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Der Oelprinz

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»Ein – – Sachse?« fragte Schmidt im Tone des Erstaunens, indem er Sam vom Kopfe an bis zu den Füßen herunter betrachtete. »Das ist doch gar nicht möglich! Wenn bei uns in Sachsen jemand in solcher Kleidung herumliefe, würde er auf der Stelle arretiert!«

»Aber wir sind glücklicherweise jetzt nicht in Sachsen,« antwortete Hawkens ganz freundlich; »darum werde ich meine Freiheit wahrscheinlich behalten, wenn ich mich nicht irre. Ihr werdet hier noch ganz andre Anzüge zu sehen bekommen, als der meinige ist. Es gibt im wilden Westen nicht auf je zwanzig Schritte zehn Kleidermagazine. Darf ich vielleicht erfahren, wohin ihr wollt, meine Herren?«

»Ihr?« meinte Schmidt in abweisendem Tone. »Wir sind gewohnt, Sie genannt zu werden, und möchten, ehe wir Ihnen Auskunft geben, zunächst wissen, wer Sie sind, was Sie treiben und auf welchem Weg Sie sich befinden.«

»Well, das können Sie wissen. Ich heiße Falke, bin aus Sachsen herübergekommen, lebe als Westmann und gebe jedem die Ehre, die ihm gebührt. Da habt Ihr meine volle Legitimation. Ob Ihr mir meine Frage nun auch beantworten wollt, das steht in Eurem Belieben.«

»Ihr und Euer? Herr Falke, ich habe Ihnen schon gesagt, daß wir gewohnt sind – – —«

»Schon gut, schon gut!« unterbrach ihn der Kleine. »Und ich habe auch bereits gesagt, daß ich einem jeden die Ehre gebe, die ihm gebührt. Wer mich als einen Hanswurst betrachtet, der wird von mir Ihr oder gar Er genannt, und sagt der Esel dieses Wort noch einmal, so gehe ich fort und laß ihn so dumm bleiben, wie er ist.«

»Alle Donner! Meinen Sie damit etwa mich?« brauste der Alte auf, indem er drohend einen Schritt zurücktrat.

»Ja,« antwortete der Kleine, indem er ihm furchtlos und höchst freundlich in die Augen sah.

»Da machen Sie ja gleich, daß Sie wieder fortkommen, falls Sie wünschen, daß Ihre Knochen bei einander bleiben sollen!«

»Ich habe ja schon gesagt, daß ich gehen und Sie bleiben lassen werde, was und wie Sie sind. Aber als Ihr Landsmann denke ich, die Pflicht zu haben, Sie vorher zu warnen.«

»Vor wem?«

»Vor den zwölf Reitern, welche heute an Ihnen vorübergekommen sind.«

»Ist nicht nötig. Wir sind selbst so klug, zu wissen, woran wir sind. Die Kerls haben uns gleich nicht gefallen und, als sie uns ausfragen wollten, keine Auskunft erhalten. Sie sehen also, daß Ihre guten Lehren bei uns überflüssig sind.«

Er drehte sich um, zum Zeichen, daß er mit Sam Hawkens nichts mehr zu thun haben wolle. Dieser machte eine Bewegung, sich zu entfernen, blieb aber doch, angetrieben von seinem guten Herzen, wieder halten und sagte:

»Master Schmidt, noch ein Wort!«

»Was?« fragte der Alte barsch.

»Wenn Ihr wirklich keine guten Lehren braucht, so will ich sie gerne für mich behalten. Gestattet mir nur noch das eine zu fragen. Stehen eure Wagen nur einstweilen so bei einander wie jetzt?«

»Warum diese Frage?«

»Weil dies die allerbequemste Weise ist, bestohlen oder gar überfallen zu werden; hätte ich hier etwas zu gebieten, so würde mit den vier Wagen ein Viereck gebildet, innerhalb dessen alle Menschen und Ochsen – – hihihihi – Menschen und Ochsen während der ganzen Nacht zu bleiben hätten. Dabei müßte von der Dunkelheit an bis zum frühen Morgen ein Posten sorgsam Wache halten.«

»Warum?«

»Weil ihr euch in Avijour befindet und nicht daheim in der Dresdener oder Leipziger Kreisdirektion.«

»Wo wir sind, das wissen wir genau. Um das zu erfahren, brauchen wir keinen Hanswurst zu fragen. Macht Euch also fort von hier, sonst schaffe ich Euch Spannfedern in die Beine!«

»Well, gehe schon, wenn ich mich nicht irre, habe es gut gemeint mit euch; aber wenn dem Esel zu wohl ist, so habe ich nichts dagegen, wenn er auf das Eis geht, um eine Polka zu probieren!«

Er drehte sich scharf um und entfernte sich nach dem Dorfe zu. Schmidt fuhr den Kantor unmutig an:

»Da hatten Sie uns einen saubern Kerl gebracht. Sah aus wie ein Harlekin und war dabei doch grob wie Bohnenstroh. Für solche Landsmänner muß ich danken.«

»Aber mit mir ist er vorher sehr zuvorkommend und freundlich gewesen,« wagte der Emeritus einzuwerfen. »Das war wohl die Folge davon, daß ich ihn hübsch dolce angesprochen habe, wie wir Musikkünstler uns auszudrücken pflegen, während Sie ihm sehr sforzando über den Mund gefahren sind.«

»Weil er wie ein Landstreicher dahergelaufen kam und –«

Schmidt war von einem lauten Ausrufe unterbrochen worden. Die beiden jungen Männer, welche die Wagen zu Pferde begleitet und von denen die Finders gesprochen hatten, waren am Flusse gewesen, um ihre verstaubten Pferde zu waschen; jetzt kamen sie zurückgeritten. Der eine von ihnen hatte ein sehr intelligentes Gesicht vom Schnitte und der hellen Farbe des Europäers, obgleich die letztere infolge der Sonnenglut beträchtlich gedunkelt war. Er mochte wohl achtzehn Jahre zählen und war von mehr breiter als hoher Figur. Noch interessanter war der Kopf des andern. Seine kühn modellierten Züge waren echt indianisch, doch nicht von der bei den Indsmen gewöhnlichen Schärfe, auch standen seine Backenknochen nicht so weit hervor. Die Farbe seines Gesichtes war ein mattes Bronce, zu welchem das helle Grau seiner scharfen Augen ebenso wie das Mittelblond seines Haares lebhaft kontrastierte. Seine Gestalt war schlanker, doch nicht weniger kräftig als diejenige seines Begleiters, mit welchem er jedenfalls im gleichen Alter stand. Beide waren nach europäischer Art gekleidet und, wie es schien, vortrefflich bewaffnet. Ebenso saßen beide sehr gut zu Pferde, zumal der Grauäugige, welcher mit seinem Tiere wie zusammengegossen schien. Dieser letztere hatte, als er, sich dem Lager nähernd, Sam Hawkens schnell von dannen gehen sah, den Ruf ausgestoßen, durch welchen Schmidt unterbrochen worden war.

»Was gibt’s? Was wollen Sie?« fragte dieser entgegen.

Der junge Mann trieb sein Pferd schnell näher und antwortete, vor Schmidt anhaltend, in deutscher Sprache doch mit fremdem Accent:

»Wer war der kleine Mann, welcher soeben von hier fortgegangen ist?«

»Warum?«

»Weil er mir bekannt vorkam. Seine Kleidung ist eine andre, und ich habe sein Gesicht nicht gesehen; aber sein Gang fällt mir auf. Hatte er einen Bart?«

»Ja.«

»Das stimmt! Die Augen?«

»Sehr klein.«

»Die Nase?«

»Fürchterlich.«

»Stimmt auch! Hatte er vielleicht falsches Haar?«

»Wie kann ich das wissen? Man fragt doch keinen Menschen bei der ersten Begegnung mit ihm, ob sein Haar echt ist!«

»Das thut man nicht; aber eine Perücke ist vom echten Haare mit dem ersten Blicke zu unterscheiden. Wissen Sie vielleicht, was er ist?«

»Einen Westmann nannte er sich.«

»Auch dieses stimmt. Hat er vielleicht seinen Namen genannt?«

»Ja.«

»Sam Hawkens etwa?«

»Nein. Er heißt Falke und ist ein Deutscher.«

»Sonderbar, aber doch erklärlich! Falke heißt englisch auch hawk. Viele Deutsche nehmen, wenn sie herüberkommen, englische Namen an; warum sollte jemand, der Falke heißt, sich nicht Hawkens nennen? Aber daß Sam Hawkens ein Deutscher ist, das glaube ich nicht; er hat nie davon gesprochen und sich auch stets so als Yankee gegeben, daß er jedenfalls westlich vom Atlantik geboren ist. Aber diese Gestalt und dieser eigentümliche, schleichende Gang! Jeder gute Westmann hat das Anschleichen gelernt; aber so pflegt nur Sam Hawkens zu schleichen. Doch halt, noch eine Frage. hat dieser Mann während des Gespräches vielleicht einmal gelacht?«

»Ja.«

»Wie?«

»Ausgesucht höhnisch, als er von Menschen und von Ochsen sprach.«

»Ich meine, mit welchem Vokale, mit welchem Laute er lachte. Man lacht mit a und mit i, sogar mit e oder mit o.«

»Es war mit i, und mehr ein Kichern als ein Lachen.«

»Wirklich, wirklich?« fragte der Jüngling in höher interessiertem Tone. »Dann ist er es vielleicht doch gewesen. Sam Hawkens hat ein ganz eigentümliches Hihihihi, wie man es von keinem andern hört; man vernimmt es sehr oft von ihm; es klingt so listig und dabei stillvergnügt; er schluckt es halb in sich hinein. Und noch ein Erkennungszeichen für ihn gibt es: hat er vielleicht eine Redensart wiederholt?«

»Nicht daß ich wüßte.«

»Hat er nicht einigemal gesagt: Wenn ich mich irre?«

»Möglich, daß er etwas dem ähnliches gesagt hat; ich habe nicht darauf geachtet.«

»So war er es doch nicht. Sam Hawkens sagt so oft: Wenn ich mich nicht irre, daß es einem jeden auffallen muß; dies wäre auch hier der Fall gewesen, und ich habe mich also geirrt.«

Er schwang sich, wie sein Gefährte schon gethan hatte, vom Pferde und ließ es laufen. Seine Ahnung hatte ihn nicht betrogen, doch hatte Sam sich seiner Redensart zufälligerweise nicht so oft bedient, daß sie besonders in die Ohren gefallen wäre.

Der Kleine war nach der Schenke zurückgekehrt und hatte sich wieder zu Dick und Will gesetzt. Um doch etwas zu verzehren, ließen sie sich je noch einen Whisky geben, den sie mit Wasser verdünnt tranken. Die Finders lachten über diese Nüchternheit, ließen die Drei aber sonst in Ruhe.

Als es dunkel geworden war, brannte der Irländer eine Laterne an, welche aufgehängt wurde und den Platz vor dem Hause zur Not erleuchtete; in das Innere desselben sollte erst später, beim Essen, gegangen werden. Nach einiger Zeit stand Buttler vom Tische auf, gab dreien seiner Gefährten einen Wink und entfernte sich mit ihnen.

»Das hat irgend einen Zweck,« sagte Will Parker leise. »Wohin mögen sie wollen?«

»Kannst du dir das nicht denken?« fragte ihn Sam.

»Nein. Ich bin nicht allwissend.«

»Ich auch nicht; aber wer kein solches Greenhorn wie Will Parker ist, der muß wissen, was sie wollen.«

»Nun, was, altes gescheites Coon?«

»Fleisch.«

»Woher?«

»Von den Auswanderern.«

»Ah, ja! Die haben gewiß Rauchfleisch mit, und das soll ihnen gestohlen werden.«

 

»Fällt keinem Menschen ein! Die Finders haben Appetit nach frischem Fleische, und da draußen bei den Wagen gibt es sechzehn Ochsen. Weißt du nun, woran du bist, mein süßer Will?«

»Ah, die Ochsen, richtig, richtig!« nickte der Gefragte.

»Es ist diesen Gentlemen wirklich zuzutrauen, daß sie einen Ochsen stehlen, was viel leichter ist, als in einen bewachten Wagen zu steigen, um einen harten Schinken herauszuholen. Man legt sich auf die Erde, schleicht sich an das Tier und treibt es langsam und vorsichtig vom Lager fort, bis man es sicher hat.«

»So ist es; ja, so wird’s gemacht, hihihihi! Scheinst in früherer Zeit ein feiner Ochsendieb gewesen zu sein, wenn ich mich nicht irre.«

»Schweig, altes Coon! Mir sollten diese Leute leid thun, wenn sie ein Zugtier einbüßen. Ist dir deine Vermutung erst jetzt gekommen?«

»Nein, sondern gleich als Buttler vom Fleische sprach.«

»Und bist bei den Emigranten gewesen und hast sie nicht gewarnt?«

»Wer sagt dir denn, daß ich dies nicht gethan habe? Aber man nannte mich einen Hanswurst, dessen guten Rat niemand braucht. Sam Hawkens ein Hanswurst, hihihihi! Hat mir ungeheuern Spaß gemacht. Bin zwar nicht ganz salonmäßig gekleidet; aber dieser Kantor emeritus sieht doch noch weit eher wie ein Bajazzo aus als ich, wenn ich mich nicht irre.«

»Du lachst. Denkst du denn auch daran, daß wir zum Essen eingeladen sind?«

»Natürlich denke ich daran! Fühle ja einen Hunger

wie ein Prairiewolf, dem die Sonne zwei Wochen lang in den leeren Magen geschienen hat.«

»Willst also der Einladung folgen und gestohlenes Fleisch mitessen?«

»Yes, sogar sehr!«

»Sam, das wird mir schwer, zu glauben, da du eine so grundehrliche alte Haut bist. Doch thu, was du willst; ich aber mache nicht mit. Gestohlene Ware ißt Will Parker nicht!«

»Sam Hawkens auch nicht, außer er weiß, daß sie hinterher bezahlt wird.«

»Ach, du meinst – – —?«

»Ja,« nickte der Kleine. »Bin ein Hanswurst genannt worden und mußte mich mit meinem Rate abweisen lassen, werde also nichts verhindern. Strafe muß sein, besonders wenn sie zur Lehre und zur Besserung dient, wie mir scheint. Werde auch mit dem größten Appetit mitessen, dann aber dafür sorgen, daß die Bestohlenen voll entschädigt werden.«

»Wenn das ist, esse ich auch mit. Müssen uns aber dabei sehr in acht nehmen. Sollte mich wundern, wenn uns die Finders ungerupft von dannen lassen wollten.«

»Werden ihre eigenen Federn lassen müssen; paß nur auf!«

Buttler mochte mit seinen Gefährten vielleicht drei Viertelstunden fortgewesen sein, als sie zurückkehrten. Sie brachten eine Rindslende mit, welche in das Haus geschafft wurde, um dort gebraten zu werden. Bis sie gar war, wurden noch mehrere Flaschen Whisky geleert. Als die Negerin endlich meldete, daß der Braten fertig sei, kam Buttler zu dem »Kleeblatt« herüber, um dasselbe aufzufordern, sich mit in das Innere des Hauses zu begeben.

»Können wir das, was ihr uns spenden wollt, nicht lieber herausbekommen?« fragte Sam.

»Nein,« lautete die Antwort. »Wer unser Gast sein will, muß bei uns sitzen. Uebrigens wißt ihr vielleicht, daß der Wein nur in Gesellschaft mundet.«

»Wein? Woher soll der hier kommen?« that Sam erstaunt.

»Ja, woher! Nicht wahr, das wundert euch? Ich sage euch, ihr seid bei echten Gentlemen zu Gaste geladen. Wir haben gesehen, daß ihr keinen Whisky mögt, und darum euch zu Liebe und euch zu Ehren den Wirt überredet, uns das einzige Fäßchen abzulassen, was er noch im Hause hat. Es ist ein Wein, wie ihr wohl noch keinen gekostet habt. Also kommt, Mesch’schurs!«

Er wendete sich nach der Thür, in welcher seine Leute schon verschwunden waren. Dadurch gewann Sam Gelegenheit, seinen Gefährten zuzuraunen:

»Wollen uns betrunken machen und dann ausrauben. Denken, wir haben Kindermagen, weil wir den Giftschnaps des Iren verschmähen. Hihihihi, sollen sich täuschen, wenn ich mich nicht irre! Sam Hawkens trinkt wie ein Kellerloch, und hat man je ein Kellerloch berauscht gesehen? Hört also, Boys: Richtet euch genau nach mir. Wir thun, als könnten wir nichts vertragen, trinken sie aber dennoch alle unter den Tisch.«

»Wenn sie uns nicht vorher schon massakrieren!« bemerkte Will.

»Fällt ihnen nicht ein! Müßten doch auf Widerstand gefaßt sein. Würden zwar denken, uns überwältigen zu können, zwölf gegen drei, doch nicht ohne daß auch wir ihnen einige Kugeln oder Stiche in das Fleisch geben. Werden es also jedenfalls vorziehen, uns schwer betrunken zu machen, daß wir uns dann nicht zu wehren vermögen. Also keine Sorge, altes Greenhorn! Hast immer Angst. Sam Hawkens aber ist kein solcher Neuling wie Will Parker und weiß ganz genau, wieviel er wagen darf.«

Während dieses kurzen Gespräches thaten sie, als ob sie nach ihren Tieren sähen, die sich in der Nähe befanden, und traten dann in das Haus.

Rechts lag die Küche mit einem höchst primitiven Herd, auf welchem ein Feuer brannte; über diesem hatte die Negerin das Fleisch gebraten. Links standen zwei lange Tafeln, welche aus ungehobelten Pfählen und Brettern bestanden, daran je zwei Bänke aus demselben Materiale. Es war also für alle Anwesenden Platz zum Sitzen vorhanden. Das Weinfaß lag in der Ecke auf einem Klotze; der Ire füllte daraus zwei Krüge, aus denen getrunken wurde. Gläser gab es nicht.

Die Finders hatten sich vorgenommen, wenig zu trinken, bis ihre drei Gäste vollständig berauscht seien. Sie ließen also die Krüge fast ununterbrochen kreisen und thaten so, als ob sie tüchtig tränken, nahmen aber nur kleine Schlucke. Der Wein war aber wirklich gut; er schmeckte ihnen, und so kam es, daß ihre Schlucke immer größer wurden.

Auch der Braten war vorzüglich; man sprach ihm tüchtig zu und war mit ihm schon fast auf die Neige gelangt, als eine Unterbrechung des Mahles eintrat. Es erschien nämlich der schon erwähnte Führer der Auswanderer unter der Thür, hinter ihm der alte Schmidt und dann auch die drei andern Männer. Sie hatten ihre Gewehre bei sich, während diejenigen der Schmausenden weggelegt worden waren. Als sie die Scene kurz überblickt hatten, trat der Führer einige Schritte näher und sagte:

»Good evening, Mylords! Erlaubt ihr uns vielleicht, euch gesegnete Mahlzeit zu wünschen?«

»Warum nicht?« antwortete Buttler. »Würden euch gern einladen, mitzuthun; haben aber schon beinahe aufgegessen; Knochen, die wir euch geben könnten, gibt es nicht.«

»Thut uns leid. Also nicht mal Knochen? Da ist’s wohl gar Lende, was ihr euch geleistet habt?«

»Yes, eine feine Büffellende.«

»Laufen hier noch Büffel herum? Es wird wohl ein zahmes Rind gewesen sein?«

»Wohl möglich. Haben es aber als Büffellende gekauft.«

»Wo denn, wenn ich fragen darf?«

»In Rhodes Rancho im Thale von Santa Cruz, an dem wir vorübergekommen sind.«

»Das muß doch einen tüchtigen Pack gegeben haben, und wir haben keinen bei euch bemerkt, als ihr an uns vorüberrittet.«

»Weil jeder sein Stück bei sich trug, wenn Ihr nichts dagegen habt, Sir,« hohnlächelte Buttler.

»Well, Master. Wie aber kommt es denn, daß uns ein Ochse fehlt?«

»Fehlt euch ein Ochse? Ah, wie viele seid ihr denn gewesen?«

Die Finders belohnten diesen groben Witz mit einem schallenden Gelächter. Der Führer ließ sich dadurch nicht irre machen und fuhr fort:

»Ja, ein Zugochse ist uns abhanden gekommen. Habt ihr vielleicht eine Ahnung, Gentlemen, wohin er ist?«

»Habt ihr ihn uns vielleicht zur Bewachung anvertraut? Sucht ihn doch!«

»Das thaten wir natürlich und haben ihn gefunden.«

»So seid froh, Sir, und laßt uns mit diesem euerm Ochsen in Ruhe! Wir haben mit dem Beeste nichts zu schaffen.«

»Wahrscheinlich doch! Die Sache ist nämlich die, daß er fortgelockt und erstochen worden ist, mit einem schönen, regelrechten Stiche zwischen die beiden betreffenden Wirbel, einem Stiche, der den sofortigen und lautlosen Tod des Tieres zur Folge hatte. Das ist ganz die Art und Weise der Rinderdiebe, ihre Beute gleich in der Nähe abzuschlachten.«

»Well. So denkt ihr also, der Ochse sei euch gestohlen worden?«

»Das denken wir nicht nur, sondern wir sind überzeugt davon.«

»So jagt den Dieben nach! Vielleicht erwischt ihr sie. Das ist der einzige und beste Rat, den ich euch geben kann.«

»Wir haben ihn bereits befolgt. Sonderbarerweise nämlich fehlt an dem erstochenen Ochsen gerade nur die Lende!«

»Das finde ich nicht sonderbar, sondern ganz erklärlich. Die Diebe haben wohl gewußt, daß die Lende das beste und schmackhafteste Stück eines Rindes ist.«

»Well, sie sind also gleicher Ansicht mit euch gewesen, da ich ja sehe, daß euer Braten grad auch Lende war, wahrscheinlich die Lende eines Zugochsen, nicht aber diejenige eines Büffels.«

Da stand Buttler von der Bank, auf welcher er sitzen geblieben war, auf und fragte in drohendem Tone:

»Was soll das heißen, Sir? Bringt Ihr etwa unsern Braten mit der Lende des gestohlenen Rindes zusammen?«

»Ja, das thue ich allerdings, und ich hoffe, daß ihr nichts dagegen habt.«

Im Nu hatte Buttler sein Gewehr in der Hand, und auch seine Gefährten sprangen auf, die ihrigen zu ergreifen.

»Mann,« rief er dem Führer zu, »wißt Ihr, was Ihr thut, was Ihr wagt? Wollt Ihr etwa behaupten, wir seien die Diebe, welche Ihr sucht? Seht diese zwölf Gewehre auf Euch gerichtet, und wiederholt die Anschuldigung, welche Ihr ausgesprochen habt!«

»Fällt mir nicht ein! Ich habe meine Pflicht gethan und bin nun fertig. Ich bin der Führer der Männer, welche da hinter mir stehen; sie sind Deutsche und können nicht englisch sprechen. Was ich sagte, habe ich in ihrem Namen gesagt und kann nun gehen. Ich bin ihr Scout, aber nicht ihr Ochsenhirt; was nun zu thun ist, mögen sie selber thun.«

Er drehte sich um und ging fort. Dieser Mann hatte von seinem Standpunkte aus ganz recht; er war ein Mietling und that nur das, wofür er bezahlt wurde. Er hatte eigentlich schon zuviel gethan, indem er sich eines abhanden gekommenen Rindes wegen vor die drohenden Läufe dieser gefährlichen Leute wagte. Die Deutschen hatten wahrscheinlich gemeint, er werde diese Angelegenheit zu Ende führen, denn sie standen, als er sich entfernt hatte, zunächst wie ratlos da, bis dem alten Schmidt ein Auskunftsmittel in den Sinn kam. Er wendete sich nämlich an Sam Hawkens, welcher mit seinen beiden Freunden ruhig weitergegessen und scheinbar auf sonst nichts geachtet hatte.

»Herr Falke, haben Sie gehört, was unser Führer gesagt hat?«

»So ziemlich,« antwortete der Kleine, indem er ein Stück Fleisch in den Mund schob.

»Wir haben es nicht verstanden. Hielt er diese Leute für die Diebe?«

»Ja.«

»Und das sagte er ihnen?«

»Ja.«

»Was war die Folge?«

»Die Folge? Hm, die Folge war, daß er dann fortging.«

»Alle Teufel! Soll ich mir etwa meinen Ochsen stehlen lassen!«

»Sollen? Sie haben sich ihn stehlen lassen, wenn ich mich nicht irre.«

Bei diesen letzteren Worten, auf welche er besonders aufmerksam gemacht worden war, horchte Schmidt auf. Dann fuhr er fort:

»Das muß aber doch bestraft werden!«

»Von wem?«

»Vom Gerichte. Und ich muß Schadenersatz bekommen!«

»Von wem?«

»Von den Spitzbuben.«

»So redet mit dem Gerichte und auch mit den Spitzbuben.«

»Ich verstehe ja nicht englisch!«

»Ihr könntet auch nichts machen, wenn Ihr es verständet.«

»So helfen Sie mir doch! Sie sind ein Deutscher, also ein Landsmann von uns und müssen sich unsrer annehmen.«

»Ich muß? Was könnt Ihr von der Hilfe eines Hanswurstes erwarten? Hättet Ihr meinen Rat befolgt, eine Wagenburg gebildet und Euer Vieh bewacht, so wäre Euch der Ochse nicht gestohlen worden. Ich kann nichts für Euch thun, gar nichts.«

»Aber hier sitzen, mit den Spitzbuben gemeinschaftliche Sache machen und von dem gestohlenen Braten essen, das können Sie wohl, nicht?«

»Ja, das kann ich, denn ich bin von ihnen zum Mitessen eingeladen worden, wenn ich mich nicht irre.«

Wieder horchte Schmidt auf, als er diese Worte hörte. Das war ja genau die Redensart, deren sich Sam Hawkens zu bedienen pflegte! Dann stieß der Deutsche den Kolben seines Gewehres wütend auf den Fußboden und rief:

»Dann danke ich für die Landsmannschaft und werde mir selber helfen!«

»Wie wollt Ihr das anfangen?«

»Ich zwinge diese Schufte, mich zu bezahlen!«

»In welcher Weise?«

»Durch Gewalt. Wir sind vier Personen und haben unsre Gewehre!«

»Und hier stehen zwölf verwegene Männer euch gegenüber, welche ebenso gute Gewehre besitzen. Begeht keine Dummheit! Der Ochse ist dadurch, daß ihr euch in eine offenbare Lebensgefahr begebt, nicht wieder lebendig zu machen.«

 

»Das weiß ich auch; aber wo bleibt das Geld, welches er mich kostet?«

»Diese Leute haben kein Geld, und selbst wenn sie welches besäßen, würdet Ihr es ihnen durch Gewalt nicht abzuzwingen vermögen.«

»Soll ich etwa List anwenden?«

»Dazu seid Ihr nicht der Mann. Ein Bär ist kein Fuchs und ein Tolpatsch kein Pfiffikus, wenn ich mich nicht irre.«

Schon wollte Schmidt wegen des Tolpatsches eine grobe Antwort geben, als die letzteren Worte ihn von diesem Vorhaben abbrachten. Er fragte rasch:

»Wenn ich mich nicht irre! So haben Sie jetzt schon dreimal gesagt. Heißen Sie wirklich Falke?«

»Ja, wenn ich mich nicht irre.«

»Und bringen doch immer diese Worte, welche die Redensart eines andern Westmannes sein sollen.«

»Welches Mannes?«

»Schi-So hat mir seinen Namen gesagt; ich habe ihn aber wieder vergessen.«

»Schi-So?« fragte Sam, sichtlich überrascht. »Wer ist das?«

»Ein junger Begleiter von uns, der Sohn eines Navajohäuptlings, welcher Nitsas-Ini heißt.«

Da machte Sam eine Bewegung der Freude und rief aus:

»Nitsas-Ini? Sein Sohn ist bei euch? Kommt er aus Deutschland zurück?«

»Ja; er ist mit uns herübergefahren.«

»Ausgezeichnet, ausgezeichnet! Da es so steht, sollen Sie mich nicht umsonst um meinen Beistand gebeten haben. Kehren Sie nun ruhig in Ihr Lager zurück; Sie werden Ihren Ochsen ersetzt bekommen.«

Hatte er vorher Ihr zu ihm gesagt, so begann er nun, ihn Sie zu nennen. Die Nachricht, welche er soeben empfangen hatte, mußte ihn also umgestimmt haben.

»Das sagen Sie wohl nur, um mich loszuwerden?« fragte Schmidt mißtrauisch.

»Nein. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß Sie volle Entschädigung erhalten werden, und vielleicht noch mehr als das. Wieviel hat der Ochse gekostet?«

»Hundertdreißig Dollar.«

»Die erhalten Sie. Ich sage es Ihnen, und also ist es wahr, wenn ich mich nicht irre.«

»Schon wieder: Wenn ich mich nicht irre! So sind Sie wohl der Westmann, welchen Schi-So meint?«

»Jedenfalls bin ich es, denn ich weiß, daß mir diese Worte sehr oft über die Zunge schlüpfen, ohne daß ich es beabsichtige. Es ist eine Angewohnheit von mir, welche abzulegen ich mir vergeblich Mühe gegeben habe. Ich habe Schi-So früher sehr oft gesehen, wenn ich mich als Gast bei dem Stamme seines Vaters befand. Sagen Sie ihm, daß ich mit dem Frühesten hinaus in das Lager kommen werde, um ihn zu begrüßen. Wo befand er sich denn, als ich gegen Abend draußen war?«

»Er war nach dem Flusse geritten.«

»Und Ihr Scout, den ich auch nicht sah?«

»Der war fort, um vielleicht einen wilden Truthahn zu schießen. Ich werde ihm eine Predigt darüber halten, daß er uns hier so schmachvoll verlassen hat.«

»Das wird Ihnen keinen Nutzen bringen. Wenn Sie ihn nicht dafür bezahlen, daß er Sie und alle Ihre Habe vor jeder Gefahr zu schützen hat, können Sie nicht verlangen, daß er sich selbst in Gefahr begibt. Also gehen Sie jetzt! Ihr längeres Bleiben hat keinen Zweck, sondern nur den Erfolg, diese Leute hier noch mehr gegen Sie aufzuregen.«

»Sie werden aber Wort halten?«

»Gewiß; Sie können sich darauf verlassen.«

»So will ich gehen, und niemals wieder soll es mir vorkommen, daß ich mir etwas stehlen lasse.«

»Wenn Sie nicht verständiger handeln, als Sie heut gehandelt haben, werden Sie noch oft Schaden erleiden, bis Sie endlich klüger geworden sind.«

»Haben Sie keine Sorge. Ich werde von jetzt an sehr darauf achten, wenn mir jemand einen guten Rat erteilt.«

»So will ich das benutzen und Ihnen gleich jetzt den Rat geben, niemals wieder, wenigstens im wilden Westen nicht, einen Menschen nach dem Anzuge zu taxieren, den er auf dem Leibe trägt. Kleider machen hier nicht Leute; das merken Sie sich!«

Als Schmidt mit seinen drei Männern das Haus verlassen hatte, fragte Buttler den Kleinen:

»Wir haben kein Wort verstanden. Was meinte denn der Kerl?«

»Er verlangte Schadenersatz.«

»Und was habt Ihr geantwortet?«

»Ihn fortgeschickt.«

Sam sagte damit keine Lüge, aber auch nicht, daß er Ersatz versprochen hatte. Der Finder fühlte sich befriedigt und meinte:

»Es war sein Glück, daß er Euch gehorcht hat. Wir sind nicht gewohnt, mit Deutschmen viel Federlesens zu machen. Jetzt aber setzt Euch wieder nieder. Wir wollen zeigen, daß diese Dummköpfe uns den Appetit nicht verdorben haben.«

Das Essen und Trinken begann von neuem; das erstere währte nicht lange mehr, da nur der Rest noch zu verzehren war; desto mehr wurde sich dann auf das letztere verlegt. Als das Faß halb geleert war, gab sich Sam den Anschein, als ob der Wein eine berauschende Wirkung auf ihn zu äußern beginne, und Dick und Will folgten seinem Beispiele. Das freute die Finders außerordentlich; sie sahen ihre Absicht gelingen, glaubten, daß es nur noch kurzer Zeit bedürfen werde, ihre Opfer einzuschläfern, und sprachen nun den Krügen noch mehr als vorher zu. So verging Viertelstunde auf Viertelstunde. Sam that, als ob er nur noch mit Mühe die Augen offen zu halten vermöge; den Finders begannen die ihrigen auch zuzufallen, doch nicht zum Scheine, sondern aus wirklicher Betrunkenheit; sie hatten vorher zuviel Schnaps zu sich genommen.

Der erste, welchen das Trinken vollständig übermannte, war der Irländer. Er setzte sich am Herde nieder, schlief ein, nickte tiefer und immer tiefer und fiel dann endlich, ohne aufzuwachen, auf den Boden nieder, so lang er war.

Sam hatte dem Anführer sehr fleißig zugetrunken, und dieser bekam einen solchen Rausch, daß er den Kopf in die Hände und die Ellenbogen auf die Tafel stemmen mußte, um ihn zu halten. Er merkte sehr wohl, daß der Wein ihn übermannen wolle, und gedachte, sich keine Blöße vor seinen Leuten geben zu dürfen. Darum blinzelte er ihnen verstohlen, wie er meinte, zu; sie sollten denken, daß er sich bloß verstelle. Die ganz natürliche Folge davon war, daß sie glaubten, sich denselben Anschein geben zu sollen, dies war ihnen außerordentlich lieb, und so trat in der erst so lauten und beweglichen Gesellschaft bald die größte Ruhe und Stille ein.

Da stand Hawkens auf, um die Krüge zu füllen. So lange noch ein Tropfen in dem Fasse war, weckte er bald den einen, bald den andern auf, um ihn zum Trinken zu nötigen.

Endlich war das Faß leer und die Finders schliefen alle einen tiefen, tiefen Schlaf, aber nicht den der Gerechten. Sam machte die Probe, indem er einige von ihnen weckte. Sie lallten, ohne zur richtigen Besinnung zu gelangen, unverständliches Zeug und fielen wieder zusammen. Einer von ihnen stierte mit leblosen Augen vor sich hin und fragte:

»Sind sie nun endlich betrunken, Buttler?«

»Ja, ganz und gar,« antwortete Sam.

»Dann hinaus mit ihnen und das Messer zwischen die Rippen; dann teilen wir das Geld und scharren sie ein.«

Und als Sam nichts dazu sagte, fuhr er mit Iallender Zunge fort:

»Was redest du nicht? Willst du sie etwa laufen lassen? Das geht nicht; ihr Tod ist beschlossen. Soll ich – mit – meinem –Messer–anfangen?«

»Ja,« sagte Hawkens.

»Dann – – nehme ich – – den kleinen – – Di – – Di – —

Dicken und – – —« Er griff mit der Hand nach dem Gürtel, um sein Messer zu ziehen, stand auf, konnte sich aber nicht halten und glitt auf den Boden nieder, wo er ohne Besinnung liegen blieb.

»Da haben wir es gehört,« flüsterte Dick Stone. »Ermordet sollen wir werden, und nachdem man uns ausgeraubt hat, will man uns verscharren. Du hattest mit deiner Vermutung also das Richtige getroffen, alter Sam. Was thun wir nun?«

»Das Einfachste: wir fesseln sie. Riemen und Schnüre wird es wohl im Hause geben.«

Ja, es gab deren genug, und bald hatten die Drei die Finders nicht nur, sondern auch den Wirt und die alte Negerin, welche auch schwer betrunken war, an Händen und Füßen gefesselt. Nun ließ Sam seine beiden Genossen als Wächter zurück und ging nach dem Lagerplatze der deutschen Emigranten. Als er sich demselben näherte, hörte er eine jugendliche Stimme rufen:

»Who is there? I shoot – wer ist da? Ich schieße!«

»Sam Hawkens ist’s,« antwortete er.

»Schon? Das ist prächtig! Tretet näher, Sir! Daß Ihr so bald kommt, ist ein gutes Zeichen, wie ich vermute?«

»Kann auch ein schlimmes sein. Wie nun, wenn ich hätte fliehen müssen?«

»Dann wären Eure beiden Gefährten bei Euch. Ohne die flieht Ihr gewiß nicht; also meine ich, weil sie im Dorfe geblieben sind, daß es dort gut stehe. Kommt herein, Sir; steigt über diese Wagendeichsel!«