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Die Sklavenkarawane

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»Ob er es wagt!« warf der Deutsche ein, weniger weil er Hoffnung hegte, sondern um den Gefährten zu trösten.

»Er wird es wagen; darauf kannst du dich verlassen. Allah hat es gewollt; ich ergebe mich darein. Aber es betrübt meine Seele, daß ich dich mit in das Verderben gezogen habe.«

»Sprich nicht so! Auch ich trage die Schuld. Wir sind so unbegreiflich unvorsichtig gewesen, daß ich mich über das, was geschehen ist, gar nicht wundern kann. Wir hätten, bevor wir lagerten, die Umgegend absuchen sollen. Und sodann hatten wir uns ungeschickter Weise gerade so gesetzt, daß wir der Richtung, aus welcher allein eine Gefahr kommen konnte, den Rücken zukehrten. Ich habe unter wilden Völkerschaften gelebt und weiß ganz genau, was man in einer Lage, wie die unsrige war, zu beobachten hat.«

»Wenn sie uns nur nicht gar so plötzlich überfallen hätten!«

»Wir wären dennoch verloren gewesen. Einer Schar Neger hätten wir wohl widerstehen können, nicht aber mehreren Hundert solcher Teufel, die so gut bewaffnet sind. Ein Glück ist es, daß man uns wenigstens unsre Kleider gelassen hat. Nimmt man uns auch diese noch, so wird die Lage doppelt schlimm und grausam.«

»Bei Allah, ich würde gern sterben und gern alle Qualen erdulden, welche dieser Mensch sich nur ersinnen kann, wenn mein Sohn nicht ebenso wie ich zu leiden hätte!«

»Du glaubst also, was Abd el Mot dir von ihm sagte?«

»Du etwa nicht?«

»Nein.«

»Ich zweifle nicht!«

»Und ich halte seine Worte für Lüge. Er hat die Unwahrheit gesagt, um dich zu quälen, um dich doppelt unglücklich zu machen.«

»Meinst du? Es wäre ihm wohl zuzutrauen.«

»Glaube mir, es ist so, wie ich sage. Ich bin vollständig überzeugt, daß der ‚Sohn des Geheimnisses‘ dein Mesuf ist. Ich hoffe sogar, dir beweisen zu können, daß Abd el Mot gelogen hat.«

»Wie willst du das anfangen?«

»Warte nur, bis er wieder mit uns spricht!«

»Du spannst meine Seele auf die Folter. Und wenn du recht hättest, wenn der ‚Sohn des Geheimnisses‘ der Gesuchte wäre, was könnte es mir nun nützen? Ich bekomme ihn nun doch nicht zu sehen, und er wird niemals erfahren, wer sein Vater war. Wir beide werden ermordet, und da wir die Einzigen sind, welche davon wissen, so kann dann niemand es ihm sagen.«

»Noch sind wir nicht tot; noch leben wir!«

»Jetzt, heute, ja! Aber wie lange?«

»An eine Flucht ist unter den jetzigen Umständen freilich nicht zu denken; aber Abd el Mot selbst hat uns die Hoffnung gemacht, daß man sich während einiger Tage nicht an uns vergreifen werde. Er will dich mit Genuß martern, was doch nur daheim in der Seribah geschehen könnte. Bis dahin muß er bestrebt sein, uns die zum Marsche nötigen Kräfte zu erhalten. Heute wird Ombula überfallen; morgen gibt es einen Fest- und Jubeltag, und übermorgen hat man noch vollauf mit der Vorbereitung zum Rückzuge zu thun, welcher jedenfalls länger dauert, als der Ritt hieher. Sieben oder gar acht Tage sind also von heute an nötig, um die Seribah zu erreichen. So lange Zeit hätten wir Frist. Aber nun bedenke, was auf der Seribah geschehen ist! Wir werden uns natürlich hüten, Abd el Mot auch nur ein Wort davon zu sagen.«

»Meinst du, daß uns daraus ein Vorteil erwachsen könne?«

»Ganz natürlich! Wenn die Absicht gelingt, welche wir dem alten Feldwebel unterlegen, so ist es um Abd el Mot geschehen und wir sind frei.«

»Allah kerihm – Gott ist gnädig! Du träufelst Balsam in mein Herz.«

»Vielleicht können wir uns von der Schebah befreien. Dazu ist weiter nichts nötig, als daß es einem von uns beiden gelingt, die Hände los zu bekommen.«

»Das ist bei mir unmöglich. Man hat die meinigen so fest an das Holz gebunden, daß der Strick mir in das Fleisch schneidet.«

»Dies ist auch bei mir der Fall; aber der Strick wird nach und nach locker werden, und lieber werde ich mir das Fleisch von den Händen würgen, als mich töten lassen, ohne wenigstens den Versuch zu machen, dem Tode zu entgehen.«

Jetzt begannen die Sklavenjäger den Pferden, Kamelen und Ochsen die Reit- und Packsättel aufzulegen. Man rüstete zum Aufbruche, denn es waren nicht zwei volle Stunden mehr bis zum Anbruche des Abends. Abd el Mot kam zu den beiden und fragte:

»Ich darf euch wohl höflich um Verzeihung bitten, daß ich euch nicht erlauben kann, zu reiten? Ihr werdet gehen müssen. Dafür aber soll euch die große Auszeichnung widerfahren, daß ihr an mein eigenes Pferd gehangen werdet. Ich liebe euch so sehr, daß ich euch in meiner Nähe haben muß. Du, Emir, kannst dich dabei deines Sohnes erinnern, welchen ich damals in ganz derselben Weise transportiert habe.«

»Das wissen wir,« antwortete Schwarz in ruhigem Tone.

»Du, Giaur? Was willst du wissen?«

»Was du mit dem Knaben Mesuf vorgenommen hast.«

Abd el Mot warf einen langen, forschenden Blick auf den Deutschen und sagte dann höhnisch:

»Du träumst! Wo warst du denn zu jener Zeit?«

»Daheim in meinem Vaterlande. Doch Allah ist allmächtig und allweise und leitet die Menschen durch tausend Wunder. Ich kenne den Knaben, den du raubtest.«

»Unmöglich!« rief der Sklavenjäger, indem er einen Schritt zurücktrat.

»Ich sage die Wahrheit; ich lüge nicht wie du. Du hast deinen Zweck nicht erreicht, sondern das Gegenteil. Indem du den Emir kränken wolltest, hast du ihm das größte Entzücken bereitet.«

»Ich verstehe dich nicht!«

»So will ich deutlicher sprechen. Ich kenne den Emir erst seit drei Tagen, nicht aber seine früheren Schicksale. Da sprachst du vorhin mit ihm von seinem Sohne; das erweckte meine Aufmerksamkeit; nachdem wir hier angebunden worden waren, fragte ich ihn, und er erzählte mir alles. Allah hat es gewollt, daß ich seinen Schmerz in Freude verwandeln konnte, denn ich kenne seinen Sohn.«

Abd el Mot vermochte nicht, sich zu beherrschen; er machte eine Bewegung der Überraschung und rief aus:

»Wo ist er? Wo befindet er sich?«

»Nicht dort, wo du sagtest.«

»Wo sonst?«

»In sehr guten Händen, nämlich bei meinen Freunden und Gefährten. Er ist nicht blind und krank; er kann auch sprechen, denn du hast ihm die Zunge nicht herausgerissen! Er ist ein prächtiger Jüngling geworden, und sein Vater wird ihn mit Wonne an das Herz drücken.«

»Das soll er bleiben lassen!« brauste Abd el Mot auf. »Noch seid ihr meine Gefangene, und ich werde dafür sorgen, daß Vater und Sohn sich erst jenseits dieses Lebens zu sehen bekommen. Wer konnte ahnen, daß das Weib des Fürsten mit dem Knaben fliehen werde!«

Schwarz hatte ihn dahin, wohin er ihn hatte haben wollen. Der Zorn entreißt dem Menschen manches unbedachte Wort; darum war der Deutsche bestrebt, den Ärger des Sklavenjägers zu erhöhen, indem er sagte:

»Du hattest es nicht klug genug angefangen. Daß du den Knaben nicht weiter fortschafftest, läßt mich vermuten, daß Allah dir ein sehr kleines Gehirn gegeben hat.«

»Schweige, Schakal! Liegt der Mukambasee nicht weit genug von Dar Runga? Muß man nicht mehrere Monate reisen, um von da bis zu dem Volke der Matwa zu gelangen?«

»Das bestreite ich nicht. Aber der Erfolg sagt dir, daß du ihn noch weiter nach dem Süden hättest bringen sollen. Es war eine Dummheit, ihn an den Fürsten der Matwa zu verkaufen.«

»Schimpfe nicht, sonst sollst du noch vor mir zittern! Der Fürst zahlte den Preis von zehn schwarzen Sklaven für ihn; er wollte ihn mästen, um einmal das Fleisch eines Weißen kosten zu können. War ich schuld, daß sein Weib ihn nicht liebte, weil er sie geraubt hatte, daß sie ihm entfloh und den Knaben mitnahm, den sie liebgewonnen hatte?«

»So hättest du später nach ihr und ihm forschen sollen!«

»Gib mir keinen Rat! Ich brauche ihn nicht; ich weiß selbst, was ich zu thun habe. Die Frau ist niemals zu ihrem Volke zurückgekehrt. Ich war bis jetzt überzeugt, daß sie unterwegs mit dem Kinde umgekommen sei.«

»Nun. so kann ich dich eines andern belehren: sie leben beide, und die Frau hat erzählt, daß du ihn an den Fürsten verkauft hast. Sie hat dich vor einiger Zeit gesehen und erkannt.«

»Wo? Wo ist sie jetzt?«

»Daß ich ein Narr wäre, dir das mitzuteilen.«

»Sprich, ich befehle es dir!«

»Darüber brauche ich dir keine Auskunft zu geben. Ich liebe den Knaben, welcher zum Jüngling herangewachsen ist, und nun ich ganz zufällig seinen Vater gefunden habe, werden beide bald vereinigt sein.«

»In die tiefste Hölle werden sie miteinander fahren, und du mit ihnen, Giaur!« schrie Abd el Mot, indem er sein Messer zog und gegen Schwarz zückte.

Dieser blickte ihm groß und ruhig in die Augen und sagte:

»Stoß zu, wenn du es wagst! Dieser Stoß aber würde auch dein Leben mit vernichten, denn indem du mich tötest, ermordest du den einzigen, der dich retten kann!«

Es war ein ganz außerordentliches Staunen, mit welchem der Knabenräuber fragte:

»Retten? Du mich, du? Vor wem und vor was denn?«

»Vor der Rache Mesufs, des von dir entführten Knaben. Dieser Rache wegen ritt ich dir nach, um die Belanda zu warnen und dich zu verderben. Du hörst, daß ich ohne Furcht und aufrichtig bin. Allah fügte es, daß ich dabei auf seinen Vater traf, welchen er bisher vergeblich gesucht hatte. Er hat mächtige Beschützer bei sich, welche sich seiner angenommen haben, weil er der Sohn eines Emirs ist. Kehrst du zurück, so bist du des Todes, und dein Ende wird ein doppelt schreckliches sein, wenn man mich nicht wiedersieht und im Gegenteil erfährt, daß ich von deiner Hand gefallen bin.«

Der Deutsche sagte das in einer so überzeugenden Weise, daß Abd el Mot eine ganze Weile in schweigender Bestürzung dastand. Dann sagte er halb fragend, halb behauptend:

»Du lügst, um dich zu retten?«

»Denke, was du willst,« antwortete Schwarz, indem er die Achsel zuckte. »Dein Schicksal steht in deiner Hand!«

»So wartet man also auf mich?«

»Ja.«

 

»Wo?«

»Wie kannst du Fragen aussprechen, die du selbst an meiner Stelle nicht beantworten würdest! Meinst du, ich sei weniger klug wie du?«

»Ja, klug bist du, so klug und listig, daß man nicht weiß, ob du die Lüge oder die Wahrheit sagst.«

Er blickte finster vor sich nieder. Gern hätte er die Behauptungen des Deutschen angezweifelt; aber diese wurden in einer solchen Weise und mit solchem Nachdrucke gegeben, daß es schwer war, ihnen nicht zu glauben. Dann hob er langsam den Kopf, fixierte Schwarz mit einem durchbohrenden Blicke und fragte:

»Wenn es so ist, wie du sagst, wie wolltest du mich retten können. Wo will ich hin, wenn dieser Zug beendet ist? Ich muß zurück zu Abu el Mot, zur Seribah, denn dort habe ich mein Vermögen. Wollte ich auf deine Worte hin von hier entfliehen, so wäre ich zum Bettler geworden.«

Schwarz jubelte innerlich auf; er glaubte schon gewonnen zu haben und antwortete:

»Nun man einmal entdeckt hat, daß du der Entführer bist, nun man weiß, daß Abd el Mot der damalige Ebrid Ben Lafsa ist, kannst du nicht mehr entkommen. Du könntest gehen, wohin du wolltest, man würde dich finden. Es sind fünfzehn Jahre des Jammers, des Unglücks an dir zu rächen; bedenke das! Sage ich aber den Meinen, daß wir uns in deiner Gewalt befanden und du uns dennoch verschontest, so wird man auch gegen dich mild sein.«

»Dieser da aber nicht!«

Er deutete auf den Emir, welcher bisher kein Wort gesagt hatte und auch jetzt keine Antwort gab. Darum richtete er nun direkt an ihn die Frage:

»Was würdest du thun, wenn ich dir jetzt die Freiheit schenkte? Würdest du dich dann an mir rächen?«

Diese Frage wog schwer. Die Antwort darauf konnte, oder vielmehr sie mußte über das Schicksal der beiden Gefangenen entscheiden. Wenn der Emir seinem Feinde Verzeihung verhieß, so stand zu erwarten, daß dieser sie beide freigab. Aber sollte er auf seine Rache verzichten? Sollte der elende Missethäter straflos ausgehen? Nein, lieber sterben!

»Allah weiß es!« murmelte der Emir zweideutig.

»Das ist weder ein Ja, noch ein Nein,« antwortete Abd el Mot. »Ich frage dich im Namen des Propheten und der Kalifen und fordere dich auf, die Wahrheit zu sagen! Würdest du mir verzeihen oder dich dennoch rächen?«

»Allah weiß es!« wiederholte der Gefragte.

»Ist das die einzige Antwort, welche du für mich hast?«

»Ja.«

»So habe ich nichts mehr zu fragen. Allah entscheide zwischen dir und mir!« – Er wendete sich ab und ging fort. Da holte der Emir tief, tief Atem. Er mußte sich bezwingen, nicht laut auf zujubeln:

»Freund, Bruder, du hattest recht! Mein Sohn lebt; er lebt! Er ist nicht tot und auch nicht verstümmelt!«

»Ich wußte es,« nickte Schwarz, selbst bis ins tiefste Herz erfreut. »Und wie schön hat er uns alles gesagt, ohne zu ahnen, daß wir gar nichts wußten!«

»Ich sage dir, daß ich an seiner Stelle mir auch alles hätte entlocken lassen. Du bist wirklich listiger als Talab, der heimlich Schleichende. Wärst du ein Kadi, so würdest du alle Verbrechen entdecken. Aber sage, lebt die Frau wirklich noch, die mit meinem Sohne von ihrem Manne floh?«

»Das weiß ich nicht. Ich habe von ihr ja gar nichts gewußt! Aber warum beantwortetest du seine letzte Frage nicht?«

»Weil ich unmöglich konnte.«

»Ein Ja hätte uns vielleicht die Freiheit sofort wiedergegeben!«

»Und ein offenes Nein hätte zum sichern Tod geführt. Ich konnte keins von beiden sagen. Oder meinst du, daß ich meine und sogar auch deine Rettung einer Lüge verdanken möchte?«

»So kannst und wirst du nicht vergeben?«

»Nie!«

»Auf keinen Fall?«

»Niemals! Es würde eine Sünde gegen das Gesetz der Wüste, ja gegen das Gesetz des Propheten sein. Und selbst wenn ich diese beiden Vorschriften übertreten wollte, so würde mich mein Schwur daran verhindern. Ich habe Rache geschworen, und ich werde mich rächen. Was thätest du an meiner Stelle?«

»Nein. Unser Kitab el mukaddas befiehlt uns, die Rache Gott zu überlassen.«

»Auch wenn ihr geschworen habt?«

»Kein frommer Christ thut einen solchen grausigen Schwur, denn Isa Ben Marryam hat uns befohlen: ‚Liebet eure Feinde, segnet die, welche euch fluchen; thut wohl denen, die euch beleidigen und verfolgen!‘ Und hätte jemand dennoch einen solchen Schwur gethan, so würde er Gott bitten, ihn zurücknehmen zu dürfen.«

»Eure Lehre ist schön; sie ist gut für euch, falls ihr eure Feinde wirklich zu lieben vermögt; aber sie paßt nicht für diese Länder, nicht für die Wüste, nicht für uns. Auge um Auge, Blut um Blut, Leben um Leben, das ist unser Gesetz; wir müssen ihm gehorchen, und du darfst mir nicht zürnen, wenn ich es erfülle.«

»So bleiben wir also gefangen!«

»Ja. Ich habe dich lieb, aber ich kann selbst dich nicht durch eine Sünde retten. Werde ich schuld an deinem Tode, so mag Allah es mir vergeben, der ja auch der Gott der Christen ist.«

»Nun, was das betrifft, so brauchst du dir jetzt noch keine Vorwürfe zu machen. Ich weiß, daß meine Worte und Vorstellungen bei Abd el Mot haften geblieben sind; sie werden sicher, wenn auch langsam wirken. Ich habe ihn in Zwiespalt mit sich selbst versetzt, und wir müssen nun das Ergebnis in Ruhe erwarten.«

Er hatte die Worte kaum gesagt, so zeigte sich schon die erste der Wirkungen. Abd el Mot kam wieder herbei und fragte:

»In einigen Minuten brechen wir auf. Habt ihr Hunger oder Durst?«

»Nein,« antwortete Schwarz.

»Unterwegs erhaltet ihr nichts. Ihr seid also selbst schuld, wenn euch während des Marsches hungert oder dürstet.«

Er band sie los und führte sie zu den Lasttieren. Er selbst schlang einen Strick um die Spitze der beiden Halsgabeln und band denselben an den Sattel eines Lastochsen. Schwarz warf seinem Gefährten einen befriedigten Blick zu. Ohne die Mahnungen des Deutschen hätte der Sklavenjäger ihnen wohl nicht Speise und Trank angeboten und sie auch jetzt nicht an den Ochsen gebunden, nachdem er vorher gesagt hatte, daß er sie an sein eigenes Pferd fesseln werde. Es war also wohl Grund vorhanden, die Hoffnung auf Befreiung nicht ganz aufzugeben.

Jetzt erteilte Abd el Mot seine Befehle, und zwar laut, daß die Gefangenen es hören konnten. Von jetzt an befolgte er die Taktik, von welcher der Emir gesprochen hatte. Zwanzig Späher mußten auf den schnellsten Pferden voranreiten; ihnen folgten hundert andre, welche nach ihrer Ankunft das Dorf in weitem Kreise zu umstellen hatten. Darauf setzten sich die übrigen in Bewegung, teils zu Fuß, teils auf Ochsen reitend.

Diese Ochsen sind nicht die langsamen störrigen Tiere wie die unsrigen. Sie besitzen ein intelligenteres Auge und einen viel schnelleren und dabei sehr sicheren Schritt. Sie sind das Ergebnis hundertjähriger Zucht und dürfen keineswegs mit dem wilden Büffel verglichen werden.

Die Gefangenen mußten ziemlich rasch ausschreiten, um mit ihrem Ochsen Schritt zu halten. Die Schebah, welche jeder von ihnen trug, war von hartem, unzerbrechlichem Holze und wog wohl über dreißig Pfund. Diese Last war nicht übermäßig; aber die Gabel berührte bei jedem Schritte den nackten Hals und rieb ihn in der Folge wund. Später stellte sich noch ein zweiter Übelstand ein. Die vom Ellbogen aufwärts an die Schebah gefesselten Vorderarme waren diese Stellung oder Haltung nicht gewohnt und schliefen ein. Im übrigen war der Marsch mit keiner Beschwerde verbunden.

Abd el Mot hielt sich stets in ihrer Nähe und ritt meist hinter ihnen her, schien jedoch auf das, was sie sprachen, gar nicht zu achten. Übrigens unterhielten sie sich wenig, und wenn sie es thaten, nur mit gedämpfter Stimme. Er hatte das Gewehr des Deutschen übergehängt und dessen Revolver in seinen Gürtel gesteckt. Mit diesen Waffen liebäugelte er so fleißig, daß man merken konnte, wie stolz er auf dieselben war. Das Fernrohr blickte aus der Satteltasche hervor, und die Uhr, den Geldbeutel und das übrige Eigentum Schwarz‘ hatte er auch an sich genommen.

Man kam über ödes, langsam ansteigendes Land. Von fernher winkten kahle Berge. Als man ihren Fuß erreichte, stand die Sonne am Horizont, und es wurde angehalten und zum Mogreb abgestiegen. Diese gefühllosen Barbaren beteten zu Gott, obgleich sie im Begriff standen, eine himmelschreiende That auszuführen. Auch der Emir kniete trotz der ihn hindernden Sklavengabel nieder, um sein Gebet zu verrichten, und Schwarz folgte seinem Beispiele, vielleicht auch um die Moslemin nicht gegen sich aufzubringen, meist aber aus wirklichem Herzensbedürfnis.

Dann, als die Sonne verschwunden war, ging es weiter. Es wurde finster, und nun war es dem Deutschen nicht mehr möglich, die Landschaft zu sehen, durch welche sie kamen. Er bemerkte nur, daß es stets bergauf ging, oft über steile Gelände, oft durch enge Thäler. Einige Male kam man an Sümpfen vorüber, von denen sich Myriaden Stechfliegen erhoben, um sich auf Menschen und Tiere zu werfen und den Zug auf weite Strecken zu verfolgen. Dann fühlten die Gefangenen es schmerzlich, daß sie mit ihren gefesselten Händen nicht im stande waren, diese Blutsauger von sich abzuwehren.

Je später, desto heller wurde der Glanz der Sterne, der den Marsch wesentlich erleichterte. Zuweilen kehrte einer der Späher zurück, um eine leise Meldung zu machen. Endlich, vielleicht eine Stunde vor Mitternacht, gebot Abd el Mot Halt.

Schwarz strengte seine Augen an, vielleicht das Dorf zu sehen, doch vergeblich. Boten kamen und gingen wieder; der Anführer verkehrte leise mit ihnen. Sämtliche Reit- und Lasttiere wurden unter der Obhut einer Anzahl Wächter nach einem sicheren Orte geschafft; kleine Abteilungen der Asaker marschierten ab, geradeaus, nach rechts und nach links, und endlich hielt Abd el Mot nur noch mit zehn Männern bei den Gefangenen, welche natürlich von ihrem Ochsen losgebunden worden waren.

»In kurzer Zeit werdet ihr sehen, wie man es machen muß, um Sklaven zu bekommen,« sagte er. »Denkt aber, wenn es losgeht, ja nicht, daß ihr diese Gelegenheit zur Flucht benützen könnt! Ihr würdet augenblicklich erschossen werden!«

Dem Deutschen war traurig zu Mute; er dachte nicht an sich, sondern an die armen, unschuldigen und nichts ahnenden Schwarzen, welche auf eine so entsetzliche Weise aus ihrer Ruhe gestört werden sollten.

»Liegt das Dorf in der Nähe?« fragte er, doch ohne Hoffnung, eine Antwort zu erhalten.

Er erhielt doch eine. Abd el Mot selbst gab sie ihm:

»Ja. Ihr werdet mit bis an die Umzäunung gehen und alles sehen.«

»Ist der Überfall unwiderruflich beschlossen?«

»Allah! Wer soll ihn widerrufen, und warum?«

»Bedenke, daß sie dir nichts gethan haben und Menschen sind wir du!«

»Schweig!« erhielt er barsch zur Antwort. »Ich habe dich nicht gefangen, um mich von dir belehren zu lassen. Diese Schwarzen sind wie das Vieh. Sie fühlen nichts und lecken die Hand, von welcher sie geschlagen werden. Sage mir vielmehr jetzt, wie man dein Gewehr zu handhaben hat. Ich weiß, es ist besser als alle unsre Flinten, aber ich weiß nicht, wie es geladen wird.«

»Willst du damit auf die Neger schießen?«

»Was soll ich sonst damit wollen!«

»So hänge es getrost wieder um! Ich will nicht durch eine solche Belehrung den Tod dieser Menschen verschulden.«

»Hund! Wirst du gehorchen oder nicht?«

»Nein!«

»Ich töte dich!«

»Immer zu!«

Abd el Mot besann sich, hing das Gewehr wieder um und sagte:

»Jetzt nicht. Du wirst deine Strafe später empfangen. Vorwärts!«

Zwei Mann nahmen Schwarz und zwei andre den Emir bei der Gabel und zogen sie mit sich fort. Die andern folgten leise, bis sich eine hohe dunkle Masse vor ihnen erhob, welche nach beiden Seiten mauerähnlich in der Finsternis verlief. Das war die Dornhecke, von denen bekanntlich zwei, eine innere und eine äußere, das große Dorf Ombula umgaben.

Schwarz hatte während des ganzen Marsches bis hieher nachgedacht, ob es nicht doch ein Mittel gebe, das Dorf zu retten; aber es war ihm keins eingefallen. Jetzt kam ihm ein Gedanke, aber ein Gedanke, dessen Ausführung ihm unbedingt das Leben kosten mußte. Dennoch war er entschlossen, sein Leben für dasjenige vieler zu opfern.

»Ich rette das Dorf doch noch,« raunte er dem Emir zu.

»Wie denn?« flüsterte dieser.

»Ich werde mit aller Macht meiner Stimme schreien, daß man es durch ganz Ombula hört und alle Schläfer davon erwachen.«

»Allah behüte dich! Du gibst dein Leben hin, ohne einen einzigen zu retten. Das Dorf ist eingeschlossen, und kein Mensch kann entkommen. Dein Rufen würde das Elend nur erhöhen, denn es ist besser, im Schlafe, als im Wachen erschlagen zu werden.«

Das waren triftige Gründe; dennoch öffnete Schwarz bereits den Mund, um seinen todesmutigen Vorsatz auszuführen, als einer der Unteroffiziere herbeikam, um dem Anführer zu melden:

 

»Es kann beginnen. Alle stehen bereit. Die Wächter des Eingangs sind still umgebracht worden, und auch der Pferch der Tiere ist umstellt.«

Da mußte Schwarz freilich einsehen, daß sein Opfer vollständig nutzlos gewesen wäre.

»Brenn an, den andern zum Zeichen,« gebot Abd el Mot dem Manne.

Dieser kauerte sich nieder – ein leiser Klang von Stahl und Stein – ein springender Funke – eine glimmende Flintenlunte und dann ein kleines Flämmchen, welches rasch anwuchs, sich zerteilte und dann in zehn, zwanzig Zickzackschlangen an der ausgedorrten Hecke emporlief. Wenige Sekunden später stand an dieser Stelle die Einfriedigung bereits mehrere Meter breit in Flammen, welche so schnell weiterliefen, als ob der Zaun aus geöltem Papier bestanden hätte.

Zur Rechten und zur Linken, fern und nahe, zuckten gleiche Flammen auf. Nach Verlauf von zwei Minuten stand die Umzäunung des ganzen Dorfes in hellen, haushoch emporschlagenden und keine Lücke lassenden Flammen. Von jenseits erschallten angstvolle Rufe, von Schüssen beantwortet.

»Die Wächter bei den Herden sind erwacht; sie werden erschossen,« erklärte Abd el Mot mit teuflischer Freude.

»Jetzt geht es los. Ihr werdet die Dscharahdin gleich winseln hören.«

Ein starker Luftzug, von den Flammen aufgeweckt, begann zu wehen, und die Stimme des Feuers ging wie das Brausen einer fernen Brandung durch die grell erleuchtete Nacht. Hierein mischten sich einzelne Schreie, welche den Lippen derer entsprangen, die durch die Schüsse aus dem Schlafe geweckt wurden. Die Bewohner des Dorfes waren erwacht. Sie sprangen aus ihren Tokuls und erkannten mit Entsetzen, daß die Umzäunung brannte. Noch war ihnen die ganze Größe ihres Unglücks verborgen.

Sie weckten die noch Schlafenden, um im Vereine mit ihnen das Feuer von ihren Hütten abzuwehren. Aber die umherfliegenden Funken fielen auf die aus dürrem Schilfe bestehenden Dächer und steckten diese trotz aller Bemühung der Bewohner in Brand. Bald standen sämtliche Tokuls in Flammen. Die Neger konnten es in der Glut nicht aushalten. Aber wohin? Durch die brennende Umzäunung konnten sie nicht ins Freie; Auswege gab es nur durch die Thore. Diese pflegten des Tages offen zu stehen und des Nachts mit Schilfmatten verhängt und durch Krieger bewacht zu werden. Diese letzteren waren von den Sklavenjägern aber überrascht und ermordet worden. Die Matten hatten sich schnell in Asche verwandelt, da sie aus einem Materiale bestanden, welches vom Feuer in wenigen Augenblicken verzehrt wird. Darum waren die Thore die einzigen Punkte, wo man aus der alles versengenden Glut hinaus ins Freie konnte. Diesen Stellen eilten die Unglücklichen zu.

Aber die Sklavenjäger hatten das vorberechnet und sich in ausreichender Anzahl dort postiert. Jeder erwachsene Belanda, welcher vor einem der Thore erschien, wurde sofort erschossen; dasselbe Schicksal erlitten die alten Frauen. Die jüngeren Personen riß oder schlug man nieder und band sie mit Stricken, welche zu diesem Zwecke in großem Vorrate auf den Lasttieren mitgebracht worden waren.

Die Scene, welche das gab, läßt sich unmöglich beschreiben. Männer kamen gesprungen, mit Kindern auf den Armen, die sie retten wollten. Sie stürzten, von den Kugeln getroffen, nieder, und dann riß man die Kinder aus ihren Armen. Hier kam eine alte Frau durch das Thor gerannt, laut aufjubelnd, daß sie dem Feuer entgangen war; in demselben Augenblicke wurde sie mit dem Kolben niedergeschmettert. Ein junges Weib flüchtete sich, zwei Knaben nach sich ziehend, durch das Thor. Die Kinder wurden ihr sofort entrissen; sie selbst warf man sofort nieder, um sie an Händen und Füßen zu binden. Ein stämmiger Neger, welcher in weiten Sätzen zwischen den brennenden Tokuls nach dem Thore rannte, wurde von der Kugel nicht tödlich getroffen. Er erhielt mit dem Flintenlaufe einen Stoß vor den Magen, so daß er niederstürzte; dann schnitt man ihm die Achillessehne durch, so daß der Ärmste nicht entspringen konnte.

Es geschahen ähnliche und noch viel schlimmere Thaten, so daß sich die Feder sträubt, sie zu beschreiben. Aus den einzelnen Schreien, welche man zuerst gehört hatte, war ein allgemeines Geheul und Gebrüll geworden. Die Neger hatten erkannt, daß sie es nicht mit einem zufällig ausgebrochenen Feuer, sondern mit einer Ghasuah zu thun hatten, welcher sie nicht entrinnen konnten. Die Männer wußten, daß sie dem unerbittlichen Tode verfallen seien. Viele von ihnen rotteten sich zusammen, um kämpfend zu sterben. Da sie aber keine Zeit gefunden hatten, ihre Waffen dem Feuer zu entreißen, so waren sie nur auf ihre Fäuste angewiesen und wurden schnell niedergemetzelt. Andre hatten ein Messer gefunden und benützten dasselbe, sich selbst den Tod zu geben, indem sie sich damit erstachen. Einige sprangen freiwillig in die lodernden Flammen und rissen ihre Frauen oder Kinder mit hinein, um sie vor der Sklaverei zu retten.

Schwarz war es unmöglich, solche Scenen anzusehen. Er wendete sich ab. Er fühlte sich unbeschreiblich unglücklich, nicht etwa aus Sorgen um sich selbst, sondern weil er gezwungen war, Zeuge dieser Grausamkeiten zu sein. Das Heulen der unglücklichen Neger, das Jauchzen der Sklavenjäger wollte ihm die Besinnung rauben. Die letzteren kamen ihm im Scheine der lodernden Flammen wie Teufel vor, welche um die Seelen der Verdammten ihre höllischen Reigen tanzen. Hätte es ihm ein Wort gekostet, sie alle in den Tod zu schicken, er hätte es gethan, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen.

Als seit dem Aufzucken der ersten Flamme eine halbe Stunde vergangen war, sah man das grausige Werk vollendet. Es erschien kein Neger mehr, um sich aus den Flammen zu retten. Wer sich nicht in den Händen der Sklavenjäger befand, war von denselben getötet worden oder im Feuer umgekommen.

Draußen vor dem brennenden Dorfe befanden sich die erbeuteten Herden, von einer Anzahl Asaker bewacht. Die andern hüteten die Gefangenen. Diese befanden sich in einem Zustande teils der größten Aufregung, teils der tiefsten Niedergeschlagenheit. Die meisten saßen am Boden, still weinend oder lautlos vor sich hinstarrend. Andre rasten zwischen diesen umher, gebärdeten sich wie wahnsinnig und brüllten vor Verzweiflung wie wilde Tiere. Sie wurden mit der Peitsche sehr bald zur Ruhe gebracht.

Nun gebot Abd el Mot die Beute zu zählen. Die Unteroffiziere gingen umher, um die Gefangenen mit Kennerblicken zu mustern. Die einzelnen »Arten« wurden voneinander geschieden und zu Gruppen vereinigt. Man hatte gegen vierhundert Knaben, ebensoviel Mädchen und fast zweihundert jüngere Frauen erbeutet. Außerdem gab es noch viele kleine Kinder, welche man ihren Müttern einstweilen noch ließ. Im ersten Augenblick war es notwendig gewesen, den Gefangenen auch an die Füße Fesseln zu legen; dann aber hatte man sie von denselben befreit, um ihnen die notwendigste Beweglichkeit zu gestatten. Sie wurden wieder zusammengetrieben und mußten sich niedersetzen. An die Flucht dachte keine dieser unglücklichen Personen. Sie waren ja rund von bewaffneten Männern umstellt, und man hatte ihnen gedroht, daß wer es wage, von seinem Platze auch nur aufzustehen, augenblicklich erschossen werde.

An einen Schlaf war nicht zu denken, weder bei den Gefangenen, noch bei den Sklavenjägern. Diese letzteren hatten noch nie einen so reichlichen Fang gemacht. Beinahe tausend Sklaven, ohne das Vieh, welches eine ebenso wertvolle Beute war! Das machte diese Menschen beinahe wonnetrunken. Sie jubelten, lachten und scherzten und erzählten einander die Heldenthaten, welche sie ausgeführt hatten, indem sie die fliehenden Männer erschossen, erstachen oder niederschlugen.

Abd el Mot war stolz auf das Gelingen seines Raubzuges; er befand sich in der heitersten Laune. Die Folge davon war, daß er in fast freundlichem Tone zu dem Deutschen sagte:

»Ihr werdet Hunger haben. Soll ich euch zu essen geben lassen?«

»Nein,« antwortete Schwarz. »Ich bin satt, vollständig satt. Wer könnte jetzt ans Essen oder Trinken denken!«

»Ganz wie du willst! Freust du dich nicht, so viele Gefährten bekommen zu haben, denen du dein Unglück klagen kannst?«