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Die Sklavenkarawane

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Märgi loetuks
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Der Neger sah ein, daß er keineswegs schlau gewesen sei. Um das Geld für sich zu retten, sagte er:

»Kein Dschur wird anders als mit Heeresmacht zu den Belanda gehen; aber der Führer wird dich bis zur Grenze ihres Landes geleiten. Dort muß er umkehren. Daß es dann für ihn zu gefährlich ist, wird dir auch der Sejad ifjal sagen, wenn du ihn fragen willst.«

Sejad heißt Jäger; ifjal ist der Plural von Fil = Elefant, ein Sejad ifjal ist also ein Elefantenjäger. Einen solchen unter den Dschur zu wissen, war für Schwarz höchst unerwartet, darum fragte er:

»Womit tötet dieser Jäger die Elefanten?«

»Mit seinem Gewehre.«

»Gibt es denn in deinem Stamme diese Art von Flinten?«

»Bei meinem Stamme? Nein. Er gehört ja gar nicht zu uns.«

»Zu welchem Stamme denn?«

»Das weiß ich nicht. Er ist gar kein Neger, sondern ein Weißer. Wir kannten ihn nicht, sondern nur seinen Namen. Er ist ein sehr berühmter Mann, von welchem alle Menschen erzählen. Er kam heute zum erstenmal zu uns, gerade als wir das Feuer bemerkten. Da ging er mit uns, um sich die Seribah anzusehen.«

»Wohin will er von hier aus?«

»Das weiß ich nicht. Wir hatten noch keine Zeit, davon zu sprechen.«

»Auch wir wollen die Seribah sehen. Zeige sie uns!«

»Kommt mit, und seid meine Gäste. Feuer ist da, und Fische haben wir auch gefangen; so gibt es also ein Mahl, welches wir euch vorsetzen können.«

Er machte den Führer, und sie folgten ihm. Es gab nicht viel zu sehen. Asche und verbranntes Mauerwerk, welches nur aus Nilschlamm bestanden hatte. Was in den Hütten zurückgelassen und nun gerettet worden war, hatte man auf einen Haufen zusammengetragen, nicht etwa, um es Abu el Mot später auszuhändigen, sondern um es selbst zu behalten.

Schwarz schickte den Steuermann zu dem Boote zurück, um die Ruderer zu benachrichtigen, daß nichts zu befürchten sei, und dann auf seine Ankunft zu warten. Die Dschurneger standen jetzt beisammen. Bei ihnen befand sich ein Mann, dem es anzusehen war, daß er nicht zu ihnen gehörte. Seine Haut war zwar von der Sonne verbrannt, aber doch viel heller als die ihrige, und seine Gesichtszüge zeigten ebensoviel arabischen, wie Negertypus. Seine Gestalt war nicht hoch, aber sehr breit und ungemein kräftig gebaut. Gekleidet war er in einen lichten Haïk, dessen Kapuze seinen Kopf bis zur Stirn bedeckte. An den Füßen trug er Bastsandalen, und in der Hand hielt er ein doppelläufiges Gewehr von demselben starken Kaliber wie die einläufige Elefantenbüchse des Slowaken, welcher Vater der elf Haare genannt worden war. Ein langer, grauer Bart hing ihm fast bis auf den Gürtel herab. Sein Gesicht war tief eingefallen. Es machte den Eindruck inneren Leidens und äußerlicher Anstrengungen und Entbehrungen; doch war der Blick seines dunklen Auges lebhaft und von ungewöhnlicher Schärfe.

»Das ist der Sejad ifjal,« sagte der Häuptling, indem er auf ihn deutete. »Er wird mir bezeugen, daß es gefährlich ist, zu den Belanda zu gehen.«

»Ihr wollt zu den Belanda?« fragte der Neger, indem er die Deutschen mit einem langen Blicke musterte.

»Nur ich allein will hin,« antwortete Schwarz.

»Dann bist du ein kühner Mann. Darf ich erfahren, welchem Stamme du angehörst?«

»Keinem. Ich bin ein Nemsawi, welches Volk du wohl nicht kennen wirst.«

»Ich kenne es, denn ich habe bei einem Nemsawi gewohnt, welcher mich aus großer Gefahr errettet und mir dann von seiner Heimat erzählt hat. Dein Vaterland zerfällt in mehrere Länder, deren jedes einen großen, mächtigen Sultan hat; aber der oberste Schah, welcher über sie alle herrscht, wird Uilelem auwalani genannt. Ist es so?«

»Ja,« stimmte Schwarz bei.

»Sein oberster Wesir heißt Bisemar, und sein berühmtester Dschanaral ist Moltika geheißen?«

»So ist es.«

»Du siehst, daß ich dein Land und dein Volk kenne. Ihr habt große Kriege gehabt und alle Schlachten gewonnen, sogar den Sultan von Feransa gefangen genommen. Ich liebe die Völker, welche tapfer sind, und ich liebe ganz besonders euch, weil ich einem der eurigen das Leben zu verdanken habe.«

»Darf ich erfahren, welcher Mann das ist?«

»Du darfst es. Ich trage seinen Namen stets auf der Zunge, um ihn zu preisen und ihm dankbar zu sein. Er nennt sich Emin Pascha und beherrscht das Land Wadelai. Kennst du ihn vielleicht?«

»Ja; er ist ein hochberühmter Mann, welcher alles thut, um den Wohlstand seiner Unterthanen zu begründen und zu heben. Besonders duldet er keinen Sklavenhandel, den er in seiner Provinz aufgehoben hat.«

»Das ist recht von ihm, und darum bin ich doppelt sein Freund, obgleich er einer der Eurigen und nicht ein Anhänger des Propheten ist.«

»Wie? Ich halte dich für einen Araber, und so wundert es mich, daß du ein Gegner des Sklavenhandels bist.«

»Ich bin aus Dar Runga und besaß früher viele Sklaven, welche mich bedienten, aber ich hatte einen Feind, welcher mir aus Rache meinen Sohn, mein einziges Kind raubte und in die Sklaverei führte. Da gab ich sämtlichen Sklaven die Freiheit, vertraute meine Zelte und Herden meinem Bruder an und reiste fort, um den Geraubten zu suchen.«

»Und du hast ihn noch nicht gefunden?«

»Nein. Viele Jahre sind vergangen, und ich sah weder meinen Sohn noch meine Heimat wieder. Ich wandere umher wie der Jahudi el Abadi, von welchem die Christen erzählen, daß er in Ewigkeit wandern muß, weil er Isa Ben Marryam die Ruhe versagt hat. Auch den Feind, welcher mir meinen Sohn raubte, habe ich nicht wieder gesehen; nicht die geringste Spur fand ich von den beiden. Nun kann ich nichts anderes thun, als von Land zu Land, von Stamm zu Stamm ziehen, um es dem Zufalle zu überlassen, mir Kunde von dem Verlorenen zu geben. Jetzt komme ich von dem Idris und will zu den Belanda und Babukur.«

»Du sagst aber doch, daß es sehr gefährlich sei, die ersteren aufzusuchen!«

»Von hier aus, ja, weil sie mit den hiesigen Negern in Feindschaft leben. Ich werde ihnen aber nicht sagen, daß ich von hier, von den Dschur, komme. Was willst denn du bei ihnen?«

Schwarz antwortete ihm so leise, daß die Neger es nicht zu hören vermochten:

»Ich will sie vor Abd el Mot warnen, welcher ausgezogen ist, das große Dorf Ombula zu überfallen.«

»Wissen diese Dschur hier von dieser deiner Absicht?« fragte der Elefantenjäger ebenso leise.

»Der Häuptling kann es erraten; gesagt aber habe ich es ihm noch nicht.«

»Sprich nicht davon, denn die Dschur sind Freunde des Abu el Mot. Du mußt gewärtig sein, daß sie dir heimliche oder gar gefährliche Hindernisse in den Weg legen. Kommt lieber zur Seite, damit wir ungehört darüber reden können.«

Er führte die beiden so weit von den Schwarzen fort, daß sie von diesen nicht beobachtet werden konnten, und fragte, indem er sich mit den Händen auf sein Gewehr stützte, und die Deutschen forschend anblickte: »Warum wollt ihr den Belanda diesen Gefallen thun? Kann es euch nicht gleichgültig sein, ob sie Sklaven werden oder nicht? Seid ihr vielleicht befreundet mit ihnen?«

»Nein,« antwortete Schwarz. »Wir waren niemals dort und kennen sie nicht. Aber nicht nur unsre Religion, sondern auch unser Herz gebietet uns, sie zu warnen.«

»Dann seid ihr nicht diejenigen Christen, welche in andre Länder gehen, um die Völker derselben zu unterjochen und auszunützen, sondern wie Emin Pascha, welcher gekommen ist, seine Leute glücklich zu machen. Aus welchem Grunde aber seid ihr überhaupt in diese Gegend gekommen?«

»Um die Menschen, Tiere und Pflanzen, welche es hier gibt, kennen zu lernen.«

Der Araber schüttelte den Kopf und antwortete: »Das kann euch doch gar keinen Nutzen bringen!«

Schwarz wußte sehr wohl, daß es fremde ausgebildete Völker gibt, deren Angehörige es nicht begreifen können, daß ein Mensch sich den Gefahren ferner Länder aussetzen kann, nur um des Wissens willen. Dennoch antwortete er:

»Du hast doch von den verschiedenen Ulum gehört, mit denen sich die Gelehrten beschäftigen?«

»Ja, ich kannte einen, welcher alle Nächte durch ein Rohr die Sterne anschaute. Was hatte er davon?«

»Er berechnete den Lauf der Sterne und bestimmte nach demselben die Zeiten, Jahre, Monden, Tage und Stunden.«

»Das war ein guter Zweck. Aber ich habe gesehen, daß Emin Pascha Steine und Pflanzen sammeln ließ. Wozu könnte das dienen?«

»Um die Heilkräfte dieser Pflanzen zu untersuchen und dann mit Hilfe derselben die Kranken gesund zu machen. Die Steine wollte er kennen lernen, um zu erfahren, ob es wertvolle unter ihnen gibt oder gar Erze, Gold und Silber.«

»Wenn du es so erklärst, so erkenne ich freilich, daß die Wissenschaft ihre sehr guten Zwecke hat. Gehört ihr auch zu den Gelehrten?«

»Ja. Wir wollen bei den Niam-niam eine Station, einen Ort errichten, von welchem aus wir das Land untersuchen, um diejenigen Tiere, Pflanzen und Steine zu entdecken, deren Verkauf den Bewohnern Nutzen bringen kann. Wenn sie mit Hilfe eines solchen Handels das verdienen, was sie brauchen, so werden sie von dem verderblichen Sklavenhandel lassen.«

»Diese eure Absicht billige ich, denn sie ist sehr gut. Ihr seid als die wahren Freunde der hiesigen Völker gekommen.«

»Allerdings. Und weil dies der Fall ist, wollen wir die Belanda vor ihren Feinden, den Sklavenjägern warnen. Vielleicht ist es gar nicht nötig, daß ich zu ihnen gehe. Konntest du es nicht übernehmen, ihnen die Botschaft zu überbringen?«

»Nein. Ich würde verloren sein, da sie dann wüßten, daß ich hier bei den Dschur gewesen bin.«

»Dann bin ja ich ebenso verloren.«

»Nein, denn du bist nicht ein Araber, sondern ein Fremder. Ich werde nach dem Volke behandelt, bei welchem ich mich zuletzt aufgehalten habe. Darum muß ich aus Klugheit die Leute, welche ich aufsuche, stets in der Weise täuschen, daß ich behaupte, von einem befreundeten Stamme zu kommen. Bei euch ist das nicht nötig. Ihr als Fremde seid den Gesetzen der Blutrache nur dann verfallen, wenn ihr selbst, also in eigener Person, das Blut eines hiesigen Mannes vergießet. Woher wißt ihr denn so genau, daß Abd el Mot nach Ombula will?«

 

Schwarz erzählte ihm das heutige Abenteuer und gab ihm auch über sich und Pfotenhauer soweit Auskunft, daß der Araber am Schlusse der Auseinandersetzung sagte:

»Bei Allah, ihr seid gerechte, menschenfreundliche und sehr mutige Leute! Ich werde gern mit dir nach Ombula reiten, wo ich vielleicht eine Spur meines Sohnes oder seines Entführers finde. Nur mußt du dort verschweigen, daß du mich hier bei den Dschur getroffen hast, da ich sonst, weil ich Gast derselben gewesen bin, bei den Belanda als Feind aufgenommen würde. Erfahren sie es nicht, so vermag ich dich vor Feindschaft zu schützen, denn mein Name ist ihnen gar wohl bekannt. Alle Völker von hier bis hinunter zu den Leuten am Ufer des Tanganyikasees haben Ehrfurcht vor dem Manne, welcher überall nur Sejad ifjal genannt wird.«

»So preise ich den Zufall, welcher mich mit dir zusammengeführt hat.«

»Ja, du magst ihn preisen, denn ohne mich würdest du nie aus dem Gebiete der Belanda zurückgekehrt sein, denn du wärst ganz gewiß in die Hände der Sklavenjäger gefallen, da du nicht wissen kannst, wie dieselben reisen.«

Das klang so selbstgefällig, daß Schwarz es für geraten hielt, zu entgegnen:

»So schlimm wäre es wohl nicht geworden. Ich habe mit Menschen zu thun gehabt, welche wenigstens ebenso gefährlich waren, wie diese Jäger es sind, und wenn ich auch die Gegend nicht kenne, so wäre das doch nicht das erste Mal, daß ich mich durch ein feindliches Gebiet zu schlagen hätte.«

»Ja, ich weiß es, ich weiß es,« nickte der Araber, indem ein überlegenes, aber wohlwollendes Lächeln um seine bärtigen Lippen spielte; »die Gelehrten wissen alles und können alles, und also ist es wohl möglich, daß Allah dir geholfen hätte, den dir hier drohenden Gefahren zu entgehen; aber ich denke, daß ich dir immerhin von einigem Nutzen sein werde. Du bist ein Deutscher; ich wünsche, dein Freund zu sein, und hoffe, daß du mich nicht zurückweisen werdest.«

»Dich zurückweisen? Das kann mir gar nicht einfallen! Ich gebe dir vielmehr hiermit die Hand, dich willkommen zu heißen, und sage dir aufrichtig, daß ich mich sehr darüber freue, dich getroffen zu haben.«

Der Sejad ifjal schlug in die dargebotene Hand ein und sagte in wohlwollendem Tone: »Ich erkläre, daß ich mit dir gehen und dich beschützen werde. Du scheinst ein mutiger Mann zu sein; aber die Gelehrten verstehen es nicht, gegen den Löwen und Panther, den Elefanten, das Nashorn und Flußpferd zu kämpfen. Ich jedoch lebe von der Jagd dieser Tiere und kann dich von ihnen befreien. Mit deiner kleinen, dünnen Flinte könntest du nicht eins dieser Tiere erlegen. Da sieh dagegen einmal mein Gewehr an!«

Er hielt ihm die alte, schwere Waffe vor die Augen. Jetzt war es Schwarz, welcher mit einem leise ironischen Lächeln antwortete:

»Ja, es ist noch einmal so dick wie das meinige; aber Allah gibt zuweilen auch dem Schwachen Stärke. Doch freut es mich, überzeugt sein zu dürfen, daß ich mich auf deinen Schutz verlassen kann. Es ist fest beschlossen, daß wir zusammen reisen; wann aber bist du zum Aufbruche bereit?«

»Sobald ich mich bei den Dschur hier mit einem neuen Reittier versehen habe. Mein Ochse, der mich hierherbrachte, ist abgetrieben, und da unsre Reise schnell vor sich gehen muß, so werde ich ein Kamel oder ein Pferd kaufen.«

»Das muß ich auch thun. Bist du mit Geld versehen?«

»Nein. Geld habe ich nie. Ich bezahle alles mit Elefantenzähnen und Nashornelfenbein. Ich kam mit zwei Tieren. Das eine trug mich, das andre die Zähne, welche ich erbeutet hatte. Das reicht mehr als hin, zwei Pferde oder Kamele und auch Proviant für uns einzutauschen. Ich werde den Handel machen, und du kannst mich dann mit Geld bezahlen, damit ich auch einmal ein Silberstück in die Hand bekomme.«

»Schön! Aber du wirst es erlauben, daß ich mir mein Tier selbst auswähle!«

»Nein, das darf ich nicht erlauben. Wir dürfen keine Unklugheit begehen. Diesen Dschur ist nicht zu trauen. Sie halten es mit Abu el Mot, welcher in jedem Augenblicke zurückkehren kann. Wenn sie ihm sagen, daß du nach Ombula willst, wird er dich töten. Es ist ein Fehler von dir, daß du nach diesem Orte gefragt hast. Du mußt ihn dadurch wieder gut machen, daß du dir den Anschein gibst, als ob du diese Absicht aufgegeben hättest. Wie du siehst, beladen sich die Dschur soeben mit den Gegenständen, welche sie dem Feuer entrissen haben. Sie werden mit denselben in ihr Dorf zurückkehren, und ich begleite sie. Sobald ich dann den Handel abgeschlossen habe, komme ich wieder, um dich abzuholen.«

»So soll ich hier auf dich warten?«

»Ja; aber du mußt dich verbergen, damit Abu el Mot, wenn er je schon jetzt ankommen sollte, dich nicht finden kann. Du sagst jetzt dem Schech der Dschur, daß du nicht nach Ombula wollest, da dieser Weg für dich zu gefährlich sei. Ihr kehrt in euer Boot zurück und fahrt mit demselben ab. Sobald man euch von hier aus nicht mehr sehen kann, legst du wieder am Ufer an, um auszusteigen und heimlich hierher zurückzukehren. Siehst du dort links den hohen Hegelik über die andern Bäume ragen? An seinem Stamme magst du auf mich warten, während dein Boot nach der Seribah Madunga weiterfährt, wo du mit deinen Gefährten wieder zusammentreffen wirst.«

Schwarz erklärte sich einverstanden, fügte aber hinzu:

»Ich darf mich doch auf dich verlassen? Denke dir meine Lage, wenn mein Boot fort wäre und du nicht kämest!«

»Habe keine Sorge! Ich gebe dir hiermit meine Hand und schwöre dir bei Allah und dem Propheten, bei meinem Barte und bei allen meinen Vätern, daß ich jetzt alles, was du brauchst, für dich besorgen und dann zu dir zurückkehren werde!«

Diesen heiligen Schwur bricht ein Mohammedaner nie; er gibt vielmehr sein Leben daran, ihn zu halten. Darum fühlte Schwarz sich vollständig beruhigt. Gut war es übrigens, daß die Verabredung zu Ende war, denn jetzt kam der Schech herbei, welchem es aufgefallen war, daß die drei Männer so abseits heimlich miteinander verhandelten. Auf seinem Gesichte lag das deutlichste Mißtrauen, als er fragte: »Darf ich hören, was hier gesprochen wird? Wir gehen jetzt nach unsrem Dorfe. Wenn der fremde Herr wirklich zu den Belanda will, so werde ich ihm einen Führer auswählen, der ihn bis an die Grenze bringt.«

»Das hat sich erledigt,« antwortete der Elefantenjäger. »Diese Männer haben eingesehen, daß es gefährlich ist, jetzt ihren Vorsatz auszuführen. Sie werden also aufbrechen, um ihre Reise fortzusetzen.«

»Aber es wurde mir doch Geld versprochen!« meinte der dicke Schwarze enttäuscht.

»Für den Führer, ja; aber da sie ihn nun nicht brauchen, hast du nichts zu verlangen.«

»Wohin wollen sie von hier aus?«

»Den Fluß abwärts, bis sie ein Schiff erreichen, mit welchem sie nach Chartum fahren können.«

»So erfordert es die Höflichkeit, daß ich sie bis an ihr Boot begleite, um ihnen dort Heil für die Reise zu wünschen.«

Sein Mißtrauen war nicht geschwunden. Er wollte sich von der Abfahrt der Weißen überzeugen. Der Jäger verabschiedete sich sogleich von ihnen, wobei er durch eine heimliche Pantomime zu verstehen gab, daß er sicher Wort halten werde. Der Schwarze aber ging mit ihnen bis zur Stelle, an welcher ihr Fahrzeug angebunden lag. Er betrachtete die Insassen desselben genau und sagte dann:

»Ich muß auf das Geld verzichten; aber ihr werdet nicht abreisen, ohne mir ein Geschenk gegeben zu haben. Ich bin der Schech des Dorfes und habe von jedem Fremden, welcher unser Gebiet betritt, den Tribut zu fordern.«

»Wir haben nur die Seribah, nicht aber dein Dorf betreten,« antwortete Schwarz. »Dennoch will ich dir eine freiwillige Gabe nicht verweigern, damit du Gelegenheit findest, in Freundlichkeit an uns zu denken. Hier nimm!«

Er hatte, wie jeder Europäer, der die dortigen Länder bereist, einen Vorrat von Handels- und Tauschartikeln bei sich und entnahm demselben mehrere Perlenschnüre, die er dem Neger reichte. Aber in neuerer Zeit sind so viele Glasperlen durch die Händler nach dem Bahr el Dschur gebracht worden, daß diese Ware ihren früheren Wert dort fast ganz verloren hat. Der Häuptling hielt die Schnüre einige Augenblicke in der Hand, warf sie dann in das Boot zurück und rief in zornigem Tone:

»So ein Geschenk wagt ihr mir anzubieten? Ich brauche keine Perlen. Hängt sie euch selbst um die Hälse, wenn ihr solche Weiber seid! Allah sende euch schlechten Wind auf eurer Fahrt und tausend Krokodile, die euch fressen!«

Dann rannte er, so schnell es ihm seine Korpulenz gestattete, von dannen. Die Ruderer lachten ihm nach; die Weißen aber nahmen die Sache ernster. Als das Boot vom Ufer gestoßen war und der Mitte des Stromes zustrebte, sagte Schwarz:

»Dieser Mensch hatte sich wohl den Empfang einiger Theresienthaler eingebildet. Nun mag ich mich nur vor ihm und seinen Leuten in acht nehmen.«

»Ja, vorsichtig wirst du sein müssen,« antwortete der Graue. »Nun darfst dich von ihnen nit derblicken lassen. Sie schaffen jetzt die Sachen von der Seribah fort, kehren aber gewiß nochmals zurück, um vollends aufzuräumen. Wenn sie dich dabei entdecken, so will ich zwar nit sagen, daßt verloren bist, doch halt‘ ich‘s für besser, daß ich bei dir bleib‘, bis der Araber kommen ist und ihr glücklich abgreist seid. Was denkst du dazu?«

»Ich gebe dir nicht unrecht; du magst mich also begleiten. Damit auch du dich dann nicht allein befindest, nehmen wir noch einen Ruderer mit. Übrigens wollte ich es den Negern nicht raten, mich zu überfallen; sie würden vor meinen Kugeln bald davonlaufen.«

Das Boot hatte jetzt die Strömung erreicht und trieb mit derselben so schnell abwärts, daß man das Ufer bald wieder aufsuchen konnte. Dort wurde das Fahrzeug im Schilf verborgen, und Schwarz versah sich mit den Gegenständen, welche ihm als notwendig erschienen. Dann brach er auf, begleitet von dem Grauen und einem bewaffneten Schwarzen. Der Steuermann erhielt den Befehl, die Rückkehr der letzteren zwei hier zu erwarten und dabei den Fluß im Auge zu behalten.

Auch hier besaß der Wald nur eine sehr geringe Breite, so daß die drei Männer schon nach wenigen Schritten den Rand desselben und die offene Ebene erreichten. Dort schritten sie nun südwärts der Seribah wieder zu.

Nach Verlauf einer Viertelstunde sahen sie die Trümmer derselben, aus denen sich noch immer ein leichter Rauch erhob. Sie mußten, um unbemerkt zu bleiben, ihren Weg nun zwischen den Bäumen fortsetzen und erreichten glücklich den Hegelikbaum, unter dessen Dach sie sich niederließen, um die Ankunft des Elefantenjägers zu erwarten.

Die baldige Rückkehr desselben mußte ihnen um so erwünschter sein, als der Tag schon weit vorgeschritten war und die Sonne sich dem westlichen Horizonte schnell zuneigte.

Der Schwarze hatte sich aus Ehrerbietung in einiger Entfernung von den Weißen niedergesetzt. Die beiden letzteren sprachen von ihrer bevorstehenden Trennung, wobei der Graue nicht umhin konnte, seinen Gefährten allerlei gute Ratschläge zu erteilen.

»Hast doch g‘nug Patronen eing‘steckt, daßt brav schießen kannst, wannst ang‘fallen wirst?« fragte er.

»Versteht sich ganz von selbst,« antwortete Schwarz. »Bei einem Ritte, wie ich ihn vorhabe, ist ausreichende Munition das Notwendigste.«

»Und wie g‘fallt dir der Elefantenjäger? Als Begleiter muß er dir willkommen sein. Ich möcht‘ ihn für ehrlich halten, hätt‘ aber doch beinahe g‘lacht, als er seine alte Haubitz‘n mit deinem G‘wehr verglich und dabei versprach, dich mit derselben zu beschützen. Wann‘s auf den Treffer kommt, wirst halt du es sein, der ihn in Schutz zu nehmen hat.«

»Möglich. Er ist mir wirklich höchst willkommen, und ich schenke ihm alles Vertrauen. Sein Schicksal erregt mein Beileid. Ein Vater, welcher lange Jahre hindurch nach seinem geraubten Sohne sucht!«

»Ja, man zählt diese Leut‘ zu den Halbwilden; aber sie haben ebenso gut wie wir Herz und G‘müt. Der Mann thut mir wirklich leid, und – – halt, schaust sie? Da kommen sie! Es ist a Manderl und a Weiberl. Kennst sie auch schon?«

Er deutete auf zwei regenpfeiferartige Vögel, welche unter den Bäumen dahergelaufen kamen und, als sie die Männer erblickten, vorsichtig stehen blieben. Ihr Rücken war schwarz, ihr Bauch sandfarben, Schwanz und Flügel aber schwarz, weiß und grau gezeichnet.

»Ja, ich kenne sie,« antwortete Schwarz. »Krokodilswächter, Pluvianus aegypticus. Dieser Vogel wird schon von Herodot erwähnt.«

»Hast recht. Aber weißt auch, wie er von den Leuten hier genannt wird?

»Ter-, Habobd- und Ghafir- et Timsah«.

»Richtig! Bist gar kein übler Vogelkenner, und kannst mir helfen, wann ich später mein Buch schreib‘. Schau, da gehen‘s wieder fort. Hast auch schon zug‘schaut, wann so a Vogel sich dem Krokodil in den offenen Rachen setzt, um das darin befindliche G‘würm zu fressen? Die riesige Eidechs‘ sperrt dabei das Maul sperrangelweit auf, und es fällt ihr gar nit ein, das kleine Viecherl zu stören oder gar zu verschlingen; sie weiß vielmehr recht gut, daß dasselbige sein Wohlthäter ist. Dazu g‘hört nit bloß Instinkt, sondern die wirkliche Überlegung, die man diesen Geschöpfen so gern absprechen möcht‘. So a Tier hat auch Gedanken; es versteht zu folgern und Erfahrungen zu sammeln, und es kann vorkommen, daß so a Wesen klüger handelt als a Mensch, der sich für g‘scheit und weise hält.«

 

»Daß du da recht hast, habe ich nicht nur einmal an mir selbst erfahren.«

»Wieso?«

»Ganz so wie du: wie oft ist uns ein Vogel oder sonst ein Tier entgangen, welches wir fangen oder erlegen wollten. Es war eben vorsichtiger und klüger als wir.«

»Das ist sehr richtig. Es gibt Vögel, welche große Versammlung und Unterredungen abhalten. Ich hab‘ kürzlich g‘sehen, daß wohl an die dreißig Pfauenkraniche im Kreise standen und aaner in der Mitt‘ von ihnen, der in einem fort g‘schrieen hat. Die haben Reichstag oder Abiturientenexamen g‘habt, denn einzelne riefen, wann der in der Mitt‘ mal pausiert hat, ihr Kurnuknuknuknuk dazwischen, als ob sie auf seine Frag‘ die Antwort zu geben hätten. Vielleicht sind diese Antworten klüger ausg‘fallen als manche, die man in unsern Schulen zu hören bekommt.«

»Hoffentlich denkst du dabei nicht an dich selbst,« antwortete Schwarz, indem ein leises Lächeln um seine Lippen spielte.

»Warum nit? Denkst etwa, daß ich stets hab‘ richtig antworten können? Freilich sind die Fragen oft so g‘stellt gewesen, daß man ganz verblüfft dag‘standen hat. Da denk‘ ich gleich an damals, als ich in der Quarta g‘sessen bin. Weißt das vielleicht schon?«

»Daß du auch diese Klasse besucht hast, kann ich mir doch denken!«

»Das mein ich nit, sondern ich ziel‘ auf die Frag‘, welche ich damals bekommen hab‘. Ich glaub‘s nit, daß ich es dir schon verzählt hab‘. Es sollt‘ nämlich Examen sein, und ich hab‘ a saubres Vorhemd umgebunden und die neue, bunte Kravatt‘ um den Hals. Als ich dann in den Spiegel schau, hab‘ ich ‚dacht, daß es um mich gar nit fehlgehen kann. Aber, es ist doch anders kommen.«

»Wie denn?« fragte Schwarz, als der Erzähler eine Pause machte.

»Das wirst gar nit vermuten können. Der Naturg‘schichtsprofessorn hat‘s nämlich auf mich g‘spitzt gehabt, weil ich ihm immer mit Fragen ‚kommen bin, die ka vernünftiger Mensch beantworten kann. Dafür hat er mich im Examen auszahlen wollen. Als die Reih‘ an mich ‚kommen ist, bin ich voller Ehrerbietung aufg‘standen und hab g‘meint, daß man sich wohl über meine Kenntnissen wundern werd‘. Aber was sagst dazu, wannst derfährst, daß der Professorn mich g‘fragt hat, warum die Vögel Federn haben?«

»Das war freilich hinterwärts gemeint!«

»Ja, er hat mich tüchtig hereinlegen wollen.«

»Jedenfalls ist es dir gelungen, dich brav herauszubeißen. Was hast du denn für eine Antwort gegeben?«

»Zunächst hab‘ ich gar nix g‘sagt, sondern nur das Maul aufg‘macht, um meine sieben Gedanken in Ordnung zu bringen, und dann, als die Frag‘ zweimal wiederholt worden ist, hab‘ ich – – – —«

»Dir bahlak!« raunte in diesem Augenblicke der Schwarze den beiden Weißen zu, indem er mit der rechten Hand nach der Stelle deutete, wo der Weg vom Flusse nach der Seribah aus dem Walde trat.

Der Erzähler verstummte sofort, denn er erblickte zwei wohlbewaffnete Männer, welche dort standen und starren Blickes den Schutt- und Trümmerhaufen betrachteten. Sie schienen vom Schreck gelähmt zu sein; dann aber rannten sie unter lauten Ausrufen und lebhaften Gestikulationen auf die Brandstätte zu.

»Zwei Weiße!« sagte der »Vater des Storches«, indem er ihnen mit den Augen folgte, wobei seine Nase sich zur Seite bog wie der Kopf eines Vogels, welcher von einem Aste herab eine verdächtige Erscheinung betrachtet. »Wo kommen‘s her, und wer mögen‘s sein?«

»Europäer sind sie nicht,« antwortete Schwarz. »Ich halte sie für Leute, welche zur Seribah gehören. Ich vermute das aus dem Entsetzen, welches sie bei dem Anblicke der Trümmerhaufen verrieten.«

»Kannst recht haben! Sollten‘s zur Schar des Abu el Mot gehören? Sollten‘s etwa voraus sein, um seine Ankunft zu melden?«

»Das ist möglich, sogar wahrscheinlich. Ich werde sie beobachten.«

Er zog sein Fernrohr aus und richtete es auf die beiden so unerwartet Erschienenen. Sie rannten eine Zeitlang auf der Brandstätte umher; dann folgten sie eine kurze Strecke weit den Spuren der abgezogenen Sklavenjäger, und endlich liefen sie in höchster Eile westwärts davon.

»Sie gehen nach dem Dorfe der Dschur, um sich nach dem Vorgefallenen zu erkundigen,« sagte Schwarz, indem er das Rohr wieder zusammenschob. »Das gibt uns Zeit, nachzusehen, woher sie gekommen sind. Ich vermute, daß ihr Boot unten am Flusse liegt. Komm mit!«

Als die beiden an das Wasser kamen, erblickten sie einen kleinen, schmalen, zweiruderigen Kahn, welcher mit einem Baststricke an eine in das Wasser ragende Baumwurzel befestigt war. Die Stelle, an welcher er lag, war vom Schilfe frei. Die Ruder lagen auf dem Boden, sonst war er leer.

»Es ist so, wie wir dachten,« sagte Schwarz. »Diese Kerls sind vorausgesandte Boten Abu el Mots. Es steht zu erwarten, daß sie schleunigst zurückkehren, um ihm zu melden, was geschehen ist, und ihn zur Eile anzuspornen.«

»Das müssen wir zu verhüten suchen. Meinst nicht, daß wir ihnen das Boot zerbrechen?«

»Nein, denn sie würden daraus ersehen, daß Leute hier waren, welche ihnen feindlich gesinnt sind. Wir binden den Kahn los und lassen ihn abwärts treiben. Dann können sie denken, daß sie ihn nicht fest angebunden hatten.«

Er machte den Strick los und gab dem leichten Fahrzeuge einen kräftigen Stoß, daß es weit hinaus in das Wasser schoß. Dort wurde es von der Strömung erfaßt, einige Male rundum und dann schnell weitergetrieben.

Die beiden kehrten nach dem Baume zurück, an welchem die Niam-niam zurückgeblieben waren. Sie warteten mit Sehnsucht auf die Rückkehr des Arabers, doch vergeblich. Es verging noch eine Stunde; die Sonne berührte den westlichen Horizont, und noch immer war der Sejad ifjal nicht zu sehen. An seiner Stelle kamen die beiden Sklavenjäger schnellen Laufes zurück. Sie beachteten die Brandstätte gar nicht und verschwanden im Walde, auf dem Wege, den sie gekommen waren.

»Sie wollen wieder fort,« sagte Schwarz. »Wenn sie sehen, daß der Kahn weg ist, werden sie ihn wohl suchen. Damit sie uns nicht etwa sehen, müssen wir uns verstecken, bis sie fort sind.«

Es gab kein Unterholz, in welches man sich hätte verbergen können. Darum stiegen die fünf(.!!) auf Bäume, deren Wipfel dicht genug war, den beabsichtigten Zweck zu erfüllen.

Vom Ufer her ertönten die Stimmen der enttäuschten Männer. Sie schienen, wie Schwarz vorausgesehen hatte, überzeugt zu sein, daß sie den Strick nicht gehörig befestigt gehabt hatten, denn sie zeigten keinen Verdacht und kehrten ebenso eilig, wie sie gekommen waren, nach dem Dorfe zurück. Die fünf aber stiegen wieder von den Bäumen herab.

Die kurze Dämmerung ging vorüber, und der Abend brach herein; noch immer ließ der Araber auf sich warten. Die beiden Deutschen wurden um so besorgter, je mehr die Zeit verstrich. Stunde um Stunde verging; es wurde Mitternacht. Da endlich hörte man draußen auf der Ebene das Geräusch von nahenden Schritten.

»Das ist er!« atmete Schwarz tief auf. »Es sind die Schritte von Pferden oder Kamelen. Ich wüßte nicht, wer außer ihm mit solchen Tieren hieher kommen sollte.«

Er hatte recht, denn vom Rande des Waldes her erscholl der Ruf:

»Ja ishab elbet – he, Leute!«

Schwarz erkannte die Stimme des Erwarteten, dennoch fragte er:

»Min haida – wer ist da?«

»El Sejad ifjal. Ta‘ a lihene – der Elefantenjäger. Komm hieher!«