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Die Sklavenkarawane

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Weil Abu el Mot es so wollte, weil wir seine Genossen, seine Verbündeten sind und ihn also verteidigen mußten.«

»Ihr habt erfahren, wie gefährlich es ist, der Genosse eines Sklavenjägers zu sein! Eure Freundschaft für ihn hat euch viele Tote und Verwundete gekostet.«

»Ja, es sind ihrer viele,« antwortete der Häuptling niedergeschlagen. »Deine Medfa hatte großen Hunger; sie hat mehr von uns aufgefressen, als ihr kleiner Mund verschlingen kann.«

»Hast du sie gezählt?«

»Ja. Es sind über dreißig Tote und doppelt so viel Verwundete. Mehrere sind sogar durch die Compirah geschossen! Was soll weiter werden?«

»Sage vorher, wem die Schiffe gehören!«

»Einem Manne in Diakin.«

»Ist er Sklavenhändler?«

»Nein.«

»Oder reich?«

»Auch nicht. Die Schiffe sind sein einziges Eigentum, und er wird sehr arm werden dadurch, daß du sie verbrennst.«

»Wer sagt dir, daß ich sie verbrennen werde?«

»Jeder Sieger würde das thun oder sie für sich behalten.«

»Hat er sie dazu vermietet, daß mit ihnen eine Ghasuah unternommen werden solle?«

»Nein. Sie sollten uns nach der Seribah bringen und dann umkehren. Aber weil der Noqer Abu el Mots verbrannt worden war, mietete er sie weiter.«

»So soll dieser Mann seine Schiffe wieder bekommen. Sage ihm, daß ich sie ihm schenke!«

»Das wolltest du thun? Herr, deine Güte ist ganz ohnegleichen! Aber wie soll ich ihm das sagen?«

»Sobald du nach Diakin kommst.«

»Komme ich denn hin?«

»Ja, du und deine Leute. Ich schenke euch die Freiheit.«

Da ließ der Schwarze seine Pfeife fallen, sprang auf und rief:

»Die Freiheit? Ist das möglich? Herr, du scherzest nur mit mir!«

»Nein; was ich sage, das ist mein vollster Ernst. Ihr sollt leben bleiben.«

»Alle? Auch ich?«

»Alle und auch du mit eingeschlossen; aber ich mache meine Bedingungen dabei!«

»Sage sie; sage sie!« forderte der Schwarze ihn freudig auf. »Wir werden alles thun, was du verlangst, wenn es nur möglich ist«

»Ihr gebt alle eure Waffen ab!«

»Die sollst du erhalten. Wir haben genug andre daheim.«

»Ihr denkt ferner nicht mehr an Abu el Mot; ihr macht keinen Versuch, ihn aufzufinden, sondern ihr fahrt in euern beiden Schiffen so schnell wie möglich heim.«

»Das werden wir gern thun, sehr gern!«

»Ich hoffe es. Ich werde nur mit der Dahabiëh diese Stelle verlassen, und meine Noqer bleiben hier, um dafür zu sorgen, daß diese Bedingung auch genau erfüllt werde. Sie sollen euch folgen. Sobald ihr Miene macht, umzukehren, werden sie euch angreifen und vernichten. Beachte das wohl!«

»Herr, wir werden froh sein, nach Hause fahren zu dürfen, und es fällt uns gar nicht ein, zurückzubleiben. Dieser Abu el Mot hat uns schmählich und heimtückisch verlassen, und wenn ich ihn je einmal wiedersehe, so ist es um ihn geschehen.«

»Gut, wir sind also fertig und – —«

»Nein, wir sind noch nicht fertig,« fiel der Graue ein, natürlich in deutscher Sprache. »Ich habe auch ein Wort zu sagen und stelle noch eine Bedingung.«

Seine Nasenspitze wippte in so lächerlicher Weise auf und nieder, hin und her, daß einer, der ihn kannte, überzeugt sein mußte, seine Bedingung werde eine wenig tragische sein.

»Sage sie!« forderte der Häuptling ihn auf; »ich hoffe, daß es möglich ist, sie zu erfüllen.«

»Nun gut! Ich verlange, daß ihr euch eure Compajir abschneidet und an mich abliefert!«

Die Wirkung dieser Bedingung war keine geringe. Der Schwarze erschrak auf das heftigste. Er trat einen Schritt zurück, warf die Arme in die Luft, rollte die Augen, schrie laut auf und antwortete dann:

»Herr, das darfst du nicht verlangen!«

»O doch! Ich verlange es. Du hast es ja gehört!«

»Aber wir können es nicht erfüllen!«

»Warum nicht? Es sind ja scharfe Sekakin genug da, und außerdem haben wir einige Makassa hier, mit denen wir sie schnell herunterschneiden können.«

»Warum willst du uns solche Schmerzen erleiden lassen?«

»Schmerzen? Nehmt euch nur in acht, dann wird es nicht wehe thun!«

»Du irrst. Andern kann man die Compirah leicht nehmen, weil sie das Haar lose tragen. Unsre Compajir aber sind hart und fest gebaut wie Stein. Man weiß nicht, wo der Kopf aufhört und wo die Compirah beginnt.«

»Wenn ihr es nicht wißt, so weiß ich es, denn ich bin Tabib und kenne den Bau des Kopfes ganz genau. Und wenn ich je einem von euch ein Stück vom Schädel mit wegschneide, so heile ich es ihm sofort wieder an.«

»Nein, nein, Herr! Ich glaube gern, daß du ein großer und berühmter Tabib bist, denn du hast eine Nase, welche fürchterlich groß ist, und wir Abdi wissen recht gut, daß ein Mensch desto klüger und gelehrter gilt, je länger seine Nase ist; aber wenn du uns die Compajir auch wirklich schmerzlos herunter schneiden kannst, so wirst du uns doch nicht die Schande anthun, uns unsres Schmuckes zu berauben und uns zu zwingen, daheim ohne die größte männliche Zierde vor unsere Frauen zu treten.«

»Ich kann nicht anders,« behauptete der Graue. »Strafe muß sein!«

»Wenn du uns strafen willst,« fuhr der Nuehr voller Angst fort, »so will ich dir einen Vorschlag machen. Ein Nuehr stirbt lieber, als daß er der Lieblichkeit seiner Vorzüge entsagt. Das Los mag unter meinen Leuten entscheiden. Die Hälfte von ihnen mögen mit ihren Compajir nach Hause gehen dürfen, und die andern magst du töten und ihnen den Schmuck nehmen. Dazu magst du noch extra die Compajir unsrer Toten bekommen.«

Daß er sich in größter Sorge befand, bewies dieser Vorschlag. So ernst er die Sache nahm, so große Mühe hatten die Deutschen, das Lachen zu verbeißen. Pfotenhauer fragte:

»Also deine Leute sollen losen? Du doch auch mit?«

»Ich? Nein, denn ich bin der Anführer und als solcher über das Los erhaben. Bedenke doch, daß ich auch sterben würde, wenn es mich träfe!«

»Ach so! Du willst aber nicht sterben? Nun, das kann ich keinem Menschen übel nehmen und auch dir nicht. Aber mein Gerechtigkeitsgefühl empört sich dagegen, daß einer auf alle Fälle leben bleiben soll, während die andern ihr Leben von dem Zufalle abhängig machen müssen. Darum will ich nicht bloß gegen dich milde sein, sondern auch die andern mit meiner Barmherzigkeit erleuchten. Ich verzichte hiermit auf die Compajir, verlange aber, daß du mir an deren Stelle deine Boneta el badschak überlieferst.«

»Meine Bornata el lulu?« rief der Schwarze aus, indem er sich mit beiden Händen nach der bereits beschriebenen Kopfbedeckung fuhr und seine Züge sich vor Entsetzen verzerrten. »Herr, das kannst du nicht wollen; das kannst du nicht verlangen! Diese Bornata ist das Zeichen meiner Häuptlingswürde.«

»Das weiß ich wohl, geht mich aber nichts an. Bedenke, daß du damit das Leben von über hundert Nuehrs, auf welche das Los fallen würde, retten kannst!«

»Mögen sie sterben; ich habe nichts dagegen. Kein Schah und kein Malik gibt seine Tadscha her, ohne um sie gekämpft zu haben. Was soll dir die meinige nützen, da du doch nicht König der Nuehr wirst sein wollen!«

»Diese Absicht habe ich freilich nicht. Aber du bist besiegt und hast ein Zeichen der Unterwerfung an uns abzuliefern. Etwas andres wäre es, wenn du dich entschließen könntest, dir meine Gnade dadurch zu erwerben, daß du bei uns bleibst und unser Freund und Verbündeter wirst. Dann brauchtest du uns weder deine Tadscha noch eure Compajir abzuliefern und würdest vielmehr manches von uns erhalten, was dir nützlich ist und dich erfreuen kann.«

Als der Neger diese Worte hörte, holte er tief und erleichtert Atem und antwortete:

»Herr, du machst meine Seele wieder leicht. Ich habe große Angst ausgestanden. Sage mir, in welcher Weise ich euer Verbündeter sein soll!«

»Du sollst mit uns gegen Abu el Mot ziehen, der euch so hinterlistig eurem Schicksal überlassen hat.«

»Herr, das thue ich gern, sehr gern!« lautete die eilige und energische Antwort. »Es war seine Pflicht, uns zu sagen, daß er fliehen wolle. Er hat uns geopfert, um nur selbst entkommen zu können, und dadurch unsre Rache verdient. Du magst noch so großmütig sein und uns nach Hause ziehen lassen, ohne uns unsre Schiffe, ja selbst unsre Waffen und Compajir zu nehmen, so ist uns das doch nicht so lieb und willkommen, als wenn du uns erlaubst, bei euch zu bleiben und diesem Chajin zu zeigen, daß er uns nicht unbestraft in der Gefahr verlassen darf. Er hat, indem er dieses that, den Bund mit uns zerrissen, und ich knüpfe nun einen neuen mit euch, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen.«

»Gut! Ihr sollt euch bei uns wohler als bei ihm befinden. Ihr habt gesehen, daß wir stärker sind als er, und so gebietet euch schon die Klugheit, es lieber mit uns, als mit ihm zu halten. Wir schenken euch dafür das Leben, die Waffen, die Compajir, kurz alles, was euch gehört, und dir auch deine Bornata el lulu. Dazu sollt ihr einen Teil der Beute haben, welche wir machen werden. Die Herden und Vorräte Abu el Mots werden in unsre Hände fallen, auch seine Soldaten, denen wir die Gewehre nehmen, um sie euch zu geben. Ihr werdet dann besser bewaffnet sein als alle Stämme an und zwischen den Flüssen und sie euch leicht unterwerfen können.«

»Herr, das ist ja weit, weit mehr, als wir von Abu el Mot erhalten hätten!« jubelte der Nuehr. »Du gibst uns Gnade und Leben, anstatt Rache und Tod. Ihr werdet Freunde an uns haben, auf die ihr euch selbst in der größten Gefahr verlassen könnt!«

»Ich will es dir glauben. Außerdem habt ihr noch einen großen Vorteil, welchen ihr bei Abd el Mot nicht gefunden hättet. Nicht ich allein bin Tabib, sondern dieser Effendi, mein Freund, ist ein noch viel größerer und berühmterer als ich. Wir werden uns eurer Verwundeten annehmen, deren größter Teil bei Abu el Mot wohl nicht hätte gerettet werden können. Hast du, um den Bund mit uns abzuschließen, die Zustimmung deiner Leute zu erbeten?«

 

»Was denkst du von mir!« antwortete der Häuptling stolz. »Ich bin der König meines Stammes, und meine Krieger haben mir zu gehorchen. Aber denke ja nicht, daß sie das jetzt nicht gern thun werden. Sie erwarteten den Tod, und anstatt des Verderbens bringe ich ihnen das Glück. Sie werden meine Nachricht mit Entzücken empfangen.«

»Gut, so seid ihr von jetzt an unsre Freunde und Bundesgenossen. Gieb uns die Hand darauf und kehre dann auf den Sandal zurück. Wir werden hören was deine Leute dazu sagen, und dann hinüberkommen, um die Verwundeten zu verbinden.«

Der Neger gab beiden seine Hand und ging dann fort, um sich nach dem Sandal rudern zu lassen.

»Nun, sind‘s einverstanden? Hab‘ ich‘s gut g‘macht?« fragte der Graue Schwarz.

»Ja,« antwortete dieser. »Wir sind zwar auch ohne die Nuehr stark genug, um es mit Abu- und Abd el Mot aufzunehmen, aber Feinde in Freunde zu verwandeln, ist stets vorteilhaft, und wir können doch vielleicht in eine Lage kommen, in welcher dieser Zuwachs an Leuten uns von Nutzen ist. Aber warum haben Sie den armen Teufel vorher in Beziehung auf die Frisuren in solche Angst getrieben?«

»Weil‘s meine Absicht war, in den Besitz seiner Spitzhaube zu kommen. Ich hätt‘ sie halt gar zu gern als ethnographische Kuriosität mit heimg‘bracht. Da er aber mit Leib und Seel‘ an derselbigen hängt, so mag er sie b‘halten. Nun kommen‘s! Wir wollen schauen, was seine Leut‘ für G‘sichter machen. Sie scheinen froh zu sein; hören‘s, wie sie schreien und brüllen?«

Die beiden hatten die Kajüte nicht zugleich mit dem Nuehr verlassen; sie waren in derselben zurückgeblieben. Trotz der zugemachten Thür vernahmen sie jetzt ein Getöse menschlicher Stimmen, als ob die Schreienden gepfählt werden sollten.

»Ja sefa, ja bacht, ja fahra – o Wonne, o Glück, o Freude!« nur diese drei Worte waren es, welche die Nuehr riefen, aber sie brachten mit ihnen ein solches Stimmengewirr fertig, daß man sich hätte die Ohren zuhalten mögen.

Und als die Deutschen aus der Kajüte auf das Deck traten, sahen sie die Schwarzen auf ihren beiden Schiffen springen und tanzen, als ob sie wahnsinnig geworden seien.

»Da hab‘ ich schönes Unheil ang‘richtet!« lachte der Graue. »Jetzund möcht‘ man Irrenarzt sein, um die Kerls wieder zu Verstand zu bringen.«

Der Häuptling trat an den Rand des Sandals und rief herüber:

»Seht ihr die Freude meiner Krieger? Sie sind voller Wonne und werden euch treu dienen und ihr Leben für euch wagen. Nun kommt auch herüber und nehmt euch der Verwundeten an, welche mit Schmerzen auf euch warten!«

Bevor Schwarz dieser Aufforderung Folge leistete, beordete er die Reïsihn der beiden Noqer zu sich. Hasab Murat erhielt die Weisung, seine Leute wieder einzuschiffen und mußte auch mit nach der Dahabiëh kommen. Hier erfuhren sie, daß die Nuehr von jetzt an als Verbündete zu betrachten und zu behandeln seien, und sie nahmen diese Nachricht mit großer Befriedigung auf.

Da es nun galt, keine Zeit zu verlieren, sondern wieder aufzubrechen, um Abu el Mot zuvorzukommen, so wurden sämtliche Kähne mit Leuten bemannt, welche die durch das Schilffeld führende schmale Bahn verbreitern mußten. Indessen konnten die beiden Deutschen den Verwundeten Hilfe leisten. Als sie in die Kajüte gingen, um die chirurgischen Utensilien zu holen. kamen sie an dem »Sohne des Geheimnisses« vorüber, und Schwarz nahm die Gelegenheit wahr, ihn zu fragen:

»Du kennst den Fluß. Wir müssen nach dem Maijeh Husan el bahr. Weißt du, wo dieser Ort liegt?«

»Ja, Effendi, ich kenne ihn. Ich bin mit Ben Wafa einigemale, wenn wir von der Seribah Abu el Mots kamen, dort gewesen. Er ist berühmt wegen der vielen Nilpferde, welche es dort gibt.«

»Wann denkst du, daß wir hinkommen werden, falls wir guten Wind behalten?«

»Fahren wir auch während der Nacht, was wir ja thun können, da es in dieser Jahreszeit weder Regen noch Stürme gibt und von hier aus der Fluß wieder stets offen ist, so kommen wir morgen abend an.«

»Könnte auch ein Fußgänger bis zu dieser Zeit dort sein?«

»Ja, wenn er sich beeilt. Er kann die gerade Richtung einschlagen, während wir den Krümmungen des Stromes folgen müssen.«

»Das zu hören, ist mir nicht lieb. Es ist möglich, daß Abu el Mot nach dem Maijeh geht.«

»So müssen wir es machen wie in der vergangenen Nacht. Wir spannen die Boote vor. Das wird uns nicht anstrengen, denn wir sind zahlreich genug, um einander oft ablösen zu können. Die Nuehr werden uns dabei sehr nützlich sein, da sie weit bessere Ruderer als die Asaker sind.«

»Komm mit in die Kajüte, um uns die Medizinkästen zu tragen! Du bist geschickt und kannst uns bei dem Verbinden der Verwundeten helfen.«

Diese Worte hörte der Slowak. Er trat sofort herzu und sagte:

»Effendi, auch ich besitzte Geschicklichkeit, bedeutende. Ich hatt verbindete schon Wunden, vielige. Ich hatt Ihnen schon einmal erzählte von Storch, beingebrochtem und von mir verbindetem; ich will auch helfen bei Nuehr, geschießten und blessierteten!«

»Gut, warte!«

Während Schwarz mit Abd es Sirr in die Kajüte ging, blieb der Graue bei dem Slowaken stehen, um diese Gelegenheit zu benutzen, sich mit ihm auszusöhnen. Der Kleine strafte ihn, indem er ihn gar nicht beachtete; er stand neben ihm und that so, als ob er ihn gar nicht sehe und bemerke. Er hatte nicht nur einen, sondern zwei Gründe, über den Grauen zornig zu sein. Erstens war dieser ihm auf dem Felde der Wissenschaft beleidigend begegnet, und zweitens nannte er ihn du. Der »Vater der elf Haare« hatte Schwarz, den er liebte und verehrte, gebeten, ihn doch du zu nennen, da er von Wagner, seinem früheren Herrn, auch geduzt worden sei, und Schwarz war dieser Aufforderung gefolgt. Pfotenhauer hatte dieses Beispiel befolgt, ohne nach der Ansicht des Kleinen ein Recht dazu zu besitzen. Der in Beziehung auf seine Ehre sehr empfindliche »Sohn der Blattern« ließ es gelten, im Arabischen du genannt zu werden, denn da konnte er dieses du zurückgeben; aber sobald man sich der deutschen Sprache bediente, meinte er, die höfliche Form der dritten Person pluralis verlangen zu dürfen, und daß Pfotenhauer dies nicht that, ärgerte ihn gewaltig.

»Also du kannst auch verbinden?« fragte der letztere in freundlichem Tone. »Das freut mich; das wird uns die Arbeit sehr erleichtern.«

»Ich kann verbindete viel besser als mancher andre, sich Gelehrsamkeit einbildende,« antwortete der Kleine in wegwerfendem Tone, den Deutschen gar nicht ansehend. »Ich kann kochte und aufschmierte Kataplasma und Salben, wohlthätige und zerteilende für Karbunkel.«

»Was! Du weißt, was Kataplasma ist?«

Er sagte das in der allerbesten Absicht; aber da kam er dem Kleinen schön an! Dieser antwortete zornig:

»Halten Sie das für Wunder, großartiges? Bei Reichtum von Bildung, meiniger, seinte Kataplasma und Pflaster mir Wurst, leichtigkeitige! Ich hab‘ lernte kennen Kataplasma, Katalog und sogar Katastrophe!«

»So! Nun, was ist denn ein Katalog?«

»Katalog seinte ein erschütterte Ereignis, trauriges, zum Beispiel Erdbeben, unterirdisches.«

»Und Katastrophe?« erkundigte sich der Graue weiter. Er nahm sich vor, dieses Mal trotz der Verwechselung des Katalogs mit der Katastrophe nicht zu opponieren.

»Katastrophe seinte Buch und Verzeichnis über Acker, besitzender, und Flur, angehöriger.«

Da die Verwechselung noch weiter um sich griff, als er vorher angenommen hatte, entfuhr es dem Deutschen:

»So ein Buch ist doch keine Katastrophe, sondern man nennt es Kataster! Du bist wirklich dera reinste Verwechselungskünstler! Ich kann wirklich nit begreifen, wie du dich nur mit solchen – —«

»Schweigte still!« fuhr ihn der Slowak an, indem er sich nun zu ihm herumdrehte und ihn flammenden Blickes ansah. »Wenn Sie nicht begreifte mich, so kannt auch ich nicht begreifte Sie! Ich hatt gelaßte Ihnen Gelehrtesamkeit, Ihrige, und nun kann auch Sie gelaßte mir Kenntnisse, meinige! Wenn ich auch hatt gemachte einmal Verwechstelung, unschuldige, so seinte ich doch ein Mann, stets höflicher und herablassender; Sie aber seinte währenddem immer geweste ein Mann von Unhöflichkeit, grober und beleidigender!«

»Ich?« fragte Pfotenhauer, ganz betroffen infolge des ungewöhnlichen Zornes, welcher aus den Worten und Blicken des Kleinen sprach. »Wegen eines kleinen Widerspruches brauchst doch nit gleich so grimmig zu sein!«

»Ich seinte nicht nur zornig wegen Entgegnung, widersprüchiger, sondern auch wegen Verstößen, oftigen und titulaturigen! Hatt Sie mich verstehente?«

»Nein, ich versteh‘ dich nit. Was redest du da von Titulatur?«

»Das wüßte Sie nicht? Das begreifte Sie nicht? Ich hatt Ihnen gebte stets das Sie, pluraliges; Sie aber hatt gebte mir stets du, singulariges. Wir hatt noch nicht machte miteinander Brüderschaft. Wenn Sie auch von jetzt an noch gebliebte bei du, einzahliges, so wernte auch ich nicht mehr sprechte Sie, mehrzahliges. Ich hatt studiumtierte, und Sie hatt studiumtierte; wir stehen also auf Stufe, ganz gleichfüßiger. Jetzt hatt Sie die Wahl, entscheidende! Ich sprechte Sie, und ich sprechte du, ganz so, wie Sie sprechte mit mir!«

Das kam dem Grauen so unerwartet, daß er für den ersten Augenblick gar keine Antwort fand. Er machte ein Gesicht, welches sicher noch verblüffter war als damals, wo sein Professor ihm die berühmte Frage vorlegte. Die Antwort wäre nun auch zu spät gekommen, denn der Slowak wandte sich von ihm ab und ließ ihn in »seines Nichts durchbohrendem Gefühle« stehen. Da kehrte Schwarz aus der Kajüte zurück; er sah das Gesicht des Grauen, dessen Nase schlaff herniederhing, als ob sie beim Naschen erwischt worden sei und deshalb einen Verweis bekommen habe; er sah auch den Kleinen stolz von dannen schreiten; da wußte er, was geschehen sei, und fragte lachend:

»Haben Sie sich wieder einmal nicht mit ihm vertragen?«

»Ja, er hat mich ganz g‘hörig angepfiffen,« antwortete Pfotenhauer. »Der Kerl hat Haar auf allen Zähnen, und was für welche! Er hat g‘meint, ich soll ihn nit mehr du, sondern Sie nennen, sonst will er mich auch duzen.«

»Hat er das? Nun, so ganz unrecht kann ich ihm da nicht geben, lieber Freund.«

»Danke sehr! Jetzund fehlt nur noch, daß er mich Naz oder kurz weg Vogel-Nazi nennt! Das wär‘ das richtige Kataplasma!«

El Hamdulillah

Am nächsten Tage, zwischen dem Asr- und Mogreb-Gebete, also vielleicht kurz nach der vierten Nachmittagsstunde, erreichten die fünf Schiffe eine Stelle, an welcher der Strom sich so verbreiterte, daß er einen See bildete, dessen Ufer wohl eine volle Ruderstunde voneinander entfernt waren.

»Das ist der Ort,« sagte der »Sohn des Geheimnisses« zu Schwarz und Pfotenhauer, mit denen er vorn am Bug der Dahabiëh stand. »Laß nach dem Ufer halten, damit wir dort anlegen! Wir dürfen nicht weiter, da wir sonst gesehen werden könnten.«

»Liegt der Feldwebel mit seinen Leuten denn am See?«

»Nein. Biegen wir rechts in den See ein und fahren wir bis nach dem hintern Teile desselben, so kommen wir an eine Stelle, wo ein schmaler Eingang in einen Busen führt, welcher nicht fließendes, sondern stehendes Wasser hat. Er ist an einigen Punkten sehr tief, weshalb er selbst im heißesten Sommer nicht austrocknet. An den seichteren Stellen wächst Schilf und Rohr; an andern gibt es Grasinseln, welche auf der Oberfläche schwimmen, sich aber nur dann bewegen, wenn der Wind sie treibt oder ein Flußpferd, an ihren Wurzeln naschend, sie in Bewegung setzt. Das ist der Maijeh Husan el Bahr.«

»So brauchen wir doch nicht hier am Flusse zu bleiben, sondern können in den See einbiegen, um dort zu ankern.«

»Der Feldwebel lagert am Ufer des Maijeh. Es ist möglich, daß einer seiner Leute nach dem See kommt. In diesem Falle würden wir gesehen, und das willst du doch wohl vermeiden?«

»Allerdings. Ich werde also den Befehl zum Ankern geben, und dann mag der Onbaschi uns Auskunft erteilen.«

Onbaschi heißt Korporal, Unteroffizier. Bei den Nuehr hatte sich nämlich der Unteroffizier befunden, welcher dem Feldwebel entflohen war, um Abu el Mot das Lager desselben zu verraten. Auch er war im höchsten Grade zornig darüber, daß sein Herr die Flucht ergriffen hatte, ohne ihn mitzunehmen. Er hatte, als er die Waka‘a en nahr verloren sah, mit großer Sorge dem entgegen gesehen, was nun mit ihm geschehen werde, und war dann freudig überrascht gewesen, sich mit den Nuehr begnadigt zu wissen. Freilich hatte er Schwarz versprechen müssen, von jetzt an diesen als seinen Herrn zu betrachten und ihm treu und ohne Hintergedanken zu dienen.

Die Dahabiëh ging so nahe wie möglich an das Ufer und ließ dort die Anker fallen. Die beiden Noqers thaten dasselbe. Die Schiffe aus Diakin segelten nicht so gut; sie waren zurück, kamen aber nach einiger Zeit auch und legten hinter den andern an.

 

Schwarz hatte den Onbaschi zu sich auf die Dahabiëh genommen. Er ließ ihn jetzt kommen und fragte ihn:

»Kennst du die Stelle, an welcher wir jetzt liegen?«

»Nein, Effendi.«

»Aber den See, an dessen Eingang wir uns befinden?«

»Auch nicht.«

»Ich glaubte, du seist am Ufer desselben gewesen. In ihn mündet nämlich der Maijeh, an welchem der Feldwebel lagert.«

»Solange ich bei ihm war, ist keiner von uns nach dem See gekommen. Der Maijeh bot uns alles, was wir brauchten: Schilf zum Brennen, Wasser und auch Fische, so viel wir haben wollten.«

»Aber wenn ich mit dir nach dem Maijeh ruderte, so würdest du die Stelle finden, wo deine frühern Kameraden sind?«

»Ganz gewiß. Sie lagern an der Spitze desselben, an der Stelle, welche am weitesten in das Land hineinragt. Die ist selbst in der Dunkelheit leicht zu finden.«

»Steht der Wald bis dicht ans Wasser?«

»Ja.«

»Und ist er licht, oder gibt es Strauchwerk, welches das Gehen erschwert?«

»Sträucher gibt es nur außerhalb des Waldes, welcher schmal ist und nur aus Bäumen besteht, zwischen denen man leicht fortkommen kann. Soll ich dich führen?«

»Ich will es mir überlegen,« antwortete Schwarz zurückhaltend.

»Effendi, du traust mir nicht!«

»Allerdings. Das will ich dir ganz offen gestehen. Du hast deine Kameraden verraten.«

»Weil sie selbst Verräter waren!«

»Aber du warst ihr Mitschuldiger, und sie verließen sich auf dich!«

»Ich hatte mich geweigert. Ich war der einzige Onbaschi, welcher mit dem Feldwebel zurückgelassen worden war Er war Gefangener, und ich hatte ihn zu bewachen. Da beredete er mich, mit ihm und meinen fünfzig Asaker eine neue Seribah zu gründen.«

»Wo?«

»Bei den Niam-niam.«

»Das fehlte noch! Müßt ihr denn das Verderben weiter und immer weiter tragen? Und welch ein Wagnis! Fünfzig Mann wollen nach Süden gehen, um ein ganzes Volk in ihre Netze zu ziehen! Da sieht man, wie wenige Teufel dazu gehören um ganze Völkerschaften unglücklich zu machen. Aber weiter!«

»Ich ließ mich bereden, denn er versprach mir, daß ich mit ihm Gebieter sein solle; aber schon am ersten Tage gebärdete er sich als der alleinige Herr, und da ging ich fort.«

»Also nicht aus Reue, sondern aus Rache?«

»Verkenne mich nicht, Effendi! Du darfst mir trauen. Zu Abu el Mot kann ich nicht wieder und gehe ich nicht wieder. Ich habe heute früh mit Hasab Murat gesprochen. Er nimmt mich mit nach der Seribah Madunga, wo ich mit demselben Range, als Onbaschi, bei ihm eintreten werde. Daraus magst du ersehen, daß ich dir treu dienen werde«

»Ich will versuchen, dir zu glauben. Du magst uns also führen, wenn wir an das Land gegangen sind.«

Indem er das sagte, fiel sein Auge auf einen kleinen Punkt, welcher sich von dem jenseitigen Ufer des Sees aus näherte. Er hielt ihn für ein Boot und ging, sein Fernrohr zu holen. In den Verhältnissen, unter denen er sich hier befand, mußte ein Kahn seine Aufmerksamkeit, ja, sein Mißtrauen erregen. Das Rohr zeigte ihm, daß er sich nicht geirrt hatte. Es war ein Boot, ein sehr kleines, in welchem ein einzelner Mann, ein Schwarzer, saß.

Was wollte dieser Mann hier? Es war möglich, daß Abu el Mot seinen Weg nicht auf dem diesseitigen, sondern auf dem jenseitigen Ufer zurückgelegt hatte, um seinen Feinden ja nicht etwa während der Überfahrt zu begegnen. In diesem Falle mußte er den Fluß weiter oben durchqueren. Dabei konnte er an ein Negerdorf gekommen sein und von dort einen Boten abgesandt haben, um den Feldwebel zu warnen, freilich ohne diesen wissen zu lassen, von wem die Botschaft eigentlich komme. Schwarz nahm sofort die zwei kräftigsten Ruderer in das kleine Boot, bewaffnete sich mit seinem Gewehre – die Revolver trug er stets im Gürtel – und stieg selbst mit ein, um den Schwarzen abzufangen.

Dieser hatte jetzt die Mitte des Sees, also den eigentlichen Strom erreicht und hielt ein wenig aufwärts, um den durch die Strömung verursachten Abtrieb auszugleichen. Dadurch wurde seine Absicht klar, den diesseitigen Teil des Sees zu erreichen und dann vielleicht nach dem Maijeh zu rudern.

Schwarz ließ ihn noch näher kommen und stieß dann vom Schiffe ab. Sein Boot befand sich in ruhigem Wasser und gehorchte den Rudern also mit weit größerer Schnelligkeit als dasjenige des Schwarzen. Es war klar, daß dieser die abwärts am Ufer liegenden Schiffe noch gar nicht gesehen hatte; bald aber erblickte er das Boot. Er hielt für einige Augenblicke im Rudern inne, wohl um sich zu überlegen, was er thun solle. Dann wendete er sich zur Flucht dem südlichen Ufer der diesseitigen Seehälfte zu. Das konnte das Zeichen eines bösen Gewissens, aber auch die einfache Folge des Mißtrauens sein, welches jeder einsam wohnende Mensch, zumal Neger, gegen jede fremde Erscheinung hegen muß.

Er war von dem Punkte, welchem er zustrebte, viermal so weit entfernt, als von dem Boote des Deutschen. Obgleich er seine Kräfte bis auf das Äußerste anstrengte, kam ihm dieses immer näher und näher.

»Ein Abaka-Neger!« sagte einer der beiden Niam-niam. »Ich sehe es am Kopfputz.«

Schwarz rief dem Manne ein gebieterisches Halt zu, doch ohne Erfolg. Schießen wollte er nicht, einesteils weil er dadurch die Aufmerksamkeit auf sich zog, falls einer oder mehrere Leute des Feldwebels am See sich befanden, und andernteils weil er den Mann sicher erreichen mußte, denn die Entfernung zwischen den beiden Booten verringerte sich von Augenblick zu Augenblick.

Als dieselbe höchstens noch dreißig Ellen betrug, legte er sein Gewehr auf ihn an und drohte:

»Halt an, sonst schieße ich dich tot!«

Jetzt zog der Mann die Ruder ein. Sein Atem flog und seine Brust keuchte vor Anstrengung. Einige Augenblicke später war er erreicht. Schwarz zog das kleine Boot Bord an Bord und fragte:

»Wer bist du?«

»Ich sein Hahli,« antwortete der Neger in gebrochenem Arabisch.

»Von welchem Stamme?«

»Abaka.«

»Wo wohnst du?«

»Dort am Wasser.«

Er zeigte nach dem rechten, östlichen Ufer des Sees und Flusses.

»Allein?«

»Die Abaka wohnen auf Murrh.«

»Wohin willst du?«

»Hahli darf nicht sagen.«

»Warum?«

»Es ihm verboten.«

»Von wem?«

»Darf auch nicht sagen.«

»Ich weiß es dennoch. Ein Weißer hat es dir verboten?«

»Woher das wissen?«

»Es sind fünf Araber zu euch gekommen?«

Der Mann antwortete nicht, machte aber ein sehr erstauntes Gesicht, welches leicht erraten ließ, daß Schwarz das Richtige getroffen hatte. Er war groß, kräftig und noch jung, wurde aber durch eine große entzündete Wulst auf der einen Wange, welche dicker als eine Männerfaust war, entstellt.

»Der eine dieser fünf Männer war sehr lang und sehr dürr?« fragte Schwarz weiter.

»Woher das wissen?«

»Er hat dich da hinüber nach dem Maijeh gesandt?«

»Warum fragen, wenn schon wissen?«

»Ich weiß nur, daß du ein Bote dieses Mannes bist, und ich will wissen, was du den Asakern da drüben zu berichten hast.«

»Darf nicht sagen.«

»Warum nicht?«

»Sonst Hahli müssen sterben.«

»So! Dann steig einmal zu uns herüber!«

»Warum? Hahli freilassen!«

Er sagte das in ängstlichem Tone.

»Wir thun dir nichts. Du wirst bei uns zu essen bekommen; auch will ich dir ein wenig Duhchan schenken; dann kannst du wieder gehen.«

Bei dem schönen Worte Duhchan begann das Gesicht des Mannes zu glänzen. Er fragte:

»Wohin Hahli soll mit?«

»Auf unser Schiff.«

Sofort wurde seine Miene wieder ängstlich.

»Schiff?« fragte er. »Haben drei Schiff? Dahabiëh und zwei Noqer?«

Durch diese Frage verriet er, daß Abu el Mot ihn vor diesen drei Schiffen gewarnt hatte. Schwarz antwortete:

»Nein. Wir haben nicht drei, sondern fünf Schiffe.«

»Das sein gut, sehr gut! Wenn hätten bloß drei Schiffe, dann sein schlimme Menschen.«

»Wir sind gute Menschen; das werde ich dir beweisen. Ich werde dir nicht nur Tabak geben, sondern dich auch gesund machen. Macht dir der Duhdi im Gesicht nicht große Schmerzen?«

»Sehr! Sehr Viele bei uns haben Duhdi.«

»Womit heilt ihr ihn?«

»Mit heiß Wasser.«

»Das genügt nicht; da frißt er sich nur noch tiefer ein. Ich werde dir zeigen, wie man ihn entfernt.«

»Dann Hahli gern mit dir gehen. Duhchan erhalten und Wurm heilen! Wollen schnell auf Schiff!«