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Die Sklavenkarawane

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»w‘ Allah!« fuhr er zornig auf. »Ich lasse den Hund peitschen!«



»Wen?« fragte der Tschausch.



»Den Gefängnisposten.«



»Warum?«



»Weil er dich nicht erschossen hat! Ich habe es ihm doch befohlen!«



»Aber du selbst hast mich ja weggeführt. Er sah also, daß du mir erlaubtest, mich zu entfernen, und so wäre es ein Ungehorsam gegen dich gewesen, wenn er geschossen hätte, nicht nur Ungehorsam, sondern Auflehnung und Aufruhr! Du bist ja der Kommandant!«



»Der bin ich allerdings, und ich will keinem raten, gegen mich aufzurühren! Beim Scheitan, ich würde den Hund totpeitschen lassen, wenn er auf dich geschossen hätte. Jetzt komm herein und zeige mir die Sachen, deren Wert du besser kennst als ich!«



Sie blieben ziemlich lang in dem Tokul; aus diesem gingen sie auch in die übrigen Vorratshäuser. So oft der Buluk aus einem derselben trat, sah man sein Gesicht glückseliger strahlen. Als er das letzte verschlossen hatte, legte er dem Feldwebel die Hand auf die Achsel und sagte:



»Jetzt schwöre mir bei deinem Barte, daß du von dem Gelingen deines Planes vollständig überzeugt bist!«



Der Anblick der reichen Vorräte hatte ihn für den Tschausch vollständig gewonnen.



»Ich schwöre es!« antwortete dieser, indem er die Hand erhob.



»Und du rätst mir wirklich, ihn auszuführen?«



»Ja, das rate ich dir, und wenn du später eine Million Abu Noqtah besitzest, so wirst du mir es Dank wissen, dir diesen Rat gegeben zu haben.«



»Aber wir allein können es doch nicht unternehmen?«



»Wir beide? Nein. Wir müssen unsre Soldaten dazu haben.«



»Werden sie es thun?«



»Ganz gewiß. Dafür laß mich sorgen. Ich werde mit ihnen sprechen.«



»Dann aber werden sie die Beute mit teilen wollen.«



»Darauf gehen wir nicht ein. Es würde jeder gleichviel erhalten, und so hätten wir die Mittel nicht, eine neue Seribah anzulegen. Ich verspreche einem jeden den doppelten Sold, wenn sie uns dienen wollen, und ihnen allen die Beute, welche Abd el Mot zurückbringen wird. Auf diese Weise bleibt uns alles, was sich hier in Omm et Timsah befindet.«



»Die Beute, welche Abd el Mot bringt? Wie kannst du ihnen diese versprechen? Du hast sie ja nicht!«



»Aber ich werde sie haben, denn ich nehme sie ihm ab.«



»Allah kerihm – Gott ist gnädig! Er wird dir doch nicht den Verstand verwirrt haben!«



»Nein, das hat er nicht. Mein Plan geht weiter, als du meinst. Ich werde Abd el Mot entgegenziehen und ihn während seiner Rückkehr überfallen.«



»Deinen eigenen Vorgesetzten!«



»Schweig! Er hat mir meinen Rang genommen und mich in das Gefängnis werfen lassen; das muß er büßen.«



»Aber es sind fünfhundert Krieger bei ihm!«



»Ich verheiße auch ihnen doppelten Sold, und außerdem dürfen sie in Gemeinschaft mit unsern fünfzig Mann die Beute, welche sie in Ombula gemacht haben werden, unter sich teilen. Darauf werden sie ein- und zu mir übergehen. Wer das nicht thut, der wird getötet, oder er mag laufen, wohin er will.«



»Bist du toll? Wenn sie nun alle Abd el Mot treu bleiben wollen, so sind wir verloren. Sie sind uns zehnfach überlegen.«



»Das schadet nichts. Ich weiß schon, in welcher Weise ich ohne alle Gefahr an sie kommen werde. Die Hauptsache ist, daß wir nicht säumen. Abu el Mot will viele Nuehrs anwerben und mitbringen. Trifft er mit diesen hier ein, während wir noch da sind. so ist es aus mit unsrem schönen Plane.«



»Dieser wird überhaupt nicht ausgeführt werden,« meinte der Buluk.



»Warum?«



»Weil er zu gefährlich ist. Du willst weiter gehen, als ich dachte.«



»So ziehst du dich zurück?«



»Ja. Ich wäre sehr gern reich geworden; aber ich sehe ein, daß unser Leben verloren ist. Ich mache nicht mit.«



»So wird mein Plan doch ausgeführt!«



»Von wem?«



»Von mir!«



»Von dir? Das ist ja ganz unmöglich, da du mein Gefangener bist!«



»Ja, der bin ich freilich. Aber ich werde mit deinen Leuten sprechen und bin überzeugt, daß sie mir sofort zustimmen werden. Dann aber wirst du mein Gefangener sein, falls du dich feindlich gegen uns verhältst.«



»Allah, Allah!« rief der Buluk erschrocken. »Du hast mir ja versprochen, nicht zu entfliehen!«



»Ich halte auch mein Wort. Ich habe nicht die mindeste Lust zur Flucht. Ich will vielmehr von hier fortziehen als Sieger, als Besitzer alles Eigentums, aller Herden und auch aller Sklaven, die sich hier befinden und natürlich mitgenommen werden.«



»Du bist ein schrecklich entschlossener Mensch!«



»Ja, entschlossen bin ich, und ich wünschte sehr, daß auch du es wärest. Jetzt ist es noch Zeit für dich. Sage ja dazu, so wirst du Mitbesitzer. Sagst du aber nein, so wirst du ausgestoßen oder darfst höchstens als gewöhnlicher Asaker mit uns gehen. Ich möchte nicht gern hart gegen dich verfahren, muß es aber thun, wenn du mich dazu zwingst. Also entscheide dich schnell! Willst du nichts wagen und von uns ausgestoßen sein, oder willst du mutig auf meinen Plan eingehen, mein Unterbefehlshaber sein und reich werden?«



Der Buluk blickte einige Zeit zur Erde nieder. Dann antwortete er in entschlossenem Tone:



»Nun wohl, ich bin mit dir einverstanden. Ich sehe ein, daß ich es bei dir und auf deine Weise weiter bringen kann als bei Abu el Mot, bei welchem ich höchstens das bleiben werde, was ich jetzt bin, ein armer Buluk. Wir werden Sklaven machen, Tausende von Sklaven, und wenn wir reich genug sind, gehen wir nach Kahira, kaufen uns Paläste und führen ein Leben wie die Gläubigen im Paradiese.«



»Gut, so gib mir die Schlüssel!«



»Muß das sein?«



»Ja, denn ich bin jetzt der Herr von Omm et Timsah.«



Er bekam die Schlüssel zu den Magazinen und ging dann mit dem Buluk, welchem das Herz außerordentlich klopfte, nach der Stelle, an welcher die weithin schallende Trommel an einem Pfahle hing. Auf den Schall derselben mußten alle zu der Niederlassung Gehörigen, sogar die draußen bei den Herden befindlichen Wächter, auf dem Versammlungsplatze in der Mitte der Seribah erscheinen.



Er rührte selbst die Trommel, und binnen wenigen Minuten befanden sich alle zurückgebliebenen Sklavenjäger auf dem Platze. Sie wunderten sich nicht wenig, als sie den gefangenen Tschausch neben dem Buluk stehen sahen. Aber ihre Verwunderung ging noch auf ganz andre Gefühle über, als er zu sprechen begann.



Er stand unbewaffnet vor ihnen, ohne alle Furcht und Sorge, daß sein kühnes Unternehmen mißlingen könne. Er kannte seine Leute. Sie gehörten, wie ja er auch selbst, dem Abschaume der Menschheit an; sie besaßen weder Gefühl noch Gewissen oder Religion, denn was sie von der letzteren hatten, das bestand nur in der Befolgung äußerer Formen, deren Bedeutung sie kaum kannten. Ein abenteuerliches Leben hinter sich und auch vor sich, waren sie an alle Gefahren gewöhnt und schreckten vor nichts zurück, was ihnen irgend einen Vorteil bringen konnte. Sie waren also ganz die Leute, für welche der Plan des alten Feldwebels paßte.



Er schilderte ihnen ihr jetziges, resultatloses Leben, entwickelte ihnen seinen Plan, soweit er dies für nötig hielt, nannte ihnen die Vorteile, welche ihnen derselbe bringen mußte, versprach ihnen, solange sie in seinem Dienste bleiben würden, einen doppelt höheren Sold als denjenigen, den sie jetzt erhielten, und sagte ihnen endlich, daß Abd el Mot die ganze Beute abgenommen werden sollte, um verteilt zu werden. Als er sie dann fragte, ob sie bereit seien, ihm zu dienen, sagten sie dies jubelnd zu. Kein einziger schloß sich aus; kein einziger schien auch nur das allergeringste Bedenken zu hegen. Nur verlangten sie Merissah, um diesen glücklichen Tag feiern und sich berauschen zu können.



Ohne ihnen zunächst eine Antwort zu geben, nahm er sie in Eid. Da kein Fakir oder andrer Geistlicher zugegen war, holte er aus Abu el Mots Tokul einen für solche Zwecke vorhandenen Koran, auf welchen jeder einzelne die rechte Hand zu legen hatte. Ein solcher Schwur war ihnen als Moslemim heiliger als einer, welcher ihnen von einem Imam abgenommen worden wäre. Dann erst, als sie nun fest zu ihm gehörten, versagte er ihnen die Erfüllung ihres Wunsches nach dem betäubenden Getränk.



Er stellte ihnen vor, daß kein Augenblick zu verlieren sei, da Abu el Mot noch heute mit den angeworbenen Nuehr eintreffen könne. Er überzeugte sie von der Notwendigkeit, sofort an das Werk zu gehen, und verhieß ihnen aber für dann, wenn sie sich in genügender Entfernung befänden, nicht nur einen, sondern mehrere Freudentage.



Sie mußten einsehen, daß er recht hatte, und ergaben sich in das Unvermeidliche. Um sie für diese Entsagung zu belohnen, verteilte er eine solche Quantität Tabak unter sie, daß sie auf Wochen hinaus mit dem geliebten Genußmittel versehen waren.



Nun wurden die Waren und alles, was mitgenommen werden konnte, vor die Umzäunung geschafft und die Rinder herbeigeholt, um sie zu beladen. Das war eine lange und schwere Arbeit, die erst gegen Mittag überwältigt war. Dann befestigte man die Sklaven und Sklavinnen, von denen gegen dreißig da waren, mit gebundenen Händen an ein langes Seil, und der Zug war zum Aufbruche bereit.



Jetzt wurde Feuer an die Tokuls gelegt. Der Noqer, welchen Abu el Mot zu seinen Sklavenjagden per Wasser zu gebrauchen pflegte, wurde auch in Brand gesteckt. Die glühende Sonne hatte das Material so vollständig ausgedörrt, daß sich das Feuer mit rasender Schnelligkeit verbreitete, und bald auch den großen, äußeren Dornenzaun ergriff. Es war vorauszusehen, daß die Seribah nach Verlauf einer Stunde in einen glühenden Aschenhaufen verwandelt sein werde. Die große Glut trieb Menschen und Tiere fort. Der Zug bewegte sich in derselben Richtung, in welcher heute früh die Ghasuah nach Süden gezogen war. – —



Die erste Abteilung der letzteren, die Reiter, waren so schnell wie möglich der Fährte der beiden entflohenen Neger gefolgt. Der Fluß machte hier eine bedeutende Biegung nach links, also nach Osten; die Spur führte in fast schnurgerader Linie in eine baumlose Steppe hinein, deren kurzes Gras, von der Sonne verbrannt, wie vom Winde zerstreutes Heu am Boden lag. Der weit sich hinausdehnende Horizont war ringsum durch keinen einzigen erhabenen Punkt markiert.

 



Die Stapfen der Neger waren auf der harten Erde nicht zu erkennen; aber der Hund war seiner Sache gewiß, und geriet nicht für einen einzigen Augenblick in Unsicherheit.



Stunde um Stunde verrann. Die Strecken, welche man zurücklegte, wurden immer bedeutender, und noch immer war von den Flüchtigen nichts zu sehen. Sie mußten, wenn auch nicht im Galopp, doch immer im scharfen Trabe gelaufen sein, eine ganz außerordentliche Leistung, wenn man bedachte, daß sie einen Zeitvorsprung von nur zwei Stunden gehabt hatten.



Freilich waren die Pferde der Sklavenjäger bei weitem keine Radschi bak. Im Sudan verkommt die beste Pferderasse sehr schnell, teils infolge der Feuchtigkeit zur Regenzeit, mehr noch aber durch die unvernünftige Behandlung seitens der dortigen Völker und der außerordentlichen Stechfliegenplage. Berüchtigt sind die Baudah- und Surrehtafliegen.



Zur heißen Jahreszeit trocknet der Boden so aus, daß die Pferde kein Futter finden. Da ziehen sich die Fliegen an die Flüsse zurück. Dann aber, wenn sich die Vegetation zu regen beginnt, entwickelt sich die Insektenwelt, und besonders die Familie der Dipteren zu einer geradezu entsetzlichen Landplage. Ungeheure Schwärme stechender Mücken und Fliegen erfüllen die Luft und peinigen Menschen und Tiere auf das fürchterlichste. Die Pupiparen bedecken dann die Pferde, Rinder, Kamele und andre Tiere in so ungeheurer Menge, daß die Haut gar nicht zu sehen ist. Die Surrehta wird den Tieren geradezu lebensgefährlich; dasselbe sagt man auch von der berüchtigten Tsetse. Doch darf man ja nicht denken, daß der Stich oder Biß eines oder einiger dieser Insekten den Tod herbeiführt. Diese weitverbreitete Anschauung ist grundfalsch.



Geradezu undurchsichtige Mengen von Tabaniden, Culicinen, Sippobosciden, Musciden und wie sie alle heißen, hüllen die armen Tiere förmlich ein, so daß der ganze Körper derselben eine einzige große Wunde wird. Das unaufhörliche Ausschlagen, Stampfen und sich Bäumen ermüdet das befallene Tier, raubt ihm jede Ruhe und benimmt ihm auch den Appetit. Eine solche Tage, Wochen und Monate währende Tortur muß es krank machen, und schließlich umbringen. Der geringste Hautriß oder Satteldruck wird da zur jauchigen, von Maden wimmelnden Wunde, welche den Untergang des Tieres nach sich zieht. Die Pferde, Rinder und Kamele besitzenden Stämme ziehen um diese Zeit, um ihre Tiere zu retten, nach dem Norden.



Aus diesem Grunde und noch andern Ursachen wird man im Sudan selten ein gutes Pferd zu sehen bekommen. Auch diejenigen, auf denen die Truppe Abd el Mots ritt, waren von der letzten Regenzeit und der jetzigen Dürre so mitgenommen, daß große Ansprüche an sie nicht gemacht werden konnten. Man mußte sie öfters langsam gehen lassen; sie trieften von Schweiß und hatten kurzen Atem. Diesem Umstande allein hatten die beiden Neger es zu verdanken, daß sie nicht so schnell eingeholt wurden.



Gegen Mittag rückte der östliche Horizont näher. Ein schwarzer Strich, welcher sich dort zeigte, ließ auf Wald schließen. Der Bahr Djur-Arm des weißen Niles kehrte von seinem Bogen zurück. Die Gräser waren hier weniger dürr, und endlich traten einzelne Suffarahbäume vor die Augen. Diese Akazienart hat eigentümliche Anschwellungen an der Basis der Stacheln, aus denen sich die sudanesischen Jungens Pfeifen zum Spielen machen. Suffar heißt im sudanesischen Dialekte »pfeifen«; daher der Name dieses Baumes.



Der Hund lief, mit der Nase immer am Boden, ohne irre zu werden, zwischen den Bäumen hin, welche immer enger zusammentraten und endlich einen ziemlich dichten Wald bildeten, so daß die Pferde nun langsamer gehen mußten.



Hie und da gab es eine trübe Wasserlache, in deren Nähe der Boden feucht war. An solchen Stellen konnte man die Fußspuren der beiden Neger deutlich sehen. Ein Indianer oder Prairiejäger hätte aus diesen Eindrücken leicht bestimmen können, vor welcher Zeit die Flüchtigen hier gewesen seien. Dazu aber reichte der Scharfsinn der Sklavenjäger nicht aus.



Leider befanden die Verfolgten sich gar nicht weit vor den Verfolgern. Sie waren bis zum Tode ermüdet. Als sie den Wald gesehen hatten, war ihnen der Gedanke gekommen, daß sie nun gerettet seien. Sich umschauend, hatten sie da aber am nördlichen Horizonte den Reitertrupp bemerkt, was sie zu einer letzten großen Anstrengung spornte.



Sie rannten in den Wald hinein, um sich dort zu verstecken. Freilich mußten sie sich sagen, daß dies vergebens sei, da Abd el Mot jedenfalls einen oder mehrere Hunde bei sich hatte. Sie suchten das Ufer des Flusses auf. Lieber wollten sie ertrinken, als sich ergreifen lassen. Da aber sahen sie die ekelhaften Köpfe von Krokodilen aus dem Schlamm ragen. Nein, doch lieber gefangen und erschlagen, als von diesen Scheusalen zerrissen und verschlungen! Sie huschten, so schnell es ihre Kräfte erlaubten, weiter.



Da begann Tolo, welcher zwar scharfsinniger und klüger, aber körperlich schwächer als Lobo war, zu wanken.



»Tolo kann nicht weiter!« klagte er keuchend.



»Lobo wird dich halten,« antwortete sein Gefährte.



Er legte den Arm um ihn und zog ihn mühsam weiter.



»Rette dich allein!« bat Tolo. »Sie mögen Tolo finden, und du wirst entkommen.«



»Nein. Du mußt lieber gerettet werden als Lobo. Du bist klüger, und wirst dich leichter nach Ombula finden, um sie zu warnen.«



So ging es eine kleine Strecke weiter, bis Tolo stehen blieb.



»Der gute Schech im Himmel will es nicht haben, daß wir leben sollen,« sagte er. »Er will uns zu sich rufen. Tolo kann nicht mehr gehen; er muß hier liegen bleiben.«



»So wird Lobo dich tragen.«



Der selbst furchtbar ermattete Neger nahm den Freund auf seine Arme, und trug ihn fort; aber kaum war er zwanzig Schritte gegangen, so konnte er selbst nicht mehr. Er legte den Kameraden sanft auf die Erde nieder, blickte trostlos umher und klagte:



»Das Leben ist zu Ende. Bist du wirklich überzeugt, daß es da oben bei den Sternen einen guten Schech gibt, der uns lieb hat und bei sich aufnehmen wird?«



»Ja, das ist wahr,« antwortete Tolo. »Man muß es glauben.«



»Und wenn man gestorben ist, lebt man bei ihm?«



»Bei ihm und seinem Sohne, um niemals wieder zu sterben.«



»So ist er besser, viel besser als der Allah der Araber, welche nur Sklaven machen wollen und uns töten werden!«



»Sei ruhig! Er wird es sehen, wenn wir sterben, und herabsteigen, um uns hinauf zu sich zu holen.«



»Lobo würde wohl gern sterben, denn er hat keine Verwandten mehr, bei denen er sein kann; aber der Tod ist gar so schlimm: hier die Krokodile, und dort Abd el Mot, der Araber. Wer ist böser, sie oder er?«



»Es ist eins so schlimm wie das andre, das Krokodil wie der Araber, denn beide glauben nicht an den großen Schech und seinen Sohn, der für alle Menschen gestorben ist, um sie zu erretten.«



»Wenn Lobo dich dadurch erretten könnte, würde er sich nicht weigern, sofort zu sterben!«



»Du kannst mich nicht retten; wir sind verloren. Ich weiß noch den Anfang des Gebetes, welches man sprechen muß, bevor man stirbt. Tolo wird ihn dir sagen, und du mußt ihn nachsprechen, dann kommen wir beide zu dem großen Schech. Sage also: ‚Ja abana iledsi fi ssemavati jaba haddeso smoka!‘«



Er hatte die Hände gefaltet und blickte zu dem Genossen auf. Dieser legte seine Hände auch zusammen und sprach die Worte nach, doch nur in halber Andacht, wenn auch mit vollem Glauben an die Wirkung derselben. Dabei schweiften seine Augen suchend umher, und als er »haddeso smoka« sagte, leuchteten seine treuen Augen auf, als ob er etwas Gesuchtes gefunden habe. Er fuhr gleich fort:



»Wenn der Sohn des großen Schechs gestorben ist, um die Menschen zu retten, sollen wir es wohl auch thun?«



»Ja, wenn wir es können.«



»Und wenn Lobo dich retten könnte, was würdest du thun?«



»Tolo würde sich nicht von dir retten lassen, sondern lieber selbst sterben.«



»Aber wenn nur einer von uns beiden gerettet werden könnte, wenn der andre für ihn stürbe, so müßtest doch du es sein, der leben bleibt!«



»Nein, sondern du!«



»Vielleicht können wir beide entkommen?«



»Wie denn?«



»Siehst du diesen Subakh und den Lubahn, welche hier nebeneinander stehen? Ihre Äste sind eng miteinander vermischt, und das Laub ist noch so dicht, daß man zwei Menschen, welche da oben sind, gar nicht sehen kann. Wir wollen uns hinauf verstecken!«



Der Subakh (Combretum Hartmanni) ist ein mittelgroßer, schöner Baum mit dichten Zweigen und saftig grünen, in lange Zipfel ausgezogenen Blättern. Der Lubahn wächst noch höher; er ist die Boswellia papyrifera, aus welcher der afrikanische Weihrauch gewonnen wird.



Beide eng nebeneinander stehende Bäume bildeten eine einzige große und dichte Krone, daß sich zwei Menschen, zumal Schwarze, allerdings gut in derselben verbergen konnten, ohne von unten gesehen zu werden.



»Tolo ist zu schwach, um hinauf zu klettern,« antwortete der andre.



»Lobo wird dich heben; dann kannst du den untersten Ast fassen. Versuche es einmal!«



Er nahm seine letzten Kräfte zusammen und hob den Freund empor. Tolo, welcher nicht ahnte, daß Lobo den eines gläubigen Christen würdigen Gedanken gefaßt hatte, sich für ihn zu opfern, ergriff den Ast und kam glücklich auf denselben zu sitzen.



»Noch höher!« sagte Lobo. »Man sieht dich noch. Noch drei, noch vier Äste höher. Dort aber setzest du dich nieder, und umfängst den Stamm, um dich fest zu halten!«



Tolo kroch weiter hinauf, machte es sich bequem, und sagte dann:



»Nun komm auch du herauf!«



»Gleich, aber horch!«



Man hörte menschliche Stimmen und dann auch das Heulen eines Hundes. Es war ein blutgieriges Geheul.



»Sie kommen; sie sind da! Schnell herauf zu mir!« warnte Tolo voller Angst.



»Nun ist‘s zu spät,« antwortete Lobo. »Sie würden mich sehen. Ich muß mir ein andres Versteck suchen.«



»Dann rasch, aber rasch!«



Doch Lobo blieb stehen und sagte mit unterdrückter Stimme:



»Lobo hat gehört, daß ein solcher Hund, wenn er Blut gekostet hat, sofort den Geruch verliert. Dieser Hund soll Blut bekommen, damit er dich nicht riecht. Sei aber still!«



Ehe Tolo antworten und Einspruch erheben konnte, huschte der wackere Neger fort, nach einem andern Baume, um nicht an demjenigen gesehen zu werden, auf welchem Tolo saß. Das Geheul des Hundes ließ sich in großer Nähe hören. Pferde schnauften, und Menschen riefen einander zu.



Lobo entfernte sich noch mehr von den beiden Bäumen, und stellte sich so auf, daß er von dem Hunde, sobald dieser herbeikam, sofort erblickt werden mußte.



Der Wald gestattete nicht, daß zwei Reiter sich nebeneinander bewegen konnten. Die Sklavenjäger waren nicht abgestiegen, um ihre Pferde nicht zurücklassen zu müssen. Sie ritten einzeln, voran Abd el Mot mit dem Hunde. Sobald dieser erschien, setzte Lobo sich in fliehende Bewegung, damit man nicht erraten solle, daß er hier gestanden habe und sein Genosse sich noch in der Nähe befinden könne. Der Araber erblickte ihn.



»Scheitan!« schrie er auf. »Da läuft einer, und weiter vorn der andre, wenn ich mich nicht irre. Schnell nach, schnell nach!«



Er trieb sein Pferd an, gab aber glücklicherweise den Hund noch nicht frei. Die andern stürmten hinter ihm her, so schnell das Terrain es erlaubte. Der Hund zerrte mit wildem Ungestüm an der Leine und stieß dabei ein geradezu diabolisches Geheul aus. Die Araber brüllten um die Wette. Lobo schrie, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aus Leibeskräften. Tolo auf dem Baume stand eine schreckliche Angst um den Freund aus. Er schrie mit; doch zum Glücke wurde seine vor Ermattung schwache Stimme in dem allgemeinen Skandal gar nicht gehört. Die wilde Jagd ging an den beiden Bäumen vorüber, flußaufwärts weiter.



»Laß doch den Hund los!« brüllte einer der Reiter.



Abd el Mot hörte die Worte, zog das Messer, und schnitt die Schnur durch. Der Hund schoß mit doppelter Schnelligkeit dem Neger nach, dessen Absicht war, sich zerreißen zu lassen, um der Bestie den Geruch zu nehmen, wie er gesagt hatte. Doch jetzt kam ihm der Gedanke, ob es denn nicht möglich sei, das Tier zu töten. Er hatte doch heut schon einen Hund erstochen, warum nicht auch diesen? Hatten die Verfolger nur diesen einen mit, so war Rettung wohl noch möglich.



Auch er hatte den Ruf des Arabers gehört und ahnte, daß Abd el Mot demselben folgen werde. Da gab es keinen Augenblick zu verlieren. Er blieb stehen und lehnte sich an den Stamm eines Baumes, keuchend vor Aufregung, Müdigkeit und Atemlosigkeit. Er sah den Hund in großen Sätzen daherschnellen, die mit Blut unterlaufenen Augen stier auf sein Opfer gerichtet und aus dem Maule geifernd, und zog sein Messer aus dem Lendenschurze.

 



»Herab von den Pferden; wir haben ihn fest!« rief Abd el Mot, indem er sein Tier parierte und aus dem Sattel sprang.



Die andern folgten seinem Beispiele.



Jetzt war der Hund dem Neger nahe, noch drei, zwei Sätze, nur noch einen! Das blutgierige Tier warf sich mit aller Gewalt auf den Neger, und rannte – – da dieser blitzschnell nach links vom Baume wegtrat, mit dem Kopfe gegen den Stamm desselben, und prallte nieder. Ehe es sich wieder aufraffen konnte, kniete Lobo auf ihm und stieß ihm das Messer zwei-, dreimal ins Herz, wurde aber am linken Arme von den Zähnen gepackt.



Er riß sich von dem verendenden Tiere los, gar nicht darauf achtend, daß ein Stück Fleisch im Rachen desselben zurückblieb, und flog davon. Die Araber zeterten vor Wut und rannten ihm nach. Die Eile erlaubte ihnen nicht, von ihren Gewehren Gebrauch zu machen. Sie hätten stehen bleiben müssen, um zu zielen, und dabei nur Zeit verloren. Aber ihre Pistolen rissen sie heraus und drückten sie auf den kaum zwanzig Schritte vor ihnen befindlichen Neger ab. Ob eine Kugel getroffen hatte, war nicht zu ersehen, denn Lobo rannte weiter.



Aber er war matt bis auf den Tod, und sie besaßen noch ihre vollen Kräfte. Sie kamen ihm immer näher. Er sah sich nach ihnen um und bemerkte dies. Doch lieber zu den Krokodilen, als ihnen in die Hände fallen und zu Tode gepeitscht werden! Er lenkte also nach links ab, dem Ufer des Flusses zu.



Dieser machte hier eine Krümmung, an deren konkaven Seite die unmenschliche Hetze vor sich ging. Lobo erreichte das Wasser, und warf sich, einen Todesschrei ausstoßend hinein. Es spritzte hoch über ihn auf.



Wenige Augenblicke darauf langten seine Verfolger an derselben Stelle an. Sie blieben halten, die Augen auf das Wasser gerichtet.



»Er ist hineingesprungen, um uns zu entgehen!« rief einer enttäuscht.



»Uns entgeht er, ja,« antwortete Abd el Mot; »aber die Temasih werden ihn verschlingen. Paßt nur auf!«



Vom Ufer weg gab es eine vielleicht acht oder neun Ellen breite freie Strecke. Dann folgte die Spitze eines lang gestreckten Omm Sufah- und Schilffeldes, worauf wieder freies Wasser kam, welches von einer mitten auf dem Flusse an einer Schlammbank festgefahrenen Grasinsel begrenzt wurde.



Jetzt tauchte ganz in der Nähe der erwähnten Omm Sufahecke der Kopf des Negers auf. Er sah sich nach seinen Verfolgern um.



»Schießt, schießt!« rief Abd el Mot, worauf sein Nachbar das Gewehr an die Wange zog und schnell losdrückte.



Aber er war zu hitzig gewesen und hatte schlecht gezielt. Die Kugel schlug neben Lobo in das Wasser. Dieser hatte die Spitze erreicht, und umschwamm dieselbe mit einigen raschen Stößen. Dort hielt er an, als ob er über irgend etwas, worauf sein Auge fiel, erschrecke. Dann stieß er einen lauten, durchdringenden Schrei aus, den man ebensowohl dem Jubel, als auch der Todesangst zuschreiben konnte, und verschwand hinter dem Schilffelde.



»Was schrie er?« fragte einer der Araber.



»Er hat ein Krokodil gesehen,« antwortete Abd el Mot.



»Es klang, als ob er vor Freude geschrien hätte.«



»O nein, hier im Wasser gibt es nichts, worüber er sich freuen könnte. Da seht, dort kommt es geschossen. Seht ihr den Wasserstreif?«



Er deutete mit der ausgestreckten Hand nach der Grasinsel, von welcher aus sich eine Furche schnell über die freie Strecke nach dem Schilffelde bewegte. Die Spitze dieser Furche bildete die Schnauze eines riesigen Reptils.



»Ein Krokodil!« riefen mehrere zugleich. »Allah sendet ihn zur Hölle!« schrie einer der Sklavenjäger. »Et Timsah wird ihn holen und verspeisen!«



Jetzt verschwand das Krokodil hinter dem Rohre, und im nächsten Augenblicke hörte man einen wilden Schrei, dieses Mal ohne allen Zweifel den Schrei eines Menschen, welcher den Tod vor sich sieht.



»Es hat ihn; er ist dahin!« rief Abd el Mot. »Ihm ist noch wohl geschehen, denn ich hätte ihn in einen Termitenhaufen eingegraben, daß ihm das Fleisch bei lebendigem Leibe bis auf die Knochen abgefressen worden wäre. Aber was ihm nicht geschah, das soll Tolo geschehen, der sich noch da im Walde befindet. Diese beiden Schejatin haben mir die zwei besten Hunde getötet. Dafür wird nun Tolo eines doppelten Todes sterben!«



»Befindet er sich wirklich noch da?« fragte einer.



»Ja. Ich habe auch ihn gesehen. Er war dem Lobo noch voraus. Zwei von euch mögen