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Die Sklavenkarawane

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Die beiden Weißen folgten mit dem Schwarzen diesem Rufe, doch vorsichtig. Ihr Mißtrauen war überflüssig, denn als sie die letzten Bäume erreichten, sahen sie zwei an der Erde liegende Kamele, bei denen der Elefantenjäger stand. Die Sterne leuchteten hell genug, um sehen zu lassen, daß er allein war.

»Ich habe gedacht, daß du nicht allein kommen würdest,« sagte er, als er die Begleiter Schwarzens erblickte. »Ihr habt mit Schmerzen auf mich gewartet, wie ich mir denken kann; aber es war mir nicht möglich, eher zu kommen.«

»Warum nicht?« fragte der Graue.

»Der Schech war mißtrauisch dadurch, daß ich mit euch abseits gesprochen hatte, und euer karges Geschenk hatte seinen Zorn erregt. Er wollte mir keine Tiere verkaufen. Dann kamen die Boten des Abu el Mot, welche unsern Handel unterbrachen.«

»Es waren also wirklich Boten von ihm?«

»Ja. Sie sollten verkünden, daß er in zwei Tagen ankommen werde. Als sie hörten, was geschehen war, beschlossen sie, zu ihm zurückzukehren, um ihn zur Verfolgung der Verräter und Brandstifter aufzufordern. Aber sie konnten diesen Vorsatz nicht ausführen, weil sie ihr Fahrzeug nicht sorgsam angebunden hatten. Der Fluß hat es mit sich fortgerissen.«

»Nein, sondern wir haben das Boot losgebunden und dem Strom übergeben, weil wir vermuteten, wer die beiden seien und was sie thun würden.«

»Das war klug von euch. Es ist kein Fahrzeug vorhanden, welches sie benutzen könnten, und die Dschur besitzen nicht die erforderlichen Werkzeuge, schnell ein Boot zu bauen. Darum wird Abu el Mot unbenachrichtigt bleiben.«

»Wo befindet er sich?«

»Heute ist er zwei Tagereisen abwärts von hier. Er kommt auf dem Wasserwege. Er hat in Diakin zwei Fahrzeuge gefunden und gemietet, einen Sandal und einen Noqer, auf denen er über dreihundert gut bewaffnete Nuehrs nach der Seribah bringt. Der mitgenommene Proviant ist ihm ausgegangen; darum sandte er die Boten auf dem leichten Kahne voraus, um Fleisch und Mehl von der Seribah zu beordern. Er muß nun, wie die Sachen stehen, mit den Nuehrs hungern. Von hier aus kann er nichts erhalten, und in der Seribah Madunga, dem einzigen Orte, an welchem er noch vorüber kommt, darf er sich nicht sehen lassen, weil er mit dem Besitzer derselben in Feindschaft lebt. Er ist also auf das Fischen und Jagen angewiesen, was seine Ankunft sehr verzögern wird. Wenn ihr mit eurem Boote nach Madunga wollt, so rate ich, euch vor ihm in acht zu nehmen. Ihr müßt, sobald ihr seine Schiffe erblickt, anlegen und euch am Ufer verbergen, bis sie vorüber sind.«

»Wir werden gleich jetzt aufbrechen und die ganze Nacht fahren. Da wir die Strömung für uns haben, werden wir eher in Madunga sein als er. Du beginnst doch auch gleich jetzt den Ritt mit meinem Gefährten.«

»Nein, nicht jetzt, sondern erst wenn der Morgen graut.«

»Warum erst dann?« fragte Schwarz.

»Aus zwei sehr triftigen Gründen. Ihr seid Christen und wißt also wohl nicht, daß der Moslem jede Reise um die Zeit des Asr, drei Stunden nach Mittag anzutreten hat. Ist das nicht möglich, so darf er ausnahmsweise zum Fagr aufbrechen, früh wenn der Strahl der Sonne erscheint. Keineswegs aber ist es ihm gestattet, nach el Aschia, dem Nachtgebete, eine Reise zu beginnen. Von dieser Regel darf er nur in der höchsten Not abweichen. Ich erlaube dir, nach den Satzungen deines Glaubens zu leben, aber du mußt mir auch gestatten, die Gebote des meinigen zu befolgen. Und selbst wenn ich gleich jetzt mit dir reiten wollte, wozu könnte das nützen? Wir müssen der Fährte der Sklavenjäger folgen, welche des Nachts ja doch nicht zu erkennen ist.«

»Aber wenn wir warten, bis es hell geworden ist, so werden die Dschur wieder hierher kommen und mich sehen.«

»Sie kommen nicht. Sie sitzen noch jetzt beisammen und trinken berauschende Merissah, worauf sie dann gewiß bis in den Tag hinein schlafen werden. Der Schech war schon vorhin betrunken, und das war ein Glück für mich und dich, denn nur der Rausch machte ihn willig, mir diese zwei Kamele abzutreten. Das eine ist mit samt dem Sattel dein Eigentum, du hast mir dafür fünf Abu Noktah zu zahlen. Dieser Preis ist sehr gering, weil die Kamele hier doch in der baldigen Regenzeit zu Grunde gehen werden; aber dafür fordere ich, daß deine Abu Noktah keine Fehler haben.«

Der Mariatheresienthaler wird nämlich im Sudan nur dann angenommen, wenn die Prägung deutlich ist; außerdem müssen sich die sieben Punkte des Diadems, von denen der Thaler seinen Namen hatAbu Noktah = Vater des Punktes, ferner auch die Agraffe und die Buchstaben S. F. scharf zeigen. Fehlt eines dieser Merkmale, so wird der Thaler entweder gar nicht angenommen, oder um mehrere Piaster billiger berechnet.

Fünf Thaler für ein gesatteltes Kamel war gar kein Preis. Schwarz hatte Geld zu sich gesteckt, als er das Boot verließ, und bezahlte die Summe sofort. Da es zu dunkel war, als daß die Prägung gesehen werden konnte, so versprach er, ein etwa minderwertiges Stück am Morgen ohne Widerrede auszuwechseln.

Er konnte nichts gegen die religiösen Anschauungen des Arabers thun, und sah sich also gezwungen, die vier Stunden bis zum Morgengrauen hier zu bleiben. Anders war es mit Pfotenhauer. Da dieser noch vor Abu el Mot die Gegend der Seribah Madunga erreichen wollte, so durfte er keine Zeit verlieren; er mußte nach dem Boote zurückkehren, und sich also jetzt von Schwarz verabschieden.

»Geb‘s Gott, daß wir uns bald und glücklich wiedersehen!« sagte er, als er dem Gefährten die Hand reichte. »Nun ich dich fort lassen muß, denk‘ ich doch, daß die Belanda es gar nicht wert sind, daß‘t dein Leben für sie wagst. Sie gehn uns eigentlich gar nix an. Aber, wannst denkst, daß dein G‘wissen es gebietet, sie zu warnen, so reit in Gottes Namen zu. Oder willst mir‘s derlauben, an deiner Stell‘ es zu thun? Jetzt ist‘s noch Zeit dazu!«

»Nein, lieber Doktor, es kann mir gar nicht einfallen, dich – —«

»Willst gleich schweigen, du Malefizbub‘ du!« fiel ihm der Graue zornig in die Rede. »Nennst mich schon wieder Doktor! Und zwar gerade beim Abschiednehmen, wo du dir alle Müh‘ geben sollst, mich nit zu verzürnen!«

»Es war nicht so gemeint; ich habe mich versprochen; es fuhr mir so schnell heraus!«

»So nagel es drinnen fest an, daß es nit heraus kann! Wannst mich nit kurzweg Ignaz oder Naz, oder noch kürzer, Vogelnazi heißen willst, so brauchst gar nimmer wiederzukommen! Hab‘ ich etwa darum mit dir Brüderschaft g‘macht, daß‘t mir immer den Titel an den Kopf wirfst, und mich als hoffährtigen Kerl behandelst! Wann dies auch später so fortgehen soll, so bleib‘ lieber bei den Belanda, und laß dich von ihnen als Friseur und Komplimentenfex anstellen. Jetzt weißt, woran du bist. Leb‘ also wohl; laß dir nix Böses widerfahren, und denk‘ recht oft an deinen Nazi, der die Augenblick‘ zählen wird, bis er dich wieder bei sich hat!«

Er eilte davon, gefolgt von dem Schwarzen. Schwarz blickte ihm in tiefer Rührung nach, bis er im Dunkel der Nacht verschwunden war. Der alte, originelle Kauz war ihm ja ungewöhnlich lieb und wert geworden.

Der Sejad ifjal hatte sich niedergesetzt, und der Deutsche nahm nun an seiner Seite Platz. Sie unterhielten sich über ihr Vorhaben, doch war über dasselbe nicht viel zu sprechen. Ihr Plan bestand einfach darin, den Sklavenjägern zu folgen; sobald sie denselben nahe genug gekommen waren, wollten sie zur Seite weichen und einen Bogen reiten, um vor ihnen Ombula zu erreichen.

Dann saßen sie still bei einander. Wovon hätten sie sprechen sollen? Jeder hätte sehr gern über die Verhältnisse des andern etwas Näheres erfahren, aber beide hielten es für unhöflich, danach zu fragen.

So verging ihnen die Zeit in stillem Sinnen und zeitweiligem Einnicken, bis die lautschallende Stimme eines Kranichs den nahenden Morgen verkündete. Einige Reiher flogen über die Bäume; ein Sporenkibitz kreischte sein »Sik-sak«; das niedrige Volk der Enten und Klaffschnäbel wurde dadurch aus dem Schlafe geweckt, und fiel in allen möglichen Tönen ein. Die Sterne des Ostens wichen dem dort aufsteigenden Glanze, und der Elefantenjäger kniete auf seine ausgebreitete Decke, um sein Morgengebet, el Fagr, zu sprechen.

Auch Schwarz faltete die Hände. Wer könnte in dem Augenblicke, an welchem eine solche Natur rundum erwacht, nicht dessen gedenken, der sie geschaffen hat!

Nach dem Gebete stieg der Araber, ohne ein Wort zu sagen, in den Sattel; Schwarz folgte diesem Beispiele. Die Kamele sprangen auf und trugen ihre Reiter südwärts, auf der Fährte der Sklavenjäger hin. Der Ritt hatte begonnen, wer vermochte zu sagen, wie er enden werde!

Die Morgendämmerung hatte kaum zehn Minuten gewährt; dann brach der lichte Tag herein. Man konnte weithin die Ebene überblicken. In der Gegend, nach welcher hin das Dorf der Dschur lag, war kein Mensch zu sehen; der Aufbruch der beiden Männer erfolgte also unbemerkt.

Schwarz sah jetzt, daß sein Gefährte sich mit Nahrungsmitteln ziemlich reichlich versehen hatte. Am Sattelknopfe desselben hingen einige geschlachtete Hühner und zwei Ledersäcke, welche wohl mit Mehl gefüllt waren. An ein Hungerleiden brauchte also für jetzt nicht gedacht zu werden.

Weniger beruhigend wirkte die Beobachtung der beiden Kamele. Sie waren außerordentlich mager und trugen tiefe Geschwürsnarben in der Haut. Waren sie den Krankheiten und Plagen der letzten Regenzeit nicht zum Opfer gefallen, so mußte das in der nächsten Zeit sicher geschehen. Der dicke Schech hatte wohl seine beiden schlechtesten und schwächsten Tiere verkauft. Sie waren zu keinem schnellen Schritte zu bewegen, weder durch Zureden, noch durch Schläge. Ein guter Fußgänger hätte recht gut mit ihnen Schritt halten können.

So kam es, daß sie erst gegen Mittag die Gegend erreichten, in welcher gestern Lobo und Tolo gerettet worden waren. Man sah die Fährte deutlich; sie bog von hier nach Südwest ab, während sich der Nil mit dem Walde in einem weiten Bogen ostwärts wendete.

 

Die beiden Reiter ließen, ehe sie sich von dem Flusse wendeten, ihre Tiere tüchtig trinken, auch hieben sie mit den Messern einen Vorrat von grünen Zweigen ab, welche den Kamelen am Abende als Futter gegeben werden sollten. Dann ging es wieder der Fährte nach, und zwar in der Überzeugung, daß man heute weder Schatten noch Wasser mehr finden werde.

Die Hitze des Mittags wurde so drückend, daß die Kamele noch langsamer als vorher gingen. Das erregte in Schwarz die ernstesten Besorgnisse. Er hatte bisher geschwiegen, um seinen Gefährten nicht zu beleidigen; nun aber sagte er:

»Hatten die Dschur keine besseren Kamele? Oder hättest du nicht lieber Pferde kaufen sollen?«

»Pferde gab es nicht mehr; Abd el Mot hat sie alle gemietet,« antwortete der Ar aber. »Und von den Kamelen mußte ich diejenigen nehmen, welche ich bekam.«

»Aber Reitochsen gab es noch?«

»Auch nicht; Abd el Mot hat sie mit. Allah weiß, was geschehen soll!«

»Und ich weiß, was geschehen wird. Wir werden nämlich Ombula zu spät erreichen. Wir kommen nicht schneller vorwärts als die Fußtruppen Abd el Mots, und diese haben einen vollen Tagesvorsprung voraus! Es scheint, daß unsre Tiere eher zusammenbrechen, als rascher gehen werden. Sie sind weder durch Worte, noch durch Schläge anzutreiben.«

»So weiß ich noch ein Mittel, welches helfen wird. Wir haben die Zweige der Suffarah abgeschnitten, welche uns helfen sollen.«

Er zog sein Messer hervor und schnitt aus der Anschwellung eines dieser Zweige eine kleine Pfeife. Als sie fertig war, und er diesem Instrumente einen Ton entlockte, spitzten die Kamele die Ohren. Er pfiff weiter, und da setzten sich die Tiere freiwillig in einen ausgiebigen Trott, welchen man ihnen vorher unmöglich hatte zutrauen können.

»Siehst du!« lachte der Araber. »Ich werde auch dir so eine Suffarah anfertigen; dann können wir einander ablösen, um bei Atem zu bleiben.«

»Thue es,« stimmte Schwarz in heiterer Laune bei. »Hoffentlich gelingt es uns, die Hedschahn bis Ombula zu pfeifen. An mir soll es nicht fehlen.«

Er erhielt seine Suffarah, und dann blies bald der eine, bald der andre, als ob sie es bezahlt bekämen. Sobald die Pfeifen schwiegen, fielen die Kamele in den entsetzlichen, langsamen Gang, welcher Zustände erweckt, die denen der Seekrankheit höchst ähnlich sind. Ließen sich aber die schrillen Instrumente hören, so verwandelte sich der Schaukelschritt sofort wieder in den schnellen Trott.

So pfiffen sich die beiden Reiter während des Nachmittages über eine weite, dürre und vegetationslose Ebene, bis sie am Abend einen kleinen, fast ganz ausgetrockneten Sumpf erreichten, welcher sich zur Regenzeit wahrscheinlich in einen ganz respektablen See verwandelte.

Da gab es trockenes Schilf zum Feuer genug, aber kein tierisches Leben, außer den halb verhungerten Krokodilen, welche den Schlamm bevölkerten und, in Ermangelung einer andern Nahrung, jedenfalls gezwungen waren, während der heißen Jahreszeit von ihresgleichen zu leben.

Der Elefantenjäger war am Mittag und Nachmittag abgestiegen, um das vorgeschriebene Gebet zu verrichten. Jetzt war el Mogreb nahe, das Gebet bei Sonnenuntergang; darum hielt er am Sumpfe an und erklärte, daß er hier bleiben werde.

Schwarz fügte sich in das Unvermeidliche. Er war übrigens mit dem heutigen Ergebnisse nicht ganz unzufrieden. Die Pfeifen hatten so gewirkt, daß man den Sklavenjägern ein gut Teil näher gekommen war. Der Deutsche hatte an den Spuren gesehen, daß sie ihr Nachtlager eine nicht unbedeutende Strecke rückwärts gehabt hatten.

Nach Einbruch der Dunkelheit wurde ein Feuer angebrannt, teils um ein Huhn zu braten, teils zur Abwehr wilder Tiere. Die Kamele durften wegen der Krokodile nicht allzu nahe an den Sumpf. Sie wurden gefesselt und bekamen die mitgenommenen Zweige vorgelegt. Wasser gab es nicht. Da das Feuer während der ganzen Nacht hell brennen mußte, so konnten die beiden Männer nicht zu gleicher Zeit schlafen; sie waren gezwungen, einander zum Wachen abzulösen.

Darum, und weil der Ritt ermüdet hatte, wurde nur das Notwendigste gesprochen. Als das Huhn, welches dem Deutschen gar nicht mundete, weil es schon in Fäulnis übergegangen war, verzehrt war, konnte ersterer schlafen, während der Araber die erste Wache übernahm.

Nach Mitternacht wurde Schwarz durch einen Schuß aufgeweckt. Er sprang sofort empor, und griff nach seinem Gewehr.

»Ma fi schi, bess timsah – es ist nichts, nur ein Krokodil,« sagte der Araber, welcher ruhig am Feuer saß, die rauchende Flinte in der Hand.

Er deutete seitwärts, wo ein riesiges Krokodil sich in Todeszuckungen wand. Der Hunger hatte es aus dem Sumpfe nach dem Feuer getrieben, wo ihm die Kugel des Elefantenjägers in das Auge gedrungen war.

»Das ist höchst einladend!« antwortete Schwarz. »Wollen wir uns nicht etwas mehr entfernen?«

»Ich halte es nicht für nötig. Der Schuß hat die Bestien so erschreckt, daß sich keine mehr heranwagen wird. Lege dich getrost nieder. Du hast noch eine halbe Stunde zu schlafen, um dann bis zum Morgen zu wachen.«

»Unter solchen Umständen beginne ich lieber gleich die Wache. Ich will lieber einige Krokodile erschießen, als mich von ihnen fressen lassen.«

»Wie du willst. Du hast aber gesehen, daß du unter meinem Schutze sicher bist. Ich hoffe, daß ich es unter dem deinigen auch sein werde.«

Er lud den abgeschossenen Lauf wieder und wickelte sich dann in seine Decke. Dieser Mann war jedenfalls kaltblütiger und brauchbarer, als Schwarz bisher geglaubt hatte. Der letztere warf einen Haufen Schilf in die Flamme und übernahm sein Wächteramt.

Die Nacht war für ihn einsam wie noch selten eine. Von fernher tönten undeutliche Stimmen von Tieren, welche sich nicht herbeiwagten, weil sie die Anwesenheit der gefräßigen Krokodile kannten, und außerdem vom Feuer zurückgescheucht wurden. Hyänen und Schakale sind ungefährlich. Löwen oder Panther waren nicht zu erwarten, da sich selbst für sie kein genießbares Wasser hier befand. Er hatte also seine Aufmerksamkeit nur gegen den Sumpf zu richten, um, falls abermals ein Saurier sich lüstern nähere, ihm eine Kugel zu geben. Doch erfolgte auch von dieser Seite kein weiterer Angriff.

Die Nacht verging, und kurz vor dem Morgengrauen weckte Schwarz seinen Gefährten, damit dieser die ihm vorgeschriebene Morgenandacht nicht versäume. Vorher hatte er den Kamelen als Futter Schilf vorgeworfen.

Die unverzehrten Hühner waren mittlerweile vollständig ungenießbar geworden; in jenen Gegenden hält Fleisch sich nur stundenlang. Der Araber hatte sie mitgenommen, weil man sie ihm umsonst gegeben hatte. Es gibt dort Stämme, welche Hühner in Menge haben, aber das Fleisch derselben nicht genießen. Er warf sie in den Sumpf, wo sich augenblicklich ein wahrhaft scheußlicher Kampf um das Aas erhob. Die Krokodile verletzten einander dabei selbst. Schwarz sah, daß dem einen ein Bein herausgerissen, dem andern der Schwanz, und einem dritten ein Stück des Rachens abgebissen wurde.

Nun entfesselte man die Kamele, um den Ritt von neuem zu beginnen. Er war heute nicht so beschwerlich, die Gegend nicht so trostlos wie gestern.

Der Fluß kehrte von seiner großen Krümmung zurück, und die Fährte, welcher man zu folgen hatte, suchte seine Nähe wieder auf. Da gab es Wasser zum Trinken, Grün für die Tiere, und – Enten für die Menschen. Schwarz erlegte auf einen Schuß zwei derselben.

Die Kamele waren, durch die Pfeifen aufgemuntert, heute noch fleißiger gewesen, als gestern. Man erreichte schon kurz nach Mittag die Stelle, an welcher die Sklavenjäger in voriger Nacht Halt gemacht hatten. Das veranlaßte die beiden Reiter, ihren schwachen Tieren eine Ruhestunde zu gönnen. Sie stiegen ab, machten ein Feuer und brieten eine Ente.

Auch während dieses Haltes wurde nur wenig gesprochen. Der Elefantenjäger schien ein höchst schweigsamer Mann zu sein, und Schwarz hatte keinen zwingenden Grund, ihn zur Beredsamkeit zu bringen.

Am Nachmittage wurde der bisher ebene Boden wellenförmig, und später sah man zur rechten Hand Höhen liegen, welche nach dem bisherigen Maßstabe ganz respektabel erschienen. Von dorther lief ein Chor herab, welchem die Fährte aufwärts folgte. Einige Stellen dieses in der Regenzeit einen Fluß bildenden Bettes waren feucht; in andern stand sogar noch Wasser. Da gab es pflanzliches und tierisches Leben in Menge. Aber zur Beobachtung desselben war keine Zeit vorhanden, da die Sklavenjäger bis spätestens morgen mittag überholt werden mußten. Aus diesem Grunde wurden die Suffarah heute noch anhaltender als gestern benutzt, und die Wirkung war, daß die Kamele fast über ihre Kräfte liefen.

Der weitere Weg führte zwischen den erwähnten Höhen hindurch und senkte sich dann wieder abwärts nach dem Flusse, welcher abermals einen Bogen gemacht hatte, der durch die Fährte abgeschnitten worden war. Doch blieb die Fährte nicht am Flusse, sondern lief am Rande einer Maijeh hin, um deren äußerste Spitze sie bog. An dieser Stelle mußten die beiden Reiter halten, weil der Abend hereinzubrechen drohte.

Der Nil bildet weit in das Land gehende Buchten, ähnlich den Bayous des Mississippi, welche zur Regenzeit mit Wasser gefüllt sind. Kehrt der Nil dann zu seiner ursprünglichen Breite zurück, so bleibt das Wasser in diesen Buchten stehen, wo es eine lebhafte Vegetation erweckt, um dann später mehr oder weniger auszutrocknen. Viele dieser Vertiefungen sind so energisch eingeschnitten, daß sie selbst in den heißesten Monaten Wasser halten. Sie werden Maijeh genannt, und an einem derselben hielten die beiden Reiter.

Mehrere hundert Schritte vom Rande desselben stand eine riesige Homrah, deren Stamm gewiß über fünfzig Fuß Umfang hatte. Dabei war sie kaum zwanzig Ellen hoch, und ihre jetzt kahlen Äste und Zweige senkten sich mit den Spitzen fast wieder bis zur Erde nieder, so daß der Wipfel eine hohle Halbkugel bildete, in deren Mitte sich der ungeheure Stamm befand. Dorthin leiteten die beiden ihre Tiere, um da die Nacht zuzubringen. Hier konnten sie sich durch das Feuer leichter vor den Nachtmücken schützen, deren Plage am Wasser viel ärger gewesen wäre.

Während Schwarz eine Sporengans zum Mahle schoß, holte der Araber Brennmaterial herbei, welches in großer Menge vorhanden war. Dann verrichtete er sein Gebet, nach welchem er vier Feuer anbrannte, zwischen denen sich die Reiter und Kamele lagerten. Dies letztere war notwendig wegen der hier vorhandenen Mücken, und weil man aus der Nähe der von Tausenden Vögel belebten Maijeh auf das Vorhandensein größerer Raubtiere schließen konnte.

Während der Deutsche die Gans rupfte, sie ausnahm und dann an einen über dem einen Feuer improvisierten hölzernen Bratspieß steckte, sah ihm der Araber zu, ohne ein Wort zu sprechen. Er schien auch heute noch nicht aus sich herausgehen zu wollen.

Die Kamele waren am Maijeh getränkt worden, und hatten dann ihr Futter erhalten. Als die Gans gar war, schritten auch die Reiter zum leckeren Mahle. Der Schein der Feuer drang zwischen den Zweigen der Homrah hinaus ins Freie, doch reichten die Blicke der beiden Männer nicht so weit, da sie von vier Flammen geblendet wurden.

Während sie schweigend aßen, hörten sie vor sich ein Knacken der Äste, und darauf ein tiefes, unruhiges Schnaufen. Sie blickten auf und griffen nach ihren Gewehren.

»Allah akbar, dschamus, dschamus – Gott ist groß, ein Büffel, ein Büffel!« rief der Araber.

Im Nu hatte er den Kolben an der Wange und drückte ab, beide Läufe schnell hintereinander, doch leider ohne den erwarteten Erfolg, da er in seiner Aufregung und von den Feuern geblendet, nicht genau gezielt hatte.

Der afrikanische Büffel ist noch viel stärker, wilder und unbändiger als der indische. Er liebt die Sümpfe, schwimmt ausgezeichnet und bricht sich durch das dichteste Unterholz im schnellen Laufe Bahn. Erfahrene Jäger halten seine Jagd für noch gefährlicher als diejenige des Elefanten, Nilpferdes und Nashornes. Selbst auf den Tod verwundet, kämpft er fort. Besonders gefährlich sind die einzelnen Umherstreicher, welche wegen ihrer wahnsinnigen Wildheit von ihresgleichen nicht geduldet und aus den Herden ausgestoßen werden. Von ihnen sagt der Sudanese: »Wenn du eine Herde Büffel erblickst, so flieht sie vor dir; findest du mehrere Büffel, so brauchst du sie nicht zu fürchten; begegnest du aber einem einzelnen, so sei Gott dir gnädig!«

Und ein solcher einzelner, ein solcher Umherstreicher war es, der so plötzlich seinen dicken Kopf mit den mächtigen Hörnern und niederhängenden Ohren durch die Zweige steckte. Die Feuer hatten, anstatt ihn zu verscheuchen, vielmehr herbeigelockt. Sie erregten seinen Grimm. Er sah die Männer und die Kamele und wollte sich auf sie stürzen, gerade als der Elefantenjäger ihm die beiden Kugeln entgegenschickte. Sie trafen ihn zwar, aber nur leicht. Er stand einen Augenblick unbeweglich, wie erstaunt, daß man es gewagt habe, an Gegenwehr zu denken, dann senkte er den Kopf, und warf sich unter wütendem Gebrüll vorwärts.

 

»Rette dich hinter den Baumstamm!« rief Schwarz dem Araber zu.

Es bedurfte dieser Aufforderung gar nicht, denn der Jäger war bereits hinter der Homrah verschwunden. Der Deutsche aber blieb kaltblütig stehen, das Gewehr in der Hand. Schon senkte das Tier den Kopf, um ihn mit den Hörnern zu fassen, da sprang Schwarz blitzschnell zur Seite, seine Schüsse krachten – der Büffel stand wie vom Schlage getroffen, unbeweglich; ein Zittern ging durch seine mächtigen Glieder, seine kolossale Gestalt, dann brach er auf demselben Fleck zusammen, auf welchem die Kugeln des Deutschen ihm Halt geboten hatten.

Dieser letztere war nicht von der Stelle gewichen. Um das zu wagen, mußte er seines Schusses außerordentlich sicher gewesen sein. Er griff in die Patronentasche, lud von neuem, und sagte dabei zu dem Araber in so ruhigem Tone, als ob es sich nur um die Tötung einer Fliege gehandelt habe:

»Du kannst nun wiederkommen, denn er ist tot.«

»Tot?« fragte der andre, indem er sehr vorsichtig nur die Nase sehen ließ. »Das ist nicht möglich!«

»Überzeuge dich!«

»So habe ich ihn also doch gut getroffen!«

»Du? Das glaube ich nicht! Du scheinst ja gar nicht zu wissen, wo sich die verletzbarsten Stellen eines Büffels befinden. Wohin hast du gezielt?«

»Nach der Stirn.«

»So wollen wir sehen, welche Wirkung deine Kugeln gehabt haben.«

Er kniete vor das Ungetüm nieder, um die Stirn desselben zu untersuchen.

»Allah jisallimak – Gott behüte dich!« schrie der Araber entsetzt. »Willst du dich ermorden? Wenn er noch nicht völlig tot ist, bist du verloren!«

»Habe keine Sorge! Ich weiß sehr wohl, was ich thue. Schau her! Deine eine Kugel hat das Ohr durchlöchert, und die andre ist vom Hörnerwulste abgeglitten. Du kannst es ganz deutlich sehen.«

Der andre kam nur zagend herbei; er streckte die Hand weit aus, um das Tier zu betasten; er faßte es am Schwanze und dann am Beine, um sich zu überzeugen, daß es wirklich nicht mehr gefährlich sei; dann erst näherte er sich dem Kopfe, um die Stellen zu betrachten, welche er getroffen hatte.

»Allah, Allah!« rief er aus. »Du hast recht. Ich habe ihn nicht einmal verwundet, denn das Loch im Ohre hat gar nichts zu bedeuten. Wo aber hast du ihn getroffen? Er stand mitten im Laufe, wie von Allahs Faust erfaßt, und sank dann zitternd zur Erde nieder, um sich nicht mehr zu regen.«

»Ich habe ihm den letzten Halswirbel zerschmettert, das hielt ihn fest, und ihn dann ins Herz getroffen, das warf ihn nieder. Ich hatte keine andre Wahl, da er mit gesenktem Kopfe auf mich zukam.«

»Du wolltest ihn wirklich an diesen beiden Stellen treffen?« fragte der Elefantenjäger erstaunt.

»Natürlich !«

»Aber du hast ja gar nicht gezielt!«

»Besser wie du. Man kann sehr genau zielen, ohne das Gewehr an das Auge zu nehmen. Ich habe die Mündungen gerade an die Stellen gehalten, die ich treffen wollte. Das muß freilich blitzschnell geschehen, wenn man sich nicht von den Hörnern fassen lassen will. Und seines Gewehres muß man absolut sicher sein, sonst ist man des Todes.«

Der Araber stand auf, starrte ihn mit einem geradezu ratlosen Blicke an, und rief dann aus:

»Das begreife ich nicht! Du bist ein Gelehrter. Wie darfst du so verwegen bei dem gefährlichsten der Tiere sein!«

»Es ist dies nicht der erste Büffel, den ich erlege. Ich war mit meinem Bruder in Amerika, einem Lande, wo es Herden von Tausenden von Büffeln gab, die wir verfolgt haben. Von mir selbst will ich nicht sprechen; aber glaubst du auch jetzt noch, daß dein Gewehr besser sei, als das meinige, weil es größer und stärker ist?«

»Herr, was ich glauben soll, das weiß ich jetzt noch nicht. Ich weiß nur, daß ich jetzt eine Leiche wäre, wenn du dieses Ungeheuer nicht so schnell erlegt hättest. Es hätte mich und dich, und dann auch noch die Kamele getötet, die nicht fliehen konnten, weil wir ihnen die Füße gefesselt haben. Wenn das kein Zufall ist, wenn du stets so gut triffst, wie jetzt, so wirst du mich besser beschützen können, als ich dich!«

»Wir sind Gefährten, und auf gegenseitige Hilfe angewiesen. Keiner darf den andern in der Not verlassen. Wenn wir das zu unsrem Grundsatze machen, so brauchen wir die Gefahren, denen wir entgegengehen, nicht zu fürchten. Jetzt wollen wir unser Mahl fortsetzen. Da liegt die Gans, um welche es jammerschade wäre, wenn wir sie den Geiern oder Schakals überließen.«

Er setzte sich nieder und schnitt sich ein Stück von dem Braten ab. Der Sejad ifjal wußte nicht, was er zu dieser bewundernswerten Ruhe und Kaltblütigkeit sagen solle. Er hielt es für das beste, dem Beispiele des Gefährten zu folgen; darum legte er erst neues Holz in die Flammen, und setzte sich dann nieder, um seinerseits auch der Gans die ihr gebührende Ehre zu erweisen. Er konnte es aber nicht über das Herz bringen, schon nach einiger Zeit zu fragen:

»Was thun wir nun mit diesem Abu kuruhn? Wenn er hier liegen bleibt, wird er alle Raubtiere der Umgegend herbeilocken.«

»Jetzt noch nicht. Blut ist fast gar nicht geflossen, und da wir ihn nicht öffnen, wird der Geruch während der Nacht nicht bedeutend sein. Übrigens wird kein Löwe sich zwischen diese vier Feuer wagen. Das konnte nur ein so störrisches Tier, wie dieser Ochse war, thun.«

»Aber die Kamele fürchten sich vor ihm.«

»Sie sind jetzt freilich noch ängstlich, werden sich aber bald beruhigen. Das Fleisch dieses alten Kerls ist ungenießbar. Wir müssen es für die Geier liegen lassen. Unter gewöhnlichen Umständen würde ich das Skelett des Kopfes mit den prächtigen Hörnern mitnehmen; das kann ich aber jetzt nicht, da wir uns auf einem nichts weniger als wissenschaftlichen Ausfluge befinden. Also lassen wir diesen Vater der Hörner liegen, wie er ist, und begnügen uns mit dem Bewußtsein, den Plan, den er gegen uns hegte, zu Schanden gemacht zu haben.«

»Effendi, du bist gerade so ein mutiger und zugleich ruhiger Mann, wie Emin Pascha. Ich bewundere und achte dich. Darf ich deinen Namen erfahren, damit ich weiß, wie ich dich nennen soll?«

»Du würdest ihn nicht richtig aussprechen können; darum will ich ihn dir in arabischer Übersetzung sagen. Nenne mich Aswad; das wird genügen.«

»Ist er nicht länger?«

»Nein. In meiner Heimat führt man nicht so lange Namen, wie bei euch. Ein Mann mit dem kürzesten Namen kann bei uns ein berühmter Held oder Gelehrter sein. Nun darf ich wohl auch deinen Namen erfahren?«

»Noch nicht, Effendi. Als ich Dar Runga verließ, schwor ich bei Allah, meinen Namen abzulegen, bis ich die Spur meines Sohnes finden würde. Da dies noch nicht geschehen ist, darf ich ihn nicht über die Lippen bringen. Man nennt mich überall den Elefantenjäger. Willst du das nicht auch thun, sondern mir einen Namen geben, so nenne mich Bala Ibn; das ist ein Wort, welches auf mich paßt.«

»Ich werde mich dieses Namens bedienen, wenn ich von oder mit dir spreche. Aber hast du auch geschworen, darüber zu schweigen, unter welchen Umständen du deinen Sohn verloren hast?«

»Nein, Effendi. Wie könnte ich jemals hoffen, ihn wiederzufinden, wenn ich nicht davon sprechen dürfte. Ich habe schon Hunderten mein Unglück erzählt, doch keiner hat vermocht, mir einen Fingerzeig zu geben. Ich glaube nun, daß mein Sohn gestorben ist, aber ich bleibe dennoch meinem Schwur getreu, und werde nach ihm und seinem Entführer suchen, bis Allah mich aus dem Leben nimmt.«

Er legte die Hand über die Augen, wie um die tiefe Trauer, welche in seinem Blicke lag, zu verbergen, und fuhr dann fort: