Tasuta

Die Sklavenkarawane

Tekst
Autor:
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Dieser Verlust war schwerlich einzubringen. Sie trieben ihre Tiere möglichst an; aber die Kamele waren gleich anfangs schwach gewesen, und die bisherige Anstrengung hatte sie nichts weniger als gekräftigt; sie hörten kaum mehr auf die Töne der Suffarah, welche doch vorher einen so aneifernden Eindruck auf sie gemacht hatte.

Noch im Laufe des Vormittages brach die Fährte plötzlich von ihrer bisherigen Richtung ab und wendete sich fast gerade nach West. Je weiter sie sich vom Flusse entfernte, desto harter und öder wurde das Land, bis sie endlich gar fast eine Stunde lang durch Felsgeröll führte. Es war, als ob man hier einen ganzen Berg in faustgroße Stücke zerschlagen und diese mit großer Gleichmäßigkeit über die weite Fläche verteilt habe.

Dann traten unbestimmte Linien über den Horizont empor. Anstatt des Gerölles gab es wieder Erde, welche aber auch hart und trocken war. Später stieg der Boden allmählich an; leicht geschweifte Berge, welche zur Regenzeit wohl mit Gras bewachsen waren, traten von rechts und links heran. Zwischen ihnen gab es gewundene Thäler, durch welche der Weg führte. Je weiter man kam, desto bestimmter wurden die vorher am Horizonte bemerkten undeutlichen Linien. Der lang gestreckte Raum, den sie abwärts umfaßten, färbte sich erst grau, dann weißlich blau, bis er dunkler und dunkler wurde und dabei immer mehr an Höhe gewann.

»Die Pambisaberge,« sagte Bala Ibn, indem er mit der ausgestreckten Hand in die angegebene Richtung deutete.

»An deren Fuß Ombula liegen soll? Weißt du genau, daß sie es sind?«

»Wissen kann ich es nicht, denn ich war noch nicht dort; aber ich vermute es.«

»Wie weit meinst du, daß wir noch bis zu diesem Gebirge haben?«

»Vor Abend ist es unmöglich zu erreichen.«

»So kommen wir zu spät!«

»Das darfst du nicht denken. Kein Sklavenjäger überfällt ein Dorf am hellen Tage. Man wartet vielmehr am liebsten bis gegen Morgen. Es bleibt uns also Zeit, die Bedrohten zu warnen; wenigstens hoffe ich das.«

»So wird Abd el Mot ein verborgenes Lager bezogen haben, in welchem er wartet, bis es Nacht geworden ist.«

»Das glaube ich nicht. Die Ghasuah verfährt ganz anders. Du mußt den Umstand berücksichtigen, daß diese Gegend nur spärlich bevölkert ist. Es gibt keine zahlreichen Städte und Dörfer wie in Ägypten und anderswo. Wasser gibt es außer im Nile und in dessen Nähe nur selten, und doch kann ein Dorf nur da existieren, wo Wasser vorhanden ist. Am Flusse wohnen die Neger ungern, weil sie dort den Besuchen der Sklavenhändler mehr ausgesetzt sind. Sie lassen sich also lieber an einsamen Regenbetten oder an fern vom Nile liegenden Maijehs nieder. So wird es auch mit Ombula sein. Der Schech der Dschur sagte mir, daß es in einsamer Gegend, am Fuße der Berge in der Nähe eines großen Sumpfes liege, welcher zur Regenzeit einen mehrere Stunden langen und ebenso breiten See bilde. Eine solche Lage macht es nicht nötig, daß die Sklavenjäger sich vorsichtig verstecken. Sie gehen vielmehr gerade auf ihr Ziel los.«

»Aber da werden sie doch bemerkt!«

»Nein, denn so weit nähern sie sich am Tage nicht.«

»Wie aber, wenn ihnen Bewohner des Dorfes, welches überfallen werden soll, begegnen?«

»Die läßt man nicht entkommen. Sie werden sofort niedergemacht oder gefesselt; sie können also nicht zurückkehren und die Ihrigen warnen. Die Sklavenjäger ziehen nie in einer kompakten Masse an. Ist man dem betreffenden Orte auf eine halbe Tagereise nahe gekommen, so werden die geschicktesten Leute als Späher vorangesandt. Ihnen folgen andre, welche sich zerstreuen und eine Kette bilden, durch welche kein Feind schlüpfen kann. So umringt man von weitem das betreffende Negerdorf, ohne daß die Bewohner desselben es ahnen, und des Nachts wird der Überfall ausgeführt. Dieser geschieht meist so, daß die das Dorf umschließende Dornenhecke an vielen Stellen angebrannt wird. Sie steht sehr bald rundum in Flammen. Die Bewohner erwachen; sie können nicht entkommen, weil sie umringt sind. Wer von ihnen sich zur Wehr setzt, wird niedergeschossen. Überhaupt werden gewöhnlich alle Männer getötet, weil sie sich selten in ihr Schicksal fügen und also den Transport erschweren. Auch die älteren Frauen werden erschlagen, weil niemand sie kauft. Die Knaben, Mädchen und jungen Frauen bilden die erwünschte Beute. Auch die Herden sind hoch willkommen. Es kommt vor, daß man schon auf dem Rückwege nach der Seribah die erbeuteten Leute verkauft oder gegen Elfenbein vertauscht. Geht der Zug durch das Gebiet eines Stammes, welcher das Fleisch der Menschen demjenigen der Tiere vorzieht, so schlachten die Sklavenjäger die fettesten der erbeuteten Neger und verhandeln sie an die Menschenfresser.«

»Herrgott! Ist so etwas denn möglich?«

»Möglich? Herr, es ist wirklich und kommt sehr häufig vor. An den Zuflüssen des Bahr el Abiad und weiter nach Süd und West gibt es genug Völkerschaften, denen Menschenfleisch die größte Delikatesse ist. Ich kenne einen Häuptling, welcher versicherte, daß nichts besser schmecke als die innere Fläche einer gebratenen Menschenhand. Er führte mit den benachbarten Völkern Krieg, nur um Gefangene zu machen, welche geschlachtet wurden; auch seine eigenen Toten und Schwerverwundeten wurden verzehrt. Die Hände derselben wurden ihm abgeliefert; die übrigen Körperteile überließ er seinen Untergebenen. Ich sprach mit einem Sklavenhändler, welcher behauptete, daß in Afrika die Menschenjagd täglich wenigstens sechstausend Opfer fordere, was für jedes Jahr weit über zwei Millionen ergibt. Dieser Mann kannte das Geschäft und hat mit dieser Schätzung sicher nicht zu hoch gegriffen. Ebrid Ben Lafsa, jener Halunke, welcher meinen Sohn raubte, erzählte uns, daß er nur am Bahr Kuta jage; er hatte also nur ein kleines Gebiet, und doch behauptete er, jährlich über tausend Sklaven zu fangen. Dazu kommen gewiß ebensoviele andre, welche dabei getötet werden.«

»Woher war dieser Mensch eigentlich?«

»Aus Bagirmi.«

»Hast du dort nach ihm gesucht?«

»Natürlich. Ich bin sofort hin und dann später noch viele Male dort gewesen; aber er hat sich nie wieder in dieser seiner Heimat sehen lassen.«

»Würdest du ihn erkennen, wenn du ihm begegnetest, nach so vielen Jahren?«

»Ja. Er hat ein Gesicht, welches man nie vergessen kann und dessen Ausdruck das Alter nicht zu verändern vermag. Doch schau einmal den dunklen Strich da vor uns. Ob das Bäume sind? In diesem Falle gibt es dort einen Chor, welcher von den Bergen kommt und stellenweise noch Wasser enthält. Das liefert einen Trunk für uns und die Tiere, welche vor Schwäche kaum weiter können.«

Seine Voraussetzung hatte ihn nicht betrogen. Quer über die Richtung, welcher sie folgten, zog sich ein tiefes, breites Flußbett, von den Wassern gerissen, welche zur Regenzeit von den Pambisabergen herab dem Nile zuströmten. Solche im Sommer trockene Flüsse werden, wie bereits erwähnt, Chor, im Plural Cheran, genannt.

Als die beiden Reiter das Ufer desselben erreichten, befanden sie sich zwischen hohen Kafalahbäumen, von deren Stämmen und Ästen lose Epidermisfetzen hingen, welcher Umstand ihnen die botanische Bezeichnung papyrifera verliehen hat. Die dünneren Zweige trugen eine Menge kunstvoller Nester, welche von zahlreichen Orangewebervögeln bevölkert waren. Auf der Sohle des breiten Flußbettes stand ein fast undurchdringliches Dickicht von Ambag, welcher Strauch in der heißen Jahreszeit bis auf die Wurzel abzusterben, und während oder nach der Überschwemmung sich zu erneuern pflegt. Diese Büsche standen noch, weil es an diesem Orte zurückgebliebenes Wasser gab. Man ersah aus der deutlichen Fährte, daß die Sklavenjäger am diesseitigen Ufer hinab, an diesem Wasser vorüber und jenseits wieder hinaufgegangen waren, ohne anzuhalten und ihre Tiere zu tränken.

»Ich begreife nicht, warum sie das nicht thaten,« sagte Bala Ibn. »Unsre Kamele sind jedenfalls müder als die ihrigen, und wir müssen ihnen hier eine kurze Ruhe gönnen.«

Die beiden stiegen ab und leiteten ihre Tiere die Steilung hinunter bis an das Wasser. Dort setzten sie sich an einem Busche nieder, welcher von dichten Cissuswinden durchschlungen war. Während sie ihre Tiere trinken und dann an den Sträuchern knuspern ließen, sprachen sie über die Absicht ihres gegenwärtigen Rittes miteinander, und zwar nicht in leisem Tone. Sie glaubten sich vollständig allein, befanden sich dabei aber leider im Irrtume.

Auf der Höhe des andern Ufers stand ein Schedr es simm, an dessen Stamm zwei Männer gesessen hatten. Die Euphorbie war von ihnen angebohrt worden, und der Saft tropfte in ein untergestelltes Trinkgefäß. Beide waren Neger, nur mit dem Schurz bekleidet; aber ihre Bewaffnung, welche aus Messer und Flinte bestand, bezeichnete sie als Asaker, die zu Abd el Mot gehörten.

Schwarz und der Araber ahnten, als sie sich dem Regenbette näherten, nicht, daß sie sich ganz in der Nähe der Sklavenjäger befanden. Sie hatten nicht sehen können, daß es jenseits des Chors einen Maijeh gab, dessen Wasser der Entstehung eines kleinen Waldes günstig gewesen war. In diesem letzteren hatte Abd el Mot, welcher die Gegend von früher her kannte, sein Lager aufgeschlagen. Er hatte nicht die Absicht, das Dorf in der von dem Elefantenjäger beschriebenen Weise zu überfallen. Er sendete weder Kundschafter noch Posten aus, sondern er wollte mit allen seinen Leuten hier bis gegen Abend versteckt bleiben, um dann im Schutze der Nacht den Rest des Marsches zu unternehmen.

Beim Passieren des Regenbettes hatte einer der Asaker die Euphorbie gesehen und war dann mit einem seiner Kameraden zurückgekehrt, um sich in den Besitz des Saftes zu setzen, mit welchem man Messer, Lanzen und Pfeile zu vergiften pflegt. Während diese beiden Männer mit dieser Arbeit beschäftigt waren, erblickten sie zu ihrem Erstaunen die zwei Reiter, welche auf ihren müden Kamelen sich langsam dem Chor näherten.

»Zwei Weiße!« sagte der eine. »Wer sind sie, und was können sie hier nur wollen?«

 

»Zu uns gehören sie nicht,« antwortete der andre. »Bleib ruhig hinter dem Stamme sitzen, damit sie uns nicht sehen. Wohin können sie anders wollen als nach Ombula? Abd el Mot darf sie nicht vorüber lassen. Er wird sie kommen sehen und anhalten. Wir müssen hier verborgen bleiben, damit sie nicht vor der Zeit bemerken, daß sich die Ghasuah hier befindet.«

Hinter dem Giftbaume versteckt, sahen sie, daß die beiden Fremden das Flußbett nicht sofort durchquerten, sondern sich unten am Wasser niedersetzten.

»Das ist gut,« flüsterte der erste. »Sie sitzen hinter dem Ambag, durch dessen Zweige sie nicht sehen können. Wir werden erfahren, wer sie sind, und was sie in dieser Gegend wollen. Bleib hier, und mach kein Geräusch! Ich schleiche mich hinab an den Busch, um zu hören, was sie sprechen.«

Der Schwarze huschte schlangengleich am Ufer hinab und erreichte den Ambag, ohne von Schwarz und dessen Gefährten bemerkt worden zu sein. Dort niedergekauert, lauschte er ihren Worten; dann kam er zu seinem Kameraden zurückgekrochen und sagte: »Wer und woher sie sind, das habe ich nicht erfahren; sie sprachen nicht davon. Aber was sie wollen, das weiß ich. Sie wissen, daß wir nach Ombula gehen, um Sklaven zu machen und wollen vor uns hin, die Belanda zu warnen. Komm schnell fort! Wir müssen das Abd el Mot berichten.«

Sie eilten fort, dem Maijeh zu, und meldeten Abd el Mot, was sie gesehen hatten. Er saß unter einer hohen Talha, seine Unteroffiziere neben sich. Weiterhin standen, saßen oder lagen die andern Leute bei ihren angebundenen Tieren. Als er die unerwartete Meldung hörte, sprang er auf und rief:

»Zwei weiße Reiter, welche arabisch sprechen? Sie wollen uns verraten? Sie müssen unser sein! Kann man sie sehen, ohne von ihnen bemerkt zu werden?«

»Ja, Herr. Wenn du willst, so werde ich dich führen,« antwortete derjenige, welcher die beiden belauscht hatte.

»Du wirst mir die Stelle zeigen. Wenn wir sie auf das hohe Ufer lassen, finden sie vielleicht Zeit, uns zu entfliehen, oder sie verteidigen sich und töten einige von uns. Darum werden wir sie lieber überfallen, wenn der Platz, an welchem sie sich befinden, es erlaubt. Nehmt Stricke mit!«

Er wählte ein Dutzend seiner gewandtesten Leute aus und begab sich mit ihnen nach dem Chor. Vom Rande desselben vorsichtig hinablugend, musterte er die Stelle. Die Personen konnte er nicht sehen, da sie hinter dem Ambag saßen.

»Es ist nicht schwer, sie zu beschleichen,« entschied er. »Macht euch leise hinter sie, und fallt über sie her, so daß sie keine Zeit zur Gegenwehr finden! Gelingt es, so schenke ich euch den Betrag eines kräftigen Sklaven. Mißrät es aber, so wird derjenige, welcher daran schuld ist, erschossen. Vorwärts!«

Er sah zu, wie die Asaker einzeln hinabglitten und sich dann hinter dem Busche sammelten. Als der letzte von ihnen dort angelangt war, brachen sie hervor und fielen über die beiden auf das Äußerste überraschten Männer her. Es gab ein kurzes Ringen und Durcheinander von schreienden Stimmen – der Überfall war gelungen. Abd el Mot kehrte nach dem Maijeh zurück und setzte sich wieder unter der Talha nieder. Seine Leute versammelten sich um ihn.

»Die Hunde haben uns verraten wollen,« sagte er. »Sie müssen sterben, und zwar augenblicklich, wer sie auch sein mögen!«

Nach wenigen Minuten brachten die Asaker die Gefangenen geführt; sie hatten denselben die Ellbogen auf den Rücken geschnürt. Zwei Soldaten leiteten die Kamele hinterher.

Schwarz befand sich in einem eigentümlichen traumhaften Zustande, der Elefantenjäger ebenso. Das Unglück war so plötzlich und unerwartet über sie gekommen, daß es ihnen fast unmöglich war, ihre Gefangenschaft für Wirklichkeit zu halten. Aus den triumphierenden Worten, welche die Asaker einander zuriefen, ersahen sie, daß Abd el Mot hier sei, und daß sie zu ihm geführt werden sollten.

»Wir wissen nichts,« raunte der Araber dem Deutschen zu. »Laß nur mich sprechen!«

Er verzweifelte nicht. Er hatte in noch größeren Gefahren immer Rettung gefunden und hielt die gegenwärtige keineswegs für groß. Was hätten die Sklavenjäger für Gründe haben können, zwei ihnen unbekannte Weiße zu ermorden. Daß sein und seines Gefährten Gespräch belauscht worden war, daran dachte er nicht. Übrigens sollte es noch ganz anders kommen. Er stand, ohne es zu ahnen, vor dem Augenblicke, nach welchem er sich seit fünfzehn Jahren gesehnt hatte; freilich aber war die Situation gerade umgekehrt als er sie sich stets vorgestellt hatte.

Vom Chor bis zu der Maijeh war es gar nicht weit. Die beiden wurden von den Soldaten in rohester Weise vorwärts gestoßen und geschoben; sie nahmen das ruhig hin, in dem Glauben, daß es nur einer ernsten Vorstellung bei dem Anführer bedürfe, um der Fesseln entledigt zu werden. Beide waren gespannt auf die Person desselben. Sie hatten so viel von ihm gesprochen; nun sollten sie ihn zu sehen bekommen.

Jetzt standen sie vor ihm. Die Menschenjäger drängten sich rundum heran, um zu hören, was gesprochen werde.

»Herr,« begann der Elefantenjäger in stolzem Tone, »wie kommt es, daß deine Leute – —«

Er hielt mitten in dem angefangenen Satze inne. Sein Mund blieb offen, und seine Augen vergrößerten sich. Seine Gestalt und seine Glieder schienen die Fähigkeit jedweder Bewegung verloren zu haben. Er stand da, ein Bild starren Entsetzens.

Abd el Mot war, als der Gefangene zu sprechen begann, auch vor Schreck aufgesprungen; aber sein Schreck schien ein freudiger zu sein, denn seine Augen leuchteten auf; seine Wangen röteten sich, und sein Gesicht nahm den Ausdruck des Entzückens an.

»Der Emir!« rief er, nein, sondern er schrie es förmlich überlaut. »Barak el Kasi, der Emir von Kenadem!«

»Ebrid Ben Lafsa, der Sklavenhändler!« stieß der Araber hervor.

»Ja, der bin ich!« jubelte Abd el Mot. »Ich bin Ebrid Ben Lafsa. Erkennst du mich, du Hundesohn, du Enkel aller Hunde?«

»E – – brid – – Ben – – Laf – – sa – —!« wiederholte der Elefantenjäger, indem er den Namen kaum hervorbrachte, so daß die einzelnen Silben nur auseinandergerissen über seine Lippen kamen. »Oh Allah! Er ist es; er ist es!«

»Ja, ich bin es; ich bin es! Schau mich an! Schau mir ins Gesicht, wenn du es nicht glaubst! Ich bin der, den du zum Tode verurteiltest, dem du die Sklaven wegnehmen ließest! Ich bin der, den du zweimal peitschen ließest, der unter deiner Peitsche hätte sterben müssen, wenn es ihm nicht gelungen wäre, zu entfliehen! Ich bin der, welcher seit fünfzehn Jahren seine Heimat meiden mußte, weil du mich dort verklagt hast, so daß ich hingerichtet worden wäre, wenn man mich dort gesehen und ergriffen hätte! Ich bin der, welcher sich diese langen Jahre hindurch gesehnt hat, dir einmal zu begegnen und dich in den Staub zu treten. Jetzt führt Allah dich in meine Hände. Ihm sei Preis und Dank!«

»Wo – wo – – ist mein Sohn?« fragte der Araber, ohne auf die Drohung zu achten, welche in Abd el Mots Worten lag.

Das Gesicht des letzteren verzog sich zu teuflisch-höhnischer Fratze, als er antwortete:

»Dein Sohn? Ah, du willst wissen, wo er ist? Soll ich dir das wirklich sagen?«

»Sage es! Sage es schnell!« bat der Araber mit fliegendem Atem.

»Unter den Negern ist er.«

»Wo?«

»Tief unten im Süden bei den Menschenfressern.«

»Ist das wahr?«

»Ja, ich sage die Wahrheit.«

»So lebt er also noch! Allah ist barmherzig. Ihm gebührt Preis in Ewigkeit!«

»Halt ein mit deinem Preise! Es wäre besser für diesen achtzehigen Hund, wenn er tot wäre, denn er ist der niedrigste, armseligste Sklave eines schwarzen Häuptlings, dem ich ihn unter der Bedingung geschenkt habe, daß er ihn täglich prügeln und immerwährend hungern lassen soll. Ich habe ihn kürzlich gesehen. Sein Leib ist voller Geschwüre; seine Augen sind erblindet; er stirbt in großen Qualen langsam hin und kann es doch niemandem klagen, weil ich ihm damals die Zunge herausgerissen habe; merke wohl auf: nicht herausgeschnitten, sondern herausgerissen!«

Er stieß diese Rede hastig hervor; er konnte gar nicht schnell genug sprechen, um seinen Feind möglichst rasch niederzuschmettern. Dieser wollte antworten, brachte aber vor Entsetzen kein Wort hervor. Nur ein schneidender, unartikulierter Laut rang sich über seine Lippen.

»Freu‘ dich also darüber, daß er noch lebt!« höhnte Abd el Mot. »Sein Tod wird ein fürchterlicher sein, trotzdem ihn derselbe von unsagbaren Leiden erlöst. Und doch wird dieser sein Tod eine Wonne sein gegen denjenigen, den du nun sterben wirst. Du bist in meiner Gewalt, und es soll keine Qual der Erde geben, die ich dir nicht zu kosten gebe.«

»Allah ‚l Allah!« hauchte der Emir, indem er in die Kniee nieder sank.

»Knieest du vor mir nieder, um mich um Gnade anzuflehen? Kniee nur, und jammere nur! Aber eher wird der Schetan eine Seele aus der Hölle entkommen lassen, ehe ich auf dein Zetern höre!«

Nicht die Furcht und nicht die Angst, sondern das Entsetzen über die Schilderung des Zustandes, in welchem sein Sohn sich befinden sollte, hatte den Araber niedersinken lassen. Als Vater konnte er Schwäche fühlen; als Mann aber war er stolz und stark. Er sprang schnell auf, richtete sich hoch empor und antwortete, indem seine Augen blitzten:

»Was sagst du? Ich soll jammern und zetern vor dir? Dich um Erbarmen anflehen? Hund, wie kannst du wagen, dies zu sagen. Ich bin Barak el Kasi, der Emir von Kenadem, und habe nur vor Allah gekniet. Du aber bist Ebrid Ben Lafsa, ein elender Kadaver, den nicht einmal der Racham fressen mag. Nie sollst du sehen, daß ich ein Glied vor dir beuge!«

Hund genannt zu werden, ist für den Mohammedaner eine der größten Beleidigungen. Es war ein großes Wagnis von dem Araber, sich dieses Wortes gegen Abd el Mot zu bedienen, und die Umstehenden waren vollständig überzeugt, daß der letztere darüber in Wut ausbrechen werde. Dies geschah aber nicht. Zwar ballte er die beiden Fäuste und erhob den Fuß, als ob er sich auf seinen Gegner stürzen wolle, aber er setzte den Fuß wieder nieder und antwortete in spottendem Tone:

»Das hattest du dir gut ausgedacht; aber ich durchschaue deine Absicht und sie wird dir nicht gelingen. Du willst deinen Qualen, welche dir bevorstehen, entgehen, indem du mich reizest, dich im Zorne auf der Stelle zu töten. Aber sage, was du willst, es wird mich nicht ergrimmen. Töten werde ich dich. Monatelang aber sollst du sterben. Schimpfest du mich noch einmal, so lasse ich dir die Zunge ausreißen; das merke dir!«

»Reiß sie heraus!« gab der Araber ihm zurück. »Du bist ein Hund, den alle andern Hunde fliehen, weil er räudig ist!«

Auch bei dieser gesteigerten Beleidigung blieb Abd el Mot ruhig. Er sagte:

»Ja, sie soll dir ausgerissen werden, doch nicht jetzt, nicht heute, sondern erst dann, wenn wir Zeit dazu haben. Einen Verwundeten kann ich jetzt nicht brauchen. Später wirst du täglich bis auf die Knochen gepeitscht werden; jetzt muß ich damit noch warten, weil du stark sein mußt, um mit uns marschieren zu können. Aber vergessen sind deine Worte nicht. Jetzt frage ich, woher du kommst und wohin du willst?«

»Frage soviel dir beliebt; von mir erhältst du keine Antwort!«

Er wendete sich ab.

»Du wirst noch antworten lernen,« lachte Abd el Mot. »Holt eine Schebah für ihn herbei!«

Unter Schebah versteht man einen schweren Ast, dessen eines Ende eine Gabel bildet. In diese Gabel wird der Hals der Sklaven während des Transportes gesteckt und durch ein Querholz fest gehalten. Der Ast geht nach vorn; an ihn werden die Hände des Gefangenen, mit denen dieser ihn tragen muß, gebunden. Dadurch behält der Gefesselte den freien Gebrauch der Füße und ist dennoch am Entrinnen verhindert. Eine solche Schebah wurde dem Emir angelegt. Dann wendete sich Abd el Mot mit finsterer Miene an Schwarz:

»Jetzt sage nun du, wer du bist! Aber lüge nicht, sonst erhältst du die Peitsche!«

Hätte der in dieser Weise Angeredete die Gefühle, welche er jetzt empfand, beschreiben sollen, er wäre nicht fähig dazu gewesen, er hätte keine Worte zu finden vermocht. Haß, Ekel, Abscheu, Zorn – die Summe aller dieser Begriffe deckte sich nicht mit dem, was ihn jetzt erfüllte. Er wußte, daß man auch ihn an eine Schebah fesseln werde; aber er wußte ebenso, daß man gezwungen war, ihn gerade so wie den Emir einstweilen zu schonen. Darum sah er keine augenblickliche Veranlassung, durch höfliche oder gar kriechende Antworten eine mildere Behandlung, die ihm ja doch nicht geworden wäre, zu erstreben. Darum sah er Abd el Mot wie von oben herab an und sagte:

»Welches Recht hast du zu dieser Frage?«

Der Sklavenjäger war sehr erstaunt über diese Worte; das sah man ihm deutlich an. Er mußte sich erst besinnen, wie er sich verhalten solle; dann lachte er höhnisch auf:

 

»Allah thut Wunder! Solltest du etwa der Sultan von Stambul oder wenigstens der Chedive von Kahira sein? Deine Worte lassen so etwas vermuten. Ich frage, weil du mein Gefangener bist.«

»Mit welchem Rechte hast du mich überfallen und binden lassen?«

»Es hat mir so beliebt. Jetzt weißt du es. Du siehst uns hier auf einer Ghasuah, bei welcher man keine Spione duldet.«

»Ich bin keiner!«

»Lüge nicht! Ihr habt die Belanda vor uns warnen wollen.«

»Wer hat dir das gesagt?«

»Ihr selbst. Meine Leute haben es gehört, als die unten im Chor standen, um euch zu belauschen. Von wem habt ihr denn erfahren, daß wir nach Ombula wollen?«

»Von Leuten. welche es wissen.«

»Wer sind diese Leute?«

»Das wirst du vielleicht später erfahren. Ich habe dir keine Auskunft zu erteilen.«

»Nicht?« rief Abd el Mot in zornigem Tone. »Dann ist deine Zunge überflüssig; ich werde sie dir also auch herausnehmen lassen!«

»Pah! Das wirst du nicht wagen; es wäre zu deinem Verderben.«

»Wieso?«

»Ich bin kein Araber, sondern ein Europäer. Meine Regierung wird dich zur Rechenschaft zu ziehen wissen. Ich verlange augenblicklich frei gelassen zu werden. Gehorchst du dieser Forderung nicht, so kommen die Folgen über dich!«

Da schlug Abd el Mot ein lautes Gelächter auf und rief:

»Ich sehe, du bist ein Narr! Meinst du denn wirklich, daß ich deine Drohungen fürchte? Du bist ein Franke, folglich ein Christ?«

»Ja.«

»Allah verderbe dich! Ein Christ, ein Giaur! Und du wagst es, mir zu drohen! Wer hindert mich, dich augenblicklich erschießen zu lassen?«

»Das Gesetz.«

»Hier gilt kein Gesetz, sondern nur mein Wille. Wenn ich dich töte, wie will deine Regierung es erfahren? Und wenn sie es erfährt, wie will sie mich fassen und bestrafen? Nicht einmal die Macht des Großherrn oder des Vicekönigs reicht bis hieher, viel weniger die Gewalt der ungläubigen Schakals, welche du meinst, wenn du von deiner Regierung redest. Wir haben dich bei dem Emir gefunden. Du bist sein Freund und Gefährte und wirst also ganz dasselbe Schicksal wie er erleiden. Du kannst dasselbe nur dadurch mildern, daß du alle meine Fragen beantwortest und ein offenes Geständnis ablegst. Wie lautet dein Name?«

»Ich nenne ihn nicht, denn er ist zu gut und zu ehrlich für deine Ohren!«

»Seit wann befindest du dich bei dem Emir?«

»Das geht dich nichts an!«

»Wo und von wem habt ihr erfahren, daß wir nach Ombula wollen?«

»Wenn ich dir das sagte, so wäre ich ein ebenso großer Schurke wie du!«

»Mensch,« brauste Abd el Mot auf, »du wagst zu viel! Der Emir kann mich beleidigen, ohne daß ich ihn sofort töte, denn ich habe mich an ihm zu rächen und will mir das für später aufsparen. Mit dir aber habe ich nichts vor. Ich kann dich sofort töten, ohne mir dadurch ein späteres Vergnügen zu rauben. Wenn du mich noch ein einziges Mal beleidigst, so bist du verloren!«

»Das mag sein, du kannst mich ermorden, denn ich bin gefesselt und vermag mich nicht zu wehren. Hätte ich aber die Arme frei, so wollte ich dir zeigen, wie man mit einem Abendländer zu sprechen und zu verkehren hat! Übrigens denke ja nicht, daß du mir ungestraft das Leben nehmen kannst! Ich befinde mich nicht allein in dieser Gegend. Es sind Männer bei mir, welche die Macht besitzen, dich mit einem einzigen Fingerzeig zu vernichten!«

Dieser Trumpf wirkte. Abd el Mot machte eine weniger zuversichtliche Miene, als er fragte:

»Wer sind diese Leute?«

»Auch das geht dich nichts an. Ich gestehe dir überhaupt kein Recht zu, mich zu verhören und auszufragen. Ich will mich aber herbeilassen, dir freiwillig zu sagen, daß sie wissen, wo ich mich befinde und wohin ich will. Kehre ich nicht zurück, so nehmen sie an, daß du mich ermordest hast.«

»Warum wolltest du die Belanda warnen?«

»Weil ich ihr Freund bin.«

»Du kannst unterwegs verunglückt sein, ohne mich getroffen zu haben. Niemand wird mir etwas beweisen können!«

»Täusche dich nicht. Man wird jeden einzelnen deiner Leute streng verhören. Und wie wolltest du meinen Tod bei Abu el Mot verantworten? Kehre ich binnen vier Tagen nicht zurück, so wird man ihn gefangen nehmen. Du bist sein Untergebener, und was du thust, ist also gerade so gut wie seine eigene That.«

»Kennst du ihn?«

»Ja.«

»Und er dich?«

»Nein. Aber er wird, selbst wenn du mich tötest, mich und die Meinen kennen lernen!«

Das feste, sichere Auftreten des Deutschen blieb nicht ohne Eindruck. Er sah es wohl und beeilte sich, diesen Erfolg zum Vorteile seines so schwer bedrohten Gefährten auszunützen. Darum fuhr er fort:

»Ich verlange losgebunden zu werden, und fordere meine Waffen und alles zurück, was deine Leute mir abgenommen haben! Übrigens ist der Emir von Kenadem mein Freund, und was ihr ihm thut, rechne ich so, als ob es mir geschehen sei. Er wird ebenso gerächt werden, wie man mich rächen würde!«

Er mußte sofort erkennen, daß er zu weit gegangen war, denn Abd el Mot fuhr zornig auf:

»Mann, nimm dich in acht! Wenn einer hier zu fordern und zu gebieten hat, so bin ich es allein! Wer überzeugt mich denn, daß du die Wahrheit redest! Wer hindert mich, anzunehmen, daß du mich belügst, um freizukommen! Ist alles, was dem Emir geschieht, für dich so gut, als ob wir es an dir gethan hätten, nun so betrachte ich alles, was er gethan hat, auch so, als ob es von dir begangen worden sei. Soll ich ihn als deinen Freund behandeln, nun gut, so behandle ich auch dich als den seinigen. Du wirst also ganz dasselbe Schicksal haben wie er, und ich will ruhig abwarten, ob es wirklich so mächtige Leute gibt, welche ihn und dich an mir rächen können. Bringt auch für diesen Christenhund eine Schebah und bindet sie dann beide aneinander!«

Es wurde eine zweite Schebah gebracht und die Gabel derselben Schwarz um den Hals befestigt. Die Enden der beiden Stangen band man dann vorn an den Spitzen zusammen. Als dies geschehen war, höhnte Abd el Mot:

»So! Jetzt seid ihr als Freunde vereint, und ich will es gern erlauben, daß ihr euch euer Schicksal gegenseitig so viel wie möglich erleichtert. Es thut mir sehr leid, daß es euch unmöglich wird, die Belanda vor uns zu warnen. Da ihr darauf verzichten müßt, werde ich euch als Ersatz dafür eine andre Freude bereiten. Ihr sollt nämlich dabei sein, wenn wir das Dorf überfallen. Ich werde euch einen Platz anweisen, an welchem ihr alles genau beobachten könnt. Für jetzt aber wird man euch an einen Baum binden, damit euch nicht etwa der Gedanke kommt, mitsamt der Schebah lustwandeln zu gehen!«

Schwarz und Barak el Kasi wurden zu einem Baum geführt und dort angebunden. In dieser Situation an Flucht zu denken, wäre geradezu Wahnsinn von ihnen gewesen. Man denke sich zwei Menschen, welche an einen Baumstamm gefesselt sind, und dazu zwei schwere, hölzerne Deichseln, zwischen deren hintern, gespaltenen Teilen ihre Hälse stecken; diese Deichseln sind vorn in spitzem Winkel zusammengebunden, und außerdem hat man den Männern die Hände an dieselben gefesselt, so daß jeder von ihnen die Last seiner Deichsel halten und tragen muß.

So standen Schwarz und Barak el Kasi jetzt im Lager der Sklavenjäger.

Die einzige Erleichterung gewährte ihnen der Umstand, daß man sich jetzt nicht mehr um sie zu bekümmern schien. Die Leute waren mit den Vorbereitungen für den heutigen Abend beschäftigt, und keiner stand nahe genug, um hören zu können, was die beiden miteinander sprachen.

»Welch ein Unterschied!« knirschte der Emir. »Wie ganz anders hatte ich mir den Augenblick gedacht, an welchem ich den Räuber meines Kindes sehen würde! Ich wollte ihm als Richter und Rächer gegenübertreten, und nun befinde ich mich in seinen Händen! Statt daß er den Tod von meiner Hand empfängt, wird er mich langsam und grausam zu Tode martern!«