Tasuta

Die Juweleninsel

Tekst
Autor:
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Pah! Wir haben Schwestern, die Komtessen waren, und doch gehorsam sind.«

»Sie soll auch eine Komtesse gewesen sein.«

»Warum fürchtet man sich vor ihrem Messer? Sie würde höchstens nur eine einzige Person verwunden und dann gefesselt werden.«

»Der Herr will dies nicht. Er will sie durch die Langeweile dahin bringen, daß sie ihm freiwillig gehorcht. Eine freiwillige Gabe ist mehr werth, als ein erzwungenes Gut.«

»Hat man sie nicht in die »Aussicht« gebracht?«

»Auch. Man hat ihr Bücher gegeben, deren Inhalt und Abbildungen sie fügsam machen sollten, man hat sie in die »Aussicht« gesteckt, wo sie unsern Zusammenkünften zusehen muß, selbst wenn sie nicht will – es hat nichts geholfen. Schwester Klara sollte noch hier sein.«

»Habe keine Schwester Klara gekannt.«

»Du warst noch nicht von Kloster Neustadt nach hier versetzt, als sie in Himmelstein war. Sie war eine Venus und eine Furie zugleich, bis sie plötzlich verschwand.«

»Wohin?«

Niemand hat etwas darüber erfahren. Ihr konnte keine Novize und kein Gast widerstehen, sie hatte ein paar Augen, aus denen der Himmel strahlte und auch die Hölle leuchtete, je nachdem sie es wollte. – Fertig! Laß uns ein Paternoster beten!«

Kurt vernahm das einförmige Herplappern des Vaterunsers, dann hörte er, daß sie sich entfernten.

Was hatten diese beiden Männer hier gethan? Einen Gegenstand vergraben? Jedenfalls. Aber welcher Gegenstand war das gewesen? Er war zu jung und unerfahren, um das Gehörte in seinem ganzen Umfänge und seiner ganzen Bedeutung verstehen zu können, aber er beschloß, sich den Ort zu merken, zog das Messer hervor und machte ein Zeichen an die Mauer.

Was war das für ein Gast, von dem die Mönche gesprochen hatten? Es sollte eine Komtesse sein. Doch nicht etwa gar die Komtesse Toska von Mylungen? Und wer war der »Herr,« der diesen Gast des Nachts durch die Frau des Schloßvogtes geschickt hatte? Weshalb und wozu sollte dieser Gast bekehrt werden, der sich mit einem Messer vertheidigte? Warum steckte man eine Komtesse in die »Aussicht,« und was war unter diesem Worte zu verstehen?

Er hätte sich noch mehr Fragen vorlegen können, aber der Mond war verschwunden, und der Weg bis hinunter zur Mühle nahm keine kurze Zeit in Anspruch.

Als er dort ankam, öffnete ihm Brendel.

»Sie sind sehr lange gewesen, Herr Schubert. Waren Sie auf dem Berge?«

»Ja.«

»Und haben sich nicht gefürchtet?«

»Vor wem oder was?«

»Vor Gespenstern. Es soll da oben während der Nächte schrecklich umgehen.«

»Aberglaube!«

Nein, kein Aberglaube, sondern Wahrheit. Es geht wirklich um, nämlich die Mönche zu den Nonnen. Denn in wiefern denn und in wie so denn, warum sollen denn Brüder und Schwestern sich nicht ein klein wenig lieb haben?«

»Das versteht sich ganz von selber!« meinte Klaus, welcher herzugetreten war, und dabei machte seine Nase eine Bewegung, welche die stärkste Bekräftigung ausdrücken sollte. »Aber nun werden Sie ganz und gar ermüdet sein, junger Herr.«

»Es ist nicht sehr schlimm. Gute Nacht!«

»Gute Nacht!«

Er suchte die Ruhe und fand sie lange nicht. Das Erlebte nahm seine Sinne und Gefühle gefangen, und selbst als er endlich eingeschlafen war, lebten die Gestalten des heutigen Tages in seinem Träume fort.

Als er erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Der Müller begrüßte ihn:

»Guten Morgen, lieber Herr! Ausgeschlafen?«

»Mehr als gut ist. Ein zu langer Schlaf macht müde.«

»Das ist richtig. Aber wie ich von meinen Knappen hörte, sind Sie während der Nacht spazieren gewesen?«

»Ein wenig. Der Abend war zu schön, als daß ich ihn hätte verschlafen mögen.«

»Wird auch noch anders werden, wenn Sie einmal in meine Jahre kommen.«

»Frühstück, Frühstück!« rief ihnen die Müllerin freundlich zu. »Die Jugend muß immer Hunger haben, sonst kann nichts Gescheidtes aus ihr werden.«

»Ich habe auch Appetit, das will ich Ihnen gestehen,« lachte Kurt. »Also folglich wird auch einmal etwas Gescheidtes aus mir. Aber was, das ist die Frage!«

»Ein Admiral!«

»Nicht übel!«

»Und Schwiegersohn.«

»Schwiegersohn? Wessen?«

»Hm, Schwiegersohn eines Generales.«

Kurt erröthete wie ein junges Mädchen, zu dem man von einem Bräutigam gesprochen hatte. Dies war das allererste Mal, daß ein Gedanke ausgesprochen wurde, der ihm jetzt unmöglich zu denken gewesen wäre. Er konnte kaum eine Antwort finden.

»Welches Generales?« frug er endlich ziemlich verlegen.

»Das muß ich Ihnen überlassen. Es gibt der Generale sehr viele, welche Töchter besitzen. Suchen Sie sich denjenigen selbst aus, der Ihnen am geeignetsten erscheint!«

Nach dem Frühstücke ging Kurt in dem Mühlegarten spazieren. Er hatte bemerkt, daß Brendel sich dort in den Beeten zu schaffen machte, und that, als wolle er ihm zusehen. Klaus war auch dabei, da der Müller die Mühle jetzt selbst bediente. Der junge Mann wußte gar nicht recht, in welcher Weise er sein Anliegen an den Mann bringen solle.

»War der Salat heuer gerathen?« frug er.

»Das versteht sich ganz von selber,« meinte Klaus, und seine Nase nickte zustimmend.

»Und die Gurken?«

»Auch.«

»Bohnen und Erbsen?«

»Werden noch.«

»Zuckerkürbis?«

»Ausgezeichnet.«

»Zwiebeln, Petersilie, Blumenkohl, Radieschen, Kerbel und Rettige?«

»Mit Allem sehr zufrieden.«

Der alte Knappe machte ein Gesicht, als habe er nicht die mindeste Ahnung, daß diese Fragen jedenfalls nur etwas Anderes einleiten sollten, was noch kommen mußte.

»Und die Beete haben Sie bearbeitet?«

»Ja.«

»Trotzdem Sie des Nachts in der Mühle sein müssen und also des Tages schlafen sollten?«

»Hm, wir wechseln ab, und wer Zeit hat, kann im Garten nachsehen. Das versteht sich ja ganz von selber! Nicht wahr, Brendel?«

»Ja, mein lieber Herr Schubert. Wir arbeiten auch im Garten, denn in wie fern denn und in wie so denn, die Anna ist fort, da muß die Lücke von den Andern mit ausgefüllt werden.«

»Wer hat heute Nacht die Mühle zu besorgen?«

»Der Meister und ich.«

»So sind Sie also frei, Klaus?«

»Ja. Ich schlafe.«

Das war es, was Kurt wissen wollte. Brendel fügte erklärend hinzu:

»Und weil ich die Mühle habe, werde ich am Nachmittage schlafen, während Klaus aufschüttet.«

Da richtete sich Klaus vom Beete empor.

»Mein lieber junger Herr, ich möchte Sie einmal nach etwas fragen!«

»Fragen Sie nur zu. Ich werde gern antworten.«

»Sie heißen Schubert und Ihr Vater war Seemann? wie der Herr Pastor erzählte.«

»Ja.«

»Ich habe einen gewissen Schubert gekannt, der einen Bruder hatte, welcher Seemann geworden war. Dieser Schubert war ein Schmied.«

»Ein Schmied? Ich habe einen Onkel, welcher allerdings Schmied ist.«

»Der, den ich meine, war Obergeselle bei dem Hofschmied Brandauer. Er sprach das weiche B wie ein hartes P.«

»Das ist mein Onkel, der Onkel Thomas!«

»Wirklich? Alle Wetter, trifft sich das! Der Thomas und ich sind die besten Kameraden, die es nur geben kann. Wir haben mehrere Feldzüge mit einander gemacht und uns auch später nicht mehr aus den Augen verloren. Nur seit einigen Jahren haben die Grüße aufgehört, die wir uns gegenseitig immer zu senden pflegten. Was macht denn der alte Kumpan jetzt?«

»O, der steht sich gut. Er hat geheirathet.«

»Geheirathet? Donnerwetter!«

Die Nase des Knappen fuhr empor, als ob sich eine Wespe angesetzt hätte.

»Wen denn?«

»Die Gastwirthin Barbara Seidenmüller, eine reiche Wittfrau.«

»Aha, das ist die »Parpara«, von der er mir erzählt hat! Sie waren alle Drei in sie verliebt, nämlich der Thomas, der Baldrian und auch der Heinrich, und Ihr Onkel hat also den Sieg davon getragen!«

»Ja. Aber das ist noch nicht Alles.«

»Was noch?«

»Er ist Hofschmied geworden, und der Baldrian und der Heinrich arbeiten bei ihm.«

»Ein wahrer Glückspilz! Na. da Sie der Neffe von einem alten Spezial sind, so habe ich Sie gleich noch einmal so lieb, als ich Sie vorher schon hatte. Wenn ich Ihnen einen Gefallen thun kann, so sagen Sie es nur, ich laufe für Sie durch das Feuer; das versteht sich ja ganz von selber!«

Dabei nickte seine Nase in einer Weise, welche man als die größeste Betheuerung gelten lassen konnte.

Am Nachmittage war Klaus allein in der Mühle. Kurt suchte ihn auf.

»War das heute Morgen Ihr Ernst, Klaus?«

»Was?«

»Daß Sie für mich durch das Feuer gehen wollen?«

»Das versteht sich ja ganz von selber!«

»So viel würde ich niemals von Ihnen verlangen; aber eine Bitte habe ich doch.«

»Heraus damit!«

»Sie haben heute Nacht frei?«

»Ja.«

»Wollen Sie mir einige Stunden Schlaf opfern?«

»Das versteht sich ja ganz von selber! Sagen Sie nur was ich machen soll!«

»Sie sollen mit mir spazieren gehen.«

»Spazieren? Gut! Schön! Ist sonst meine Leidenschaft nicht, werde es aber thun.«

»Aber es darf kein Mensch etwas davon wissen.«

»Werde keiner Seele etwas merken lassen. Wohin soll es denn gehen?«

»Das werden Sie später erfahren. Können wir unbemerkt fortkommen?«

»Ja. Wir gehen durch die hintere Thüre. Welche Zeit geht es fort?«

»Ganz zu derselben Zeit, in welcher ich gestern ging.«

»Werde mich bereit halten.«

»Und noch Eins: Haben Sie vielleicht einige lange feste Stricke?«

»Viele.«

»Besorgen Sie welche!«

»Wie lang und wie fest müssen sie sein?«

»Zwölf Ellen, und so fest, daß sie einen Menschen halten können.«

»Donnerwetter, wollen Sie sich zwölf Ellen hoch aufhängen?«

»Nein!« lachte Kurt.

»So gibt es wohl ein Abenteuer?«

»Ja, wenn Sie es mitmachen wollen.«

»Das versteht sich ja ganz von selber! Ist sonst noch etwas nöthig?«

 

»Eigentlich eine Leiter; eine Stange aber thut es auch und ist leichter zu transportiren.«

»Wie lang?«

»Wenigstens so lang wie die Stricke.«

»Und wie stark?«

»Ich muß an derselben emporklettern können.«

»Schön. Wird auch mit besorgt. Sonst noch etwas?«

»Nein. Aber sorgen Sie dafür, daß wir die Sachen bereits draußen vor der Mühle finden. Sonst möchten wir bemerkt werden.«

»Das versteht sich ja ganz von selber!«

Dabei machte seine Nase eine Schwenkung, der man es anmerkte, daß sie mit Allem, was besprochen worden war, vollständig einverstanden sei.

Im Laufe des späteren Nachmittags erfuhr man in der Mühle, daß Prinz Hugo wirklich mit seinem Diener eingetroffen sei und daß in den Gasthöfen des Städtchens bereits ein reger Fremdenverkehr herrsche. Die Ankunft des Prinzen machte Kurt einigermaßen um sein Vorhaben besorgt, doch fiel es ihm nicht ein, dasselbe aufzugeben.

Es war um die vereinbarte Zeit, als sich die Thür zu seinem Zimmer öffnete und Klaus eintrat.

»Da bin ich, Herr Schubert. Kann es losgehen?«

»Ja.«

»Die Luft ist rein und die Hinterthür nur angelehnt. Kommen Sie also!«

Sie schlichen sich hinab und gelangten ungesehen zur Mühle hinaus.

»Wo haben Sie die Sachen?«

»Dort im Busche. Aber nun kann ich wohl erfahren, wohin es gehen soll?«

»Ja. Hinauf zur Burg.«

»Sapperlot! Wollen Sie die Burg erobern?«

»Es ist so etwas Aehnliches.«

»So erobere ich mit; das versteht sich ja ganz von selber! Aber sagen Sie mir doch einmal, ob die Sache da oben heimlich gehen soll!«

»Natürlich!«

»So darf uns also unterwegs auch Niemand sehen?«

»Nein.«

»Gut! Dann vermeiden wir also die Straße. Ich werde Sie führen.«

Er nahm die Stange, während Kurt die Stricke trug, dann verließen sie die Höllenschlucht und stiegen seitwärts an dem Berge empor.

Ohne daß ein Wort zwischen ihnen gewechselt wurde, kamen sie nach allerdings mühseligem Steigen in der Höhe des Mönchklosters an, ohne von irgend einem Auge bemerkt zu werden, und dann benutzten sie das von zerstreuten Felsen und Büschen besetzte Terrain, um sich bis an die Kegelspitze zu schleichen, welche Kurt gestern erklettert hatte. Dort blieben sie halten.

»Was nun?« frug Klaus.

Kurt befand sich in einer kleinen Aufregung, deren er nicht ganz Meister zu werden vermochte. Er trat nahe zu Klaus heran und flüsterte:

»Wissen Sie, was ich machen will?«

»Woher soll ich das wissen?«

»Ich will ein Mädchen oder eine Frau aus dem Schlosse entführen.«

»Alle guten Geister! Menschenraub! Da ist Zuchthaus darauf.«

»Sie will aber mit!«

»Das wäre freilich etwas Anderes! Wer ist es denn?«

»Ich weiß es nicht.«

»Sie wollen sie entführen und wissen nicht, wer sie ist? Das begreife ich nicht!«

Kurt erzählte ihm kurz sein gestriges Abenteuer.

»Also Hilfe hat sie gerufen?« frug Klaus.

»Ja.«

»Donnerwetter, so holen wir sie; das versteht sich ja ganz von selber! Und wenn wir sie haben, so werden wir wohl auch erfahren, wer sie ist.«

»Natürlich. Gefahr ist nicht dabei, sonst würde ich die Sache allein machen.«

»Nun also heraus damit. Was habe ich zu thun?«

»Wir klettern jetzt in den Graben hinab und drüben legen wir die Stange an, welche Sie festhalten müssen. An ihr steige ich in die Höhe und nehme die Stricke mit. Das Uebrige wird sich finden.«

»Und ich habe weiter dann nichts zu thun, als zu warten bis Sie zurückkommen?«

»Weiter nichts.«

»Gut, vorwärts; das versteht sich ja ganz von selber!«

Unter dem Schutze des Schattens, welchen der Felsen warf, huschten sie in den Graben hinab und stiegen drüben wieder bis zur Mauer empor. Dort legten sie die Stange an, mit deren Hilfe Kurt auf die Mauer gelangte. Sie war so breit, daß er in liegender Stellung von unten gar nicht bemerkt werden konnte. Links hatte er den Graben und rechts den hintern Burghof unter sich, aus welchem man in das kleine Gärtchen gelangte, in welchem er die Gestalt von gestern sitzen sah.

Er konnte auf zwei verschiedenen Wegen zu ihr gelangen. Entweder er rutschte auf der Mauer hin, dann durfte er aber nicht den mindesten Schwindel besitzen, denn dort ging es in den gähnenden Abgrund hinab – oder er stieg gleich hier in den Schloßhof nieder und versuchte, ob die Gartenthüre geöffnet sei. Das letztere war jedenfalls das Beste. Er band also den Strick an denjenigen Theil der Stange, welcher drüben ein wenig über die Mauer emporragte, und ließ das andere Ende hüben in den Hof hinabfallen.

»Halten Sie fest, Klaus!« flüsterte er.

»Das versteht sich ja ganz von selber!« klang die Antwort von unten empor.

»Jetzt ließ er sich an dem Stricke nieder und stand in dem engen Hofe, gehüllt in den Schatten, den die Mauer verbreitete. Er sah die Gartenthür von hier aus offen stehen, und schon wollte er sich hinschleichen, als plötzlich die zu der Burg führende zweite Thüre geöffnet wurde. Ein Mann trat heraus und verschloß sie wieder. Das Licht des Mondes fiel auf seine Gestalt. Kurt erkannte ihn sofort.

»Der Prinz!« murmelte er. »Jetzt gilt es vorsichtig zu sein!«

Er hörte eine männliche und eine weibliche Stimme draußen im Garten und schlich sich bis an die Pforte. Dort konnte er sehen und auch hören. Er sah auf den ersten Blick, daß er es mit keiner Frau, sondern mit einem Mädchen zu thun hatte. Sie hatte sich von der Bank erhoben, der Prinz stand vor ihr, doch immerhin in einer Entfernung, daß es ihm unmöglich war, sie mit der Hand zu erlangen.

»Keinen Schritt näher!« gebot sie. »Es geht Ihnen sonst wie das letzte Mal!«

»Dirne! Ich werde Dich doch noch mürbe machen, ich habe die Macht dazu!«

»Meinen Sie? Hat diese Macht Ihnen bisher etwas geholfen?« Ihre Stimme nahm einen verächtlichen Ton an. »Ich habe die Knechte geohrfeigt, den Vogt geohrfeigt und auch Sie geohrfeigt, ich werde ohrfeigen, bis ich entweder todt oder frei bin; darauf können Sie sich sicher verlassen!«

»Frei wirst Du nun nie!«

»Wollen sehen!«

»Es gibt nur einen Weg zur Freiheit, und dieser heißt Gehorsam. Nimm doch einmal Verstand an, Mädchen! Seit ich Dich damals in der Laube bei Euch sah, stand es fest, daß ich Dich besitzen müsse. Du wurdest grob und Dein Vater renitent, aber was kann ein Müller gegen einen Prinzen schaffen – —«

Kurt hörte die Fortsetzung dieser Worte gar nicht, so überrascht war er. Also dieses Mädchen war die Müllerstochter, war die Anna! Sie mußte fort um jeden Preis. Ohne sich nur einen Augenblick zu besinnen, that er einige Schritte vorwärts, stand hinter dem Prinzen und schlug ihm die geballte Faust mit solcher Gewalt auf die Schläfe, daß er zusammensank.

»Geißler!« rief das Mädchen.

»Still, um Gotteswillen still! Ich bin nicht Geißler; ich bin ihm nur ähnlich.«

»Wer sind Sie denn?«

»Ich bin derselbe, welcher gestern da drüben auf dem Felsen stand. Sie wollen frei sein?«

»O mein Gott, ja! Aber Sie belügen mich: ich sehe ja, daß Sie Geißler sind!«

»Wäre ich dieser Mensch, würde ich da den Prinzen niederschlagen?«

»Das macht mich irre. O, er ist todt!«

»Das würde gar nichts schaden! Ist eine Möglichkeit vorhanden, durch die Höfe zu entkommen?«

»Nein. Ich kann nicht weiter als in dieses Gärtchen und auf mein Zimmer, alles Andere ist verschlossen und verriegelt.«

»Wollen Sie sich mir anvertrauen?«

»Ist es Ihr Ernst?«

»Natürlich! Draußen wartet Klaus. Kommen Sie schnell!«

Er zog sie aus dem Gärtchen nach dem Hofe und verriegelte die Pforte. jetzt war der Prinz eingesperrt. Dennoch zögerte Anna, immer noch irgend einen Verrath befürchtend.

»Sie können unmöglich klettern?« frug er.

»Nein.«

»So binden Sie sich diesen Strick unter den Armen hindurch um den Leib. Ich werde Sie emporziehen, und Sie helfen mit Händen und Füßen nach.«

Er schwang sich an dem Stricke empor. Anna war ein starkes dralles Mädchen, es kostete ihn keine kleine Anstrengung, sie auf die Mauer empor zu bringen. Endlich langte sie oben an.

»Sehen Sie hier hinab!« bat er sie. »Kennen Sie den Mann?«

»Klaus!« rief sie.

»Donnerwetter, Anna!« erscholl es von unten herauf.

»Leise, leise!« bat Kurt. »Wenn wir Lärm machen, ist Alles verloren. Getrauen Sie sich, an dieser Stange hinabzurutschen, wenn ich Sie mit am Seile halte?«

»Ich will es versuchen.«

»Es wird gehen. Kommen Sie!«

Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es, und bald standen die Drei da unten im Graben zusammen.

»Oh, ach, Fräulein Anna,« jubelte Klaus, indem er das Mädchen vor lauter Freude an sich drückte. »Wer hätte das gedacht! Wie sind Sie nur herauf gekommen in diese Burg, in dieses Nest, in diese Räuberhöhle?«

»Fragen Sie später,« drängte Kurt. »Jetzt müssen wir fort, sonst wissen wir nicht was passiren kann.«

»Die Straße hinab?«

»Nein; denselben Weg, den wir vorhin gegangen sind. Man könnte uns verfolgen.«

Sie stiegen aus dem Graben empor und eilten dann ungesäumt weiter. Sie waren noch gar nicht weit gekommen, als sie laute Rufe hörten. Es war die Stimme des Prinzen, welcher aus seiner Ohnmacht erwacht war und nun nach Beistand rief.

»Kann rufen, der Kerl!« meinte Klaus. »Und wenn er uns noch zeitig genug erreichte, so wäre er hinüber. Ich schlüge den Kerl todt; das versteht sich ja ganz von selber, nicht wahr, mein lieber Herr Schubert?«

»Er hätte nichts Anderes verdient. Aber wollen Sie die Stange nicht fortwerfen? Sie ist zu beschwerlich beim Niedersteigen.«

»Ich behalte sie, und wer uns etwa nachkommt und uns anhalten will, dem renne ich sie in den Leib. Das versteht sich ganz von selber!« – —

Siebentes Kapitel: Der Bowie-Pater

»Damn! Wenn das so fortgeht, so soll mich der Teufel holen, wenn wir nur die Schwanzhaare eines einzigen Komanchengaules zu sehen bekommen!«

Der Mann, welcher diese Worte sprach, war eine breite herkulische Gestalt, aus welcher, wenn sie von Holz gewesen wäre, man füglich zwei lebensgroße menschliche Figuren hätte schnitzen können. Seine gewaltigen Beine staken in einem Paar langer Wasserstiefel, die er bis an den Leib herangezogen hatte, der von einer hirschledernen Weste bedeckt wurde, über welcher eine aus starker Büffelhaut gefertigte Jacke hing. Auf dem Kopfe trug er eine hohe Mütze, welche von einer ganzen Menge von Klapperschlangenhäuten umwunden war. Sein Gesicht sah ganz so aus wie die Gegend, in der er sich befand: es war so dicht bewaldet, daß man nur die Nase und die beiden Augen zu unterscheiden vermochte. In der Hand trug er eine doppelläufige Kentuckybüchse, und in dem alten Shawle, den er sich um die Hüfte geschlungen hatte, stak neben einer alten Drehpistole ein Jagdmesser, welches mehr einem Hirschfänger als einem Messer glich.

Er wühlte in einem Haufen von Holzasche herum, welcher den Boden bedeckte und den unumstößlichen Beweis führte, daß hier ein ungewöhnlich großes Feuer gebrannt habe.

»Sage einmal, Fred,« fuhr er verdrießlich fort, »wie lange es wohl her ist, daß diese Asche heiß gewesen ist?«

»Das Feuer ist gestern früh verlöscht,« lautete die schnelle entschiedene Antwort.

Der Mann, welcher sie gab, war bedeutend jünger als der vorige. Er mochte höchstens fünfundzwanzig Jahre zählen und war ganz in einen jener indianischen Anzüge gekleidet, welche die Savannenstutzer zu tragen pflegen, und an denen die Verfertigerinnen Jahre lang zu arbeiten haben. Trotz dieses sauberen Anzuges aber hatte er nicht das Aussehen eines Sonntagsjägers. Man erkannte an seinem starken Nacken die Narbe eines tiefen Messerschnittes, und über die eine Wange zog sich die Spur eines Hiebes, welcher jedenfalls von einem Tomahawk herrührte. Seine Waffen bestanden aus einem Henrystutzen, aus dem man, ohne wieder laden zu müssen, fünfundzwanzig Schüsse thun kann, einem Bowiemesser und zwei Revolvern.

»Richtig!« stimmte der Riese bei. »Man sieht, daß Du kein Neuling mehr bist, wie vor zwei Jahren, als ich Dich in die Schule nahm. Aber was hilft uns das jetzt? Die Kameraden sind todt, die Pferde gestohlen und die Nuggets geraubt, die wir uns da drüben in Kaliformen zusammengesucht haben, um auch einmal im Osten den Gentleman spielen zu können. Nun rennen wir hinter diesen verdammten Komanchen her und können sie zu Fuße doch nicht einholen. Aber wehe den Hallunken, wenn ich, Bill Holmers, über sie komme!«

Er erhob die Faust und schüttelte sie drohend nach Süden hin.

»Ich denke, wir werden schon noch zu dem unsrigen kommen,« meinte der, welchen er Fred genannt hatte.

»Denkst Du? Ah?«

»Ja.«

»Nun?«

»Die Spur, welche wir verfolgen, führt nach dem Rio Pecos, der durch die Sierra Rianca führt, und diese ist ja gegenwärtig die Grenze zwischen dem Gebiete der Komanchen und Apachen.«

 

»Was hat das mit unsern Pferden und Nuggets zu thun?«

»Sehr viel! Die Komanchen, welche uns bestohlen haben, können von jetzt an zu jeder Zeit einer Truppe Apachen begegnen und dürfen also nicht mehr ohne Kundschafter vorwärts gehen. Was folgt daraus, Bill?«

»Hm, daß sie gezwungen sein werden, langsamer zu reiten. Deine Ansicht ist nicht übel! Man sieht es, daß Du bei mir in die Schule gegangen bist, und darum will ich es Dir nicht übel nehmen, daß Du diesen tröstlichen Gedanken eher gehabt hast als ich. Die Apachen fürchtest Du also nicht?«

»Nein. Sie sind jetzt den Bleichgesichtern freundlich gesinnt. Sie sind überhaupt edler und tapferer als die Komanchen, und besonders seit die meisten ihrer Stämme dem großen Rimatta gehorchen, kann sich ein Jäger mit Vertrauen zu ihnen wagen.«

Da raschelte es hinter ihnen. Beide fuhren blitzschnell herum und erhoben ihre Büchsen. Vor ihnen stand ein Indianer, beinahe so gekleidet wie Fred, nur daß sein eigenes Haar die einzige Kopfbedeckung bildete, welche er trug, und in seinem Gürtel ein Tomahawk von sehr kostbarer Arbeit blitzte. Seine großen dunklen Augen blickten sehr zuversichtlich auf die beiden Jäger, und die Rechte leicht zum Gruße erhebend, sprach er mit freundlicher Stimme:

»Die Bleichgesichter mögen ruhig sein; der rothe Mann wird sie nicht tödten.«

»Oho!« antwortete Bill Holmers, »das wollten wir uns auch verbitten!«

Der Indianer lächelte.

»Haben meine weißen Brüder den Schritt des rothen Mannes gehört? Seine Büchse konnte sie tödten, ehe sie ihn bemerkten.«

»Das ist wahr!« gestand Holmers.

»Aber der rothe Mann hat die Worte seiner weißen Brüder vernommen; sie sind Feinde der Komanchen und Freunde der Kinder der Apachen; er wird sich zu ihnen setzen und die Pfeife des Friedens mit ihnen rauchen.«

Er setzte sich ohne Umstände da, wo er stand, auf den Boden nieder, nahm das mit Federn geschmückte Kalumet von der Halsschnur, stopfte es aus dem Beutel, welcher an seinem Gürtel hing, und steckte den Tabak mit Hilfe seines Punks[42] in Brand.

Die beiden Jäger nahmen ihm gegenüber Platz.

Er sog den Rauch seiner Pfeife sechsmal ein, stieß ihn nach den vier Himmelsrichtungen, dann empor zur Sonne und endlich nieder zur Erde von sich und gab nachher das Kalumet an Holmers.

»Der große Geist ist mit den Apachen und mit den weißen Männern. Ihre Feinde seien wie die Fliegen, welche vor dem Rauche unserer Feuer fliehen!«

Die Jäger wiederholten die Ceremonie, und Holmers antwortete:

»Mein rother Bruder ist ein Häuptling der Apachen; ich sehe es an seinem Haare. Wird er uns seinen Namen nennen?«

»Meine Brüder haben vorher gesprochen von Rimatta, dem Sohn der Apachen.«

»Rimatta? Führt mein Bruder wirklich diesen Namen?«

»Der Apache lügt niemals!« lautete seine einfache Antwort.

Das war ein Zusammentreffen, wie sie es sich gar nicht glücklicher wünschen konnten. Darum frug Bill:

»Ist mein Bruder allein in dieser Gegend?«

»Rimatta ist allein; er hat nicht zu fürchten tausend seiner Feinde.«

»Wo hat er sein Pferd?«

»Es steht dort unter den Bäumen. Wo haben meine Brüder ihre Thiere?«

»Wir haben keine.«

Er blickte sie ungläubig an.

»Sie haben keine? Der Jäger ohne Pferd ist wie der Arm ohne Hand!«

»Wir hatten sehr gute Thiere; sie sind uns von den Komanchen geraubt worden.«

»Hatten die weißen Männer keine Augen um zu sehen, und keine Ohren um zu hören? Warum haben sie die Hunde der Komanchen nicht getödtet?«

»Wir waren nicht da als die Komanchen kamen.«

»Mein Bruder erzähle!«

»Wir waren zwölf Männer und kamen aus Kalifornien über die Savannen und Berge herüber, um nach Osten zu gehen. Wir lagerten an den Ufern des Rio Mala und hatten noch nichts geschossen. Da erhielten wir Beide den Auftrag Fleisch zu machen. Wir gingen fort, und als wir nach einer Stunde zurückkehrten, lagen unsere Gefährten todt und skalpirt an der Erde, die Pferde waren alle fort und die Nuggets mit ihnen.«

»Hörten meine Brüder das Schießen nicht?«

»Nein; es ging ein großer Wind, der den Schall von uns trieb.«

»Was thaten meine Brüder als sie zurückgekehrt waren?«

»Wir zählten die Spuren der Komanchen; es waren ihrer hundert und noch ein halbes hundert. Wir folgten ihnen, um unsere Todten zu rächen und unser Eigenthum wieder zu nehmen.«

»Und meine Brüder waren zwei und die Komanchen so Viele.«

»Ja.«

»Meine Brüder sind wackere Krieger; die Komanchen aber sind wie die Kojoten[43], die keinen Verstand haben. Sie mußten sehen, daß zwei Bleichgesichter fehlten, und meine Brüder erwarten und tödten. Woher werden die Bleichgesichter neue Pferde nehmen?«

»Wir werden sie den Komanchen nehmen.«

»Sie sollen eher welche haben, denn sonst können sie die Komanchen gar nicht erreichen. Die Bleichgesichter mögen warten, bis Rimatta zurückkehrt.«

Er erhob sich, hing sich das Kalumet wieder um den Hals, ergriff seine Büchse und verschwand zwischen den Bäumen.

Die beiden Jäger blickten einander mit eigenthümlichen Augen an.

»Was meinst Du, Fred?« frug Bill.

»Was meinst Du, Bill?« antwortete Fred.

»Hm, ein netter Kerl!«

»Sehr!«

»Konnte uns wegputzen ohne alle Gefahr!«

»Sehr!«

»Bin dem Kerl gut!«

»Sehr!«

»Gehe zum Teufel mit Deinem »Sehr!« Ich will von Dir wissen, was wir jetzt zu thun haben!«

»Bestimme Du es. Du bist der Aeltere.«

»Well! Ich hätte Lust zu bleiben.«

»Ich auch. Er sieht mir ganz so aus, als ob er Wort halten werde.«

»Er ist beritten und wird uns Pferde fangen.«

»Wird schwer gehen!«

»Ist Alles möglich. Ein verteufelt günstiges Zusammentreffen, das mit diesem Apachen! Das kann zu unserem Glücke sein.«

»Denke es auch. Aber, hin, es möchte mir nachträglich beinahe noch angst werden.«

»Warum?«

»Wir hatten von ihm gesprochen.«

»Ja, ja. Das Sprechen in der Prairie oder im Walde ist eigentlich eine sehr große Dummheit. Man kann sich dadurch ganz gründlich verrathen.«

»Hätten wir nicht so gut von ihm gesprochen, so wette ich Hundert gegen Eins, daß wir von ihm weggeblasen worden wären.«

»Ganz sicher. Wollen wenigstens jetzt das Maul halten und uns einen Platz suchen, an dem wir auf ihn warten können, ohne von Andern bemerkt zu werden.«

Sie verließen den offenen Platz und verschwanden unter den Büschen.

Es mochten etwas über zwei Stunden vergangen sein, da stand, ohne daß das allergeringste Geräusch zu vernehmen gewesen wäre, der Apache wieder an derselben Stelle, wo die Friedenspfeife geraucht worden war.

»Uff!«

Auf diesen halblauten Ruf kamen die Jäger aus ihren Verstecken hervor.

»Meine Brüder mögen Rimatta folgen!«

Er drehte sich um und schritt davon, ohne sich scheinbar darum zu bekümmern, ob die Beiden auch wirklich hinter ihm drein kämen. Er führte sie durch den weiten hochstämmigen Urwald, bis sie eine helle Einbuchtung der Prairie erreichten. Auf derselben lag ein Mustang, an allen Vieren mit jenen unzerreißbaren Riemen gefesselt, welche man zur Anfertigung der Lassos und Reserveleinen verwendet. Der Schweiß perlte von dem Thiere herab, und große dicke Schaumflocken lagen weit umher, so hatte es sich abgearbeitet um loszukommen.

»Können meine Brüder einen wilden Mustang reiten?«

Statt aller Antwort warf Fred die Büchse über den Rücken, stellte sich mit weit gespreizten Beinen über das Pferd und löste mit zwei raschen Messerschnitten die Fesseln, welche es hielten. Im Nu sprang es auf. Der Reiter saß oben, ohne Sattel und Zaum, frank und frei auf dem bloßen Thiere. Es stutzte und wieherte erschrocken, ging bald vorn und bald hinten in die Höhe, bockte zur Seite und flog dann, als es den Reiter nicht los werden konnte, in gewaltigen Sätzen in die Prairie hinaus.

»Mein junger Bruder ist ein guter Reiter!« meinte der Indianer beifällig; dann schritt er weiter.

Ein großes Stück draußen in der Savanne lag ein zweites Pferd, ganz in derselben Weise gefesselt wie das vorige.

»Mein Bruder nehme es und kehre dann zurück!«

Er schritt einem Gebüsche zu, in welchem er jedenfalls sein eigenes Pferd angehobbelt hatte. Bill Holmers dagegen trat zu dem Mustang, that mit demselben ganz wie vorhin Fred, und flog bereits nach einer Minute auf seinem wilden unbändigen Thiere in die Prairie hinaus.

Erst nach Verlauf von einer vollen Stunde ließ sich ganz draußen am Horizonte ein dunkler Punkt und dann ein zweiter erkennen. Sie näherten sich schnell. Es waren die beiden Jäger, welche auf ihren Pferden zurückkehrten. Als sie die kleine Savannenbucht erreichten, trat Rimatta zwischen den Sträuchern hervor und führte sein Pferd am Zügel nach.

»Meine weißen Brüder haben nun Thiere, um ihre Feinde zu erreichen, und können sich die Sättel holen, und Alles, was sie brauchen.«

42Prairiefeuerzeug.
43Savannebwölfe.