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Der Oelprinz

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»Dann ist aber von einem Ueberfalle keine Rede!«

»Warum nicht? Die Wagen werden überfallen, und wenn wir nicht bei denselben sind, so bleibt die That doch ein Verbrechen, und wir können getrost behaupten, daß sie uns ermordet hätten, wenn sie uns angetroffen hätten. Wir werden zwar nicht beweisen können, daß sie Mörder sind; aber sie überfallen nächtlicher Weile einen Wagenzug; das ist Raub, und darauf steht hier zu Lande die Todesstrafe.«

»Well! Aber wie wollt ihr sie dabei ergreifen, ohne daß es zum Kampfe kommt und ihr euch also in die Gefahr begebt, euer Leben zu verlieren?«

»Das wird sich finden, wird sich ganz gewiß finden, Sir, wenn Ihr uns dabei unterstützen wollt.«

»Das soll mehr als gern geschehen; nur möchtet Ihr mir sagen, wie Ihr Euch diese Unterstützung denkt.«

»Setzt Euch aufs Pferd und begleitet uns mit einem Trupp Eurer Kavallerie!«

»Ich wäre ganz glücklich, wenn ich das thun dürfte; aber es ist mir nicht gestattet, meinen Posten hier zu verlassen. Und da ich so wenig Leute hier habe, könnte ich höchstens nur zwanzig Mann detachieren.«

»Das genügt vollständig, Sir.«

»Wenn Ihr dies meint, so soll’s geschehen, doch muß ich unbedingt vorher wissen, wie Ihr Euch die Sache denkt. Hat Eure Ansicht meinen Beifall, so sollt Ihr zwanzig Mann bekommen. Seid Ihr denn wirklich so sicher, daß die Finders Euch folgen werden?«

»Daß sie kommen werden, das ist so sicher, wie mein alter Filzhut hier, hihihihi! Sie werden freilich nicht wagen, sich in Tucson sehen zu lassen, sondern die Stadt umreiten; dennoch aber ist es möglich, daß sie einen einzelnen von ihnen als Kundschafter in die Stadt senden. Darum darf jetzt niemand als nur wir beide, höchstens noch der Lieutenant, erfahren, was wir vorhaben. Also sie werden einen Bogen um die Stadt schlagen, bis sie wieder auf unsre Wagenspur treffen, und derselben folgen, bis sie bemerken, daß und wo wir für die nächste Nacht Lager machen. Sie bleiben natürlich zurück und ruhen aus, bis es dunkel geworden ist; dann kann und wird der Ueberfall stattfinden, wenn ich mich nicht irre.«

»Nun, und Ihr? Ihr wolltet doch nicht bei den Wagen bleiben, wie Ihr vorhin sagtet.«

»Ja, wir werden uns freilich hüten, uns erschießen zu lassen. Wir gehen fort.«

»Wohin?«

»Das kommt darauf an, wo wir lagern werden. Kennt Ihr die Stelle, an welcher die Guadeloupestraße mit dem Wege von Babasaqui zusammenstößt? Und wird diese Stelle auch dem Lieutenant, den Ihr uns mitgeben wollt, bekannt sein?«

»Wir sind beide mehrere Male dort gewesen, er sowohl wie ich.«

»Well, ist mir lieb. Dort werden wir lagern, denn dort gibt es Wasser, was für unsre Zugtiere die Hauptsache ist. Ihr schickt den Lieutenant mit seinen Leuten voraus dorthin; aber er muß sich seitwärts unsres Weges halten, damit die Finders nicht etwa seine Spur treffen und mißtrauisch werden. Wir folgen später und treffen mit ihm dort zusammen. Sobald es zu dunkeln beginnt, zünden wir ein großes, helles Feuer an, damit die Finders uns leicht bemerken können. Dann lassen wir die Wagen stehen und machen uns zur Seite, um die Kerls, sobald sie sich heimlich nähern, gleich mit den Fäusten zu packen, niederzureißen und gefangen zunehmen.«

Der Kapitän ging eine Weile schweigend, aber mit raschen Schritten im Zimmer hin und her; dann blieb er vor Sam stehen und sagte:

»Wie Ihr das sagt, klingt es so glatt, so leicht, als ob es nur so und gar nicht anders kommen könne. Die Finders werden den Ueberfall aber jedenfalls nicht unternehmen, ohne vorher einen Kundschafter nach eurem Lager gesandt zu haben.«

»Das sollen sie auch, und das werden sie allerdings.«

»Aber dann sieht der Späher doch, daß ihr euch nicht im Lager befindet!«

»Nein, das sieht er nicht, denn wir werden es nicht eher verlassen, als bis er dagewesen ist.«

»Dann müßtet ihr aber doch über sein Kommen und Gehen unterrichtet sein!«

»Das werden wir auch, Sir.«

»Wieso? Auf welche Weise?«

»Hm, Ihr scheint Sam Hawkens für dümmer zu halten, als er ist, hihihihi! Den Finders traut Ihr zu, daß sie einen Kundschafter voraussenden. Können denn dasselbe auch nicht wir thun? Ich sage Euch, Sir, daß ich diese Kerls viel eher belauschen werde, als sie uns.«

Der Offizier schüttelte zweifelnd den Kopf und entgegnete:

»Das dürfte wohl unmöglich sein. Ihr müßtet sie schon am Tage beschleichen. Ich habe viel, sehr viel von Euch und Euern beiden Kameraden erzählen hören; ich weiß also, wie listig und wie verwegen Ihr seid, aber diese Leute am hellen, lichten Tage belauschen, hier, wo es keine Wälder gibt, wo man sich verstecken kann, das dürfte Euch wohl kaum gelingen. Dazu müßt Ihr folgendes bedenken: Ihr brennt ein großes Feuer an: sie hingegen werden sich hüten, dies zu thun; sie können also euern Lagerplatz schon von weitem sehen, während Ihr nicht wißt, wo sie zu finden sind.«

»Meint Ihr? Meint Ihr wirklich? Sam Hawkens soll nicht wissen, wohin sich diese Gentlemen stecken werden, hihihihi! Das ist gerade so, als wenn mein Kopf nicht wissen sollte, daß er unter seinem Hute steckt! Ich sage Euch, die Finders werden weder nach rechts noch nach links von unsrer Fährte weichen und auch auf derselben halten bleiben, wenn sie unser Feuer sehen. Sam Hawkens aber weiß ganz genau, auf welche Entfernung hin ein Feuer, wie er es anbrennen wird, zu bemerken ist. Habt keine Sorge um mich, und sagt mir rund heraus, ob Ihr Euch mit dieser Sache befassen wollt oder nicht! Wir werden auch allein ganz gut mit ihnen fertig; nur müßten wir ihnen in diesem Falle unsre Kugeln schmecken lassen. Da ich aber lieber kein Blut vergießen will, habe ich mich an Euch gewendet. Wenn Ihr mir zwanzig Mann, also vierzig Hände, zur Verfügung stellt, können wir mit den Fäusten fertig bringen, was sonst nur mit Hilfe von Pulver und Blei zu erreichen wäre.«

»Gut, ich bin einverstanden, möchte aber vorher auch die Meinung des Lieutenants hören.«

»So laßt den Mann kommen, Sir! Denke aber, daß er dem Stocke, den ich schwimmen lassen will (* Trapperausdruck.) , keine andre Richtung geben wird.«

Der Kapitän holte den Lieutenant selbst herbei, und es erfolgte eine Unterredung, an deren Schlusse sich diese Ansicht Sams bewahrheitete: es blieb bei dem, was er beschlossen hatte. Die beiden Offiziere waren neugierig, auch Dick Stone und Will Parker zu sehen, doch Hawkens redete ihnen das aus, da ihr Besuch bei den Wagen oder der Besuch der beiden Genannten bei ihnen gewiß Aufsehen erregt hätte. Ein etwaiger Späher der Finders mußte dann davon erfahren, und Buttler konnte dann gar wohl erraten, daß die Garnison zu Hilfe gerufen worden sei. Als noch einige nebensächliche Dinge besprochen und bestimmt worden waren, entfernte sich Sam, sehr zufrieden über das Ergebnis der Verhandlung mit seinem Herrn »Kameraden«.

Als er bei den Wagen ankam, stand die ganze nichtsthuende Bevölkerung von Tucson um dieselben, gerade so, wie hier in Deutschland die Müßiggänger nach einem Zigeunerlager laufen, um sich das Treiben desselben anzusehen. Die Gesellschaft saß, ohne diese große Zuschauerschaft zu beachten, beim Frühstücke, und Sam setzte sich mit nieder, um an dem frugalen Essen teilzunehmen und zu berichten, welches Ergebnis seine Unterredung mit dem Kapitän gehabt habe.

Später kamen einige der Neugierigen näher, um sich mit den Reisenden zu unterhalten, was seitens der Auswanderer nur bei dem Kantor Erfolg hatte, wenn auch nur einen sehr geringen, da dieser sich eine größere Anzahl englischer Brocken angeeignet hatte, als die andern. Unter diesen Leuten befand sich ein junger Mann, welcher sich, von den übrigen unbefriedigt, an den Führer machte und diesen, mit ihm allein stehend, in ein Gespräch verwickelte. Sam beobachtete ihn; er bemerkte, daß derselbe eine militärische Haltung besaß und während des Gespräches besonders forschend auf die drei »Kleeblätter« blickte. Darum stand der Kleine auf und näherte sich ihnen. Als er hinkam, hörte er noch deutlich, daß der Führer auf eine an ihn gerichtete Frage antwortete:

»Ja, es ist das “Kleeblatt”; ich kann es versichern, obgleich ich es erst auch nicht glauben wollte.«

Da nahm Sam den Fremden beim Arme und sagte in einem sehr bestimmten Tone:

»Master, Ihr seid Soldat, nicht? Ihr gehört zur hiesigen Garnison?«

Man sah dem Manne an, daß ihn diese Frage in Verlegenheit brachte. Er stotterte etwas, was als Antwort dienen sollte, aber nicht verstanden werden konnte; darum fuhr der Kleine fort:

»Geniert Euch nicht; ich zürne Euch nicht. ich habe dem Kapitän gesagt, daß ich Sam Hawkens bin; er kennt mich nicht persönlich und muß doch infolge einer Zusicherung, welche er mir gegeben hat, wissen, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Darum habt Ihr die Uniform ausziehen und in dieser Kleidung zu uns gehen müssen, um genaue Erkundigung einzuziehen. Gesteht, daß es so ist!«

»Ja, Sir, Ihr täuscht Euch nicht,« lautete jetzt die Antwort. »Da ich nun weiß, daß Ihr zu dem “Kleeblatte” gehört, darf ich es gestehen.«

»So meldet dem Kapitän, was Ihr gehört habt; sprecht aber ja mit keinem andern davon!«

»Kein Wort sage ich, Sir. Ich weiß, um was es sich handelt; ich bin Unteroffizier und gehöre zu den Zwanzig, welche mit dem Lieutenant reiten werden.«

»Wann brecht ihr auf?«

»Schon in einer halben Stunde.«

»So sagt dem Lieutenant, er soll euch einzeln und nach verschiedenen Richtungen aus der Stadt reiten lassen! Dadurch wird vermieden, daß irgend jemand auf den richtigen Gedanken kommt.«

Der Unteroffizier entfernte sich, und nun wendete sich Sam an den Führer:

»Sagt mir doch einmal, wie Ihr dazu kommt, diesem Manne Auskunft über uns zu erteilen!«

»Er fragte mich!« antwortete der Führer kurz.

»So! Also wenn Euch jemand fragt, so antwortet Ihr, es mag sein, wer es will.«

»Ihr wollt mir doch nicht etwa den Mund verbieten?«

 

»Ja, das will ich allerdings! Ihr wißt, daß niemand erfahren soll, daß wir das Kleeblatt sind, und doch habt Ihr es diesem Frager sofort auf die Nase gehängt. Ihr wollt ein Scout, ein Westmann sein und habt noch nicht einmal das Abc der Vorsicht inne. Ich möchte mich Eurer Führung nicht anvertrauen.«

»Das habt Ihr auch nicht nötig. Ehe Ihr zu uns kamt, ging alles nach meiner Weisung und nach meinem Willen; nun aber thut Ihr, als ob Ihr unser Gebieter wäret. Ich bin von diesen Leuten engagiert worden und führe sie —«

»Ins Verderben!« fiel Sam ihm in die Rede. »Ihr habt sie zu beschützen. Thut Ihr das? Ohne unser Kommen würden sie heut abend beraubt und ermordet werden!«

»Pshaw! Ich habe meine Augen auch offen. Laßt Euch sagen, Master Hawkens, daß ich die mir Anvertrauten bis Fort Yuma zu führen habe. Bis dorthin bin ich Herr des Zuges. Wollt Ihr mit, so habt Ihr Euch mir zu fügen. Später dann könnt Ihr befehlen, so viel Ihr wollt! Basta!«

Da klopfte ihm Sam auf die Achsel und sagte mit seinem freundlichsten Lächeln, hinter welchem sich aber stets das Gegenteil verbarg:

»Nicht basta, noch lange nicht! Ich weiß, wohin diese Leute wollen; es ist nicht nötig, daß sie über Fort Yuma ziehen; es gibt einen kürzeren Weg, den Ihr freilich nicht zu kennen scheint. Ihr bleibt bis morgen früh noch bei uns; dann könnt Ihr gehen, wohin es Euch beliebt.«

»Mir recht, wenn ich meinen Lohn bis Fort Yuma bekomme!«

»Den werdet Ihr erhalten, und dann führe ich diese Leute, ohne Lohn von ihnen zu verlangen; sie werden dann nicht wieder durch die Schwatzhaftigkeit ihres Scout in Gefahr geraten.«

Der Führer setzte sich mürrisch auf eine Wagendeichsel; Sam wendete sich von ihm ab und seinen Gefährten zu.

»Hast einen Fehler gemacht, Sam,« meinte Will Parker. »Kann dich nicht begreifen.«

»Fehler gemacht? Welchen?« fragte der Kleine.

»Warum soll er noch bis morgen bei uns bleiben? Hättest ihn gleich fortschicken sollen.«

»Das also, das soll ein Fehler sein! Will Parker, das Greenhorn, untersteht sich Sam Hawkens gute Lehren zu erteilen! Siehst du denn nicht ein, altes Coon, daß ich ihn heut noch nicht fortschicken darf?«

»Nein, das sehe ich nicht ein.«

»O, süßer Will, wie traurig steht’s mit dir! Wirst niemals, nie, ein Westmann werden. Wie blamiert es mich, einen solchen Lehrjungen zu haben, der nichts begreifen kann! Du aber kannst dich glücklich schätzen, daß ich dein Meister bin, denn ohne mich und Dick Stone wärest du längst schon ausgelöscht worden. Weißt du, was dieser sogenannte Scout machen würde, wenn ich ihn schon heut davon jagte?«

»Nun, was?«

»Er würde aus Rache zu den Finders gehen und ihnen unser Vorhaben verraten. Aber dein kleines Gehirn reicht gar nicht zu, diesen großen Gedanken in sich aufzunehmen.«

»Yes,« stimmte Parker sehr ernsthaft zu. »Du hast wirklich recht, alter Sam. Es ist eine wahre Sünde und Schande mit mir, daß keine deiner guten Lehren und Ermahnungen wie ein Tintenklex an mir haften bleibt. Ich begreife gar nicht, wie du es nur so mit mir aushalten kannst.«

»Das ist kein Wunder, da du überhaupt gar nichts begreifen kannst. Der Grund liegt darin, daß ich für dich fühle und empfinde wie eine nachsichtige Mutter, die gerade dasjenige Kind, welches ihr die meisten Sorgen macht, am meisten liebt.«

Jetzt sah man einen Kavalleristen vorüberreiten; der Aufbruch des Militärs hatte also begonnen. Der Wagenzug aber blieb noch lange halten und setzte sich erst um die Mittagszeit wieder in Bewegung.

Man hatte bis zu dem Punkte, an welchem für die Nacht gehalten werden sollte, ungefähr neun englische Meilen zurückzulegen und mußte also selbst bei dem langsamen Ochsenschritte noch vor abend dort ankommen. Die Gegend, durch welche der Zug sich bewegte, war eine mit Kies bedeckte Einöde, auf welcher nur hier und da ein hagerer Kaktus oder ein elender Mesquitestrauch zu sehen war. Was man davon dürr fand, wurde mitgenommen, um heut abend ein großes Feuer unterhalten zu können. Ueberhaupt besteht die ganze zwischen Tucson und dem Gila liegende Strecke aus solchem kiesigen Wüstenlande, wo es Wasser für das Vieh nur in einigen Tümpeln gibt und für die Menschen an zwei oder drei Punkten, wo die frühere Ueberlandpostgesellschaft Brunnen graben ließ, welche noch heut bestehen. Man nennt diese Gegend die Neunzigmeilenwüste. Jedenfalls gibt es außer an den angeführten Stellen auch noch an andern Orten Wasser, doch halten die wilden Indianer derartige Punkte verborgen, indem sie die Löcher mit Häuten bedecken, auf welche sie Kies und Sand streuen, gerade so, wie die Nomaden der Sahara es mit ihren verborgenen Brunnen thun.

Sam Hawkens leitete den Wagenzug; der bisherige Führer ritt nicht mehr voran, sondern hinterdrein. Die Blicke, welche er von Zeit zu Zeit auf den Kleinen warf, waren keine guten. Wenn sie bemerkt worden wären, hätte man aus ihnen ersehen können, daß er auf Rache sann.

Als am Nachmittag nur noch zwei englische Meilen zurückzulegen waren, achtete Sam noch weit mehr als vorher auf den Weg und dessen Umgebung. Von einem gebahnten »Wege« war allerdings keine Rede; aber wer diese Gegend passierte, der hielt, ob zu Pferde oder zu Wagen, dieselbe Richtung ein, und so kommt es, daß man hyperbolisch sogar von Straßen spricht, welche die einzelnen Orte dort verbinden.

Diese letzten zwei Meilen führten über wellenförmiges Land, welches so aussah, als ob eine Schar von Giganten riesenhafte Körbe voll Sand, Kies und Steingetrümmer hier nebeneinander ausgeschüttet hätte. Darum kamen die Wagen nur sehr langsam vorwärts. Einer dieser Giganten hatte seinen Korb mit großen, mannshohen und noch höheren Felsenstücken gefüllt gehabt und dieselben so hingeworfen, daß sie wie eine Brustwehr neben, – zwischen- und übereinander lagen. Wer sich dahinter versteckte, konnte sehr weit sehen, ohne selbst gesehen zu werden.

Sam deutete auf diese Felsen und rief seinen beiden andern »Blättern« zu:

»Das ist der Ort, an welchem die Finders halten werden. Oder willst du vielleicht wetten, Will Parker, daß ich unrecht habe?«

»Fällt mir nicht ein, altes Coon,« antwortete der Genannte. »So klein mein Gehirn nach deiner Meinung ist, es hat doch diese Felsen sofort als mutmaßliche Haltestelle in sich aufgenommen. Schau, da drüben, links, gibt es noch ähnliche hohe Steine. Vielleicht reiten die Kerls dort hinüber.«

»Nein, denn hier siehst du einige hundert Grashalme, welche sie ihren Pferden gönnen werden. Dort drüben wird sich aber auch jemand befinden.«

»Wer?«

»Kannst du das dir nicht denken?«

»Doch, alter Sam.«

»Nun, wer?«

»Du selbst. Du wirst dich dort verstecken, um ihre Ankunft zu beobachten und sie dann zu belauschen.«

Da schlug Sam seine fetten Hände über dem Kopfe zusammen und rief in gut gespielter Verwunderung:

»Ist so etwas denn möglich! Dieses Greenhorn hat auf einmal einen Gedanken, einen wirklichen Gedanken, und zwar einen ganz richtigen und guten! Entweder geht die Welt bald unter, oder bei diesem alten Will Parker ist der Knoten endlich doch gerissen. Ja, edler Will, ich werde, wenn ich unsern Lagerplatz gesehen habe, nach dort drüben zurückkehren und auf die Finders warten.«

»Nimmst du mich mit?«

»Kann es nicht riskieren, Will. Gehören geschickte und erfahrene Leute zu so etwas. Mußt erst noch länger in die Schule gehen.«

»Hm, ist’s nicht etwa so, daß du dich täuschest, alter Sam? Habe einen Jungen gekannt, welcher absolut nichts lernte, obwohl er einen sehr anstelligen Kopf besaß. Die Leute sagten, nicht der junge, sondern der Lehrer, der nichts verstand, sei schuld daran. Ist wahrscheinlich hier bei uns auch der Fall.«

Nachdem man noch einige niedrige Bodenerhebungen überwunden hatte, wurde das Land wieder eben, und eine gute Viertelstunde später verwandelte sich der sterile Kies in eine Erde, welche eine Gruppe von Mesquite- und Ocochillabüschen trug. Da gab es sogar Wasser. Es war hier nämlich einer jener Brunnen, welche von der Ueberlandpostgesellschaft gegraben worden sind. Der Lagerplatz war erreicht, und man hielt an.

Zunächst erquickten sich die Menschen an dem Wasser; dann wurden die Pferde und Ochsen getränkt, welche alsdann den Versuch machten, sich aus dem stacheligen Gebüsch die wenigen grünen Blätter zu holen. Die Wagen waren, wie Sam gestern geraten hatte, so aufgefahren worden, daß sie die Seiten eines zwischen ihnen liegenden Viereckes bildeten.

Natürlich blickte man nach den Soldaten aus. Sie waren nicht zu sehen. Sam nickte befriedigt vor sich hin und sagte:

»Ist kein übler Kopf, dieser Lieutenant. Hat nicht eher hier erscheinen wollen, als bis wir angekommen sind. Wird sich aber nun bald sehen lassen.«

Als ob seine Worte von dem Betreffenden gehört worden seien, tauchte jetzt im Norden ein einzelner Reiter auf, welcher rasch näher kam. Es war der Lieutenant. Als er das Lager erreichte, gab er Sam Hawkens die Hand und sagte:

»Wir befinden uns schon seit Stunden in der Nähe, mieden aber diese Stelle, weil, da man hier Wasser findet, leicht jemand kommen und uns dann den Finders verraten könnte. Nun aber müssen unsre Pferde saufen. Dürfen wir her?«

»Ja, Sir,« antwortete der Kleine. »Aber wenn es dunkel werden will, müßt ihr wieder fort. Es werden Späher kommen, welche euch nicht sehen dürfen. Ihr zieht euch dann so weit zurück, daß ihr dann, wenn wir euch brauchen, schnell geholt werden könnt.«

»Einverstanden. Wo aber meint Ihr denn, daß die Finders halten werden, um auf die rechte Zeit zu warten?«

Sam deutete nach Südost zurück, wo man die vorhin erwähnten Felsen von hier aus gerade noch sehen konnte.

»Dort hinter jenen Steinen, Sir. Da sie wahrscheinlich schon am Tage dort ankommen werden, dürfen sie nicht weiter, weil wir sie sonst bemerken würden.«

»Aber werden sie nicht mich und meine Reiter sehen?«

»Nein. Ich habe gestern bei ihnen gesessen und weiß, daß keiner von ihnen ein Fernrohr besitzt; ein Auge aber, und wenn es noch so scharf ist, kann in dieser Weite nur die großen Wagen und später, wenn es dunkel geworden ist, das Feuer erkennen. Ihr könnt also eure Leute getrost holen, Sir.«

Der Offizier ritt fort und kehrte bald darauf mit seinen zwanzig Kavalleristen zurück, welche sich nur so weit entfernt vom Lager befunden hatten, daß sie von demselben aus eben gerade nicht mehr gesehen werden konnten. Es wurde der Ort bestimmt, bis zu welchem sich die Truppen bei der Dämmerung zurückzuziehen hatten; dann schickte sich Sam an, seinen Spähergang anzutreten. Er mußte gehen, da er sich als Reiter nicht so gut und leicht verbergen konnte. Er trat also zu seinem Maultiere, gab demselben einen leichten Klaps und sagte:

»Leg dich nieder, alte Mary, und warte, bis ich wiederkomme!«

Es verstand ihn ganz genau, legte sich nieder, und nun konnte man die höchste Summe darauf wetten, daß es sich nicht eher von der Stelle rührte, als bis es von seinem zurückgekehrten Herrn dazu aufgefordert wurde. Dann wendete er sich an Parker:

»Wie steht es, süßer Will? Wünschtest du nicht, mitgenommen zu werden?«

»Lauf nur allein,« war die Antwort. »Kannst ein Greenhorn, wie ich bin, doch nicht brauchen.«

»Muß dich aber doch mitnehmen, wenn du etwas lernen sollst.«

»Well, ich gehe mit, doch nicht des Lernens halber, sondern damit du nicht ohne Hilfe bist, wenn die Finders dich erwischen und skalpieren wollen.«

»Mögen es immer thun. Können meine Haut bekommen. Werde mir eine andre und schönere kaufen.«

Sam und Parker verließen das Lager. Sie nahmen ihre Waffen mit, da es möglich war, sich derselben bedienen zu müssen. Südöstlich lagen die Steine, hinter welchen, wie Sam annahm, sich die Finders verbergen würden. Mehr nach Süd, also nach rechts, sah man die Felsen, bei denen Sam sich verstecken wollte. Dorthin nahmen sie ihren Weg, doch nicht in gerader Richtung, sondern in einem westwärts geschlagenen Bogen, um, falls die Finders schon angekommen sein sollten, nicht von ihnen gesehen zu werden. Natürlich hatte Sam, ehe er sich aus dem Lager entfernte, für alle möglichen Fälle die nötigen Anweisungen zurückgelassen.

Als die beiden ihr Ziel erreichten, stand die Sonne schon dem Horizonte nahe; in einer halben Stunde mußte die in jenen Gegenden sehr kurze Dämmerung eintreten. Drüben bei den andern Felsen befand sich noch kein Mensch; sie richteten ihre Blicke also dahin, wo die Erwarteten herkommen mußten. Niemand war zu sehen.

»Ob sie überhaupt kommen werden?« fragte Parker. »Wir sind nur von einer Vermutung, nicht aber von einer Gewißheit ausgegangen.«

»Was du Vermutung nennst, ist für mich Gewißheit,« antwortete Sam. »Soll mich wundern, wenn ich mich irrte.«

»Die Lugt kann ihnen vergangen sein; haben ihnen nicht gut mitgespielt.«

 

»Desto kräftiger wird ihr Durst nach Rache sein. Schau! Bewegt sich nicht etwas dort zwischen den beiden vorletzten Bodenwellen?«

Parker strengte seine Augen an und antwortete dann hastig:

»Reiter! Sie sind’s!«

»Ja, sie sind’s; sie kommen aus der Einsenkung hervor. Man kann sie noch nicht zählen, aber mehr als zwölf sind es nicht.«

»Und wohl auch nicht weniger. Sie sind’s gewiß. Alter Sam, du hast recht gehabt!«

»Habe immer recht, süßer Will, immer, und das ist gar nicht schwer. Weißt du, wie man es machen muß, um niemals unrecht zu haben?«

»Yes; ist sehr leicht.«

»Nun, wie?«

»Man muß gar nichts behaupten.«

»Auch richtig; aber das meine ich nicht. Man darf nicht eher etwas sagen, als bis man gewiß weiß, daß es richtig ist.«

»Ist keine Kunst!«

»Nicht? Nun, dann muß man immer das Gegenteil von dem behaupten, was ein Greenhorn sagt.«

»Schön, lieber Sam! Werde also von jetzt an dir niemals beistimmen, dann habe ich immer recht. Schau, sie bleiben halten! Sie besprechen sich. Sie werden doch nicht herüber zu uns wollen!«

»Fällt ihnen nicht ein! Jetzt setzen sie sich wieder in Bewegung. Sie weichen rechts von unsrer Fährte ab. Sie kennen diese Gegend und wissen, daß sie dort hinauf zu den Felsen müssen, wenn sie unser Lager sehen wollen.«

»Du meinst, sie nehmen als sicher an, daß wir dort am Wasserlagern?«

»Natürlich! Kein Mensch wird, wenn er Wasser haben kann, in die Wüste gehen. Welch eine Frage wieder! Will Parker, Will Parker, was werde ich noch an dir erleben müssen! Ich kann mit dir keine Ehre einlegen und darf mich also in deiner Gesellschaft vor niemand sehen lassen. Du betrübst und grämst mich noch in den blassen Tod hinein, wenn ich mich nicht irre. Schau, sie reiten hinauf, und ich hatte wieder recht: sie kommen nicht hierher.«

Man sah, daß sie sich nach den jenseitigen Felsen bewegten. Je näher sie denselben kamen, desto vorsichtiger bewegten sie sich, indem sie jeden Stein zur Deckung nahmen, um vom Wasser aus nicht gesehen zu werden. Sie stiegen schließlich von den Pferden und führten dieselben hinter sich her, weil sie im hohen Sattel mehr in die Augen fallen mußten. Endlich hatten sie die Felsen erreicht und lauschten hinter denselben hervor. Man sah ihren Bewegungen an, daß sie sich freuten, den Wagenzug zu erblicken. Die Pferde wurden etwas rückwärts angepflockt, und dann nahmen die Reiter die verschiedensten Stellungen ein, in denen sie das Lager bequem beobachten konnten.

»Sie sind’s,« nickte Sam. »Zwölf; man kann sie jetzt zählen.«

»Gehen wir hinüber?« fragte Will.

»Ja, sobald es dunkel geworden ist.«

Da brauchten sie nicht lange zu warten. Die Sonne hatte schon den Horizont berührt; sie verschwand; der immer tiefer werdende Schatten der Dämmerung flog von Osten herbei, und draußen am Wasser leuchtete nun ein hohes, helles Feuer auf. Man konnte die Finders schon nicht mehr erkennen.

»Komm,« forderte Sam seinen Kameraden auf. »Wir wollen keine Zeit verlieren.«

Sie verließen ihr Versteck und schritten demjenigen ihrer Gegner zu. Je näher sie demselben kamen, desto leiser, zuletzt vollständig unhörbar, wurden ihre Schritte. Daß Sam Hawkens mit seinen Riesenstiefeln so geräuschlos auftrat wie ein Sperling im Grase, das war geradezu unbegreiflich. Und Will Parker benahm sich mit einem Geschick, welches bewies, daß er kein Greenhorn war, wenn er von Sam auch oft so genannt wurde.

Als sie an den Fuß der kleinen Anhöhe gelangten, gab Sam seinem Begleiter das Gewehr und flüsterte ihm zu:

»Bleib hier zurück und halte meine Liddy! Ich will allein hinauf.«

»Well; aber wenn du in Gefahr gerätst, komme ich nach.«

»Pshaw, wüßte nicht, welche Gefahr dies sein könnte! Spitz die Ohren, Will, damit du nicht etwa ertappt wirst!«

»Von wem?«

»Von dem Kundschafter, den sie gewiß nun bald fortschicken werden. Es ist zwar nicht wahrscheinlich, aber doch möglich, daß er hier vorüberkommt.«

Er legte sich auf den Boden nieder und kroch weiter. Es war jetzt die beste Zeit zum Anschleichen, weil so kurz nach der Dämmerung die wenigen Sterne, welche zu sehen waren, noch matt schimmerten. Bekanntlich wächst der Glanz der Sterne von der Dämmerung an.

Wie bereits bemerkt, bestand die Bodenwelle, auf welcher die Felsenstücke lagen, aus lauter Geröll, welches demjenigen, welcher im Anschleichen keine sehr große Gewandtheit besaß, unter den Füßen und Händen fortrollen mußte. Sam aber schob sich Zoll um Zoll vorwärts, ohne daß ein Steinchen aus seiner Lage geriet. Es ergab sich dabei wirklich die absoluteste Unhörbarkeit. So erreichte er die Höhe und hielt an. Seine scharfen an die Dunkelheit gewöhnten, weil in derselben geübten Augen sahen die Gegner vor sich; er hätte sie ebensogut bemerkt, wenn er sie nicht gesehen hätte, denn sie sprachen miteinander. Er wagte es, sich ihnen noch mehr zu nähern, und hielt endlich bei einem großen Steinbrocken an, hinter welchem er sich niederkauerte. Zwei oder drei der Finders standen aufgerichtet an den Felsen, um über dieselben hinweg das ferne Lagerfeuer zu beobachten; die übrigen hatten es sich bequem gemacht; sie saßen auf der

Erde. Zwei waren es, welche miteinander sprachen, Buttler und ein andrer. Eben als Sam es sich hinter seinem Steine bequem gemacht hatte, hörte er den letzteren sagen:

»Hätten Wir nur mehr Munition bekommen können! Wir müssen außerordentlich sparsam sein.«

»Nur einstweilen,« antwortete Buttler. »Wir werden uns alles wiedernehmen und noch weit mehr dazu. Poston, jetzt ist’s Zeit, dunkel genug. Mache dich fort! Aber laß dich ja nicht erwischen oder auch nur hören oder sehen, sonst hast du es mit mir zu thun!«

»Werde mich hüten, mich sehen zu lassen,« antwortete der Angeredete. »Es ist nicht zum erstenmal, daß ich lauschen gehe.«

»Darum eben schicke ich dich und keinen andern. Du brauchst dich nicht in Gefahr zu begeben, brauchst nichts zu wagen und dich ihnen nicht allzuweit zu nähern, das wäre unnötig.«

»Aber ich möchte doch gern wissen, was sie reden!«

»Ist von keinem Nutzen für uns. Ich will nur wissen, ob sie allein am Wasser sind oder noch andre sich mit dort befinden.«

»Aber wenn ich sie reden hören könnte, würde ich erfahren, ob sie vielleicht Verdacht haben!«

»Verdacht? Woher soll ihnen dieser kommen?«

»Sie können doch denken, daß wir ihnen folgen werden?«

»Dazu sind sie zu dumm. Die Deutschen sind gar nicht zu rechnen, und der Scout schien nicht der Mann zu sein, der sein Leben wagt, um andre zu retten. Also bleiben nur die drei Schufte, welche gestern trotz ihrer Dummheit ein solches Glück gegen uns gehabt haben. Ihr Verstand reicht sicher nicht so weit, zu denken, daß wir ihnen nachgeritten sind. Am Gila in Fallen Bären und Biber fangen! Hat man jemals eine solche Verrücktheit gehört? Also geh, Poston, und spute dich! In einer halben Stunde kannst du wieder hier sein.«

Der Späher entfernte sich, und der allererste Sprecher nahm nun wieder das Wort-.

»Wann denkst du, daß wir uns auf sie werfen, Buttler? Heut abend noch oder morgen früh?«

»Morgen erst? So lange mag ich nicht warten. Ich brenne vor Begierde, ihnen, und vor allen Dingen dem kleinen, dicken Kerl, die Rechnung heimzuzahlen. Nein, heut abend noch.«

»Wenn sie schlafen und das Feuer ausgegangen ist?«

»Nein. Wir werden sie mit einer einzigen Salve niederschießen; dazu gehört Licht.«

»Aber das Feuer ist groß und leuchtet so weithin, daß sie uns sehen müssen, wenn wir kommen.«

»Dadurch, daß sie einen solchen Höllenbrand angefacht haben, beweisen sie, daß sie nicht den geringsten Verdacht hegen. Es ist freilich unangenehm, daß die Riesenflamme gar so weit leuchtet; wir müssen also warten, bis sie niedrig brennt. Dann aber wird keinen Augenblick länger gezögert. Ich sage euch, auf den Kleinen, Dicken darf mir niemand schießen, denn der soll von meiner Kugel sterben.«

Er erging sich weiter in zornigen Ausdrücken und in überkräftigen Redensarten über das gestrige Erlebnis, die dabei gegen ihn aufgetretenen Personen und die Uebertölpelung, welcher er mit seinen Gefährten verfallen war. Sam erwartete, noch weiteres Wichtiges zu hören; darum blieb er wohl noch eine gute Viertelstunde liegen, sah sich aber getäuscht und verließ darum nun seinen Ort ebenso leise und vorsichtig, wie er gekommen war. Als er unten bei Will Parker anlangte, gab dieser ihm sein Gewehr zurück und sagte: