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Die Sklavenkarawane

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Allah yak fedak – Gott schütze dich, Effendi, denn deine Gedanken gehen irr. Was gehen mich die Leute an, welche hinter uns kommen!«

»Sehr viel, wie es scheint, sonst hättest du es nicht unternommen, das Mißtrauen, welches ich gegen sie hege, durch eine Unwahrheit zu zerstreuen.«

»Aber ich sage dir, daß ich mir keiner Lüge bewußt bin!«

»Nicht? Behauptetest du nicht, diese Gegend sei so sicher wie der Schoß des Propheten?«

»Ja, und so ist es auch.«

»Das sagst du, weil du weißt, daß ich ein Fremder bin. Du bist der Überzeugung, daß ich die Verhältnisse des Landes nicht kenne. Ja, die Reitpfade desselben sind mir unbekannt, obwohl ich sie mit Hilfe meiner Karten wahrscheinlich ohne deine Hilfe auch finden würde, aber das übrige kenne ich jedenfalls besser als du. In meiner Heimat gibt es Bücher und Bilder über alle Länder und Völker der Welt. Durch diese lernt man die Völker zuweilen besser kennen als diejenigen, welche zu ihnen gehören. So weiß ich auch ganz genau, daß man hier keineswegs so sicher ist wie im Schoße des Propheten. Hier ist viel, viel Blut geflossen. Hier, wo wir uns befinden, haben die Nuehr-, Schilluk- und Denkavölker miteinander gestritten. Hier sind die Dschur und Luoh, die Tuitsch, die Bahr, Eliab und Kiëtsch, die Abgalang, die Agehr, Abugo und Dongiol aufeinander getroffen, um sich zu ermorden, zu zerfleischen und auch gar wohl – aufzufressen.«

Der Schech war ganz steif vor Erstaunen.

»Effendi,« rief er von seinem Kamele herüber, »das weißt du; diese Völker kennst du, sie alle!«

»Ja, genauer jedenfalls als du! Und ich weiß auch noch mehr. Ich weiß, daß gerade da, wo wir jetzt reiten, zu nächtlicher Zeit sich die entsetzliche Ghasuah vorüberschleppt, um dem Pascha zu entgehen, welcher in Faschodah ein Auge auf die Sklavenjäger hat. Da ist mancher arme Schwarze ermattet niedergesunken und durch einen Hieb, eine Kugel für immer stumm gemacht worden. Unten am Mokren el Bohur werden die Ärmsten aus den Schiffen geladen und quer über das Land geschafft, um oberhalb Faschodahs wieder eingeladen und vor Chartum verkauft zu werden. Da hat mancher seinen letzten Seufzer ausgehaucht; mancher hat hier den Todesschrei in die finstere Nacht hinausschallen lassen. Und das nennst du eine Gegend, welche man mit dem Schoße des Propheten vergleichen kann? Ist es möglich, eine größere Lüge auszusprechen?«

Der Schech blickte finster vor sich nieder. Er fühlte sich geschlagen und durfte es doch nicht eingestehen. Darum antwortete er nach einigen Augenblicken:

»An die Ghasuah dachte ich nicht, Effendi. Ich dachte nur an dich und daran, daß du hier sicher bist. Du befindest dich in unserm Schutze, und ich möchte den sehen, welcher es wagen wollte, ein Haar auf deinem Haupte zu krümmen!«

»Ereifere dich nicht! Ich sehe klar und weiß genau, was ich zu denken habe. Sprich nicht von Schutz! Ich habe euch gemietet, damit ihr meine Sachen auf euern Kamelen nach Faschodah bringen möchtet; auf euern Schutz aber habe ich nicht gerechnet. Ihr selbst bedürft vielleicht des Schutzes mehr als ich.«

»Wir?«

»Ja. Hast du vielleicht die Schillukneger gezählt, welche die Leute deines Stammes hier raubten und als Sklaven nach Dar Fur brachten? Besteht etwa nicht deshalb ein unersättlicher Haß, ja eine Blutrache zwischen euch und ihnen? Befinden wir uns jetzt nicht auf dem Gebiete der Schilluk, welche, wenn sie euch sähen, sofort über euch herfallen würden? Warum habt ihr den Karawanenweg verlassen und mich durch einsame Gegenden gebracht? Um den Weg abzukürzen, wie du vorhin sagtest? Nein, sondern um nicht auf die Schilluk zu treffen. Vielleicht gibt es auch noch einen andern Grund.«

»Welchen?« fragte der Schech, der sich durchschaut sah, ziemlich kleinlaut.

»Den, mich hier umzubringen.«

»Allah, Wallah, Tallah! Welche Gedanken werden in deiner Seele laut!«

»Du selbst bist schuld daran. Denke an die Karawane, welche uns folgt! Es ist vielleicht die Gum, welche mich überfallen soll. Es gelüstet euch nach meiner Habe, welche ihr nicht erhalten könnt, so lange ich lebe. Auf euerm Gebiete könnt ihr mich nicht töten, der Verantwortung wegen, die euch sicherlich nicht erspart bleiben würde. Darum führt ihr mich durch unwegsame Gegenden nach dem einsamen Bir Aslan, wo die That geschehen soll, ohne daß ein Zeuge die Mörder verraten kann. Findet man dann meine Leiche, so geschah der Mord auf dem Gebiete der Schilluk und wird diesen zur Last gelegt. Auf diese Weise habt ihr dann zwei Vorteile zugleich erreicht, nämlich meine Habe und die Rache an den Schilluk.«

Er hatte das in einem so gleichmütigen, ja sogar freundlichen Tone gesagt, als ob es sich um etwas ganz Alltägliches und Angenehmes handle. Seine Worte machten einen ungeheuren Eindruck auf die Araber. Nach ihren Waffen zu greifen wagten sie nicht. Was waren ihre langen Feuersteinflinten gegen seine Waffen! In dieser Beziehung war er, der einzelne, ihnen überlegen. Aber sie mußten doch etwas thun, um sich den Anschein zu geben, als ob sie sich durch seine Anklage ganz unschuldig beleidigt fühlten. Darum hielten sie ihre Kamele an und erklärten, daß sie keinen Schritt weiterreiten, sondern die Lasten abladen und heimkehren würden.

Der Fremde lachte laut auf.

»Das werdet ihr nicht thun,« meinte er. »Wie wollt ihr ohne Wasser zurückkehren? Ihr müßt unbedingt nach dem Brunnen des Löwen. Übrigens habe ich euch mit Absicht nicht vorher bezahlt. Ihr sollt erst in Faschodah euer Geld erhalten, und wenn ihr mich nicht bis dorthin bringt, so bekommt ihr keinen einzigen Piaster. Was meinen Verdacht betrifft, so habe ich denselben ehrlich ausgesprochen, um euch zu beweisen, daß ich euch nicht fürchte. Ich habe es mit weit schlimmeren Gesellen zu thun gehabt, als ihr seid, und es ist euch gar nichts als der kleine Fehler vorzuwerfen, daß ihr mich nicht kennt. Ist meine Vermutung falsch, so bitte ich euch um Verzeihung. Aus Erkenntlichkeit werde ich in Faschodah ein Rind schlachten lassen und es unter euch allein verteilen. Und zu der Bezahlung, welche wir für eure Dienste festgesetzt haben, werde ich ein Bakschisch fügen, welches ihr zum Schmucke eurer Frauen und Töchter verwenden könnt.«

Das war eine nach hiesigen Verhältnissen sehr gute Aussicht, welche er ihnen eröffnete; aber ihr Groll wurde durch dieselbe keineswegs beseitigt, obgleich sie sich den Anschein gaben, als ob sie sein Versprechen mit ihm versöhnt habe. Sie wußten ja genau, daß er den kommenden Morgen nicht erleben werde. Um ihn sicher zu machen, erklärten sie, ihn weiterbegleiten zu wollen, wenn er seinen Verdacht fallen lasse und sein Versprechen zu halten beabsichtige. Er war damit einverstanden, bewies aber schon im nächsten Augenblicke, daß sein Mißtrauen noch fortbestehe, denn er ritt von jetzt an als letzter in der Reihe, während er sich bisher mit dem Schech stets an der Spitze befunden hatte.

Sie thaten, als ob sie das nicht beachteten, aber einige Zeit, nachdem der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, that der Schech so, als ob er dem jetzt an seiner Seite reitenden Homr die Gegend erkläre; er deutete mit dem erhobenen Arme bald nach vorn, bald nach rechts oder links, sagte aber dabei in verbissenem Tone:

»Dieser Hund ist weit klüger, als es den Anschein hatte. Er kennt dieses ganze Land, alle Bewohner desselben und auch alle Ereignisse, welche hier geschehen sind.«

»Und hat alles, was wir beabsichtigen, ganz genau erraten,« fügte der andre hinzu. »Möge der Schetan ihn beim Schopfe nehmen!«

»Am liebsten möchte ich das thun!«

»Wer verwehrt es dir?«

»Seine Waffen.«

»Kann nicht einer von uns zurückbleiben und ihm von hinten eine Kugel in das Herz jagen?«

»Versuche es! Das Beste wäre es. Wir brauchten nicht bis früh zu warten und hätten die Beute nicht mit Abu el Mot zu teilen. Seine Leiche ließen wir liegen, ritten nach dem Brunnen, füllten unsere Schläuche und kehrten während der Nacht zurück. Morgen wären wir schon weit von hier, und kein Mensch wüßte, wessen Kugel den Hund getroffen hat.«

»Soll ich ihn erschießen?«

»Ich wollte nicht, daß er von uns getötet werde; nun er uns aber das Gesicht in solcher Weise schamrot gemacht hat, mag er von deiner Kugel sterben.«

»Was erhalte ich dafür?«

»Die goldene Kette an seiner Uhr.«

»Natürlich außer dem Beuteanteil, welcher überhaupt auf mich kommt?«

»Natürlich.«

»So mag es geschehen. Ich drücke das Gewehr so nahe hinter ihm ab, daß ihm die Kugel zur Brust herauskommt.«

Er hielt sein Kamel an und stieg ab; dann schnallte er an dem Sattelgurte herum, als ob derselbe sich gelockert habe. Die andern ritten an ihm vorüber. Der Fremde aber hielt bei ihm an und sagte in freundlich mahnendem Tone:

»Du mußt dir merken, daß man das stets vor dem Aufbruche thut. Durch das Absteigen verminderst du unsre Eile. Folge uns also, wenn du fertig bist, schnell nach. Dein Tüfenk ist fast unter das Kamel geraten; es könnte leicht zerbrochen werden, und ich will es lieber einstweilen an mich nehmen.«

Er langte von seinem hohen Sitze mit dem Metrek herab, steckte denselben unter den Riemen der am Sattelknopfe hängenden Flinte und hob dieselbe zu sich herauf. Dann ritt er lächelnd weiter.

Der Araber machte ein unbeschreiblich enttäuschtes Gesicht. Die Flinte war fort und eine Pistole hatte er nicht. Ein Überfall mit dem Messer vom hohen Kamelsattel aus war aber ganz unmöglich.

»Ob er es ahnt, dieser Sohn und Enkel des Teufels!« knirschte er. »Dieser Versuch ist mißglückt; aber bald wird es Nacht. Dann sieht er es nicht, wenn man auf ihn zielt, und ich kann ihn doch noch erschießen, ehe wir den Brunnen erreichen.«

Er folgte, nachdem er wieder aufgestiegen war, den Vorangerittenen. Als er an dem Fremden vorüberkam, reichte ihm dieser die Flinte mit den Worten zurück:

»Der Feuerstein ist ja zerbrochen und ausgefallen. Du kannst also heute nicht schießen. Morgen aber werde ich dir einen neuen geben. Ich habe welche im Gepäck.«

 

Es war klar, daß er den Stein heraus geschraubt hatte. Der Schech erkannte nun abermals, daß er durchschaut sei, und brannte nun förmlich darauf, dem Giaur die tödliche Kugel geben zu lassen oder auch selbst zu geben. Dieser aber ritt mit dem gleichmütigsten Gesicht hinterdrein, doch hatte er das eine Gewehr, welches vorher am Sattelknopfe hing, schußbereit in der Hand und beobachtete jede Bewegung seiner Begleiter mit scharfem Auge.

Die Zeit verging, und das Land wurde hügelig. Eine wenn auch unbedeutende Höhenkette zog sich hier von Norden nach Süden und brachte einige Abwechselung in das Landschaftsbild. Als sie durchquert war, kamen die Reiter wieder in die Ebene, wo, wie sie sahen, ein spärliches Gras gestanden hatte, welches aber von der Sonne vollständig versengt war. Mehr und mehr neigte sich diese dem Horizonte zu. Als sie ihn erreichte, hielt der Schech sein Tier an und rief im Tone eines Muezzin:

»Haï es sala – auf zum Gebete! Die Sonne taucht in das Meer des Sandes, und die Zeit des Moghreb ist gekommen!«

Sie stiegen alle ab und beteten in der bereits beschriebenen Weise. Fünfmal täglich hat der Moslem seine Andacht zu verrichten und sich dabei zu waschen, mag er sich nun zu Hause oder sonstwo befinden. Diese Gebete sind: el Fagr früh beim Aufgange der Sonne, el Deghri um die Mittagszeit, el Asr drei Stunden später, die Aufbruchszeit aller strenggläubigen Reisenden, el Moghreb beim Sonnenuntergange und endlich el Aschia eine Stunde später.

Es versteht sich, daß diese Zeiten nicht stets und überall streng eingehalten werden, und je weiter die abendländische Kultur im Osten vorschreitet, desto schwerer wird es dem Muselmann, diesen Vorschriften Folge zu leisten.

Als die Fathha gesprochen worden war, stiegen alle wieder auf, und der Ritt wurde fortgesetzt. Der Fremde war im Sattel geblieben. Es war ihm nicht zuzumuten, an ihrem Gebete teilzunehmen oder auch nur nach europäischer Sitte durch Entblößung des Hauptes ein Zeichen der Ehrfurcht zu geben. Er hätte sich damit entehrt, da der Mohammedaner es für eine Schande hält, den Kopf unbedeckt sehen zu lassen. Nur allein der Mezaijin hat das Vorrecht, den Anblick frommer, kahl geschorener Schädel, auf denen nur die mittelste Locke stehen bleiben darf, zu genießen. Diese Locke ist für den Muselmann sehr notwendig, weil ihn, wenn er auf dem Pfade strauchelt, welcher nach dem Tode in das Paradies führt und der nur so breit ist wie die Schärfe eines Barbiermessers, der Engel Gabriel bei diesem Haarschopfe faßt, um ihn fest zu halten und nicht in die Hölle hinabstürzen zu lassen.

Wenn die Sonne in südlichen Gegenden hinter dem Horizonte verschwunden ist, so tritt die Nacht sehr schnell herein. Eine Dämmerung wie bei uns ist dort unbekannt. Darum trieb Abu ‚l arba ijun, der Vater der vier Augen, die Araber jetzt zu größerer Eile an. Noch waren sie nicht weit gekommen, so sahen sie einen kleinen Reiterzug von Norden her sich im spitzen Winkel auf ihre Richtung zu bewegen. Es war eine Dschelaba, eine Handelskarawane, und zwar eine der anspruchslosesten, ja ärmlichsten Art.

Die acht Männer, aus denen sie bestand, saßen nicht etwa auf stolzen Rossen, auf hohen, langbeinigen Hedschins oder wenigstens auf gewöhnlichen, ordinären Lastkamelen, o nein, sondern sie hingen in den verschiedensten und keineswegs eleganten Stellungen auf jener Art von Tieren, deren Abbild früher unfleißigen Schuljungen als abschreckende Auszeichnung auf Holz gemalt um den Hals gehängt wurde – auf Eseln .

Der Zug glich also keiner jener großen, aus mehreren hundert Kamelen bestehenden Handelskarawanen, welche die Mittelmeerstaaten mit den großen Oasen der Sahara verbinden; es war vielmehr eine echt sudanesische Dschelaba, deren Anblick meist geeignet ist, Mitleid zu erwecken. Diese Handelszüge entstehen folgendermaßen:

Der Sudanese ist kein Freund der Arbeit und Anstrengung. Hat er sich als Matrose, als Diener oder in irgend einer andern leichten und vorübergehenden Stellung einige Mariatheresiathaler verdient, so wird er Handelsherr, welcher schöne Beruf ihm am meisten zusagt. Dazu ist vor allem andern der Ankauf eines Esels notwendig, welcher nur einen Teil des Kapitals verschlingt. Dann müssen zwei Gurab, lederne Säcke, angeschafft werden, welche die Handelsartikel aufzunehmen haben und auf der Reise zu beiden Seiten des Esels am Sattel hangen. Und drittens werden die im Lande gangbarsten Waren, durch welche der Handelsherr Millionär werden will, eingekauft. Diese bestehen in Khol, der bekannten Augenschwärze, in kleinen Stücken Rindstalg, mit denen sich die Stutzer des Sudans die Adonisgestalt einschmieren, um ein glänzendes Aussehen zu erhalten, in ebenso kleinen Salzwürfeln, die in Gegenden, wo es kein Salz gibt, eine sehr gesuchte und gut bezahlte Ware bilden, in einigen Stecknadeln, dem höchsten Schatze der Negerinnen, in wohlriechenden Sächelchen, bei deren Duft wir uns aber die Nase zuhalten würden, in andern ähnlichen Kleinigkeiten und vor allen Dingen in einigen Ellen Baumwollenzeug, da dies im Süden als Münze gilt. Je weniger man zu bezahlen hat, desto kleiner ist das Stückchen, welches von dieser Münze abgeschnitten wird.

Zum Schutze dieses Kauf- und Spezereiladens ebenso wie zum Schutze seines hoffnungsvollen Besitzers wird nun irgend eine fürchterliche Waffe angekauft, ein Schleppsäbel ohne Schneide, eine alte, entsetzlich weite Luntenpistole, welche in der Rumpelkammer des Trödlers von Mäusen bewohnt wurde, die vergnügt zum Zündloche herausschauten, oder gar ein flintenähnliches Mordinstrument, welches neben unzählichen andern guten Eigenschaften auch diejenige hat, nicht loszugehen, selbst wenn man sie ganz mit Pulver füllt und in einen glühenden Ofen steckt. Notabene nimmt an diesem Erfolge das Pulver ebenso großen Anteil wie die Mordmaschine selbst. Diese Waffen werden von ihrem Besitzer natürlich für unbeschreiblich wertvoll gehalten, aber nie im Ernst gebraucht. Er ist ein Anhänger der Abschreckungstheorie und wünscht, daß der etwaige Feind beim Anblicke dieser lebensgefährlichen Gegenstände die Flucht ergreife; geschieht dies nicht, nun, so reißt er einfach selber aus, was in neunundneunzig unter hundert Fällen mit aller Energie geschieht.

Nun ist die Ausrüstung beendet und der Dschelabi, der Händler fertig. Er könnte beginnen; aber sich allein in die weite, schlimme Welt zu wagen, das fällt ihm gar nicht ein. Er sucht nach gleichgestimmten Herzen und gleichgesinnten Seelen, die er auch unschwer findet. Bald sind sechs, acht, zehn solcher zukünftigen Kommerzienräte beisammen. Jeder hat einen Esel, aber was für einen! Viel haben die Tiere nicht kosten sollen, und darum sind sie alle mehr oder weniger lädiert und ramponiert. Dem einen fehlt ein Ohr, dem andern der Schwanz, den dritten haben die Ratten angefressen, und der vierte wurde blind geboren. Diese äußerlichen Mängel werden aber durch innerliche, durch Seelen- und Charaktereigenschaften reichlich aufgewogen, welche den Besitzer zur Verzweiflung bringen können. Trotzdem ist er stolz auf sein Reittier und belegt es mit den schmeichelhaftesten Namen und Stockhieben.

Um die Reise antreten zu können, werden die berühmtesten Fuqara aufgesucht und um wunderthätige Amulette angegangen. Die Welt ist schlecht, und es hausen böse Geister überall in Menge; da muß man an Brust und Armen mit Amuletten behangen sein, um allen Gefahren ruhig entgegensehen und im geeigneten Augenblicke mutig den Rücken kehren zu können.

Nun werden die beiden Gurab dem Esel aufgeladen. Der Dschelabi nimmt einen tüchtigen Knüppel in die Hand, um mit demselben dem Langohr zuweilen einen beherzigenswerten Wink geben zu können, und steigt auch mit auf. Das Schwert wird mittelst eines Kamelstrickes umgeschnallt oder die Pistolenhaubitze beigesteckt, und dann setzt sich der imposante Zug in Bewegung, von sämmtlichen Freunden und Anverwandten bis vor den Ort hinaus begleitet.

Thränen fließen, Herzen zerrinnen. »Be ism lillahi – in Allahs Namen!« erklingen die schluchzenden Segenswünsche. Der Zug kommt zehn und hundertmal ins Stocken, denn hier bockt ein Esel und wirft Ladung und Reiter ab; ein andrer wälzt sich im tiefen Kote, um sich von der Last zu befreien, und ein dritter stemmt sich mit allen Vieren ein, schreit wie am Spieße und ist weder durch Liebkosungen noch durch Schläge von der Stelle zu bringen, bis sich zehn Anverwandte vorn anspannen, um ihn am Maule zu ziehen, und zehn Freunde hinten am Schwanze schiebend und schwitzend nachhelfen. So gelangt die Dschelaba endlich glücklich ins Freie und bockt, stolpert, rennt, schreit, heult und flucht ihrem Glücke entgegen.

Sie trennt sich von Zeit zu Zeit, um sich an gewissen Orten wieder zusammenzufinden. Glänzende Geschäfte werden gemacht, großartige Abenteuer erlebt; manche gehen auch zu Grunde, während andre ihr kleines Anlagekapital durch Schlauheit und Ausdauer schnell vervielfältigen und wirklich zu reichen Männern werden.

Mancher Dschelabi wagt sich in den tiefsten Sudan hinein und kommt erst nach Jahren als ein gemachter Mann zurück. Mancher andre ist früher vielleicht ein angesehener Beamter gewesen und hat zum Esel greifen müssen, um im Sumpflande am Fieber oder anderswo am Hunger zu Grunde zu gehen. Niemand erfährt, wo seine Gebeine und diejenigen seines Esels bleichen. Vielleicht hat er den letztern vorher noch aufgezehrt.

Eine solche Dschelaba war es, welche der Karawane jetzt begegnete. Sie kam den Arabern höchst ungelegen, und der Schech murmelte einen Fluch zwischen die Lippen. Dem Fremden aber waren diese Leute sehr willkommen. Er ritt auf sie zu, rief ihnen einen freundlichen Gruß entgegen und fragte:

»Wohin geht euer Weg? Die Sonne ist gesunken. Wollt ihr nicht bald Lager machen?«

Die Leute waren nur sehr notdürftig gekleidet. Die meisten trugen nichts als nur die Lendenschürze; aber alle waren guten Mutes. Sie schienen gute Geschäfte gemacht zu haben. Sie gehörten nicht einer und derselben Rasse an. Es gab mehrere Schwarze unter ihnen. Voran ritt ein kleiner, dünner und, so viel man bei dem scheidenden Tageslichte sehen konnte, blatternarbiger Bursche, dessen Schnurrbart aus nur einigen Haaren bestand. Er hatte Hosen an, war sonst unbekleidet und trug ein riesiges Schießgewehr am Riemen auf dem Rücken. Eine Kopfbedeckung schien für ihn überflüssig zu sein; sein Haar hing ihm dick und voll vom Haupte bis auf den Rücken herab, fast ganz in der Weise, wie die in Deutschland als Blechwarenhändler und Drahtbinder umherziehenden Slowaken das ihrige zu tragen pflegen. Er war es, der die Antwort übernahm:

»Wir kommen vom Dar Takala herab und wollen nach Faschodah.«

»Aber nicht heute?«

»Nein, sondern erst morgen. Heute bleiben wir am Bir Aslan.«

»Das wollen wir auch. So können wir uns also Gesellschaft leisten.«

»Herr, wie könnten wir armen Dschelabi es wagen, den Hauch deines Atems zu trinken? Wir machen uns ein Lager fern von Euch. Erlaube uns nur ein wenig Wasser für uns und unsre Tiere?«

»Alle Menschen sind vor Allah gleich. Ihr sollt bei uns schlafen. Ich wünsche es.«

Das sagte er in bestimmtem Tone. Dennoch fragte der Dschelabi:

»Du scherzest, Herr, nicht wahr?«

»Nein. Es ist mein Ernst. Ihr seid mir willkommen.«

»Und deinen Leuten auch?«

»Warum diesen nicht?«

»Ihr seid Beni Arab. Darf ich erfahren, von welchem Stamme?«

»Von dem der Homr.«

»Allah kerihm – Gott ist gnädig, aber die Homr sind es nicht. Erlaube, daß wir fern von Euch bleiben.«

»Warum ?«

»Weil wir euch nicht trauen dürfen.«

Er hielt den Fremden auch für einen Homr, ja für den Anführer derselben. Um so mutiger war es von ihm, daß er so aufrichtig sprach. Der Europäer antwortete:

»Hältst du uns für Diebe?«

»Die Homr sind Feinde der Schilluk, in deren Gebiete wir uns hier befinden,« meinte der Dschelabi ausweichend. »Wie leicht kann es zu einem Kampfe kommen, und da ziehen wir es vor, fern zu bleiben.«

»Dein Herz scheint keinen großen Mut zu besitzen. Wie ist dein Name?«

Der Kleine richtete sich im Sattel höher auf und antwortete:

»Ob ich furchtsam bin, das geht dich gar nichts an. Wenn du meinen Namen wissen willst, so steige ab und hole dir ihn!« Er sprang von seinem Esel, warf das Gewehr weg und zog das Messer. Die Homr waren weiter geritten. Die Dschelaba hielt noch am Platze. Hinter dem bisherigen Sprecher befand sich ein ebenso kleiner Bursche, welcher befürchten mochte, daß die Scene sich zum Schlimmen wenden könne. Er wollte dem vorbeugen, indem er sagte:

»Verzeihe, Herr, dieser Mann hat stets einen großen Mund und ist doch nur ein kleiner Mensch, der nichts versteht. Er wird von uns Ibn el dschidri oder wohl auch Abu el hadaschtscharin genannt.«

 

»Warum dieser letztere Name?« erkundigte sich der Fremde.

»Weil sein Schnurrbart nur aus elf Haaren besteht, rechts sechs und links fünf. Und doch ist er außerordentlich stolz auf ihn, so daß er ihn gerade so sorgfältig pflegt wie eine Nuer-Negerin ihr Durrhafeld.«

Er bemühte sich, dem drohenden Konflikte eine heitere Bahn zu brechen, kam aber bei seinem Kollegen schlecht an, denn dieser rief ihm zornig zu:

»Schweig, du Vater des Unverstandes! Mein Schnurrbart ist hundertmal mehr wert als dein ganzer Kopf. Du selbst hast den großen Mund. Du rühmst dich deines Stammbaumes, aber niemand glaubt an ihn!«

Das war eine Beleidigung, welche den andern nun auch in Harnisch brachte. Er antwortete:

»Was weißt du von meinem Stammbaum! Wie lautet mein Name, und wie klingt der deine!«

Und sich zu dem Fremden wendend, fuhr er fort:

»Herr, erlaube mir, dir zu sagen, wer ich bin! Ich heiße nämlich Hadschi Ali ben Hadschi Ishak al Faresi Ibn Hadschi Otaiba Abu ‚l Ascher ben Hadschi Marwan Omar el Gandesi Hafid Jacub Abd‘ Allah el Sandschaki.«

Je länger der Name eines Arabers, desto mehr ehrt ihn derselbe. Von berühmten Vätern abzustammen, geht ihm über alles. Darum reiht er ihre Namen bis ins dritte und vierte Glied aufwärts aneinander und bringt so eine Riesenschlange fertig, über welche der Europäer heimlich lächelt.

Dieser Hadschi Ali blickte den Fremden erwartungsvoll an, was er zu dem berühmten Namen sagen werde.

»Also Hadschi Ali heißt du?« fragte der ‚Vater der vier Augen‘. »Dein Vater war Hadschi Ishak al Faresi?«

»Ja. Hast du von ihm gehört?«

»Nein. Dein Großvater hieß also Hadschi Otaiba Abu ‚l Oscher?«

»So ist es. Ist dieser dir bekannt?«

»Auch nicht. Und dein Urgroßvater war Hadschi Marwan Omar el Gandesi?«

»So ist es. Von ihm hast du doch jedenfalls vernommen?«

»Leider nicht! Und endlich war dieser letztere der Urenkel und Nachkomme von Jacub Abd‘ Allah el Sandschaki, also des Fahnenträgers?«

»Ja, er trug den Sandschak des Propheten in den Kampf.«

»Diesen Namen habe ich allerdings gelesen. Jacub Abd‘ Allah soll ein mutiger Streiter gewesen sein.«

»Ein Held war er, von dem noch heute die Lieder erzählen!« stimmte Ali stolz bei.

»Aber dein Ahne ist er nicht!« fiel der erste Dschelabi ein. »Du hast ihn dir unrechtmäßigerweise angeeignet!«

»Bringe mir nicht immer diesen Vorwurf! Ich muß doch besser als du wissen, von wem ich stamme!«

»Und mit eben solchem Unrechte nennst du dich Hadschi Ali. Wer da sagt, daß er ein Hadschi sei, der muß doch Mekka zur Zeit der Pilgerfahrt besucht haben. Du aber warst nie dort!«

»Etwa du?«

»Nein. Ich rühme mich dessen nicht, denn ich mache keine Lügen.«

»Du könntest dich auch gar nicht rühmen, denn du bist ein Christ, und Christen ist der Zutritt in Mekka bei Todesstrafe verboten!«

»Wie? Du bist ein Christ?« fragte der Fremde den ersten Dschelabi.

»Ja, Herr,« antwortete dieser. »Ich mache kein Hehl daraus, denn es ist eine Sünde, seinen Glauben zu verleugnen. Ich bin allerdings Christ und werde es bleiben bis an mein Ende.«

Bis jetzt hatte der »Vater der vier Augen« dem Konflikte der beiden mit stillem Behagen zugehört. Sie schienen sich in den Haaren zu liegen und doch die besten Freunde zu sein. Jetzt aber wurde er plötzlich ernst, und es lag eine tiefe Betonung auf seinen Worten, als er sagte:

»Daran thust du ganz recht. Kein Christ soll seinen Glauben aus irgend einem Grunde verleugnen. Das wäre eine Sünde wider den heiligen Geist, von welcher das Kitab el mukkadas sagt, daß sie nicht vergeben werden könne.«

»Sünde wider den heiligen Geist?« fragte der Dschelabi erstaunt. »Davon hast du gehört?«

»Jawohl.«

»Und die heilige Schrift kennst du also auch?«

»Ein wenig.«

»Und als Moslem rätst du mir, fest an meinem Glauben zu halten!«

»Ich bin kein Moslem, sondern auch ein Christ.«

»Auch ein Christ! Wohl ein koptischer?«

»Nein.«

»Aber was sonst für einer? Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß ein Beni Homr ein Christ sein könne.«

»Ich bin kein Homr, auch kein Araber, überhaupt kein Orientale, sondern ein Europäer.«

»Mein Gott, ist‘s möglich! Ich auch, ich auch!«

»Aus welchem Lande?«

»Aus Ungarn. Ich bin Magyar. Und —«

»Davon später. Meine Begleiter sind mir weit voran und ich habe alle Veranlassung, ihnen nicht zu trauen. Ich muß ihnen schnell nach. Nun du gehört hast, daß ich auch ein Europäer bin, wirst du wohl bereit sein, bei mir zu lagern?«

»Von ganzem Herzen gern! Welch eine Freude, welch eine Wonne für mich, dich hier getroffen zu haben! Nun können wir von der Heimat sprechen. Laßt uns schnell reiten, damit wir die Homr einholen und den Brunnen schnell erreichen!«

Es ging vorwärts, so schnell die Esel laufen konnten, und sie liefen sehr gut. Diese Tiere sind in südlichen Gegenden ganz andre Geschöpfe als bei uns. Ein ägyptischer Esel trägt den stärksten Mann und galoppiert mit ihm so lange Zeit, als ob er gar keine Last zu tragen habe. Nach einer Viertelstunde waren die Araber erreicht. Sie sagten zu den Dschelabi kein Wort, nicht einmal eine Silbe der Begrüßung. Da diese acht Männer jetzt zugegen waren, war es unmöglich, den Fremden niederzuschießen, wie man vorher gewillt gewesen war.

Still ging es weiter. Der kleine Ungar machte keinen Versuch, sich mit dem »Vater der vier Augen« zu unterhalten. Es wäre das nicht gut gegangen, da der eine auf dem hohen Hedschin und der andre auf dem kleinen Esel saß.

Die Sterne des Äquators waren aufgegangen, und ihr intensives Licht leuchtete fast so hell wie der Mond, welcher jetzt nicht zu sehen war, da er in der Phase der Verdunkelung stand.

Nach einiger Zeit sah man eine Bodenerhebung liegen, welche schroff aus der Erde stieg. Der Sternenschimmer verlieh ihr ein gespenstiges Aussehen.

»Dort ist der Bir Aslan,« sagte der Ungar. »In fünf Minuten werden wir dort sein.«

»Schweig, Dschelabi!« fuhr der Schech ihn an. »Wann du dort sein willst, das kommt allein auf uns an. Noch haben wir dich nicht eingeladen, uns zu begleiten!«

»Dessen bedarf es gar nicht. Wir gehen ohne Einladung hin.«

»Wenn wir es euch erlauben!«

»Ihr habt gar nichts zu erlauben. Der Brunnen ist für alle da, und übrigens befindet ihr euch in Feindes Land.«

»Allah iharkilik – Gott verbrenne dich!« murmelte der Homr, sagte aber weiter nichts.

Der Dschelabi schien von Haus aus kein furchtsames Kerlchen zu sein, und seit er wußte, daß der erst für einen mohammedanischen Schech gehaltene Fremde ein europäischet Christ sei, fühlte er sich noch weniger geneigt, sich von den Arabern bevormunden zu lassen.

Sie langten bei dem Felsen an, an dessen Fuß sich der Bir befand. Dieser war kein laufendes Wasser; er bestand in einem kleinen, von dichtem Mimosengebüsch umgebenen Weiher, welchen eine nicht sichtbare Wasserader speiste. Man stieg ab. Während einige die von ihren Lasten befreiten Tiere tränkten, sammelten die andern dürres Geäst, um ein Feuer zu machen. Als es brannte, setzten sich die Homr so um dasselbe, daß für die Dschelabi kein Platz blieb. Der Ungar verlor kein Wort darüber. Er trug Holz nach der andern Seite des Wassers, brannte dort ein Feuer an und rief dem »Vater der vier Augen« zu:

»Nun magst du dich entscheiden, bei wem du sitzen willst, bei ihnen oder bei uns.«

»Bei euch,« antwortete er. »Nehmt dort die Satteltasche, welche meinen Proviant enthält! Ihr seid meine Gäste. Wir können alles aufessen, da wir morgen nach Faschodah kommen.«

»Da irrt er sich,« flüsterte der Schech den Seinen zu. »Er verachtet uns und zieht diese Erdferkel vor. Wir wollen so thun, als ob wir es nicht beachteten. Aber beim Anbruche des Tages wird er in der Dschehenna heulen. Mag er jetzt noch einmal, zum letztenmal im Leben, essen!«

Er suchte auch seine Vorräte vor, dürres Fleisch und trockenen Durrhakuchen, wozu das Wasser des Bir mit den Händen geschöpft wurde.