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Die Sklavenkarawane

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Die Kajüte, das heißt der verdeckte Raum im Hinterteile des Schiffes hatte, als er das letztere mietete, der Reïs nicht hergeben wollen; darum war ganz vorn am Bug für Abu el Mot ein Bretterverschlag errichtet worden, den er während der Fahrt mit den Homr geteilt hatte. Nach diesem führte er sie jetzt.

Als sie dort eingetreten waren, riegelte er die Thür hinter sich zu und sagte:

»Wir müssen fort und dürfen den Nuehr nichts davon wissen lassen, sonst drängen sie sich herbei, leiten die Aufmerksamkeit der Feinde auf uns und machen uns das Entkommen zur Unmöglichkeit.«

»Ja, wir müssen schnell fort,« antwortete einer der Homr. »Aber wie? Ich sehe keinen Weg zur Flucht.«

»Aber ich kenne einen, den einzigen, den es gibt. Habt ihr vergessen, daß eins unsrer Boote hier am Vorderteile hängt? Der Feind kann es nicht sehen, weil auf dieser Seite unser Noqer liegt und es sich so seinem Blicke entzieht.«

»Ich weiß, daß es sich hier befindet; aber wir können doch nicht hinein. Sobald wir über Bord wollen, schießt man uns weg.«

»Wir gehen eben nicht über Bord. Haben wir nicht einen Kadduhm, ein Balta und auch eine Firra‘a hier? Die Seiten des Sandal bestehen über dem Wasser aus dünnem Holze und sind leicht zu durchbrechen. Kein Mensch wird uns in das Boot steigen sehen.«

»Aber dann, wenn wir davonrudern, sehen und fangen sie uns!«

»Nein. Du hast ja gesehen, daß der Schnabel des Sandal in das Schilf ragt, gerade da, wo der schmale, offene Kanal durch dasselbe führt. Dorthin fliehen wir. Haltet eure Sachen bereit; denn es muß sehr schnell gehen! Und nun greift zu den Beilen!«

Er selbst nahm die Axt und schlug gegen das dünne Holz, daß es schon bei dem zweiten Hiebe nachgab. Zwei Homr halfen mit den Beilen, und in Zeit von nicht viel mehr als einer Minute war eine Öffnung entstanden, groß genug, einen Mann hindurch zulassen. Sie lag nahe oberhalb der Wasserlinie.

Abu el Mot bog sich hinaus, ergriff den Strick, an welchem das Boot hing, und zog es heran. Er stieg hinaus; ein andrer folgte ihm. Die übrigen vier reichten erst ihre Sachen hinaus, welche sie nicht zurücklassen mochten, und kamen dann nach.

Das Boot war ein sechsruderiges. Es wurde losgebunden; die Homr ergriffen die Ruder und schoben sich langsam nach vorn, zwischen der Schiffswand und dem Schilf hindurch, bis sie sich im freien Wasser befanden. Abu el Mot hatte sich an das Steuer gesetzt, um das Boot zu lenken.

»Bis jetzt ging alles gut,« sagte er. »Aber nun kommt die Gefahr. Sobald wir hier vom Sandal abstoßen und durch den offenen Kanal fahren, wird man uns von der Dahabiëh aus sehen und auf uns schießen. Legt euch also so kräftig wie möglich an die Riemen, damit wir schnell aus dem Bereiche ihrer Kugeln kommen. Jetzt vorwärts! Allah beschütze uns und verderbe unsre Feinde!«

Die Homr senkten die Ruder in das Wasser, zogen an, und das Boot flog vom Buge des Sandal ab in den Kanal hinein.

Infolge der Schüsse, welche noch von allen Seiten fielen, hatten die Nuehr, welche sich im Sandal befanden, das Geräusch der Axt- und Beilhiebe nicht gehört oder nicht beachtet. Sie ahnten nicht, daß sie von ihrem Anführer treulos verlassen werden sollten. Sie wurden darauf, daß er sie ihrem Schicksale überließ, erst durch die Stimme Schwarzens aufmerksam gemacht.

Dieser war hinauf zur Drehbasse gestiegen, um durch einige Vollkugeln die feindlichen Schiffe leck zu schießen und dadurch die Bemannung zur Übergabe zu zwingen. Sein Blick fiel ganz zufälligerweise nach einer andern Seite, als wohin er den Lauf zu richten hatte, und da sah er das Boot, welches soeben hinter der Spitze des Sandals hervor- und in den zwischen dem Schilfe liegenden engen Wasserweg hineinschoß. Sofort die Situation erkennend, beeilte er sich, zu laden. Und ebenso schnell kam ihm der Gedanke, daß er, falls seine Kugel nicht treffe, das Boot mit der zweiten kaum mehr erreichen werde. Darum rief er mit lautester Stimme zum Ufer hinüber:

»Hasab Murat, hallo! Dort entflieht Abu el Mot mit einem Boote. Spring mit deinen Leuten aufwärts, und gib ihm und den Homr die Kugeln. Schone ihn ja nicht mehr!«

Der Genannte hatte die Worte gehört und verstanden. Man sah ihn mit allen seinen Leuten fortrennen.

Aber das war für Schwarz nicht genug. Er rief dem »Sohne der Treue« zu:

»Abd es Sirr, schnell mit deinen Leuten in euer Boot! Hier am Sandal vorüber, den Flüchtigen nach! Stephan Uszkar, nimm fünf gute Schützen und steige mit ins Boot. Holt ihr Abu el Mot ein, so bringt ihn lebendig oder tot. Müßt ihr ihn aber entkommen lassen, so treibt ihn wenigstens an das rechte Ufer hinüber, und sucht sein Boot zu erwischen. Schnell vorwärts, schnell!«

Das Boot der Niam-niam hing seitschiffs an der Dahabiëh. Die Schwarzen sprangen hinein, der »Sohn des Geheimnisses« voran. Der Slowak folgte schnell mit der angegebenen Zahl von Soldaten, die er aufgerufen hatte.

Inzwischen war die Drehbasse geladen. Schwarz richtete sie in gerader Linie nach dem fliehenden Boote, schätzte mit sicherm Blicke die Geschwindigkeit desselben ab, zielte ein wenig darüber hinaus und zog ab. Der Schuß krachte. Den Blick auf das Boot gerichtet, erwartete er die Wirkung. Er hatte vortrefflich gezielt; aber er kannte das Geschütz und die Munition nicht genau, und das Zielobjekt war zu klein. Die Kugel schlug hart neben dem Boote, kaum sechs Fuß von demselben entfernt, in das Wasser, welches man hoch aufspritzen sah.

Zugleich war zu sehen, daß die Homr erschraken und ihre Anstrengung verdoppelten. Schwarz lud schnell wieder, zielte und schoß. Die Kugel schlug hinter den Fliehenden ein, rikoschettierte nahe an ihnen vorüber und sank nach dem dritten Sprunge unter. Der Deutsche versuchte noch einen dritten Schuß, erreichte aber das Boot nicht mehr.

Unterdessen hatten die Niam-niam ihr Boot an dem Buge des Sandal vorübergeschoben. Es war so schnell bemannt und in Fahrt gesetzt worden, daß es schon bei dem zweiten Schusse Schwarzens den Kanal erreicht hatte und die Jagd begann. Die Niam-niam waren bessere Ruderer als die Araber. Wie unter dem Drucke ihrer Riemen das Boot davonflog, war vorauszusehen, daß sie Abu el Mot einholen würden, falls er nicht rechtzeitig sich nach dem Ufer wendete.

Der alte Sklavenräuber war, als die Kugel neben dem Boote einschlug, in keine geringe Angst geraten.

»Rudert, rudert!« schrie er auf. »Der Hund schießt mit der Kanone auf uns. Er zielt wie ein Teufel. Macht, macht, sonst sind wir verloren! Wenn er uns trifft, so bekommt das Boot ein Loch, und die Krokodile fressen uns.«

Als die nächste Kugel an ihnen vorüberflog und das Wasser zweimal aufspritzen machte, wiederholte er diesen Ruf, aber als die dritte das Boot nicht erreichte, jubelte er auf:

»Hamdulillah! Wir sind gerettet; er kann uns nicht mehr erreichen.«

Bald hatten sie das Schilffeld durchfahren, und der Strom lag frei und offen vor ihnen.

»Rechts hinüber!« gebot er den Homr. »Drückt die Ruder links tiefer ein! Wir landen dort und machen, daß wir schnell zu Abd el Mot kommen. Mit seinen fünfhundert Mann sind wir diesem fremden Hunde überlegen.«

Aber kaum hatte er dem Boote die angegebene Richtung erteilt, so tauchte drüben Hasab Murat mit seinen Leuten auf. Dieser Mann hätte sich verbergen und Abu el Mot herankommen und aussteigen lassen sollen, um ihn dann lebendig zu ergreifen, was ihm bei der großen Anzahl Asaker, die er bei sich hatte, unbedingt gelingen mußte. Aber er war zu eifrig, ließ sich sehen und schoß auf das Boot.

»Allah!« rief der Alte. »Da hat der Fremde diese Hunde auf uns gehetzt. Wir können nicht landen. Aber bald wird der Wald so dicht, daß sie uns nicht folgen können. Arbeitet, daß wir einen Vorsprung bekommen! Dann gehen wir ans Ufer und sie mögen hinter uns hersehen.«

Er hielt wieder auf die Mitte des Stromes zu, wo ihn die Kugeln der Asaker nicht erreichen konnten. Dadurch erhielten die rückwärts sitzenden Ruderer den Blick auf den Kanal, den sie zurückgelegt hatten, und sahen das Boot, welches ihnen nachgeschickt worden war.

»Ein Boot, ein großes Boot mit vielen Leuten,« rief derjenige Homr, der es zuerst gesehen hatte. »Man verfolgt uns auch hier, nicht nur am Ufer.«

Abu el Mot drehte sich um und beobachtete das Fahrzeug der Niam-niam eine kurze Zeit; dann sagte er:

»Die Hölle komme über sie! Sie rudern schneller als wir und müssen uns einholen, wenn wir in dieser Richtung bleiben!«

»So werden wir kämpfen!«

»Dummkopf! Was nützt uns das? Es sind ihrer viermal so viele als wir. Nein, gekämpft wird nicht. Es gilt jetzt, das Leben zu retten. Wir müssen nach links hinüber. Wir müssen uns anstrengen, das rechte Ufer zu erreichen. Gewinnen wir dasselbe vor ihnen, so sind wir sie los.«

»Aber das Boot auch!«

»Das werden sie freilich nicht für uns am Ufer lassen.«

»Aber wie kommen wir dann wieder über den Fluß? Wir müssen doch ans linke Ufer zurück, wenn wir zu Abd el Mot wollen!«

»Wir bauen uns ein Floß. Rudert nur, rudert, und wenn euch das Blut aus den Fingern spritzt! Erreichen sie uns, so sind wir verloren; entkommen wir, dann aber wehe diesen Hunden! Sie sollen mir den heutigen Tag mit tausend Qualen und Schmerzen bezahlen!«

Jetzt sah man das Boot der Niam-niam aus dem Kanale hervorschießen. Die Angst gab den Homr dreifache Kraft. Ihr Fahrzeug flog nur so über das Wasser, welches zum Glück für sie hier eine nicht allzu große Breite hatte. Sie näherten sich schnell dem rechten Ufer; sie erreichten es, ergriffen ihre Sachen und sprangen an das Land, ohne sich erst Zeit genommen zu haben, das Boot anzubinden. Es trieb wieder in den Strom hinaus.

Der Ungar hatte, seinen Elefantenmörder in der Hand, in der Mitte des Bootes gestanden und die Ruderer fleißig angefeuert. Jetzt sagte er enttäuscht:

»Sie entgehen uns! Da seht, sie springen ans Land! Aber eine Kugel gebe ich ihnen noch!«

 

»Laß das!« meinte der »Sohn des Geheimnisses«. »Du kannst nicht ruhig zielen.«

»Ich ziele gut. Ich erschieß den Kerl!«

Er nahm das schwere Gewehr auf, zielte auf Abu el Mot, welcher eben hinter einen Strauch verschwinden wollte. Die Ruderer, welche mit dem Rücken nach dem Ufer saßen, blickten sich nach demselben um; sie wollten die Wirkung des Schusses sehen. Dadurch verlor das Boot die Glattheit der Fahrt, es wankte, der Slowak drückte ab, erhielt von dem Gewehre einen Rückschlag, welcher einer tüchtigen Ohrfeige glich, kam ins Taumeln und stürzte über Bord.

Einer der mitgenommenen Soldaten war so glücklich, den »Elefantenmörder« zu erwischen, sonst wäre das Gewehr ins Wasser geschleudert worden. Ein andrer erfaßte ebenso glücklich den Schoß des roten Frackes und hielt ihn fest. Man zog an demselben den Kleinen empor, ergriff ihn bei den Armen und hob ihn herein. Aber naß geworden war er durch und durch.

»Ich sagte es dir,« meinte der »Sohn des Geheimnisses« gleichmütig, »daß du ihn nicht treffen würdest.«

»Ich hätte ihn getroffen, wenn ihr nicht geschaukelt hättet!« antwortete der Ungar, indem er das Wasser, welches ihm in Mund und Nase gekommen war, von sich sprudelte. »Wie leicht wäre ich ertrunken oder von den Krokodilen gefressen worden! Was thun wir jetzt? Verfolgen wir ihn am Lande?«

»Nein, denn wir würden ihn doch nicht bekommen. Wir fischen das Boot auf und kehren zurück.«

»So ist er uns für immer verloren!«

»Das glaube ich nicht. Dieser Mann ist voller Wut und Rache. Er wird zu seinen Leuten eilen, welche nach Ombula sind, und sie holen, um uns zu bestrafen. Da kommt das Boot getrieben. Nehmt es auf!«

Die Nuehr waren voller Zorn über die Flucht ihres Anführers, der sie in größter Not verlassen hatte. Wäre er geblieben, so wäre er es gewesen, über den der Zorn der Sieger sich entladen hätte; nun aber waren sie demselben in vollstem Maße preisgegeben. Sie hatten, seit er entflohen war, keinen einzigen Schuß mehr abgegeben, und ihr Häuptling war der Ansicht, daß es geraten sei, sich zu ergeben und die Sieger nicht durch eine Fortsetzung des Kampfes zu erbittern. Dem Beispiele Abu el Mots zu folgen und in derselben Weise das Weite zu suchen, das war ihnen unmöglich. Es hing keines der Boote mehr so bequem für diesen Zweck, und sodann war mit Sicherheit anzunehmen, daß die Feinde nun ihr Augenmerk sehr scharf auf den Kanal richten würden.

Diese Vermutung bestätigte sich. Schwarz bemannte ein Boot mit Soldaten und schickte dasselbe um das Vorderteil des Sandal herum, wo es dann im Kanale Posto fassen mußte. An eine Flucht nach dieser Seite konnte nun nicht mehr gedacht werden.

Der Kampf ruhte jetzt vollständig. Die Schüsse waren verstummt, und Freund und Feind schienen, bevor etwas Ferneres zu unternehmen sei, die Rückkehr des zur Verfolgung ausgesandten Bootes erwarten zu wollen. Die Nuehr versuchten, ob sie sich ohne Gefahr zeigen dürften. Hie und da erschien ein Arm, ein Kopf über dem Rande der beiden Fahrzeuge. Da darauf kein Schuß erfolgte, so folgten andre Köpfe nach, und endlich ließen sie sich in voller Gestalt sehen.

Schwarz hatte dem Hauptmann den Befehl gegeben, das Schießen einstweilen einzustellen und erst dann wieder mit demselben zu beginnen, wenn es den Nuehr einfallen sollte, die Feindseligkeiten zu erneuern. Er saß jetzt noch oben bei der Drehbasse. Pfotenhauer war zu ihm heraufgekommen und unterhielt sich mit ihm über den Verlauf des Gefechtes, welcher durch die Wirkung der Maximkanone so außerordentlich abgekürzt worden war.

»Glauben‘s, daß die Schwarzen wieder anfangen werden?« fragte er.

»Nein, ich glaube es nicht,« antwortete Schwarz. »Es wäre wahnsinnig von ihnen, es zu thun. Sie müssen doch eingesehen haben, daß wir ihnen nicht nur in Beziehung auf die Waffen, sondern auch der Zahl nach überlegen sind. Und da Abu el Mot sie verlassen hat, sind sie überdies führerlos geworden.«

»Sie haben ihren Häuptling!«

»Pah! Dieser Mann wird es wohl nicht wagen, sich mit uns zu messen! Es sollte ihm auch schlecht bekommen. Unsre Asaker verstehen es, mit ihren Gewehren umzugehen. Bei dieser Gelegenheit muß ich Ihnen sagen, daß ich mich über Sie gefreut habe.«

»Warum?«

»Daß Sie so wacker geschossen haben. Sie sind aus dem Feuern gar nicht herausgekommen!«

»Ja, g‘schossen hab‘ ich brav. Aber wissen‘s auch, wen und wohin?«

»Nein.«

»So will ich‘s Ihnen sagen. Ich hab‘ halt immer nur nach der Frisur g‘zielt, a bißchen höher als der Kopf. Ich hab‘ g‘meint, daß man keinen Menschen ganz derschießen soll, wann man mit der Frisur auch einen guten Erfolg haben kann.« »Und wie!« lachte der Graue. »Sie hätten‘s nur sehen sollen! Aber Sie haben so mit dera Kanone zu thun g‘habt, daß Sie das gar nit beobachten konnten. Aber haben‘s denn die hohen und großen Schöpfe der Nuehr gar noch nit g‘sehen? Wissen‘s nit, woraus sie g‘fertigt werden?«

»Nein. Ich hatte keine Zeit, in der Gegend der Nuehr so eingehende Studien zu machen. Ich bin schnell hindurchgefahren.«

»Nun. sie lassen das Haar lang wachsen, streichen es in die Höh‘ und schmieren einen Teig aus Asch‘ und Kuh-Urin hinein, was gegen g‘wisse Tierchen helfen soll, von denen die Negerköpfe stets sehr zahlreich bevölkert sind. Dadurch wird aus dera Frisur eine hohe, kompakte und harte Masse, welche so fest auf dem Schädel sitzt, daß sie zu demselben zu g‘hören scheint. Wann nun eine Kugel hindurchg‘schossen wird, so gibt das dem Nuehr einen Schlag, der ihn zu Boden wirft. Er kann da gar wohl meinen, daß ihm die Kugel durch den Kopf ‚gangen ist. Wenigstens ist keiner von allen, die ich mit meinen Kugeln niederpelzt hab‘, wieder aufg‘standen. Vielleicht ist ihnen die Frisur ebenso teuer wie der Schädel selbst; darum lassen‘s sich lieber gar nit wieder sehen, um sich diesen schönen Schmuck nit weiter verschimpfieren zu lassen.«

»Das ist freilich lustig. Übrigens stimme ich Ihnen vollständig bei, wenn Sie sagen, daß man einen Menschen nur in der höchsten Not töten soll. Es hat mir leid gethan, die Kanone brauchen zu müssen; aber es galt, Abu el Mot zu zeigen, daß mit uns nicht zu spaßen ist. Hätte ich das nicht gethan, so wäre der Kampf von viel längerer Dauer gewesen und hätte auf unsrer Seite bedeutende Opfer gefordert. Lieber sollen drei Sklavenjäger fallen als einer von unsren Soldaten. Freilich hätte ich ahnen können, daß Abu el Mot eine Gelegenheit zur Flucht finden werde, so hätte ich dem Gefechte sofort dadurch ein Ende gemacht, daß wir ihn und seine fünf Homr gleich beim Beginn niedergeschossen hätten. Die Nuehr wären dadurch so erschreckt worden, daß sie vielleicht sogleich zu dem Entschluß gekommen wären, sich uns zu ergeben.«

»Das kann möglich sein. Sie können sich denken, wie g‘spannt ich darauf bin, zu erfahren, ob er entkommen ist oder ob‘s ihn festgenommen haben.«

»Das letztere bezweifle ich. Wenn sie ihn eingeholt haben, so hat er sich jedenfalls nicht fassen lassen, sondern sich gewehrt. Er ist entkommen oder tot.«

»Haben‘s das Gesicht g‘sehen, was er zog, als er Sie erblickte?«

»Ja.«

»Das war, als ob ihn der Schlag ‚troffen hätt‘. So etwas hat er doch nit vermuten können, und – – – Ah, was ist das? Schaun‘s, da kommen sie! Sehen‘s nur hinauf! Wissen‘s, was für welche das sind?«

Es kamen zwei große Vögel über den Fluß geflogen. Trotz der schwierigen, ja gefährlichen Lage, in welcher sich die Menschen hier unten, und der Graue mit ihnen, befanden, richtete er seine ganze Aufmerksamkeit hinauf zu den Vertretern seiner Lieblingstierklasse. Er war aufgesprungen und verfolgte ihren Flug mit scharfem Auge, wobei seine Nase sich auch emporrichtete, als ob sie ganz dasselbe lebhafte Interesse wie ihr Besitzer empfinde.

»Ja, das weiß ich,« antwortete Schwarz lächelnd.

»Nun? Den lateinischen Namen?«

»Balaeniceps rex.«

»Wahrhaftig, Sie wissen‘s! Und wie wird dieser Vogel hier g‘nannt?«

»Abu Merkub, ‚Vater des Schuhes‘.«

»Warum?«

»Weil der obere Schnabel die Form eines Schuhes hat.«

»Richtig! Da sehen‘s wieder mal, daß die Leut‘ hier den Tieren ihre Namen nach gewissen Eigenschaften geben. Sonst fliegt der Abu Merkub nit so hoch. Er muß aufg‘scheucht worden sein. Er kam aus dera Gegend, wohin die Boote g‘fahren sind, von dorther, wo – – – schaun‘s, da kommt es, unser Boot! Sehen‘s es, ganz da draußen im Kanal?«

»Ja. Es schleppt ein zweites hinter sich her. Jetzt werden wir erfahren, welchen Erfolg die Jagd gehabt hat.«

Die beiden Fahrzeuge wurden auch von andern bemerkt. Die Leute machten einander durch laute Zurufe auf sie aufmerksam. Auch die Nuehr, soweit sie nicht mit ihren Toten und Verwundeten zu thun hatten, richteten ihr Augenmerk auf sie.

Als sie näher kamen, stellte es sich zur Enttäuschung der Sieger heraus, daß Abu el Mot entkommen war. Die Niamniam und Asaker kehrten vollzählig und unverletzt zurück, und das Boot, in welchem der Sklavenjäger die Flucht ergriffen hatte. war leer. Es hatte also keinen Kampf gegeben.

Die Niam-niam legten bei der Dahabiëh an, und der »Vater der elf Haare« war der erste, welcher an Bord stieg und zu Schwarz kam, um ihm seine Meldung zu machen.

»Wie siehst du aus?« fragte dieser. »Du bist ja ganz naß!«

Der Kleine nahm seinen Turban ab, strich die ganz trübselig aussehenden Federn desselben mit der Hand und antwortete:

»Ich warrr gefallte in Wasser, triefendes.«

»Wie ist das gekommen?«

»Ich hatt geschoßte auf Abu el Mot, miserablem, und da mußt schaukelnte derrr Kahn, unvorsichtiger; da hatt ich machte Wasserplumps, kopfübergen.«

»So ist also Abu el Mot entkommen.«

»Ja; errr ist fahrte an Ufer, von uns unerreichtes, und gelaufte davon in Busch, gesträuchigen.«

»Die Homr mit ihm?«

»Seinte auch entflüchtete, die Homr, fünfige!«

»So konntet ihr das Boot also nicht einholen?«

»Nein, denn es hatt gehabte Vorsprung, übermäßigen; wir es nicht kann einholte trotz Anstrengung, aller und fast übermäßiger. Aber wir hatt auffangte Boot, seiniges, und bringte es herrr in Triumph, siegreichem.«

»An welches Ufer hat er sich denn gerettet? Etwa an das linke?«

»Nein, sondern an rechtiges, von uns hier aus aber linkiges, weil wir habte Stellung aufwärtsige in Fluß.«

»So ist er also fort!« sagte Pfotenhauer. »Er wird sich nit wieder sehen lassen, und Sie können Ihr dem Mudir gegebenes Wort nit einlösen.«

»Ich hoffe, es doch noch zu können,« antwortete Schwarz.

»Das bezweifle ich!«

»Und ich bin überzeugt, daß er mehr als ich dafür sorgen wird, daß wir uns wieder treffen.«

»Das wär‘ dumm von ihm!«

»Gewiß nicht, nämlich von seinem Standpunkte aus. Wir haben ihm eine Schlappe beigebracht, wie er sie in seinem ganzen Leben gewiß noch nicht erlitten hat. Klug wäre es freilich von ihm, sich nicht nur von uns, sondern auch überhaupt in dieser Gegend niemals wieder sehen zu lassen; aber wie wäre das mit seinem Charakter zu vereinbaren! Es handelt sich bei ihm nur darum, sich nicht nur an mir, sondern auch an Hasab Murat zu rächen, und darauf wird er auf keinen Fall verzichten. Ich bin vielmehr überzeugt, daß er sich damit sehr beeilen wird.«

»Aber wie will er das anfangen?«

»Er holt seine Leute als Hilfe herbei.«

»Die nach Ombula sind? So meinen‘s also, daß er nach dort gehen wird? Ja, das ist freilich wahrscheinlich. Das sind fünfhundert gut bewaffnete Leut‘, mit denen er es schon wagen kann, uns anzugreifen. Aber nach dem Maijeh Husan el bahr ist nit so weit wie bis Ombula. Vielleicht geht er erst dorthin?«

»Das glaube ich nicht. Er mit den fünf Homr? Gegen fünfzig Aufrührer? Das ist ein zu großes Wagnis.«

»Aber er muß doch hin, da er nur dort die Munition, welche ihm fehlt, erlangen kann! Er mag vielleicht der Ansicht sein, daß diese Leut‘, wann er ihnen verzeiht, sich wieder zu ihnen halten.«

»Möglich ist das; aber er wird dennoch nach Ombula gehen und erst von dort aus mit hinreichender Macht den Feldwebel aufsuchen.«

»Wie er‘s macht, das ist mir gleich, wann wir ihn nur wiederbekommen! Ich rechne aber nit mit solcher Sicherheit darauf wie Sie. Wann er klug ist, begibt er sich nit nochmals in die G‘fahr, welcher er jetzt nur mit Not entkommen ist. Er weiß ja auch überhaupt nit, ob es ihm möglich ist, uns nochmals anzutreffen.«

»Was das betrifft, so hat er gehört, daß wir ihn haben wollen. Er muß natürlich annehmen, daß ich nur deshalb hieher gekommen bin, ihn gefangen zu nehmen. Darum ist er überzeugt, daß ich nach ihm suche. Auch von seinem Feinde Hasab Murat muß er der Ansicht sein, daß dieser nicht heimkehren werde, ohne wenigstens den Versuch gemacht zu haben, ihn zu erwischen.«

»Sollte er das wirklich denken? Sollte er uns für so dumm halten, ins Blaue hinein nach ihm zu forschen, ohne irgend ahnen zu können, wo er zu finden ist? Denn das letztere muß er doch denken.«

 

»O nein. Er weiß, daß wir nach Ombula gehen werden.«

»Sie meinen, daß er das errät?«

»Ja. Er muß sich doch jedenfalls folgendes denken: Wir sind nach der Seribah gekommen, um ihn zu bestrafen. Wir haben ihn gar nicht und sie eingeäschert gefunden. Selbstverständlich haben wir uns da bei den Dschur erkundigt und erfahren, wohin er will, und sind ihm schleunigst nachgefolgt. Nun er uns entgangen ist, wissen wir doch, wohin er sich wenden wird und wenden muß, und wir werden ihm nachfolgen. Das denkt er gewiß, und danach wird er handeln.«

»Ja, wenn Sie die Sach‘ so erklären, so wird sie schon richtig sein. Und nun, wie gedenken‘s dann, wohin wir gehen? Nach dem Maijeh oder nach Ombula?«

»Nach dem Maijeh. Ich habe meine guten Gründe dazu.«

»Welche sind das?«

»Erstens wird er glauben, daß wir ihm nach Ombula folgen, und sein Verhalten nach dieser Voraussetzung einrichten. Indem ich es nicht thue, stelle ich mich in den Vorteil gegen ihn. In Ombula wird es ihm leichter, sich gegen uns zu wehren, als wenn wir ihn an einem andern Orte, den wir selbst auswählen, während des Heimzuges überrumpeln. Und sodann haben wir, wenn wir den Feldwebel mit seinen Leuten vorher festnehmen, den Rücken frei, was nicht der Fall wäre, wenn wir direkt nach Ombula gingen und also zwischen zwei Lager kämen.«

»Aber Sie müssen halt dennoch mit dem Umstand rechnen, daß er den Feldwebel aufsucht. Die Klugheit erfordert das. Er muß ihn, um die Herden und alles andre zu retten, auf irgend eine Weis‘ vor uns warnen.«

»Das habe ich schon in Betracht gezogen. Ich muß suchen, ihm zuvorzukommen. Darum werde ich einstweilen mit der Dahabiëh voranfahren. Die hundertfünfzig Soldaten, welche sich auf derselben befinden, sind mehr als ausreichend für die Überwältigung des Feldwebels. Jetzt aber gilt es, hier mit den Nuehr zu Ende zu kommen. Ich werde mit dem Häuptling in Verhandlung treten.«

Diesen letzteren sah man auf dem Deck des Sandal sitzen. Seine Leute lagen oder standen um ihn her und unterhielten sich unter lebhaften Gestikulationen. Es war natürlich anzunehmen, daß ihre gegenwärtige mißliche Lage der Gegenstand ihrer Reden sei. Schwarz trat an den Rand der Dahabiëh und rief ihn an. Der Häuptling stand auf und trat an die Brüstung des Sandal.

»Ich habe mit dir zu reden,« sagte Schwarz.

»So sprich!« antwortete der Nuehr.

»Nicht so, nicht aus dieser Entfernung. Komm herüber auf mein Schiff!«

»Du kannst ebenso auf das meinige kommen!«

»Ich glaube, es ist Sitte, daß der tiefer Stehende zu den Höhern, der Besiegte zu dem Sieger kommt.«

»Noch bin ich nicht besiegt!«

»Weil wir euch geschont haben. Wir werden es aber nicht länger thun, wenn du dich weigerst, meiner Aufforderung Folge zu leisten.«

»Wie kannst du von mir verlangen, zu dir zu kommen und mich also in deine Hände zu liefern!«

»Das verlange ich nicht. Ich will nur mit dir sprechen. Ich möchte euch nicht töten. Wenn du kommst, werde ich dir nichts thun und dich auch nicht zurückhalten.«

»Sagst du die Wahrheit?«

»Ja.«

»Ich kann zu meinen Leuten zurück, selbst dann, wenn ich nicht mit dir einig werde?«

»Gewiß; ich verspreche es dir.«

»Schwöre es mir beim Propheten!«

»Nun wohl! Mohammed ist mein Zeuge, daß du gehen kannst, sobald es dir beliebt.«

»So komme ich.«

»Auch nit übel!« lachte Pfotenhauer. »Schwört dieser Naturforscher Schwarz auf den alten Mohammed! Man derlebt doch sonderbare Sachen. wann man die Nas‘ in fremde Länder steckt! Was werden‘s ihm denn für Bedingungen machen ?«

»Sich zu ergeben, das verlange ich, und dafür soll er straflos ausgehen.«

»Ist das nit zu gelind?«

»Nein. Diese Nuehrs haben nicht den richtigen Begriff von der Abscheulichkeit des Sklavenhandels. Und selbst wenn sie sich derselben bewußt wären, wie soll ich sie strafen? Etwa indem ich sie alle erschieße?«

»Nein.«

»Oder sie in ein Zuchthaus stecke?«

»Da gibts keins.«

»Habe überhaupt ich über sie zu richten?«

»Wohl schwerlich! Es wird sogar zweifelhaft sein, ob der Mudir das Recht hat, sie zu bestrafen.«

»Ganz richtig! Es fällt mir gar nicht ein, etwas zu thun, was nicht meines Amtes ist. Und außerdem gebietet mir die Klugheit, Milde walten zu lassen. Was wollen wir mit diesen vielen Menschen thun, wenn sie in unsre Hände fallen? Sie vielleicht mit uns umherschleppen, daß sie uns in allem hindern und vielleicht gar bei Gelegenheit gegen uns losbrechen? Nein, ich lasse sie laufen.«

Jetzt kam der Häuptling in einem Boote herbei. Schwarz befahl Kaffee und Pfeifen und begab sich mit Pfotenhauer in die Kajüte, wo er den Häuptling empfing.

Er war sehr gut gebaut, die schmale, enge Brust abgerechnet, welche alle Völker haben, welche in Flußniederungen und sumpfigen fiebererzeugenden Gegenden wohnen. Quer über die Stirn trug er drei parallele Narben. Die Eltern bringen den Knaben schon in der Jugend diese Schnitte bei. Die Narben gelten als Schönheit. Ferner hatte er in der Unterkinnlade keine Vorderzähne. Die Nuehr haben die Sitte, diese den Kindern auszubrechen, weshalb, das ist schwer zu sagen. Dadurch bekommt ihre Sprache etwas Eigentümliches, was sehr schwierig nachzuahmen ist.

Auf Schwarzens Einladung setzte er sich nieder, trank seine Tasse Kaffee aus und ließ es gern geschehen, daß der schwarze Diener ihm die Pfeife in Brand steckte. Als er zwei oder drei Züge gethan hatte, ließ er ein wohlgefälliges, ja entzücktes Grunzen hören. Er hatte bisher stets nur mit andern Blättern vermischtes schlechtes Tabakspulver rauchen können. Der Wohlgeruch und Wohlgeschmack dieser Pfeife versetzte ihn in Ekstase. Schwarz begann:

»Du sagtest, daß wir euch noch nicht besiegt hätten. Hältst du es vielleicht für möglich, uns noch zu entkommen?«

»Nein,« gestand der Schwarze in naiver Aufrichtigkeit.

»Was gedenkst du da zu thun?«

»Zu kämpfen bis auf den letzten Mann.«

»Was hättest du davon?«

»Wir würden viele von euch töten.«

»Ohne einen Vorteil davon zu haben!«

»Müssen wir nicht? Sind wir nicht dazu gezwungen?«

»Nein.«

Der Häuptling machte ein außerordentlich erstauntes Gesicht. Fast wäre ihm dabei die Pfeife ausgegangen. Er bemerkte das, that schnell einige Züge und fragte dann:

»Du willst wirklich nicht weiter mit uns kämpfen?«

»Nein.«

»Aber wir werden uns doch nicht ohne Gegenwehr töten lassen sollen!«

»Das mute ich euch auch gar nicht zu. Aber was meinst du denn, was geschehen soll? Der Sieger tötet entweder die Besiegten, oder er macht sie zu Sklaven. Und ich will weder von dem einen noch von dem andern etwas wissen. Ich will euch nicht töten und brauche auch keine Sklaven. Ich bin ein Christ.«

»Ein Christ?« Er suchte in seinem Gedächtnisse nach, um darüber, was man unter einem Christen zu verstehen habe, klar zu werden. Endlich dämmerte eine Erinnerung in ihm auf, und er fuhr fort:

»Sind das die Leute, welche Schweinefleisch essen dürfen?«

»Ja. Doch ist das nicht etwa das Hauptzeichen, welches uns von den Bekennern des Propheten unterscheidet. Unsere Religion gebietet uns, zu lieben anstatt zu hassen und selbst unsern Feinden Gutes zu erweisen.«

Der Nuehr sah ein, daß dieses Gebot sehr vorteilhaft für ihn sei, und fragte:

»Und ihr gehorcht dieser Religion auch wirklich?«

»Ja.«

»Du weißt doch wohl, daß wir deine Feinde sind?«

»Allerdings.«

»So mußt du uns Gutes erweisen!«

»Das beabsichtige ich auch, zu thun,« antwortete Schwarz, innerlich belustigt über die schlaue Logik dieses Mannes.

»Und worin soll das bestehen?«

»Das wird ganz auf dich ankommen. Sage mir aufrichtig, wozu Abu el Mot euch angeworben hat!«

»Um Sklaven zu machen.«

»Wo?«

»Bei den Niam-niam.«

»Was bot er euch dafür?«

»Speise und Trank, Kleider, wie sie bei unserm Volk getragen werden, jedem eine Flinte und sodann für jeden Sklaven, den wir machen würden, einen Abu Noktah.«

»Das ist sehr wenig! Ihr seid also bloß zum Sklavenfang angeworben worden. Warum habt ihr da gegen uns gekämpft?«