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Die Sklavenkarawane

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Er stieg herüber, band seinen Kahn an das Boot, und dann lenkte Schwarz nach der Dahabiëh um.



Die Filaria, der Guinea- oder Medinawurm, wird im Sudan Frendit genannt. Er ist so dick wie eine Violinsaite und kann bis zwei Meter lang werden. Er scheint nur mit dem Trinkwasser in den Menschen zu kommen, wandert durch den Körper desselben und verursacht an den Ausbruchstellen dicke Eiterbeulen. Durch einen einzigen Schluck unreinen Wassers können mehrere dieser berüchtigten Tiere in das Innere des Menschen gelangen, und dann ist die Wirkung eine grauenhafte. Arme, Beine, Brust und Rücken bilden dann eine einzige geschwollene und mit Geschwüren bedeckte Masse, welche dem Betreffenden entsetzliche Schmerzen verursachen und sehr oft den Tod zur Folge haben.



Daß der Abaka-Neger den Wurm im Gesicht hatte, war ein Fall, welcher glücklicherweise nur selten vorkommt.



Dieser Mann stieg mit großem Vergnügen an Bord, und Schwarz nahm ihn sogleich mit sich zur Kajüte, um ihm durch das Messer das Geschwür zu öffnen. Das muß sehr vorsichtig geschehen, damit die Filaria nicht zerschnitten wird. Das beste Mittel, sie zu entfernen, ist nämlich, sie nach und nach auf ein Hölzchen aufzuwickeln, eine Procedur, welche mehrere Tage erfordert. Es gelang Schwarz, den Kopf mit dem vorderen Teil des Körpers zu erwischen. Er wickelte ihn auf, befestigte ihn, so daß er nicht zurückschlüpfen konnte, und gab dann dem Neger die Unterweisung für sein weiteres Verhalten.



»Das sehr gut!« lobte der Schwarze. »Wurm heraus und Hahli gesund. Hahli auch andern sagen, wie Wurm entfernen. Aber nun ihm auch Duhchan geben!«



Er bekam eine kleine Quantität Tabak, welche aber für ihn einen solchen Wert hatte, daß er einen Freudensprung machte und entzückt ausrief:



»Oh, oh, ah! Jetzt Hahli rauchen und stolz sein, denn andre nicht Duhchan haben! Weißer Manner gut sein, nicht so bös wie Leute auf Dahabiëh und zwei Noqer!«



»So! Was sind das denn für Leute?«



»Das sein Sklavenjäger und Diebe.«



»Das hat der lange, dürre Araber gesagt?« erkundigte sich Schwarz, wohl wissend, daß er und seine Leute mit diesen Dieben gemeint seien.



»Ja, dieser.«



»Wann kam er denn zu euch?«



»Nicht lange Zeit her.«



»Ist er noch dort?«



»Nein.«



»Wohin ging er mit den andern fünf Männern?«



»Immer am Fluß, weiter nach Süd.«



»Und weißt du, wer er war?«



»Armer Mann. Diebe ihm alles genommen. Wollen auch nach Maijeh, wo Asaker sind, und ihnen alles rauben. Darum Hahli hinüber und es ihnen sagen.«



»Sollst du ihnen denn auch sagen, daß der lange Mann dich sendet?«



»Nein, das verschweigen.«



»Aber sie werden dich doch fragen, wer dich schickt!«



»Dann Hahli sagen, daß er zufällig hinkommen, daß er gesehen drei Schiffe, er hören sprechen Diebe am Ufer und daß sie sagen, nach Maijeh gehen wollen.«



»Und was hat der Mann dir für einen Lohn gegeben?«



»Nichts. Er sagen, daß Asaker mir etwas geben. Vielleicht mir geben Mikajil, dann Hahli sehr glücklich sein.«



»Trinkst du ihn so gern?«



»Oh, oh, ah, sehr!«



Er zog dabei ein Gesicht, welches trotz der Geschwulst vor Wonne glänzte.



»Ich habe auch Mikajil, echten, guten Mikajil. Willst du ihn einmal kosten?«



»Sehr, sehr, viel sehr!«



Schwarz hatte von dem Mudir von Faschodah mehrere Flaschen starken Araki geschenkt bekommen. Er goß ein großes Glas voll, führte den Neger an einen Ort, wo er nicht gestört werden konnte, gab ihm das Glas und sagte ihm, daß er ihm nun erlaube, alle Viertelstunden einen ganz, ganz kleinen Schluck zu nehmen. Dort ließ er ihn allein, überzeugt, daß der Schwarze von dem ihm ungewohnten und sehr starken Traubenbranntwein schnell einen tüchtigen Rausch bekommen und dann in tiefen Schlaf versinken werde.



»Dieser Besitzer der Filaria wird den Feldwebel heute nit warnen,« sagte Pfotenhauer, welcher zugehört und zugesehen hatte. »Er wird schlafen bis in den späten Tag hinein.«



»Das beabsichtigte ich,« antwortete Schwarz. »Ich wollte ihm nicht gern Zwang anthun und habe mit dem Araki das gleiche Ziel erreicht.«



»Also ist Abu el Mot da drüben in einem Dorf g‘wesen Nun ist‘s klar, daß er oberhalb über den Fluß gehen und sich nach Ombula wenden wird. Vielleicht kommen wir dort noch vor ihm an!«



»Ich hoffe es. Zwar werden wir diese Nacht am Maijeh zubringen, aber Abu el Mot muß auch schlafen und kann nicht in der Dunkelheit seinen Weg fortsetzen.«



»Leider müssen wir zu Fuß hinauf. Das wird langsam gehen.«



»Aber doch schneller, als Abu el Mot laufen wird. Er ist, da er mit uns Schritt gehalten hat, von gestern an bis jetzt die ganze Nacht hindurch gegangen, was ungeheuer beschwerlich gewesen sein muß; eine zweite Nacht wird er es nicht versuchen, denn er muß sehr ermüdet sein. Wir aber sind frisch und munter und können also gut marschieren. Mehrere von uns können sich doch auch mit Hilfe der Tiere, welche wir bei dem Feldwebel finden werden, beritten machen.«



»Wann überfallen wir diesen?«



»Nicht eher, als bis es dunkel geworden ist. Er darf uns natürlich nicht kommen sehen.«



»Gehen wir zu Fuß?«



»Nur den halben Weg. Wir rudern in den Booten über den See bis an den Eingang des Maijeh, den der ‚Sohn des Geheimnisses‘ uns zeigen wird. Dann steigen wir aus, und der Onbaschi wird uns am Ufer des Maijeh hin nach dem Lager des Feldwebels führen. Sehen Sie sich einmal diesen Abaka-Neger an!«



Als der Graue in den Winkel blickte, sah er den Schwarzen mit geschlossenen Augen und verklärtem Gesichte lang hingestreckt dort liegen. Er hatte den Araki in einem einzigen Zuge hinuntergegossen, und der Rausch war nun viel schneller über ihn gekommen, als Schwarz gedacht hatte.



»Der schläft gut und bis morgen früh,« lachte der Graue. »Es ist g‘wiß, daß er uns keinen Schaden thut.«



Während der Schwarze gefangen wurde und der Vorbereitungen zum Aufbruche war der Tag vollends vergangen, und der Abend hatte sich auf den gewaltigen Strom gesenkt. Die Boote lagen klar und die für den Überfall ausgewählten Männer standen zum Aufbruche bereit.



Kurz nach der Dämmerung leuchten die Sterne noch nicht so hell wie später, und der Mensch, welcher sich in einer wilden Gegend befindet, erwartet einen etwaigen Überfall gewöhnlich erst nach Mitternacht. Darum hatte Schwarz diese frühe Stunde gewählt. Die Leute stiegen in die Boote, und man stieß von den Schiffen ab.



Der »Sohn des Geheimnisses«, welcher den See kannte, steuerte das erste Fahrzeug. Die andern folgten so eng hintereinander, daß sie einander nicht verlieren konnten. Es ging über die breite Wasserfläche hinüber, bis sich die Ufer den Männern in unheimlicher Dunkelheit entgegenstellten.



Das Landen war nicht leicht; es gab dichtes Schilf in Menge, durch welches sich die Boote mühsam arbeiten mußten, ohne allzuviel Geräusch zu verursachen; das nahm sehr viel Zeit weg, wurde aber endlich doch zu stande gebracht.



Nun stellte sich Schwarz mit Pfotenhauer an die Spitze, den Onbaschi in der Mitte. Es war allerdings zu vermuten, daß er sich vor dem Feldwebel nicht sehen lassen werde; aber es lag in der Möglichkeit, daß er die stille Absicht hegte, die Flucht zu ergreifen und nach Ombula zu Abu und Abd el Mot zu entkommen. Drum hatten die beiden nicht nur scharfe Augen auf ihn, sondern sie nahmen auch so enge Fühlung mit ihm, daß sie es gemerkt und also Zeit zum schnellen Zugreifen bekommen hätten, wenn er sich mit einer raschen Bewegung hätte entfernen wollen. Doch dieses Mißtrauen war glücklicherweise überflüssig. Er zeigte sich jetzt und auch später als vollständig zuverlässig.



Die Leute hatten jetzt den See hinter sich und standen, von diesem aus gerechnet, am rechten Ufer des Maijeh. Ein nicht allzu breiter Baumschlag, außerhalb von einzelnen Büschen umstanden, zog sich rund um denselben. Der Onbaschi führte die möglichst lautlos sich verhaltende Schar zwischen den Bäumen hindurch zu den Büschen, wo sie den freien Himmel über sich und ein leichteres Fortkommen als unter den Wipfeln der Bäume hatten.



Einer sich dicht hinter dem andern haltend, ging es nach der Spitze des Maijeh. Dort gab es eine hell erleuchtete Stelle. Zwei große Feuer brannten da, und weiter hinaus nach der in dichter Finsternis liegenden Ebene zählte Schwarz zehn kleinere Feuer, welche einen Halbkreis bildeten und den vor dem Maijeh liegenden freien Platz umschlossen.



»Dort am Feuer liegt der Feldwebel?« fragte er den Onbaschi.



»Ja, Herr,« antwortete dieser. »Wenn wir näher gehen, kannst du ihn und seine Leute sehen.«



»Das werden wir jetzt noch nicht thun. Was sind das für kleine Feuer da draußen?«



»Das sind die Feuer der Wächter, damit die Tiere nicht des Nachts ausbrechen sollen.«



»Also zehn Wachen?«



»Ja.«



»Weißt du, in welcher Weise sie abgelöst werden?«



»Nur einmal, gerade um Mitternacht.«



»Eine nicht sehr praktische Einteilung, welche uns aber die Ausführung unsres Vorhabens erleichtert, denn wir werden durch die Ablösung nicht gestört werden.«



»Worin, Effendi?«



»In der Aufhebung dieser Wachtposten, deren wir uns natürlich erst versichern müssen, ehe wir uns nach dem Lagerplatze verfügen.«



»Ist es nicht besser, erst den Feldwebel und die bei ihm sind, gefangen zu nehmen?«



»Das wäre eine Dummheit, denn es könnte nicht ohne Lärm geschehen; die Posten würden auf denselben aufmerksam werden und uns entkommen.«



»Aber ebenso schwierig ist es, uns dieser zehn einzelnen Männer zu bemächtigen, ohne daß sie Lärm erregen.«



»Habe keine Sorge! Ich weiß, wie man das zu machen hat. Und du sollst dabei helfen, da ich überzeugt bin, daß ich mich auf dich verlassen kann.«



»Vollständig, Effendi! Ich merke gar wohl, daß du mir noch nicht traust; aber ich werde dir beweisen, daß du dich irrst. Was habe ich zu thun?«



»Du kennst diese Leute alle?«

 



»Natürlich! Sie waren ja meine Untergebenen.«



»Auch ihre Namen?«



»Alle!«



»Das ist sehr gut. Ich habe hundert Mann bei mir. Zwanzig mögen mir jetzt folgen, für jeden Posten zwei. Ich werde sie jetzt auswählen.«



Er bestimmte diejenigen, welche ihm als die geeignetsten erschienen, ließ sie näher treten, damit sie seine leisen Worte verstehen könnten und erteilte ihnen seine Instruktion.



»Wir haben Stricke und Schnüre in hinreichender Anzahl mitgebracht,« sagte er. »Nehmt so viele mit, als nötig sind, zehn Mann zu fesseln. Ich gehe mit dem Onbaschi voran, und ihr kommt leise hinterdrein. Wenn wir den ersten Posten erreichen, legt ihr euch nieder, um nicht von ihm gesehen zu werden. Der Onbaschi geht näher zu ihm hin und ruft ihn bei seinem Namen. Der Mann wird kommen und sich höchlichst wundern, den totgeglaubten Unteroffizier lebendig vor sich zu sehen. Dieser spricht einige Worte mit ihm und währenddem schleiche ich mich von hinten an den Mann und fasse ihn so fest bei der Kehle, daß er nicht um Hilfe rufen kann. Ihr bleibt liegen, um nicht etwa vom nächsten Posten gesehen zu werden; aber einer von euch kommt herbei, um den Mann zu binden.«



»Was soll ich denn zu ihm sagen?« fragte der Unteroffizier.



»Was dir gerade einfällt. Ein langes Gespräch wird es überhaupt nicht geben, so daß du wegen dem, was du zu sagen hast, in Verlegenheit kommen könntest. Ich werde schnell machen und du kannst dir denken, daß er über dein Erscheinen so betroffen sein wird, daß ihm die Worte im Munde stecken bleiben. Die Hauptsache ist, daß du ihn so weit vom Feuer weglockst, daß es euch nicht mehr hell beleuchten kann, und daß du dich so stellst, daß er mir den Rücken zukehren muß. Dies wird es mir ermöglichen, leichter an ihn zu kommen. Verstanden?«



»Ja, Effendi. Ich werde meine Aufgabe so ausführen, daß du mit mir zufrieden sein wirst.«



»Gut für dich, Onbaschi! Denn wenn du den geringsten Fehler machen würdest, so bekämst du augenblicklich meine Kugel in den Leib. Wie du siehst, habe ich den Revolver stets in der Hand, selbst jetzt, in diesem Augenblicke.«



»Du brauchst ihn nicht; diese Versicherung gebe ich dir. Was hat dann ferner zu geschehen?«



»Bei jedem überwältigten Posten bleiben zwei von euch, einer, welcher sich an seiner Stelle an das Feuer setzt, um die Herde zu bewachen, und ein zweiter, welcher bei dem Posten bleibt, um ihn augenblicklich niederzustechen, falls er fliehen wollte. Dieser Zweite hat sich mit seinem Gefangenen möglichst weit vom Feuer zurückzuziehen, damit er nicht gesehen wird. Er kommt dann, wenn ich den Feldwebel gefangen genommen habe, mit dem Gefesselten zu uns ins Lager.«



»Aber, Effendi,« fragte einer der Asaker, »wie erfahren wir, daß der Feldwebel und seine Leute überrumpelt worden sind? Wir werden es nicht wissen, da wir es nicht sehen können.«



»Ich schicke euch einen Boten. Und noch eins. Es ist möglich, daß die Leute des Feldwebels nicht alle beisammen sind, daß einer von ihnen sich aus dem Lager entfernt hat. Ist das der Fall, und der Betreffende kehrt zurück, so ist er von den zwei Männern des Feuers, an welchem er vorüberkommt, sofort festzunehmen, aber so, daß er nicht rufen kann. Das aber nur, ehe wir das Lager haben; später können solche Leute durch die Postenkette gelassen werden. Wißt ihr nun alles genau?«



»Ja,« antworteten die Zwanzig.



»Gut, so kann es beginnen. Die andern bleiben hier, bis ich zurückkehre, und haben sich ganz ruhig zu verhalten. Sollte unser Vorhaben aber mißlingen, so werde ich einen lauten Pfiff ausstoßen. In diesem Falle müssen alle Zurückgebliebenen sich schleunigst dort auf das Lager werfen und den Feldwebel mit seinen Leuten überwältigen. Jetzt kommt!«



Da trat der Ungar, welcher nicht mit zu den auserwählten Zwanzig gehörte, hervor und sagte:



»Effendi, wollte Sie mir erfüllte Bitt, ergebene?«



»Was willst du?«



»Sie schleichte sich an Posten, feindlichen. Das seinte Überfall, interessanter. Ich hatt gemochte auch gern mit anschleichte an Posten. Ich willte sein mitgangte mit Leuten, Ihrigen und zwanzigen. Ich hatt gebetete dazu um Erlaubnis, gütige und freundliche!«



»Nun wohl, du magst mitgehen.«



Er wußte, daß der Kleine sich gern bei solchen Ungewöhnlichkeiten beteiligte, und wollte ihn nicht gern zurückweisen, da ihn das gekränkt hätte.



Sie brachen auf, Schwarz und der Graue wie bisher an der Spitze. Sie gingen in einem kleinen Bogen auf das erste Postenfeuer zu und kamen dabei an diejenige Stelle, von welcher aus der Elefantenjäger mit Joseph Schwarz das Lager des Feldwebels beobachtet hatte. Dort waren sie nur noch dreißig Schritte von dem Feuer entfernt, welches, wie auch die übrigen neun, bei weitem nicht die Größe der beiden hatte, welche dort links im Lager brannten. Der Schein desselben drang also gar nicht weit in die Nacht hinaus.



Schwarz befahl den Leuten, mit Pfotenhauer hier zurückzubleiben, und schlich sich mit zwei Asakern und dem Unteroffizier näher. Nachdem sie die Hälfte der geringen Entfernung zurückgelegt hatten, legte er sich mit den beiden auf die Erde nieder; der Onbaschi aber sollte noch einige Schritte weiter gehen.



»Weißt du seinen Namen?« fragte Schwarz leise, indem er auf den Posten deutete, welcher regungslos am Feuer lag.



»Ja,« antwortete der Unteroffizier. »Er heißt Salef und ist einer meiner besten Kameraden gewesen.«



»So mach! Aber stelle dich, wenn du mit ihm sprichst, mit dem Rücken gegen das Feuer, damit er mir den seinigen zukehren muß!«



Der Onbaschi that noch fünf oder sechs Schritte und blieb dann stehen. Er war zehn Schritte von dem Feuer entfernt, dessen Schein die Dunkelheit der Stelle, wo er stand, kaum durchdrang.



»Salef!« rief er mit unterdrückter Stimme.



Der Posten horchte auf.



»Salef!« wiederholte der Onbaschi.



Er machte zur Beruhigung von Schwarz, welcher seinen Revolver auf ihn gerichtet hielt, um ihm beim geringsten Zeichen des Verrates eine Kugel zu geben, seine Sache ganz vortrefflich.



Der Posten blickte nach rechts hinüber zum nächsten Feuer. Er glaubte, von dorther gerufen worden zu sein. Dieses Feuer war vielleicht siebzig Schritte entfernt, und man konnte nicht einmal die Gestalt des bei demselben befindlichen Mannes sehen.



»Salef!« rief der Onbaschi zum drittenmal, jetzt mit etwas lauterer Stimme.



Jetzt merkte der Posten, woher der Ruf kam. Er stand schnell auf, blickte sich um, ergriff sein Gewehr und fragte:



»Wer ist da?«



»Ich.«



»Wer ist dieses Ich?«



»Na ich! Kennst du mich denn nicht mehr?«



Der Posten sah einen Mann stehen, konnte aber seine Gesichtszüge nicht unterscheiden. Die Gestalt kam ihm bekannt vor, ebenso die Kleidung. Das beruhigte ihn.



»Sag deinen Namen, sonst muß ich schießen!« drohte er.



»Unsinn! Wirst du mich, deinen besten Freund erschießen!«



»Allah w‘ Allah! Was redest du! Wenn du mein bester Freund bist, so komm doch näher!«



»Ich darf nicht.«



»Warum?«



»Weil man mich sonst sehen könnte. Dein Feuer ist zu hell. Komm her zu mir!«



Der Posten wäre dieser Aufforderung gewiß nicht gefolgt; aber jetzt kam ihm auch die Stimme bekannt vor. Er machte eine Bewegung der Überraschung, ließ sein Gewehr fallen und sagte:



»Allah schütze mich! Stehen die Toten auf? Bist du es wirklich, Onbaschi?«



»Ja, ich bin es.«



»Oder ist‘s dein Gespenst!«



»Nein; ich lebe. Fürchte dich nicht!«



»Aber du bist doch tot, ertrunken im Flusse und gefressen von den Krokodilen!«



»Fällt mir gar nicht ein! Ich bin mit Absicht in den Fluß gefallen. Jetzt habe ich dir etwas zu sagen, was für dich sehr wichtig und vorteilhaft ist. Aber wenn ich zu dir an das Feuer komme, könnte mich der andre Posten sehen.«



»O, ihr Propheten und Kalifen! Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Der Onbaschi lebt; er ist nicht gestorben!«



»Schrei nicht so! Es ist nicht nötig, daß man hört, daß du mit jemand sprichst!«



Der Mann kam langsam und zögernd näher. Er traute doch nicht recht. Er war abergläubisch und hatte große Angst vor Geistern und Gespenstern. Er betrachtete den Onbaschi, ergriff ihn am Arme, drehte ihn herum, so daß er selbst mit dem Rücken gegen Schwarz zu stehen kam, und sagte dann aufatmend:



»Allah sei Dank! Es ist kein Gespenst, sondern du bist es wirklich! Aber, Mann, sage mir doch, weshalb du ins Wasser gesprungen bist!«



»Aus Klugheit. Ich wollte fort von hier.«



»Fort von uns, die wir herrlich und in Freuden leben? Das nennst du Klugheit? Sind dir denn deine Gedanken – —«



Er konnte nicht weitersprechen, denn Schwarzens Hände legten sich in diesem Augenblicke so fest um seinen Hals, daß ihm der Atem verging.



»Binden!« raunte der Deutsche den darauf wartenden Asakern zu, indem er den Überraschten noch weiter vom Feuer weg in die Dunkelheit hineinzog.



Sie kamen herbei und fesselten den Mann, welcher dann niedergelegt wurde. Nun erst nahm ihm Schwarz die Hände vom Halse, zog sein Messer, beugte sich über ihn, setzte ihm die Spitze desselben auf die nackte, unbekleidete Brust und drohte:



»Sag kein lautes Wort, sonst ersteche ich dich!«



»Allah – – Allah – —« hauchte der Gefangene, nach Atem schnappend. »Überfallen, überfallen – – – betrogen von meinem eigenen Unteroffizier!«



Dieser letztere war weggetreten, um die zu erwartenden Vorwürfe nicht anhören zu müssen.



»Beruhige dich!« antwortete Schwarz. »Ich beabsichtige nicht, dir Böses zu thun. Gehorchst du meinem Befehle, still zu sein und nicht zu rufen, so wird dir nichts geschehen. Erhebst du aber deine Stimme auch nur so laut, daß sie an deinem eigenen Feuer gehört werden kann, so wird der Mann, den ich hier lasse, dir das Messer augenblicklich in das Herz stoßen. Das merke dir!«



»Wer bist du denn, und was wollt ihr hier?«



»Das geht dich nichts an. Also, wirst du schweigen, oder soll ich dir etwa einen Knebel in den Mund stopfen?«



»Nein, nein, da könnte ich ersticken! Ich schweige; ich sage kein Wort, keine einzige Silbe!«



»Das rate ich dir, dein Leben hängt an einem dünnen Haare!«



Nun setzte sich ein Asaker an das Feuer, ganz so, wie vorhin der Posten an demselben gesessen hatte. Ein zweiter Soldat kauerte sich bei dem im Dunkeln liegenden Gefangenen nieder und zog sein Messer, um es zum tödlichen Stoße bereit zu halten. Ihm sagte Schwarz:



»Schicke ich dann den Boten, so lösest du ihm die Fesseln von den Füßen, daß er gehen kann, und bringst ihn zu mir. Aber an den Händen bleibt er gebunden, damit er dir nicht entkommen kann. Lässest du ihn fliehen, so ist es um dich selbst geschehen. Jetzt weiter!«



Nun kam Pfotenhauer mit den übrigen Achtzehn herbei und sagte leise:



»Das haben‘s gut g‘macht! Wann‘s bei den andern ebenso g‘lingt, so können wir zufrieden sein!«



Da antwortete der »Vater der elf Haare« leise, aber in hörbar wegwerfendem Tone:



»Hatt Sie dachte, daß es nicht kann gelungte? Herr Doktor Schwarz hatt beweiste schon bei Gelegenheiten, öfteren, daß er gekonnte anschleichte alle Feinde, seinige und unsrige mit Sicherheit, elegant und komfortabel.«



»Komfortable Sicherheit! Auch nit übel!« brummte der Graue.



»Still!« bat Schwarz. »Nicht etwa gar jetzt zanken!«



»Fällt mir gar nit ein!« antwortete Pfotenhauer.



Der Onbaschi wollte auf das wohlverdiente Lob nicht verzichten und fragte: »Wie habe ich meine Sache gemacht, Effendi? Bist du mit mir zufrieden?«



»Sehr! Wenn du bei den andern Neun mit derselben Vorsicht und Klugheit verfährst, so sollst du eine Belohnung von mir bekommen.«



»Ich werde sie mir verdienen; diese Versicherung gebe ich dir! Da sind wir schon beim zweiten Feuer.«



»Kennst du den Namen auch dieses Mannes?«



»Ich kenne sie alle, wie ich dir bereits gesagt habe. Dieser Posten wird noch viel mehr erstaunt sein als der vorige, denn er stand dabei, als ich mich in das Wasser fallen ließ.«



»So wird er um so leichter überrascht werden. Also hin zu ihm!«



Dieser zweite Wächter wurde auch unschädlich gemacht und nach ihm auch die weiteren acht. Der Onbaschi fand sich außerordentlich gut in seine Rolle; er bediente sich stets derselben Worte, welche kein einziges Mal ihre Wirkung versagten.



Als man mit dem letzten Posten fertig war, kehrten die Vier, nämlich Schwarz, Pfotenhauer, der Kleine und der Onbaschi auf demselben Wege, den sie jetzt gemacht hatten, zu den auf sie Wartenden zurück. Bei dieser Gelegenheit überzeugten sie sich davon, daß an den Wachtfeuern alles in Ordnung war.



An der Stelle, wo die Asaker in tiefster Stille geharrt hatten, angekommen, sagte Schwarz zu dem Grauen:



»Sie werden hier bei den Leuten bleiben; ich aber schleiche mich nach dem Lager, um dasselbe in Augenschein zu nehmen.«

 



»Ist das notwendig?« fragte Pfotenhauer.



»Ja. Ich muß wissen, wie ich die Leute zu postieren habe. Eher kann ich sie doch nicht mitnehmen.«



»Ich thät‘s anders machen!«



»Wie denn?«



»Ich macht‘ gar nit viel Umständ‘ mit den paar Kerlen, und thät‘ gleich über sie herfallen.«



»Von Ihrem Standpunkte aus haben Sie recht. Der Überfall würde ihnen so unvermutet kommen, daß sie vor Überraschung wohl gar nicht an Gegenwehr dächten. Uns aber ging dabei vielleicht viel verloren.«



»Was könnt‘ das sein?«



»Wenn ich mich jetzt anschleiche, bekomme ich wahrscheinlich manches zu hören, was uns von Vorteil ist. Das würde aber nicht der Fall sein, wenn wir sie jetzt gleich überfallen.«



»Aber Sie begeben sich in G‘fahr!«



»O nein! Ich verstehe mich darauf, an jemand zu kommen, ohne daß er es bemerkt.«



»So nehmen‘s wenigstens mich mit, damit ich Ihnen beispringen kann, wenn‘s fehl geht!«



»Ihre Gegenwart kann mir keinen Nutzen, sondern nur Schaden bringen. Komme ich je in Gefahr, was ich aber nicht glaube, so werde ich schießen. In diesem Falle eilen Sie mir sofort mit allen Leuten zu Hilfe. So lange ich dieses Zeichen nicht gebe, befinde ich mich in vollkommener Sicherheit. Sie brauchen also keine Sorge um mich zu haben, wenn ich längere Zeit fortbleibe.«



Er ging. Pfotenhauer blickte ihm nach, bis er ihn nicht mehr sehen konnte, und räusperte sich dann unwillig. Es ärgerte ihn, daß er hatte zurückbleiben müssen.



»Haltet euch bereit,« sagte er zu den Asakern. »Ihr habt gehört, was der Effendi sagte. Sobald er schießt, springen wir nach dem Lager. Wer sich dort nicht freiwillig ergibt, wird niedergehauen oder erschossen. Ich vermute, daß wir den Schuß bald hören werden. Es ist tollkühn, sich ganz allein in eine Gefahr zu begeben, welche man so leicht umgehen kann!«



Diese Worte ärgerten den »Vater der elf Haare«. Er durfte nicht dulden, daß das Verhalten seines geliebten Herrn getadelt wurde; aber er wollte dem Tadler auch nicht vor den Soldaten entgegentreten, darum sagte er in deutscher Sprache, welche nicht von ihnen verstanden wurde:



»Was Herrrrr Doktor Schwarz hatt gemachte, seinte ganz gut und richtig!«



»So!« brummte der Graue. »Was versteht aan Dschelabi davon!«



»Ich verstante gar wohl davon! Ich sein geweste Zeit, sehr lange, bei Effendi, doktorigen, und hab‘ lernen kennte Person, seinige, sehr genau. Was er hatt gemachte, das hatt er gemachte stets richtig!«



Der Graue nahm diese Belehrung oder Zurechtweisung ruhig hin. Er wollte jetzt, wo es galt, still und vorsichtig zu sein, allen Zwist vermeiden. Der Kleine wandte sich stolz, keine Entgegnung gefunden zu haben, den Asakern zu und erzählte ihnen, auf welche Weise die Posten überrumpelt worden seien. Er wollte dabei seine Person in den Vordergrund stellen, wurde aber von dem »Vater des Gelächters« zurückgewiesen, indem ihm dieser erklärte:



»Was du uns da erzählst, das haben wir schon gewußt.«



»So? Warst du denn dabei?«



»Nein. Aber der Effendi erklärte vorhin doch, wie es gemacht werden solle, und da es genau so geschehen ist, so brauchst du es uns nicht zu erzählen.«



»Aber weißt du denn, wie ich mich dabei verhalten habe?«



»Ja.«



»Nun, wie denn?«



»Du hast gar nichts gethan, sondern nur zugesehen. Oder willst du etwa von Heldenthaten sprechen, welche du gar nicht gethan hast?«



»Schweig! Du warst nicht dabei und kannst also unmöglich wissen, welche Verdienste ich mir um euch errungen habe. Du freilich hättest nichts gethan und nichts gewagt, sondern nur zugeschlagen, denn du bist zu weiter nichts nütze. Darum hat der Effendi nicht dich, sondern mich mitgenommen!«



»Weil ich mich ihm nicht angeboten habe! Dich hätte er auch nicht mitgenommen, wenn du ihn nicht darum angefleht hättest. Das ist ein Beweis, daß er überzeugt gewesen ist, dich nicht brauchen zu können.«



»Willst du damit etwa sagen, daß ich ein unbrauchbarer Mensch bin?«



»Nein, denn jeder Mensch, selbst der allerdümmste, ist zu etwas nütze!«



»Oho!« stieß der Kleine zornig hervor. »Kommst du mir so? Nennst du mich den allerdümmsten Menschen? So wisse denn, daß ich sämtliche Wissenschaften studiert habe und auswendig kann! Was aber hast du gelernt? Nichts, gar nichts!«



»Laß mich in Ruhe mit deinen Wissenschaften! Wir wissen sehr genau, was wir davon zu halten haben. Ich bin dir da weit überlegen, denn ich kenne alle Völker und Dörfer, alle Länder und Einwohner des Erdkreises.«



»Das machst du mir nicht weiß!«



»Ich habe es bewiesen!«



»Wann denn?«



»Auf der Seribah Madunga, wo du meine Fragen nicht beantworten konntest.«



»Und du ebensowenig die meinigen, du dreimaliger und zehnmaliger ‚Vater des Gelächters‘ und der Lächerlichkeit!«



»Schimpfe nicht! Wie lautet denn dein Name? ‚Vater der elf Haare‘, rechts sechs und links fünf kleine Borsten! Schau dir dagegen den Bart an, mit welchem Allah mich erfreut hat. Jeder, der mich erblickt, hat Respekt vor dieser männlichen Zierde!«



»Mache dich nicht lächerlich! Seit welcher Zeit trägst du ihn denn? Seit einigen Wochen! Da kannst du noch gar nicht wissen, ob er Blüten und Früchte bringen wird! Und was meinen Namen betrifft, so brauche ich mich seiner nicht zu schämen. Man nennt mich Abu el buz, ‚Vater des Maules‘, weil die vordere Hälfte des Löwen mein Eigentum geworden ist. Du aber hast dich mit der hinteren zufrieden geben müssen, du armer ‚Vater des Schwanzes‘!«



»Weil das Los so gefallen ist. Wie lautet denn dein eigentlicher Name, den du in deiner Heimat trägst? Ich habe ihn mir gemerkt. Uszkar Istvan heißt er. Wer einen so kurzen Namen trägt, kann kein berühmter Mann sein. Höre dagegen den meinigen! Ich bin Hadschi Ali Ben Hadschi Ishak al Faresi Ibn Otaiba Abu l‘Oscher Ben Hadschi Marwan Omar el Gandesi Hafid Jacub Abd‘ Allah el Sandschaki!«



»Um Allahs willen, halt ein!« rief der Kleine. »Du ziehst diesen ewig langen Namen ja aus dem Munde, wie der Effendi heute den Wurm aus der Beule des Abaka-Negers gewickelt hat!«



»Willst du wohl schweigen!« fuhr ihn der Graue an. »Du schreist ja, daß man es dort beim Feuer hören muß. Willst du, daß man auf uns aufmerksam wird und der Effendi deinetwegen in Gefahr gerät!«



Das half. Der Kleine war still; aber nach einer Weile trat er nahe an den »Vater des Gelächters« heran und fragte ihn leise:



»Ärgerst du dich, Hadschi Ali?«



»Ja,« antwortete dieser. »Du dich aber wohl auch?«



»Natürlich!«



»Wer ist schuld daran?«



»Ich!«



»Nein, ich!«



»Also alle beide?«



»Ja. Darum ist der eine gerade so viel wert wie der andre. Verzeihst du mir?«



»Ja. Und du mir auch?«



»Ganz gern. Gieb mir deine Hand! Wir wollen uns nicht wieder zanken.«



»Nein. Wenigstens heute nicht mehr. Das verspreche ich dir.«



Indessen hatte Schwarz die Nähe des Lagers erreicht. Dieses befand sich an einer Stelle des Ufers, an welcher die Büsche aus der Ebene unter die Bäume zurückgewichen waren, ein Umstand, welcher dem Deutschen sehr lieb sein mußte. Die nackten Baumstämme allein hätten ihm kein vollständig sicheres Versteck geboten. Da sich aber das Gesträuch zwischen ihnen befand, so konnte er sich hinter und in demselben leichter nähern.



Die Sklavenjäger saßen zwischen den beiden Feuern, so daß sie von den hier am Wasser sehr zahlreichen Stechfliegen weniger belästigt werden konnten. Über der einen Flamme hing ein tönernes Gefäß, in welchem Fische gesotten wurden, die man im Maijeh gefangen hatte. Die mitgenommenen Sklavinnen rieben Durrah zu Mehl und buken am andern Feuer die bekannten Fladen.



Die Männer hatten alle ihre Pfeifen im Munde. Die Quantität des aus der Seribah entführten Tabaks war eine so bedeutende, daß die Abtrünnigen vom Morgen bis zum Abend rauchen konnten. Jenseits der Feuer lag das Gepäck unter den Bäumen; ob es viel oder wenig war, konnte Schwarz nicht sehen. Er kroch auf Händen und Füßen näher und immer näher, bis er zwei Büsche erreichte, welche sich kaum fünf Schritte weit von dem ersten Feuer befanden. Sie standen nahe beisammen. Unter und zwischen ihnen war Raum für einen Menschen. Der Deutsche schob sich langsam und vorsichtig hinein und zog dann seinen Körper möglichst zusammen, um wenig Raum einzu