

»Nachher, sobald wir euch erzählt haben, was geschehen ist.«

»Das ist unmöglich.«

»Warum?«

»Ihr müßt bei uns bleiben, bis wir uns überzeugt haben, daß alles, was ihr uns erzählt habt, die Wahrheit ist.«

»Das ist ein Mißtrauen, welches uns beleidigen muß. Was für einen Grund hätten wir, euch zu täuschen?«

»Das weiß ich nicht. Es kann da viele Gründe geben.«

»Keinen einzigen. Es gibt zwei Möglichkeiten, Entweder sind wir eure Freunde oder eure Feinde. Im ersteren Falle kann es uns nicht einfallen, euch zu belügen, und im letzteren würden wir es niemals gewagt haben, euer Lager aufzusuchen.«

»Das klingt freilich so, als ob ich euch trauen dürfte; aber die Bleichgesichter haben doppelte Zungen; mit der einen reden sie so und mit der andern anders.«

»Das ist bei uns nicht der Fall. Wir waren Gefangene der Nijoras; sie wollten uns töten, und wir sind ihnen mit vieler Mühe und unter großen Gefahren entkommen. Du mußt uns glauben, wenn ich dir sage, daß wir uns an ihnen rächen wollen. Wir können dies aber nicht, weil wir zu schwach dazu sind. Darum sind wir zu euch gekommen.«

Der Häuptling wollte noch immer Widerspruch erheben; seine weiße Squaw aber bat ihn im dringenden Tone:

»Glaube ihnen, glaube ihnen doch, sonst vergeht die kostbare Zeit und wir kommen zur Rettung unsres Sohnes zu spät.«

Da Wolf sich dieser Bitte anschloß, so antwortete der »Große Donner«.-

»Der Wind will nach seiner Richtung gehen, aber wenn er durch hohe Berge aufgehalten wird, muß er sich in eine andre Richtung wenden. Der Wind ist mein Wille und ihr seid die Berge; es soll so sein, wie ihr wollt.«

»Also wir dürfen fort, wann es uns beliebt?« fragte der Oelprinz.

»Ja.«

»Ihr legt uns kein Hindernis in den Weg?«

»Keins.«

»So ist unser Uebereinkommen getroffen und wir wollen die Pfeife des Friedens darüber rauchen.«

Da verfinsterte sich das Gesicht des Häuptlings plötzlich wieder und er rief aus:

»Glaubt ihr mir nicht? Haltet ihr mich für einen Lügner?«

»Nein. Aber in der Zeit des Krieges braucht man kein Versprechen zu halten, welches ohne den Rauch des Kalummets gegeben wurde. Ihr könnt die Friedenspfeife getrost anbrennen, denn wir meinen es ehrlich. Wir reden die Wahrheit und können es euch beweisen, wenn ihr es verlangt.«

»Beweisen? Womit?«

»Schon durch unsern Bericht an sich selbst. Sobald ihr ihn vernommen habt, werdet ihr überzeugt sein müssen, daß jedes Wort die Wahrheit enthält. Dann aber kann ich euch auch sogar ein Papier zeigen, dessen Inhalt alles bestätigen wird.«

»Ein Papier? Ich mag nichts vom Papiere wissen, denn es kann mehr Lügen enthalten, als ein Mund auszusprechen vermag. Auch habe ich nicht gelernt, mit den Zeichen zu sprechen, welche auf euren Papieren stehen.«

»So kann Mr. Wolf jedenfalls lesen; er wird dir sagen, daß wir ehrlich und offen sind. Willst du nun die Pfeife des Friedens mit uns rauchen?«

»Ja,« antwortete der Häuptling, als er den bittenden Blick seiner Frau bemerkte.

»Für dich und alle die Deinen?«

»Ja, für mich und für sie.«

»Dann nimm dein Kalummet, wir haben keine Zeit zu verlieren.«