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Die Sklavenkarawane

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Wer ist‘s?« erkundigte sich Schwarz.

»Hasab Murat, Herr von Seribah. Seinte kommen schon, als noch warrr geweste Nacht, finstere.«

»Und da hat er bis jetzt gewartet?«

»Ja. Er willte nicht gehen, ohne zu sprechen gehabte mit Effendi, hochgeborenem.«

»Laß ihn herein und sorge für Kaffee und Pfeifen!«

Hasab Murat war ein behäbiger Ägypter, welcher eher das Aussehen eines biedern Teppichhändlers, als dasjenige eines Sklavenjägers hatte. Er verbeugte sich fast bis zur Erde und wartete, bis man ihn anreden werde. Schwarz winkte ihm zu, sich zu setzen, und beobachtete ein würdevolles Schweigen, bis der Kaffee und die Pfeifen gebracht worden waren. Erst als man die Tassen geleert und die Meerschaumspitzen im Munde hatte, begann er:

»Ich vernehme, daß du der Gebieter von Madunga bist. Du wünschest, mich zu sprechen. Ich höre deine Worte.«

Der Herr, welchem der Bote seines Lieutenants rechtzeitig begegnet war, besann sich einige Augenblicke, wie er auf diese reservierte Ansprache beginnen solle, und antwortete dann:

»Ich kam während der Nacht von der Reise zurück und erfuhr deine Gegenwart. Ich ging sogleich an Bord der Dahabiëh, um dir meine Ehrfurcht zu erweisen.«

»Ich habe keinen Anspruch auf dieselbe, denn du bist älter als ich.«

»Der Abgesandte der Regierung ist bejahrter als der älteste Greis.«

»Du irrst. Ich bin nicht das, wofür du mich hältst«

Über das Gesicht des Ägypters glitt ein demütig-pfiffiges Lächeln. Sein Auge schweifte mit einem bezeichnenden Blicke umher, mit welchem er deutlich genug sagte: Mich machst du nicht irre; ich weiß genau, woran ich bin! Und dann antwortete er:

»Nur Allah darf den Mund des Menschen öffnen, ich aber achte deine Verschwiegenheit. Wie lange wirst du hier an meiner Mischrah bleiben?«

»Bis ich mit dir gesprochen habe. Du handelst noch mit Sklaven?«

»Effendi!« fuhr der Mann erschrocken auf. »Das Gesetz verbietet seit einiger Zeit dieses Geschäft, und ich bin ein gehorsamer Unterthan der Obrigkeit.«

»Kannst du das beweisen?«

»Fordere Beweise, und wenn es in meiner Macht liegt, so gebe Ich sie.«

»So sage mir aufrichtig, ob Abu el Mot noch auf Ghasuah zieht.«

»Er thut es; er fängt noch Sklaven. Allah verdamme ihn.«

»Du sagst die Wahrheit; ich weiß es. Eben jetzt will er wieder eine Ghasuah unternehmen, und ich bin gekommen, ihn dabei abzufangen. Was sagst du dazu?«

Das Gesicht Hasab Murats glänzte vor Freude, als er die Bestätigung dessen vernahm, was ihm sein Lieutenant gemeldet hatte. Abu el Mot war sein bedeutendster Konkurrent und zugleich sein persönlicher Feind; ihm gönnte er alles Böse. Wurde diesem Manne das Handwerk gelegt, so blühte es für die Seribah Madunga doppelt auf. Darum antwortete er:

»Möge ihm geschehen, was er verdient hat! Ich bitte zu Allah, seine Sünden über ihn kommen zu lassen.«

»Das ist ein Beweis, daß du gelernt hast, die Sünde des Menschenhandels zu hassen. Ich wünsche, die Nähe deiner Seribah von diesem Sklavenjäger zu befreien; aber ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird. Ich hörte zu spät, daß Abu el Mot neue Leute angeworben hat, und befürchte nun, daß meine Truppen nicht zahlreich genug sind, diesen Mann unschädlich zu machen.«

Als Hasab Murat diese Worte, welche ihm wie Musik in die Ohren klangen, hörte, fühlte er sich entzückt. Er zögerte keinen Augenblick, die Antwort zu geben, welche Schwarz erwartet hatte:

»Effendi, es ist Pflicht eines jeden Unterthanen, die Obrigkeit in der Ausübung der Gerechtigkeit zu unterstützen. Darf ich dir meine Leute anbieten?«

»Ja. Ich erwartete das von dir. Aber was verlangst du für diesen Dienst?«

»Nichts, gar nichts. Ich würde mir meine Hand abhauen, wenn sie auch nur einen Piaster von dir nehmen wollte! Ich bitte dich nur um das eine, daß ich selbst mitkommen darf. Meine Leute sind gewöhnt, daß ich sie kommandiere; natürlich aber stehe ich unter deinem Oberbefehle und werde streng und genau nach deiner Weisung handeln.«

»Das versteht sich ganz von selbst. Du darfst mitgehen und stehst unter mir. Wieviel Köpfe wirst du zusammenbringen?«

»Ich darf die Seribah nicht entblößen, doch suche ich die besten Krieger aus und werde ihrer über dreihundert zählen. Sie sind sehr gut bewaffnet, und für Proviant ist stets gesorgt.«

»Dreihundert! Mit ihnen wäre ich des Sieges gewiß; leider aber muß ich auf eine so zahlreiche Schar verzichten. Ich kann nur so viele mitnehmen, als mein Schiff noch faßt.«

»So willst du den Zug nicht zu Lande unternehmen?«

»Wenigstens von hier aus nicht. Wir würden volle drei Tage brauchen, nur um die Seribah Abu el Mots zu erreichen, und ich muß noch eher dort sein. Oder gibt es Schiffe in der Nähe?«

»Es gibt welche, Effendi.«

»Wo? Bei wem?«

Diese Frage versetzte den Ägypter in große Verlegenheit; er wand sich hin und her, bis er erklärte:

»Effendi, ich habe mein Wort gegeben, es nicht zu verraten. Wer hier ein Schiff besitzt, der versteckt es, wenn er es nicht braucht. Es gibt Maijehs, welche mit dem Flusse in Verbindung stehen und deren Eingang durch das Rohr und Schilf verdeckt wird. An solche Orte verbirgt man die Fahrzeuge wenn man ihrer für längere Zeit nicht bedarf.«

»Du sprichst nicht von einem Schiff, sondern von Schiffen. So stehen dir wohl mehrere zur Verfügung?«

»Zwei Noqer sind‘s, die ich bekommen kann, gerade bequem genug für dreihundert Krieger.«

»Und wann spätestens können sie hier sein?«

»Wenn ich mich beeile, so können wir mit den voll bemannten Fahrzeugen gerade am Mittag absegeln.«

»Gut, so spute dich! Ich werde so lange warten und die Fahrt aber pünktlich um diese Zeit beginnen.«

Der Mann eilte fort, innerlich jubelnd über diesen Erfolg seines Frühbesuches bei dem Manne, dessen Ankunft ihn in so große Sorge versetzt hatte.

Ebenso froh wie dieser Mann war Schwarz. Eine so ansehnliche Hilfstruppe zu bekommen, daran hatte er gar nicht gedacht.

Zunächst suchte er den Hauptmann auf, welcher eine separate kleine Kajüte bewohnte, und teilte ihm mit, was beschlossen worden war. Soldaten gab es auf der Dahabiëh nur so viele, als zur Bewachung des Schiffes nötig waren. Die andern waren alle schon nach der Seribah gegangen, wo sie gestern abend gute Kameradschaft geschlossen hatten.

Abd es Sirr und Ben Wafa, die beiden jungen Freunde, saßen auf dem Deck und erzählten einander, was sie seit ihrer letzten Trennung erlebt und gesehen hatten. Schwarz forderte sie auf, mitzugehen und sie thaten dies sehr gern, da sie es für eine Auszeichnung hielten, bei ihm sein zu dürfen. Schwarz hatte von Pfotenhauer alles erfahren, was dieser von Abd es Sirr wußte. Sie hatten die Seribah vor sich liegen. Über dem Thore war die Fahne des Propheten als Kriegszeichen aufgepflanzt, und überall, wohin das Auge blickte, sah es die Leute mit den Vorbereitungen zum Aufbruche beschäftigt. Nur an einer Stelle, gleich wenn man den Haupteingang hinter sich hatte, gab es eine Anzahl Müßiger, welche einen Kreis gebildet hatten, um einer Rede des Ungarn zuzuhören.

Er stand auf Brettern, welche auf zwei Pulverfässer gelegt waren, neben ihm sein Freund und Zankgenosse, der »Vater des Gelächters«. Der kleine Sohn der Blattern erzählte soeben, als Schwarz und Pfotenhauer hereinkamen, von dem Überfalle an der Quelle des Löwen. Er that dies, um seine Zuhörer zur Rache gegen Abu el Mot anzufeuern. Daran schloß er die Geschichte von der Erlegung der Löwen. Jedenfalls hatte er es sich vorher vorgenommen gehabt, von dieser Heldenthat zu sprechen, denn er führte als Beweis der Wahrheit seiner Worte die vordere Hälfte des Löwenfells mit sich, wogegen er seinen Federturban auf dem Schiffe zurückgelassen hatte; er trug die Löwenhaut so, wie die alten Deutschen ihre Bären- und Ochsenfelle trugen, nämlich solchergestalt, daß sein Kopf im Schädel des Löwen steckte und das Fell ihm über den Rücken hinabhing.

Auch der »Vater des Gelächters« hatte seine Hälfte mit. Sie war so um seine Schultern gelegt, daß die Schwanzspitze bis auf die Bretter herabreichte.

»Ja, ihr Männer des Krieges und der Tapferkeit, vernehmt die Heldenthat, durch welche wir Dschezzar-Bei, den Würger der Herden, töteten!« rief er laut. »Wir haben ihn und seine Frau besiegt und dann noch seinen Sohn gefangen genommen. Hadschi Ali, sag‘, ob es so ist! Spreche ich die Wahrheit?«

Der »Vater des Gelächters« nickte und antwortete:

»Es ist keine Lüge.«

Er wollte das durch ein sehr ernstes Gesicht bekräftigen, zog aber statt dessen eine solche Fratze, daß die Zuhörer in ein lautes Gelächter ausbrachen.

»Was habt ihr zu lachen?« fuhr der Ungar fort. »Diesen ‚Vater des Gelächters‘ mögt ihr immerhin auslachen, doch nur nicht etwa mich; ich vertrage keinen Spott! Also wir saßen am Feuer und glaubten uns an demselben vollständig sicher; da erscholl die Stimme des Löwen aus der Ferne. Sag‘, ob das wahr ist, Hadschi Ali! Du hast das Brüllen doch auch gehört.«

»Es ist genau so, wie du sagst,« bestätigte der Genannte, indem er ein Gesicht zog, als ob er sich totlachen wolle.

»Ja, ich sage die Wahrheit. Der ‚Vater des Mordes‘, der Herr mit dem dicken Kopfe kam herbei. Die Araber und Händler versteckten sich aus Angst hinter das Gepäck, aber ich und dieser mein Freund, welcher hier neben mir steht, wir hielten tapfer zu dem ‚Vater der vier Augen‘, welcher zu seinem Gewehre gegriffen hatte, um den Löwen mit uns zu erlegen. Dieser Effendi steht hinter euch. Betrachtet ihn, und laßt euch von ihm die Wahrheit meiner Worte bestätigen!«

Die Blicke aller wendeten sich auf Schwarz. Dann fuhr der Slowak fort, zu erzählen, wie der Löwe erlegt worden war und die Löwin dann herbeigesprungen kam.

»Wir glaubten fertig zu sein,« sagte er. »Aber die Frau des Herdenwürgers hatte die Stimmen unsrer Gewehre gehört und eilte herzu, ihrem Manne zu helfen oder seinen Tod zu rächen. Das war eine große, eine entsetzliche Gefahr, nicht wahr, Hadschi Ali?«

 

»Ja, es war fürchterlich,« antwortete der »Vater des Gelächters«, indem er trotz der großen Gefahr, welche geschildert wurde, eine Grimasse zog, als ob er am ganzen Körper gekitzelt werde.

Der Slowak führte seine Erzählung zu Ende und schilderte dann die Teilung des Felles.

»Mir als dem Tapfersten fiel die vordere Hälfte zu,« berichtet er. »Und sodann – – —«

»Schweig!« fiel ihm sein Freund und Genosse in die Rede. »Der Effendi war der Tapferste. Du aber bist nicht mutiger gewesen als ich. Deine Hälfte ist dir durch das Los zugefallen, weshalb wir dich noch heute wegen des großen Maules, welches der Löwe hat, und welches auch du besitzest, Abu el buz, ‚Vater des Maules‘ nennen.«

»Schweig du selbst,« antwortete der Kleine zornig. »Mein Maul ist nicht größer als das deinige. Es ist jedenfalls ruhmvoller, den Kopf des Löwen zu haben, als den Schweif. Oder hältst du es etwa für eine große Ehre, Abu ed daneb ‚Vater des Schwanzes‘ genannt zu werden? Siehe dich nur an, wie lächerlich dich deine hintere Hälfte kleidet!«

»Selber lächerlich!« schrie der andre. »Wenn du mich so fort beschimpfest, verzehre ich dich mit meinem Zorne und vernichte dich mit meinem Grimme!«

Er wollte sein fürchterliches Gesicht machen; es bekam aber ein solches Aussehen, als ob er infolge eines guten Witzes gar nicht aus dem Lachen herauskommen könne.

»Ich verachte deinen Zorn!« antwortete der Kleine. »Weißt du nicht, daß ich ein berühmter Gelehrter bin und sogar Latein verstehe, wovon du keine Ahnung hast!«

»Und ich kenne alle Völker und Dörfer der Erde, und alle Länder und Einwohner des Weltkreises nenne ich mit Namen. Mache mir das nach, wenn du es kannst!«

»Gut! Ich werde es dir nachmachen; aber mache mir es nur erst vor!«

»Das werde ich thun, um dich vor diesen vielen Zeugen zu blamieren, daß du dich scheuen sollst, jemals wieder einen Menschen anzusehen. Wage es doch einmal, mich nach meinen Völkern und Dörfern zu fragen!«

»Gleich werde ich fragen! Wie heißen die Inseln, welche westlich von der großen Wüste Sahara im Meere liegen?«

»Bilad el adscham.«

»Falsch! Wie heißt das Land, welches die Spitze von Afrika bildet?«

»Bilad el moskob.«

»Wie heißt das Land, welches ganz im Norden von Europa liegt?«

»Sailan.«

»Noch falscher! Und wie heißt das größte Reich der Erde, welches den Osten von Asien bildet?«

»Dschebel et Tarik.«

Da schlug der Slowak die Hände zusammen, lachte laut auf und rief:

»O du ‚Vater des Schwanzes‘, wie hast du dich jetzt so lächerlich gemacht! Die Inseln jenseits der Wüste heißen Dschesajir kanara. An der Spitze von Afrika liegt das Bilad er ras. Das nördlichste Land von Europa heißt Bilad el lap, und im Osten von Asien liegt das größte Reich der Erde, Bilad ed dschin. Du hast also lauter falsche Antworten gegeben!«

»Ich antwortete richtig!« behauptete der »Vater des Gelächters«.

»Nein, falsch!«

»Beweise es!« schrie der Geograph, indem er in größter Wut mit den Füßen die Bretter stampfte, so daß der Löwenschwanz den Takt mit ihnen schlug.

»Die Worte eines Mannes, welcher Latein versteht, sind stets richtig; er braucht nichts zu beweisen,« antwortete der Kleine stolz. »Mit den Ländern habe ich dich vollständig geschlagen. Wie steht es nun mit den Völkern und Dörfern?«

»Ich kenne sie alle!«

»Wollen doch einmal sehen, ob das wahr ist. Welches Volk wohnt gerade in der Mitte von Europa?«

»Das sind die Swahili.«

»Falsch! Welches Volk wohnt nördlich von Indien?«

»Die FilimenkHolländer.«

»Auch falsch! Welches Volk wohnt ganz im Süden von Bilad ed dinja?«

»Die Talian.«

»Auch das ist falsch! Nun sag aber doch einmal, wo Nagy Mihaly liegt?«

»Das gibt‘s gar nicht!«

»Das gibt‘s gar wohl, denn dort bin ich geboren! Und wo liegt Buxtehude?«

»In Le Leli.«

»Laß dich nicht auslachen! Wo liegt wohl Blasewitz?«

»Auch das gibt es nicht!«

»Freilich gibt es das, denn dort hat Schiller seine Gustel geheiratet. Aber von diesem Schiller hast du freilich noch nie etwas gehört. Und wo liegt Itzehoe?«

»In Dschenowah.«

»Auch das ist nicht richtig. Hättest du das Buch gelesen, welches eben dieser berühmte Schiller über die Dschigrafija geschrieben hat, so würdest du wissen, daß dieses Itzehoe im Duar Salak el hadschar liegt! Deine Antworten sind eben alle falsch. Du kennst kein einziges fremdes Volk und keine einzige fremde Stadt. Du bist so dumm, daß ich über dich weinen möchte!«

»Beweise es doch! Beweise es!« brüllte der »Vater des Gelächters«, jetzt fast außer sich vor Wut, daß er vor so vielen Zuhörern blamiert wurde. »Es ist sehr leicht, so etwas zu behaupten; aber den Beweis zu liefern, das ist die Hauptsache!«

»Das kann ich. Frage doch die beiden Effendis, welche hier stehen! Sie werden dir sagen, daß ich recht habe, du aber unrecht hast!«

Schwarz und Pfotenhauer waren bei der interessanten Gruppe stehen geblieben. Der kleine »Vater der elf Haare« sah in seinem roten Fracke, den er bei einem Händler in Faschodah aufgegabelt hatte, und mit der übergeworfenen Löwenhaut gar zu drollig aus. Aber sich nun an dem Streite zu beteiligen, das beabsichtigten sie nicht. Als der Slowak seinen Gegner jetzt auf sie verwies, wollten sie sich schnell entfernen, um den Vater des Gelächters nicht beleidigen zu müssen; dieser aber enthob sie der beabsichtigten Flucht, denn er antwortete:

»Ich habe es nur mit dir, aber nicht mit andern Leuten zu thun. Du bist es, den ich schlagen will und schlagen werde, nicht aber sind es diese beiden Effendis, von denen jeder allein zehntausendmal gescheiter ist als wir beide zusammengenommen! Zeige doch dein Latein und deine Wissenschaft! Beweise es doch, daß du die Völker und Dörfer der Erde besser kennst als ich!«

»Das kann ich schon beweisen. Sage mir nur, wie!«

»Ich werde dich fragen, ganz so, wie du mich gefragt hast!«

»Thue das! Man wird sehen, wie du über die Klugheit meiner Antworten staunen wirst.«

»Wollen sehen! Sage mir also einmal, wo liegt der berühmte Ort Al Hutama?«

Dieses Wort ist ein Beiname der Hölle, welcher ihr in der hundertvierten Sure gegeben wird. Der schlaue »Vater des Gelächters« wendete sich also klugerweise auf ein Feld, auf welches der Slowak ihm nicht folgen konnte.

»Das weiß ich freilich nicht,« mußte dieser gestehen. »Ich habe von dieser Stadt noch nie gehört.«

Ein allgemeines Gelächter war die Folge dieser Antwort, denn als Mohammedanern war allen Anwesenden das Wort bekannt.

»Schau! Deine Wissenschaft läßt dich schon bei meiner ersten Frage im Stich!« jubelte der Hadschi, indem er ein Gesicht zog, infolgedessen das Gelächter sich verdoppelte. Er aber fuhr, davon unbeirrt, fort: »Jetzt sage mir, in welchem Lande der berühmte Tasnim entspringt!«

Tasnim ist eine Quelle im Paradiese. Sie wird in der dreiundachtzigsten Sure erwähnt.

»Auch diesen Namen kenne ich nicht,« antwortete der Kleine.

Ein rundum laufendes Murmeln ließ ihm erkennen, daß man sich über seine Unwissenheit wundere.

»So sage mir wenigstens, wo Sidschin liegt!«

Dieser Name befindet sich in derselben Sure und bezeichnet einen Ort der Unterwelt, in welchem das Verzeichnis der Handlungen aller bösen Menschen und Geister aufbewahrt wird; auch dieses Verzeichnis selbst wird Sidschin genannt.

»Weißt du es denn selbst?« opponierte der Rotfrackige.

»Natürlich weiß ich es. Wir alle wissen es; du aber nicht?«

»Frage weiter!« sagte der Kleine, ohne eine direkte Antwort zu geben.

»So sage mir nur noch, wo al‘ Ahkaf liegt!«

Al‘ Ahkaf bedeutet eigentlich Sandhaufen und ist der Name eines sehr sandigen Thales in der Provinz Hadramaut, wo die Aditen, von denen der Koran wiederholt spricht, gewohnt haben sollen. Dieses Thal wird im 21. Vers der sechsundvierzigsten Sure erwähnt, und darum wird diese ganze Sure Al‘ Ahkaf genannt.

»Auch das weiß ich nicht,« gestand der Ungar kleinlaut.

»So hast du mir nun schon zum drittenmal nicht antworten können! Ich wollte dir hundert und noch mehr ähnliche Fragen vorlegen, und du würdest bei jeder schweigen müssen. Wer ist nun der Kluge von uns beiden?«

»Keiner! Du hast mir nicht antworten können und ich dir nicht, folglich ist einer so klug wie der andere. Du kennst deine Völker und Dörfer und ich meine Wissenschaften und mein Latein. Wir wollen uns unsre Gelehrsamkeit in Zukunft nicht mehr streitig machen. Habe ich recht? Stimmst du mir bei?«

»Von ganzem Herzen!« antwortete der »Vater des Gelächters« gerührt, wobei er aber ein Gesicht machte, als ob er sich über den Kleinen krank lachen wolle.

»So reiche mir deine Hand, und küsse mich! Wir sind Brüder und sind versöhnt. Mein Feind ist auch dein Feind, und deine Freunde sind auch meine Freunde!«

»So soll es sein jetzt und in alle Ewigkeit. Allah l‘ Allah!«

Sie umarmten und küßten sich, sprangen von ihrem Podium herab und schritten Arm in Arm von dannen.

»Sonderbare Kerle!« lachte der Graue. »So ‚was hab‘ ich fast noch nit g‘schaut. Erst wollen‘s sich fressen, und dann küssen‘s sich die G‘sichter und trollen vergnügt davon. Kommt das denn öfters vor?«

»Täglich mehrere Male. Und dabei haben sie sich wirklich aufrichtig lieb. Diese beiden können ohne einander gar nicht leben, notabene, wenn sie sich streiten dürfen. Sie gestehen selbst, daß das die Liebe erneuere.«

»Ich dank‘ gar schön! Aber brav sind‘s doch alle beid‘?«

»Sehr! Sie hängen so an mir, daß sie für mich ihr Leben wagen würden. Sie werden sie schon noch näher kennen lernen, Herr Doktor.«

»Was! Wie nennen‘s mich? Doktor etwa? Damit kommen‘s mir ja nit mehr!« antwortete Pfotenhauer eifrig. »Das kann ich nit leiden! Deswegen hab‘ ich mich mit Ihrem Bruder schon oft ‚zankt.«

»Aber es ist doch der Ihnen rechtmäßig zukommende Titel!«

»Ach was Titel! Ich pfeif‘ darauf! Mein Nam‘ ist Ignatius Pfotenhauer. In der Heimat nennen‘s mich darum, und weil ich gern überall umherkraxelt bin, um Vögel zu fangen, rundweg nur den Vogel-Nazi. Wann‘s mir die Freud‘ machen wollen, so sagen‘s auch Nazi oder Naz zu mir!«

»Wenn Sie es wünschen, mir soll es recht sein!«

»Ja, ich wünsch‘ es sehr! Leut‘ wie wir, die von morgens bis abends und dann wiederum von abends bis morgens beisammen sind, die dürfen sich nit solche Titel und Komplimenten an die Köpf‘ werfen. Aan Fremder, den ich nit kenn‘ und der mich nix angeht, der muß mir mit der erforderlichen Höflichkeit kommen; von dem verlang‘ ich allerdings, daß er mir meine Ehr‘ erweist und mich Herr Doktor Vogel-Nazi Pfotenhauer nennt. Wann er das nit thut, so soll ihn der Teuxel reiten! Sie aber können sich die lange Red‘ dersparen. Hören‘s! Was geht da los? Die Gebetsstund‘ ist doch noch nit da; die kommt erst zum el Deghri, also des Mittags wieder.«

Der Fakir stand nämlich auf dem Minaret und schlug das Klangbrett an. Dann erhob er seine Stimme, aber nicht um zum Gebete zu rufen, sondern er verkündete mit lauter Stimme, so daß es über die ganze Seribah vernommen werden konnte:

»Auf, ihr Gläubigen, versammelt euch, um die Stunde des Glückes zu befragen! Eilt zum Versammlungsplatze, um zu hören, ob ihr am Mittag aufbrechen dürft!«

Und dann ertönte der Schall der Darabukka, die Soldaten zum Sammeln zu rufen.

»Das ist die Trommel,« sagte der Graue.

»Wissen‘s, wie trommeln im Arabischen heißt?«

»Ja, dakk . . . ettal.«

»Richtig! Das Wort ahmt den Schall der Trommel nach: dakk . . . ettal – dakk . . . ettal, gerade wie wir im Deutschen sagen rumdibum, rumdibum. Auch der Name Darabukka ist nur die Nachahmung dieses Schalles. Jetzt schaun‘s mal, wie die Kerls alle laufen! Wollen wir auch mit?«

»Ja. Wir müssen doch sehen, wie es gemacht wird, das Schicksal zu befragen, ob eine gewisse Stunde eine glückliche ist. Wir als Christen haben natürlich die Überzeugung, daß alle Tage und Stunden des Herrn sind.«

Sie fanden alle Bewohner der Seribah auf dem Versammlungsplatz beisammen, die Gesichter nach einem Tokul gerichtet, auf dessen Spitze das Zeichen des Halbmondes angebracht war. Das war die Hütte des Fakirs.

Eben als die beiden dort anlangten, kam Hasab Murat, der Herr der Seribah, aus seiner Behausung. Als er sie erblickte, ging er auf sie zu, um sie unter tiefen Verbeugungen zu begrüßen.

»Wird der Fakir sich befriedigend aussprechen?« fragte Schwarz.

»Ja, Effendi,« antwortete der Ägypter.

»Woher weißt du das?«

»Daher!«

Er griff, indem er listig mit den Augen blinzelte, in die Tasche und zog zwei Mariatheresienthaler hervor, welche er ihnen heimlich zeigte, um sie sogleich wieder einzustecken.

 

»Nach so einem Opfer ist die Stunde allemal glücklich,« fügte er hinzu. »Allah sieht es gern, daß man seinen Dienern Geschenke macht.«

»So eile, dies zu thun, und füge noch diese drei Abu Nokat bei!«

Er holte seinen Beutel heraus und gab ihm drei Thaler.

»Effendi, dein Herz ist reich an Güte und Klugheit,« antwortete Hasab Murat, indem er das Geld in seine Tasche gleiten ließ. »Nun wird Allah unserm Vorhaben das glücklichste Gelingen gewähren.«

Er eilte fort, um im Tokul des Fakirs zu verschwinden. Nach einiger Zeit kam er mit diesem heraus, und der Fakir verkündete mit lauter Stimme:

»Hört es, ihr Gläubigen! Ich habe das Buch des Schicksals aufgeschlagen und die Stimme der Gewährung gehört. Ich verkündige euch Sieg und dreimal Sieg. Ihr werdet die Feinde schlagen und ihre Seelen in die Hölle schicken. Allah ist Allah, und Mohammed ist sein Prophet!«

»Allah ist Allah, und Mohammed ist sein Prophet!« wiederholten über vierhundert Stimmen.

Dann ging die Versammlung auseinander. Hasab Murat erteilte seinem Basch Muni den Befehl, Tabak und Merissah zu verteilen, was mit großem Jubel aufgenommen wurde, und lud dann Schwarz und Pfotenhauer ein, um sie bei sich zu bewirten.

Er bediente sie in eigener Person und setzte ihnen das Beste vor, was die Seribah zu bieten vermochte. Es lag ihm daran, sie sich möglichst wohlgesinnt zu machen. Später kam ein Neger und flüsterte ihm eine Meldung zu. Als der Schwarze gegangen war, sagte er:

»Effendis, ich hörte soeben, daß die beiden Schiffe unten an der Mischrah angekommen sind. Wenn ihr sie sehen wollt, so könnt ihr das jetzt ungestört thun, da die Soldaten noch nicht eingeschifft sind. Erlaubt mir, euch zu begleiten!«

Er führte sie hinab an den Fluß, wo die beiden Noqer neben der Dahabiëh vor Anker lagen.

»Seht sie euch an!« sagte er in hörbarem Stolze. »Euer Fahrzeug ist gewiß ein guter Segler; ich habe das schon heute früh erkannt; aber meine Schiffe sind nach meiner eigenen Angabe auf der Mangarah von Qaun gebaut worden. Ihr Bug ist scharf; sie durchschneiden das Wasser mit Leichtigkeit, und ich habe noch kein Fahrzeug auf dem Nil gesehen, welches es mit ihnen aufnehmen könnte, eure Dahabiëh ausgenommen.«

»Das ist mir lieb,« antwortete Schwarz. »An der Schnelligkeit meines Schiffes habe ich nichts auszusetzen, und so werden die drei Fahrzeuge wohl leicht beisammen bleiben können, ohne daß das eine auf das andre zu warten hat.«

Sie bestiegen die beiden Schiffe, deren Inneres nichts Außergewöhnliches bot. Dann führte Schwarz den Ägypter auf die Dahabiëh. Auf dem Verdeck derselben angekommen, sagte er:

»Jetzt will ich dir etwas zeigen, was du heute früh wohl nicht gesehen hast. Folge mir zunächst nach hinten!«

Sie stiegen auf das Verdeck oberhalb der Kajüte, wo ein langes, schmales und niedriges Holzhäuschen stand, welches auf Rädern beweglich war und dessen Zweck ein mit demselben Unbekannter wohl nicht gleich erraten hätte.

»Was meinst du, was sich darin befindet?« fragte Schwarz.

»Das kann ich nicht erraten,« antwortete Hasab Murat.

»Erraten Sie es vielleicht?« fragte Schwarz den Grauen.

»Vielleicht,« antwortete dieser deutsch. »Wohl eine Drehbasse oder Drehkanone, welche durch das Häuschen maskiert wird, damit der Feind nit zu früh bemerkt, was er zu derwarten hat?«

»Erraten! Da sehen Sie!«

Er öffnete vorn die Thür und schob das Häuschen nach hinten über die Kanone hinweg. Der Lauf derselben lag auf einem Zapfen, so daß er im Kreise rundum nach allen Richtungen bewegt werden konnte.

»Medfa‘, Omm ed dauwar – eine Kanone, eine Mutter des Drachens!« rief der Ägypter, indem er für die Drehbasse sofort einen bezeichnenden Namen improvisierte. »Das ist gut! Da werden und müssen wir siegen!«

»Ich hoffe es,« antwortete Schwarz. »Das ist für einen Kampf zu Wasser. Für ein Gefecht zu Lande habe ich etwas viel Besseres. Laßt es euch zeigen!«

Er führte sie nach dem Vorderteile des Schiffes, wo ein hoher Haufen von Matten zu liegen schien. Dieser bestand aber aus nur fünf Stück. Als Schwarz dieselben entfernt hatte, zeigte sich eine Kanone, deren Lafette und Räder mit Stricken befestigt waren, daß sie feststand und nicht über Bord gehen konnte.

»Noch eine Kanone!« rief Hasab Murat. »Aber wie ist sie gebaut! So eine habe ich noch nie gesehen!«

»Das glaube ich gern,« antwortete Schwarz. »Das ist eine Konstruktion, welche selbst bei den Europäern neu ist. Der Khedive hat einige aus Bilad el ingeliz geschenkt bekommen und zwei davon dem Jaffar Pascha zum Gebrauche gegen die Sklavenräuber nach Chartum geschickt. Mit der einen ist diese Dahabiëh armiert worden, und ich denke, daß sie uns gute Dienste leisten wird, zumal wir einen tüchtigen Vorrat von Munition besitzen. Sie ist eigentlich für den Kampf zu Lande bestimmt, kann aber auch hier auf dem Deck gebraucht werden.«

»Wie heißt denn diese Konstruktion?« fragte der Graue.

»Es ist eine Maximkanone, aus welcher in der Minute recht gut fünfhundert Kugeln abgegeben werden können; das kann, wenn es erforderlich ist, sogar bis auf sechshundert gesteigert werden.«

»Alle Wetter! Da können wir ja in zwei Minuten diesen Abu el Mot mit samt seinen Leuten derschießen!«

»Da müßten sie sehr eng beisammenstehen. So schlimm, wie Sie denken, ist es freilich nicht; aber ein solches Geschütz ersetzt eine ganze Anzahl von Leuten. Die Hauptsache ist eine Taktik, welche es ermöglicht, diese Kanone zur Wirkung kommen zu lassen.«

»Na, daran soll‘s nit fehlen. Ich bin zwar kein Moltke und auch kein Napoleon, aber ein paar Sklavenhändler so zusammenzutreiben, daß man mit dieser Kanone auf sie schießen kann, das trau‘ ich mir schon zu, doch nur unter der Voraussetzung, daß nit gar auf mich selber zielt wird.«

Das Geschütz wurde wieder verhüllt, und dann war die Zeit zum Einschiffen der Soldaten gekommen. Gegen Mittag war man fertig. Die dreihundert Mann des Ägypters befanden sich auf den beiden Noqers und die hundertfünfzig aus Faschodah auf der Dahabiëh. Der Unterschied dieser beiden Schiffsarten besteht darin, daß die Dahabiëh größer und gedeckt ist, während der Noqer offen ist und kein Verdeck besitzt.

Gerade um Mittag, als von der Seribah herab der Schall des Klangbrettes ertönte und die Leute darauf ihr Gebet verrichtet hatten, wurden die Anker gehoben und die Ländseile an Bord gezogen.

Mit dem bekannten Ausrufe »ja rabb, ja rabb – o Herrgott, o Herrgott«, mit welchem die Arbeiter an ihr Werk zu gehen pflegten, stießen die Bahriji die Schiffe vom Ufer ab, an welchem die Frauen und Kinder der Soldaten standen. Die Herren mancher Seriben erlauben nämlich ihren Untergebenen, ihre Angehörigen mitzubringen, und zwar aus Berechnung, weil die Soldaten dadurch mehr an den Ort gekettet werden. Diese Weiber und Kinder riefen den Scheidenden ihr schrilles Lulululululu nach, den gewöhnlichen Abschiedsgruß, welcher noch lange über den Fluß schallte, als die Segel aufgezogen waren und, den günstigen Wind fangend, die Schiffe aufwärts trieben.

Nun zeigte es sich, daß Hasab Murat die Wahrheit gesagt hatte: Seine Noqers segelten ebenso gut wie die Dahabiëh, und Schwarz sah zu seiner Freude, daß dieser günstige Umstand die Bemannung der Fahrzeuge zum Wetteifer trieb.

Die Dahabiëh hatte natürlich ihren geschulten Reïs und einen ebenso erfahrenen Mustamel. Beide hatten jetzt dem Deutschen zu gehorchen. Auch auf jedem der beiden Noqer befand sich ein Reïs und ein Mustamel. Jeder dieser drei Reïsihn war eifersüchtig auf die Schnelligkeit der andern Fahrzeuge und bestrebte sich, es ihnen vorzuthun. Es entstand infolgedessen ein Wettkampf wie zwischen konkurrierenden Mississippidampfern. Die Reïsihn befahlen ihren Matrosen, zu den Stoßstangen zu greifen, und die Soldaten halfen aus Leibeskräften.

Ganz besonders zeichnete sich El Schachar, »der alte Schnarcher«, aus, welcher als Reïs den einen Noqer befehligte. Seine rasselnde Stimme erscholl unausgesetzt. Er feuerte nach der bekannten Art dieser arabischen Kapitäne seine Leute bald durch Schmeichelworte und bald durch die kräftigsten Schimpfreden an.

»Ja Allah, ja Nabi!« schrie er. »Amahl, amahl, ja Allah, amahl – o Gott, o Prophet, macht, macht, o Gott, macht! Ja Allah, ja Sahtir, amahl, amahl – o Gott, o Helfer, macht, macht! Eschhetu mu la il laha il Allah; sallam aaleïna be baraktak – bezeugt, daß es nur einen Gott gibt; begnadige uns mit deinem Segen! Sallah en nabi – preist den Propheten!«