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Der Schut

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Wir warteten und horchten eine lange Weile mit gespanntester Aufmerksamkeit – vergeblich! Da plötzlich erklang ein Schrei vom Hause herüber, noch einer – und noch einer, und dann erschallte es im Tone der Verzweiflung:

»Laßt mich, laßt mich los! Fort mit diesen Qualen, fort, fort! Hilfe, Hilfe!«

»Das ist der Mübarek!« sagte Halef.

Ich wollte antworten, tat es aber nicht, denn jetzt hörten wir aus derselben Richtung zwei schnell aufeinander folgende Schüsse. Ich kannte diesen eigentümlich hohlen Knall; es war Oskos Czernagoragewehr.

»Der Bär ist drüben beim Schuppen,« rief ich Halef mit gedämpfter Stimme zu. »Komm schnell herab!«

»Hurra! Da bekommen wir ihn doch noch!« rief der Kleine.

Er sprang herab, stürzte zur Erde, raffte sich wieder auf und rannte an mir vorüber. Ich folgte ihm mit gleicher Eile. Aber als ich einige Schritte getan hatte, fühlte ich einen Stich im Fußgelenk. Der Sprung vom Felsen herab schien meinen Fuß angegriffen zu haben. Ich mußte also meinen Galopp zum schnellen Trab mäßigen. Dabei schritt ich mit dem gesunden Fuß weit aus und zog den kranken, nur mit der Spitze auftretend, vorsichtig nach.

Ein einzelner, unbeschreiblicher Schrei schrillte durch die nächtliche Stille. War das der Mübarek oder war es Halef, welcher jetzt das Haus erreicht haben mußte? Sollte der unvorsichtige Hadschi dem Bären grad in die Pranken gelaufen sein! Mich erfaßte eine Angst um den Kleinen, welche mir den Schweiß aus allen Poren trieb. Da gab es keine Rücksicht mehr auf meinen Fuß; ich rannte weiter, so schnell ich es vermochte.

Jetzt ertönten auch Oskos und Omars Stimmen. Wieder ein Schuß! Unglücklicherweise lag ein Stein in meinem Weg. Ich konnte ihn nicht sehen, stürzte über ihn hinweg und schlug, so lang ich war, auf den Boden nieder. Meine Büchse wurde mir aus der Hand geprellt und flog . – wohin, das sah ich nicht.

Rasch raffte ich mich auf und blickte rings umher. Die Büchse war nicht zu sehen. Ich hatte keine Zeit, sie mühsam dadurch zu suchen, daß ich den Boden betastete. Ich wähnte den Hadschi in Gefahr, und da durfte ich keinen Augenblick verlieren. Für ihn hätte ich mich auf mehr als einen Bären geworfen. Darum eilte ich weiter und zog das Messer aus dem Gürtel.

Es war mein alter, treuer Bowie-Kneif mit langer, krumm gebogener Klinge, welcher mich so viele Jahre treu begleitet hatte. Ein Stoß mit diesem Messer brachte, wenn richtig gezielt und kräftig geführt, selbst einem Grizzly den augenblicklichen Tod; das hatte ich erprobt.

Natürlich war mein Lauf nach dem Schuppen gerichtet.

»Osko, wo ist der Bär, wo?« rief ich schon von weitem.

»Draußen, draußen!« antwortete er von innen.

»War Halef da?«

»Ja, aber er ist wieder dem Bären nach.«

Jetzt stand ich an der Holzwand. Zwei Bretter waren aus derselben gerissen.

»Hier wollte der Bär herein,« sagte Osko. »Ich habe ihm zwei Kugeln gegeben.«

»Und ihn getroffen?«

»Ich weiß es nicht. Die Bretter krachten erst dann zusammen, als ich bereits geschossen hatte.«

»Nach welcher Seite ist Halef?«

»Nach rechts, wie wir hörten.«

»Bleibt drin und paßt auf! Das Tier könnte wieder kommen.«

Ich rannte in der angegebenen Richtung weiter. Die Haustüre war offen; es stand jemand unter derselben; das sah ich an dem Schatten, welchen die Gestalt nach außen warf, weil drinnen Späne brannten.

Ein menschlicher Körper lag da. Ich stolperte über ihn hinweg, kam aber nicht zum Sturz.

»Schieß doch, schieß, schieß!« hörte ich zwei Stimmen aus der Stube rufen.

Ich war nur noch zehn Schritte von der Türe und erkannte den, welcher unter ihr stand. Es war Halef. Er hatte sein Gewehr angelegt und es in die Stube gerichtet. Sein Schuß krachte. Dann flog er heraus und stürzte zu Boden, als wäre er von einem kräftigen Arm herausgeschleudert worden. Im nächsten Augenblick erschien der Bär, drängte sich auf allen vieren durch die enge, niedrige Türe ins Freie und richtete sich schnell wieder auf.

Auch Halef war sogleich wieder aufgesprungen. Beide, er und der Bär, standen sich drohend gegenüber, nur drei Schritte voneinander entfernt. Der Hadschi drehte das Gewehr um und holte zum Kolbenschlag aus. Da erkannte er mich, denn ich befand mich jetzt im Schein des Lichtes.

»O, Sihdi, ich habe keine Kugel mehr!« schrie er mir zu.

Das alles war viel, viel schneller gegangen, als es erzählt oder gelesen werden kann.

»Spring zurück! Nicht schlagen!«

Indem ich diese Worte rief, versetzte ich ihm zugleich einen Stoß, daß er weit zur Seite taumelte. Das Tier machte eine halbe Wendung gegen mich, sperrte den Rachen auf und stieß einen langgezogenen Wutschrei aus, welcher weder Heulen noch Brüllen, sondern beides zugleich zu nennen war. Ich fühlte den heißen, stinkenden Atem dieses Rachens, als ich an dem Bären vorüberschnellte. Eine blitzschnelle Schwenkung – er griff nach mir, traf aber die Luft, da ich mich bereits nicht mehr vor ihm befand, sondern an seiner rechten Seite stand. Mit der Linken ihn bei den Trotteln des Hinterkopfes packend, holte ich mit der Rechten weit aus und stieß ihm das Messer ein – zweimal bis an das Heft zwischen die bekannten beiden Rippen.

Das war so schnell geschehen, daß er die beiden tödlichen Stiche empfangen hatte, bevor sein Brüllen verklungen war.

Er warf sich auf den Hinterpranken nach mir, nach rechts herum, aber seine Tatze streifte mich bloß ganz unschädlich an der Schulter. Natürlich hatte ich das Messer nicht stecken lassen, sondern es wieder herausgezogen. Zwei Sprünge nach rückwärts brachten mich aus der Nähe der Krallen. Dort blieb ich stehen, das Auge auf das Tier gerichtet und den Arm zum abermaligen Stoß erhoben, wenn dies notwendig werden sollte.

Aber der Bär folgte mir nicht. Mit weit aufgerissenem, geiferndem Rachen stand er vollständig bewegungslos – die kleinen funkelnden Augen unsäglich grimmig auf mich gerichtet. Dann schlossen sie sich langsam und versuchten vergeblich, sich abermals weit zu öffnen. Ein Zittern durchlief den gewaltigen Körper; dann sank derselbe erst auf die Vorderbeine, welche – den Boden scharrend – festen Halt nehmen wollten, aber vergeblich, und fiel dann langsam und zuckend auf die Seite.

Ein leises, rollendes Brummen drang noch aus dem sich schließenden Maul; die Beine streckten sich aus – — der Bär war tot.

»Allah akbar!« rief Halef, welcher auf seiner Stelle erstarrt zu sein schien. »Allah ist groß, und dieser Bär ist fast ebenso groß. Ist er tot, Sihdi?«

»Ich denke es.«

»Das war schrecklich!«

»Danke Gott tausendmal, daß es so glücklich abgelaufen ist!«

»Ja, Allah sei Preis und Ehre gebracht! So gar groß hatte ich mir einen Bären doch nicht vorgestellt. Er ist ja größer als ein Löwe, welcher doch das mächtigste der Raubtiere ist!«

Er wollte sich dem Tiere nähern.

»Bleib!« gebot ich ihm. »Noch dürfen wir nicht sicher sein, daß er wirklich tot ist. Ich will prüfen.«

Ich trat zu dem Tier, hielt ihm den Revolver an das geschlossene Auge und drückte zweimal ab. Es regte sich nicht.

»Jetzt kannst du herbeikommen und ihn betrachten. Ist er nicht viel, viel länger als du?« fragte ich den Hadschi.

»Ja, ich glaube, er ist sogar noch länger, als du bist, Sihdi. Ich sage dir: ich habe nicht gezittert, als ich ihm gegenüber stand; aber das Herz drohte doch, mir stehen zu bleiben. Ich hatte nur noch eine einzige Kugel.«

»Wo war die andere hin?«

»Die hatte ich ihm draußen zugesandt, als ich ihn zuerst erblickte. Er trollte vom Schuppen fort und nach der Haustüre zu, in welcher er verschwand. Ich werde ihn nicht getroffen haben. Die zweite Kugel aber ist ihm ganz sicher in die Brust gedrungen, denn er stand nur zwei Schritte weit und zwar aufgerichtet vor mir. Ich konnte also genau zielen.«

»Erzähle kurz, wie alles geschehen ist.«

»Nun, ich rannte natürlich nach dem Schuppen, denn ich hatte Oskos Gewehr an dem Knall erkannt und konnte also annehmen, daß der Bär zu den Pferden wollte. Ich hatte den Schuppen noch nicht erreicht, da hörte ich von seitwärts her einen Schrei, kümmerte mich aber nicht darum. Am Schuppen angekommen, sah ich, daß zwei Bretter eingebrochen seien, und erfuhr von Osko und Omar, der Bär habe das getan. Ich rannte also weiter. Da lag ein dunkler Körper am Boden und ein größerer stand dabei. Das mußte das Tier sein. Ich blieb stehen, zielte und schoß. Der Bär trollte fort, nach der Türe zu, und ich sprang hinter ihm her. Er ging in das Haus und ich folgte ihm. Als ich die offene Türe erreichte sah ich ihn drin stehen. Er beschnupperte das Lager des Mübarek.«

»Tat er diesem nichts?«

»Ich sah den Alten gar nicht – er war verschwunden. Ich sah nur den Bären, und dieser sah mich. Er drehte sich augenblicklich um, kam auf mich zu und richtete sich empor. Ich hatte vor Schreck vergessen, gleich zu schießen, denn seine ungeheure Größe überraschte mich so, daß ich kaum atmen konnte. Jemand schrie mir zu, doch zu schießen. Wo sich derselbe befand, das sah ich nicht, ich hörte ihn nur; aber die Worte gaben mir die Besinnung zurück. Eben als der Bär die Tatzen nach mir ausstreckte, gab ich ihm die Kugel, erhielt aber von ihm einen solchen Stoß, daß ich zur Türe heraus und zu Boden flog. Als ich wieder aufsprang, stand er vor mir. Ich hatte keine Kugel mehr; an das Messer dachte ich nicht. Ich wollte mich mit dem Kolben wehren; da aber kamst du.«

»Wohl zur rechten Zeit!«

»Ja, denn ich bin überzeugt, daß mein Gewehr an seinem Schädel zersprungen wäre. Dann hätte er mich zerrissen. O, Sihdi, ich habe dir das Leben zu verdanken!«

Er ergriff meine Hand und zog sie an seine Brust.

»Laß das gut sein. Du hättest ebenso gehandelt, wären unsere Rollen vertauscht gewesen.«

»Ja, aber ich zweifle sehr, daß es mir gelungen wäre, dieses Riesentier mit dem Messer zu erlegen. Du hast schon früher Bären getötet, graue Bären, welche noch weit größer und gefährlicher sind, als dieser hier; ich aber nicht. Dieses Raubtier ist wirklich größer als ein Löwe.«

 

»Massiger, ja. Der Körper, welcher dahinten liegt, muß derjenige des alten Mübarek sein. Wahrscheinlich ist er tot. Der letzte Fieberanfall hat ihn herausgetrieben. Aber es befremdet mich, daß er so schnell zusammengebrochen ist.«

»Der Bär stand bei ihm. Sollte dieser ihn getötet haben?«

»Möglich. Jetzt wollen wir zunächst nach den Anderen sehen.«

Wir traten in die Stube. Das Licht, durch welches dieselbe erleuchtet wurde, kam von oben herab. Als ich emporblickte, sah ich den Konakdschi und die beiden Wirtsleute oben auf den Deckenstangen hocken. Sie hatten brennende Späne in den Händen.

»Du selbst kommst auch, Herr?« fragte der Erstere. »Wo ist der Bär?«

»Er liegt vor der Türe.«

»Allah, Allah!«

Sie kletterten an dem bereits beschriebenen Balken herab, holten unten tief Atem, und der Wirt sagte:

»Siehst du, daß wir vor ihm nicht sicher waren! Er kam herein. Welch ein Ungetüm! Er war fast so groß wie ein Ochse.«

»Ihr hattet doch eure Waffen da oben – warum habt ihr nicht geschossen?«

»Daß wir dumm wären! Dadurch hätten wir ihn ja auf uns aufmerksam gemacht, und er wäre zu uns heraufgeklettert. Ein Bär klettert besser als ein Mensch. Weißt du das noch nicht?«

»Ich weiß es. Also ihr schosset nicht, aber meinen Hadschi habt ihr aufgefordert, zu schießen?«

»Natürlich! Er wollte das Tier ja erlegen; wir hatten uns keine so verwegene Tat vorgenommen, und« – fügte er mit pfiffiger Miene hinzu – »wenn er den Bär angriff, so dachte dieser nicht an uns!«

»Sehr klug, aber auch sehr feig von euch! Wo ist der Mübarek?«

»Draußen. Das Fieber packte ihn, und er rannte fort. Hätte der Alte nicht dabei die Türe geöffnet, so wäre es dem Bären unmöglich gewesen, herein zu kommen. Wo mag der Unvorsichtige sein?«

»Er liegt tot draußen. Wir wollen das ausgelöschte Feuer wieder anzünden.«

Sie folgten uns hinaus, aber sie getrauten sich nicht, zu dem Raubtiere zu treten. Sie wollten, bevor sie es wagten, erst das Feuer wieder anzünden, um zu sehen, ob der Bär auch wirklich tot sei. Halef ging, um Osko und Omar zu holen.

Auch diese beiden konnten kaum Worte finden, ihr Erstaunen über die Größe des Tieres auszudrücken. Petz war von der Schnauze bis zur Schwanzwurzel gewiß zwei Meter lang. Vier Zentner wog er sicher. Drei Männer mußten sich anstrengen, um ihn bis in die Nähe des Feuers zu schleifen.

Unterdessen nahm ich einen brennenden Ast und ging zu dem Mübarek. Halef folgte mir. Der Alte war nicht an seiner Wunde gestorben, obgleich auch diese ihm nur eine kurze Frist gelassen hätte. Sein Kopf lag tief im Genick, und seine Brust war, sozusagen, ein Brei von Fleisch, Blut und zerschlagenen Rippen. Der Bär hatte ihm das Genick zerbrochen und dann die Brust aufgerissen, war aber durch den Schuß Halefs vertrieben worden.

Wir sagten kein Wort und kehrten zum Feuer zurück. Dort meldete Halef, was wir gesehen hatten, und erzählte dann, auf welche Weise der Bär erlegt worden war.

In Anbetracht der Größe des Tieres wollten selbst Osko und Omar es nur schwer glauben, daß ich gewagt hatte, es nur mit dem Messer anzugreifen. Bei den Andern behielt der Eigennutz noch vor dem Staunen die Oberhand. Der Kohlenhändler befühlte den Bären und sagte:

»Er ist außerordentlich fett und wird eine ganze Menge Fleisch liefern. Auch für den Pelz kann man eine gute Summe erhalten. Effendi, wem gehört das Tier?«

»Demjenigen, welcher es erlegt hat.«

»So! Das denke ich nicht.«

»Was denkst du denn?«

»Daß er mir gehört, auf dessen Grund und Boden er erlegt worden ist.«

»Ich vermute aber, daß diese ganze Gegend dem Padischah gehört. Wenn du mir beweisen kannst, daß du ihm dieses Land abgekauft hast, so will ich glauben, daß du der Besitzer bist. Dann aber hast du mir zweitens zu beweisen, daß du ein Recht auf alles Wild und Raubzeug besitzest, welches auf deinem Boden erlegt wird. Als der Bär kam, hast du dich verkrochen; das ist ein sicherer Beweis, daß du ihn nicht haben wolltest. Wir aber haben ihn genommen, folglich gehört er uns.«

»Herr, du denkst falsch. Der Bär gehört nicht dir, er gehört – — «

»Meinem Hadschi Halef,« unterbrach ich ihn. »Wenn du das sagen willst, so hast du recht. Du aber kannst nicht den mindesten Anspruch erheben. Ich habe dir ja sogar die Lockspeise bezahlen müssen. Wenn wir aus ganz besonderer Güte dir einen Teil des Fleisches lassen, so hast du dich dafür zu bedanken.«

»Wie?« fragte Halef. »Mir soll der Bär gehören? Nein, Sihdi, er ist nicht mein, sondern dein. Du bist es ja, der ihn erlegt hat.«

»Ich habe ihm nur den Todesstoß gegeben. Er wäre auch ohne mein Messer verendet, allerdings nicht so schnell. Sieh her! Ganz in der Nähe der beiden Stichwunden siehst du das Loch, welches deine Kugel gebohrt hat. Sie ist ihm ganz nahe am Herzen vorüber gegangen und war absolut tödlich. Darum ist das Tier dein Eigentum.«

»O Effendi, der Eigentümer lebte ja gar nicht mehr, wenn du nicht gekommen wärst, um ihn zu retten! Du willst mir ein Geschenk machen, welches ich nicht annehmen kann.«

»Nun, wir wollen nach altem Jägerrecht verfahren. Du hast das Tier angeschossen, also gehört dir der Pelz. Ich habe es dann erstochen, so gehört mir das Fleisch. Die Tatzen und einen Schinken nehmen wir für uns; das übrige mag Junak erhalten, damit er nicht sagen kann, wir hätten sein Eigentumsrecht gar nicht geachtet.«

»Herr, ist's wahr? Das Fell soll ich erhalten? Das ist ja das allerbeste von dem Bären. Wie wird Hanneh, die geliebteste der Frauen, staunen, wenn ich zu ihr komme und ihr diese Trophäe zeige! Und mein Söhnchen, welches nach dir und mir genannt worden ist, nämlich Kara Ben Nemsi Halef wird schlafen auf diesem Fell des Bären und ein großer berühmter Krieger werden, weil die Stärke des Tieres auf den Knaben übergeht. Ja, ja, das Fell nehme ich an. Wer wird es abziehen?«

»Ich. Wir müssen Gehirn, Fett und Holzasche nehmen, um das Fell einzureiben, damit es geschmeidig bleibe und nicht faule. Dein Pferd wird doppelte Last zu tragen haben.«

Meine Entscheidung fand allgemeine Zustimmung. Der Kohlenhändler brachte einen alten Holztrog herbei, in welchem das Bärenfleisch gepökelt werden sollte, um dann in den Rauch gehängt zu werden. Dieses Pökelgefäß paßte gut zu seinem Besitzer. Wer weiß, was alles sich schon darin befunden hatte! Nie aber war es gereinigt worden. Während ich mich an die Arbeit machte, fragte ich Junak, was mit dem Mübarek geschehen solle.

»Begraben müssen wir ihn,« antwortete er. »Ihr werdet mir wohl dabei helfen. Es muß noch in dieser Nacht geschehen.«

»Die Grube zu fertigen, das ist nicht unsere Sache. Wir haben seine Freundschaft nicht in dem Maße besessen, daß diese Arbeit uns zugemutet werden könnte. Hast du Werkzeuge?«

»Einen Balta und eine Kürek (* Hacke und Schaufel.) habe ich.«

»So können also nur zwei Personen arbeiten. Das magst du mit dem Konakdschi tun, und deine Frau soll euch helfen. Suche dir eine passende Stelle aus. Beim Begräbnis werden wir zugegen sein. Die Feindschaft soll nicht über den Tod hinaus währen.«

»So werden wir ihn dort begraben, wo der Bär das Pferd überfallen hat. Ich mag kein Grab in der Nähe des Hauses haben.«

Er holte die genannten Werkzeuge. Seine Frau und der Konakdschi beluden sich mit Holz und einem Feuerbrand, um bei Beleuchtung zu arbeiten, und dann entfernten sie sich, um dem Toten die Grube zu graben, welche er uns gewünscht hatte.

Nachdem der Bär aus seinem Pelz geschält worden war, steckten wir eine seiner Vordertatzen an den Ast, welcher als Bratspieß diente. Sie war so groß und fett, daß wir vier unsern Hunger ausgiebig daran zu stillen vermochten.

Die Gefährten halfen mir, die Fleischreste von der innern Seite des Pelzes abzuschaben, und dann wurde dieselbe mit dem Gehirn und Fett des Bären und mit Holzasche tüchtig eingerieben, um hierauf so zusammengelegt zu werden, daß der Pelz leicht hinter dem Sattel auf das Pferd gebunden werden konnte.

Als wir damit fertig waren, kamen die Grabmacher und meldeten, die Grube sei fertig. Nun nahmen sie die Leiche auf, und wir folgten ihnen.

Es ist immer eine ernste Sache, an dem Grabe eines Menschen zu stehen. Ob man demselben Gutes oder Böses zu verdanken hat, das ist von keiner Bedeutung gegenüber dem Gedanken, daß er nun vor seinem Richter stehe, dessen Urteil einst auch über uns ergehen wird. Da schwindet der Haß, und es schweigt die Rache. Man denkt an nichts als an das ernsteste Wort aller Erdensprachen: Ewigkeit. Ich wenigstens fühlte jetzt nichts als nur noch Mitleid mit dem Feinde, welcher eines so bösen Todes gestorben und ohne Reue über seine Sünden von hinnen gegangen war. Auch Halef sagte:

»Vergeben wir ihm alles, was er an uns getan hat und noch zu tun beabsichtigte. Ich bin ein gläubiger Sohn des Propheten, und du bist ein gehorsamer Anhänger deines Glaubens. Wir können keinen Toten hassen, sondern wir wollen ihm den letzten Dienst erweisen und an seinem Grabe beten.«

Beim Schein des Feuers sahen wir üppige Farne. Diese schnitten wir, um mit ihnen die Grube auszukleiden. Den Toten senkten wir hinab und deckten ihn auch mit Farnwedeln zu. Dann fragte Halef:

»Wer soll das Gebet sprechen? Du, Sihdi?«

»Nein, ich bin kein Mohammedaner. Seine Freunde mögen sprechen!«

»Wir sind nicht seine Freunde,« erklärte der Konakdschi. »Mir ist es gleich, ob die Sure des Todes an seinem Grab gebetet wird oder nicht. Auch ist es mir sehr gleichgültig, ob derjenige, der sie betet, ein Mohammedaner ist oder ein Christ. Ich aber kann nicht beten. Ich habe kein Geschick dazu und kenne den Kuran nicht auswendig. Dem Junak aber dürft ihr das noch viel weniger zumuten.«

»Nun gut, so werde ich sie beten,« sagte Halef. »Du aber, Sihdi, magst vorher die Fatha beten, die Eröffnung des Kuran, welche jeder Handlung vorangehen muß. Willst du?«

»Ja.«

»So bete sie, aber in der Mundart des Propheten. Der Verstorbene hat die heiligen Orte besucht und vom Wasser des Zemzem getrunken. Seine sündige Seele wird vielleicht Gnade finden, wenn Allah aus deinem Mund den Dialekt vernimmt, in welchem der Erzengel Tschebrail (* Gabriel.) mit dem Propheten redete. Ich verstehe nicht so wie du, ihn zu sprechen. Laßt uns also niederknien und beten!«

Sie ließen sich am offenen Grab auf ihre Knie nieder, die Gesichter nach Mekka gerichtet. Ich allein blieb stehen. Ich war diesen Leuten gern zu Willen, doch widerstrebte es mir, die Fatha kniend zu sprechen. Nachdem sie sich dreimal verneigt hatten, rief Halef die sieben vornehmsten Eigenschaften Gottes aus, und dann begann ich in der eigenartigen Rhythmik und der Koreisch-Mundart des Originales:

»El Hamdu lillahi, rabbi 'l 'alamina. Er rahmani 'r 'rahimi, Maliki yaumi 'd dini! Iyyake nabodu, we iyyake nestaïnu, Ibdinah 'ss ssirata 'l mustakina. Ssirata 'l ladsina enamta alaihim, Ghairi 'l maghdhubi alaihim, We la 'dh dhalina!«

Das ist auf deutsch:

»Preis sei Allah, dem Herrn der Welten, dem Barmherzigen und Gnädigen, dem Herrscher am Tage des Gerichtes! Dich beten wir an; dich flehen wir um Hilfe; führe uns auf den geraden Weg. Auf den Weg derer, denen du Huld bewiesen, nicht derer, denen du zürnest, noch derer, die in der Irre wandeln!«

Und nun betete Halef mit lauter Stimme und indem er die gefalteten Hände erhob:

»Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Höret, ihr Sterblichen, die Stunde des Gerichtes nahet heran. In dieser Stunde werden die Augen der Menschen gräßlich vor sich hinstarren; kein Augenlid wird zucken, und ihre Herzen werden ohne Blut sein.

Die Erde wird beben und ihre Lasten abschütteln, und der Mensch wird schreien: »Wehe, was ist ihr zugestoßen!« Dann wird sie den Auftrag verkündigen, der ihr von Allah geworden ist.

Die Sonnen werden zittern, die Sterne erbleichen und die Berge schwanken. Die Kamelstute wird ihre Jungen vergessen, und die Raubtiere werden sich angstvoll zusammendrängen. Das Meer wallt auf und die Himmel werden hinweggenommen. Die Hölle wird angefacht und das Paradies der Erde nahegerückt werden. Der Mond wird sich spalten, und die Menschen werden vergeblich nach einem Zufluchtsort schreien.

Darum wehe dir, wehe dir! Und abermals wehe dir und wehe dir! Hast du deine Seele nicht bereitet, vor dem Richter zu bestehen, so wäre es dir besser, du wärest nie geboren. Die Verdammnis wird dich umfangen und dich nicht wieder ausspeien in alle Ewigkeit.

Und wohl aber dir, wohl dir! Und abermals wohl dir! Hast du deine Sünden im Wasser der Reue gewaschen und sie hier zurückgelassen, so hast du es nicht zu fürchten, daß an jenem Tage die Hölle herangebracht wird, denn Allah wird kommen mit einer Engelsschar und dich einführen in sein Paradies.«

 

Der Hadschi verneigte sich dreimal und stand dann auf. Sein Gebet war zu Ende. Wir überließen es dem Konakdschi, dem Kohlenhändler und seinem Weib, die Grube mit Erde zu füllen, und kehrten nach dem Hause zurück, wo wir uns beim Feuer niederließen.

Jetzt konnten wir die Pferde wieder aus dem Schuppen holen, damit sie weideten. Der Bär war nicht mehr zu fürchten.

Wir selbst bedurften der Ruhe. Es gab für uns nichts mehr zu tun, und so nahmen wir die Sättel unter die Köpfe, um zu schlafen. Aus Vorsicht aber mußte einer wachen. Die Ablösung sollte alle Stunden erfolgen. Wir durften den dreien, welche sich dort beim Grab befanden, nicht trauen.

Zuvor untersuchte ich meinen Fuß. So sorgfältig und fest ich ihn betastete, ich empfand keine Schmerzen. Die Büchse hatte ich natürlich gesucht und gefunden. Die Waffen befanden sich zum augenblicklichen Gebrauch neben uns, und so lagen wir da und schlossen die Augen.

Aber wir wurden noch einmal gestört. Die zwei Männer kamen mit der Frau, um den Bären in das Haus zu schaffen. Dabei kam mir ein Gedanke. Ich stand wieder auf und schnitt mir ein tüchtiges Stück von der dicken Fettlage ab, welche der amerikanische Jäger Bearfat, Bärenspeck, nennt. Die Drei standen dabei, ohne mich zu fragen, wozu ich das nehmen wolle. Dabei bemerkte ich, daß an dem linken Fuß des Kohlenhändlers, welcher weder Schuhe noch Stiefel trug, die kleine Zehe fehlte.

»Du hast nur vier Zehen am linken Fuß. Wie hast du sie verloren?«

»Das Rad meines schwer beladenen Wagens ging darüber und hat sie mir zerquetscht. Sie hing so locker am Fuß, daß ich sie mir abschneiden mußte. Warum fragst du?«

»Ohne alle Absicht. Ich erblickte soeben den Fuß.«

»Nimmst du noch von dem Fleisch oder können wir es nun forttragen?«

»Schafft es hinein; es ist euer.«

Sie schleppten die schwere Last fort. Meine Gefährten hatten mein Tun beobachtet, und Halef erkundigte sich:

»Wozu hast du das Fett genommen, Sihdi? Wir brauchen es doch nicht.«

»Wir werden es vielleicht sehr nötig haben. Wenn wir in die Höhle der Juwelen kommen, wird es finster in derselben sein.«

»Willst du sie denn wirklich betreten?«

»Das weiß ich noch nicht. Es ist zu vermuten, daß ich es tue, und da kann ich mir mittels des Fettes eine Lampe machen.«

»So mußt du doch auch einen Docht haben. Da liegt noch der Fetzen, in welchen die Wurst gewickelt war. Der Wirt hat ihn liegen lassen. Wir können das Fett einwickeln und ihn dann als Docht benutzen.«

»Tue das! Ich möchte das Zeug nicht wieder anfassen.«

»Aber ich soll es tun?«

»Ja, du wirst dich nicht scheuen, denn du hast ja alles, was hineingewickelt war, mit großem Appetit – — «

»Schweig, Sihdi!« rief er hastig. »Ich mag nichts hören und will dir deinen Willen tun.«

Er stand auf, wickelte das Fett ein und steckte es in die Tasche seines Sattels.

Von nun an wurden wir nicht wieder gestört; doch mußte ich schon nach einer Stunde aufstehen, weil das Los der zweiten Wache auf mich gefallen war.

Im Hause brannte noch Licht. Ich war müde, und um mich wach zu halten, ging ich auf und ab. Dabei kam ich zu der Türe. Ich probierte und fand, daß sie verriegelt war. Ein beißender Rauch kam aus den Fenstern, und es roch nach gebratenem Fleisch. Ich sah hinein, und richtig, die Drei hatten in der Stube ein Feuer angezündet und brieten Bärenfleisch, obgleich sie bereits am Abend große Portionen Pferdefleisch verschlungen hatten. Ich konnte sie leicht sehen. Sie sprachen sehr eifrig, indem sie sich Stück um Stück von dem Fleisch schnitten. Verstehen konnte ich nichts, weil ich an dem Frontfenster stand; sie aber saßen an der Giebelseite.

Doch grad über ihnen war auch ein Fenster, ohne Glas natürlich. Ich begab mich dorthin und horchte. Der Rauch drang heraus. Ich nahm mein Taschentuch, hielt es vor Mund und Nase, schloß die Augen und schob den Kopf so weit wie möglich in die Fensteröffnung. Sehen konnten sie mich nicht, denn die Mauer war dick und das Fenster befand sich hoch über ihren Köpfen.

»Ja, man muß mit diesen Halunken sehr klug und vorsichtig verfahren,« sagte der Konakdschi. »Ihr habt es gehört, daß der Deutsche mich und auch euch im Verdacht hat, es mit unsern Freunden zu halten. Diese Giaurs haben den Teufel im Leib und ganz besonders in den Augen. Sie sehen alles. Aber es ist heute ihre letzte Nacht.«

»Meinst du das wirklich?« fragte der Wirt.

»Ja, es ist sicher!«

»Wollen es wünschen! Ich habe es auch gedacht, denn ich kenne meinen Schwager, den Köhler; er fürchtet sich vor der Hölle nicht. Aber seit ich die Männer gesehen, bin ich zweifelhaft geworden. Sie sind vorsichtig und kühn zugleich.«

»Pah! Das soll ihnen nichts nützen.«

»Nun denn, wer mit dem Messer einem Bären zu Leibe geht und ihn niedersticht, ohne selbst nur im geringsten verwundet zu werden, der fährt auch meinem Schwager an den Hals.«

»Dazu darf es gar nicht kommen. Sie werden mit List in die Falle gelockt und darin umgebracht.«

»Sie sollen doch kugelfest sein.«

»Glaube das ja nicht! Der Effendi hat selbst darüber gelacht. Und wenn es so wäre, gibt es nicht auch andere Waffen außer den Schießgewehren? Uebrigens wird es wohl gar nicht dazu kommen, daß man schießt oder sticht. Man lockt sie in die Höhle und zündet das aufgespeicherte Holz an. Da müssen sie ersticken.«

»Ja, es ist möglich, daß mein Schwager dies vorschlägt; aber die beiden Aladschy bestehen darauf, daß der Effendi von ihrer Hand fallen soll, und Barud el Amasat will denjenigen töten, welcher Osko heißt. Sie haben eine Rache gegeneinander. Ich habe ihnen abgeraten, aber sie blieben dabei, den Männern am Teufelsfelsen aufzulauern und sie mit der Schleuder und mit den Czakans zu töten. Zu diesem Zweck nahmen sie meine beiden Schleudern mit.«

»Die Toren! So wird es unbedingt zum Kampf kommen.«

»O nein! Die Fremden finden ja gar keine Zeit zur Gegenwehr, indem sie aus dem Hinterhalt überfallen werden.«

»Hoffe nicht zu viel. Wie ich die Schlucht des Teufelsfelsens kenne, so ist dort gar kein Hinterhalt zu legen. Sie müßten sich rechts oder links in den Büschen verstecken; das ist aber nicht möglich, weil die Felsen zu beiden Seiten so steil sind, daß man nicht hinaufsteigen kann.«

»Da bist du in einem großen Irrtum. Es gibt eine Stelle, allerdings nur eine einzige, an welcher man hinaufklettern kann. Es kommt linker Hand ein Wasser herab. Im Bett desselben kann man emporsteigen, wenn man ein wenig Nässe nicht scheut.«

»Wissen sie das?«

»Die beiden Aladschy kennen die Gegend eben so gut wie ich.«

»Und wollen sie wirklich dort hinaufklettern?«

»Freilich.«

»Aber sie haben doch ihre Pferde bei sich!«

»Diese schaffen sie vorher zu meinem Schwager. Es ist von der betreffenden Stelle gar nicht weit zu ihm. Sie kehren zurück und erklettern den Felsen. Ein Czakan, von da oben herab geschleudert, muß jeden Kopf zerschmettern, auf welchen der Wurf gezielt war. Ich kenne die Stelle sehr genau. Man hat ungefähr fünfzig bis sechzig Schritte im Wasser emporzusteigen, dann ist die Felswand überwunden. Geht man hierauf oben vielleicht hundertfünfzig Schritte weit zwischen Büschen und Bäumen hin, so gelangt man an eine Stelle, unter welcher die Schlucht eine Krümmung macht. Steht oder sitzt man dort oben, so kann einem kein Mensch entkommen. Das ist der Ort, welcher das Grab der Fremden werden wird.«

»Teufel! Das ist gefährlich für mich!«

»Warum?« fragte Junak.

»Weil auch ich getroffen werden kann.«

»Pah, sie verstehen, zu zielen!«

»Darauf verlasse ich mich nicht. Der Zufall ist ein sehr heimtückischer Geselle.«

»So bleibe ein wenig zurück!«

»Wenn ich das tue, so muß ich gewärtig sein, daß die Fremden auch halten bleiben.«

»So reite voran. Den Quell wirst du sicher sehen. Wenn du dann die Krümmung bemerkst, brauchst du nur so zu tun, als ob dein Pferd störrisch werde. Du gibst ihm einige Hiebe, so daß es davongaloppiert. Dann kann dich weder ein Czakan, noch ein geschleuderter Stein treffen.«