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Die Sklavenkarawane

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Hm, dieser Gedank‘ ist gar nit so übel. Greifen‘s nur fest zu, daß er Ihnen nit entwischt!«

»Haben Sie keine Sorge. Übrigens werde ich Sie rufen, sobald ich ihn fasse. Sie kommen schnell herbei, und wir zwei werden wohl mit so einem Schwarzen fertig werden. Jetzt machen Sie schnell, ehe er weiter geht!«

Pfotenhauer huschte fort; Schwarz verlor ihn aus den Augen und beobachtete nun den Unbekannten. Dieser machte nach kurzer Zeit eine schnelle Bewegung, als ob er etwas Verdächtiges gehört habe, und duckte sich am Stamme nieder, hinter dem er vorsichtig auslugte; er hatte Pfotenhauer bemerkt. Das war die richtige Zeit für Schwarz. Er schlich sich möglichst schnell weiter. von Baum zu Baum. bis er nur noch wenige Schritte zu demjenigen hatte, hinter welchem der Fremde kauerte. Von diesem war gar nichts zu sehen, da er den Mantel über den Kopf gezogen hatte, damit er von der Umgebung nicht unterschieden werden könne. Soeben ging Pfotenhauer vorüber, langsam, scheinbar ganz in Gedanken versunken, und so nahe, daß Schwarz ihn sehen konnte. Dieser letztere hatte jetzt den Fremden ergreifen wollen, zog es aber vor, zu warten, bis er sich wieder aufrichten werde. Dies geschah nach kurzer Zeit. Schwarz that zwei Sprünge, faßte ihn an der Kehle, riß ihn nieder und hielt ihn fest. Der Mann stieß einen Schrei aus, wendete dem Angreifer das Gesicht zu und machte eine krampfhafte Anstrengung, sich zu befreien.

Fast hätte Schwarz ihn fahren lassen, als er sein Gesicht erblickte, von welchem die rechte Hälfte samt der ganzen Nase fehlte. Das gab mit den vor Schreck und Anstrengung wild rollenden Augen einen entsetzlichen Anblick. Der Mann war kein Neger; das bewiesen seine schmalen Lippen und die Farbe der von der Sonne verbrannten gesunden Hälfte seines Gesichtes. Sein Kopf war unbedeckt, vollständig glatt geschoren und ebenso dunkel gefärbt wie sein Gesicht. Das Alter ließ sich also schwer bestimmen, doch konnte man annehmen, daß es ein ziemlich hohes sein müsse. Neben ihm lag eine Keule aus hartem Holze, deren Knauf mit kurzen, kräftigen Stacheln beschlagen war; sie bildete außer dem Messer, welches er im Lendenschurze trug, seine einzige Waffe.

Auf den Schrei, welchen dieser Mann ausgestoßen hatte, war Pfotenhauer herbeigesprungen, mit dessen Hilfe Schwarz dem Gefangenen die Hände auf den Rücken band.

Bis dahin war kein Wort gefallen; nun aber fragte Schwarz in arabischer Sprache:

»Wer bist du, und warum schleichst du dich hier umher?«

Der Mann betrachtete die beiden mit finsterem Blicke und antwortete dann in ebenderselben Sprache:

»Wer seid denn ihr, und warum überfallt ihr mich?«

»Weil ein Freund offen zu uns kommen würde und wir dich also für einen Gegner halten müssen.«

»Wo befindet ihr euch denn?«

»Hier am Maijeh Husan el bahr.«

»Auf dieser Seite desselben?«

»Ja.«

»So gehört ihr zu den Sklavenjägern, welche hier lagern?«

»Nein. Beantworte nun meine Frage! Wen oder was suchst du hier?«

»Ich komme, um Tiere und andre Dinge zu kaufen.«

»Ah, so bist du es, den der Feldwebel heut früh erwartet?«

»Ja.«

»Warum bist du da so heimlich gekommen?«

»Aus Vorsicht. Ich wollte mich überzeugen, ob der Feldwebel mir die Wahrheit gesagt hat. Ich höre, daß du ihn kennst, und doch sagst du, daß du nicht zu ihm gehörst. Wie habe ich das zu deuten?«

»Wir befinden uns auf einem Rachezug gegen die Sklavenjäger und haben den Feldwebel mit seinen Leuten gefangen genommen.«

»So ist auch alles, was er hat, in deine Hand geraten?«

»Ja. Du wirst aber trotzdem deine Absicht erreichen, denn ich bin gewillt, den Handel nun meinerseits mit dir abzuschließen.«

Die übrig gebliebene Hälfte des Gesichtes verzog sich unter dem Einfluß des Zornes zur häßlichen Fratze, und der Mann antwortete:

»Allah verdamme dich! Du bist mir zuvorgekommen, wirst aber den Raub nicht lange behalten. Gieb mich augenblicklich frei, sonst müßt ihr alle, du und deine Leute heute zu der Stunde, da die Sonne am höchsten steht, in die Hölle wandern!«

»Wer soll uns die Thüre derselben öffnen?«

»Meine Krieger, welche mit Macht über euch kommen werden, wenn ich nicht bald zu ihnen zurückkehre.«

»Wie groß ist ihre Zahl?«

»Ich gebiete über mehr Männer, als deine Leute Finger und Zehen haben.«

»Also neun mal mehr! Weißt du denn, wie viele Personen unter meinem Befehle stehen?«

»Ich brauche es gar nicht zu hören; ich kann es mir schon denken. Also gieb mich frei, sonst seid ihr verloren.«

»Und wenn ich dir diesen Wunsch erfülle, was wirst du dann thun?«

»Es ist nicht ein Wunsch sondern ein Befehl, welchem du gehorchen wirst. Dann werde ich den Raub, den du dem Feldwebel abgenommen hast, mit dir teilen.«

»Hm!« lächelte Schwarz. »Wo befinden sich deine Leute?«

»Einige von ihnen sind ganz nahe hier; ich ließ sie zurück, als ich ging, das Lager zu erforschen. Komme ich nicht sehr bald zu ihnen, so werden sie der Hauptschar, welche unterwegs ist, entgegeneilen, um sie zu benachrichtigen, daß ich in die Hände der Feinde gefallen bin. Dann wird weder Allah noch werde ich Erbarmen mit euch haben.«

»Du sprichst im Tone eines Emirs, welchem Tausende von Kriegern folgen; das ist unvorsichtig von dir, denn nicht ich bin verloren, sondern du wirst es sein, wenn du meinen Zorn erregst. Du verheimlichst mir die Anzahl deiner Leute, ich aber will dir offen zeigen, über wie viele ich gebiete. Stehe auf und folge mir!«

Schwarz sprach diese Aufforderung aus, weil soeben vom Wasser her eine laute, befehlende Stimme erklungen war und er also annehmen konnte, daß die Schiffe im Anzuge seien. Er zog den Gefangenen von der Erde auf und führte ihn, natürlich von Pfotenhauer gefolgt, dem Ufer zu. Dort suchte er eine Stelle, welche einen freien Durchblick bot, und sah, daß er sich nicht geirrt hatte. Man sah die Schiffe nahen, von Kähnen geschleppt und von einem günstigen Morgenwinde getrieben. Die Kähne waren voller Ruderer und auf den Decks der großen Fahrzeuge wimmelte es von Menschen.

»Allah akbar! So viele Schiffe!« rief der Mann erstaunt und betroffen. »Wer sind die vielen Menschen, und was wollen sie hier?«

»Sie wollen deine Krieger vernichten, sobald diese ankommen. Jetzt sage dir selbst, wer in die Hölle wandern wird, wir oder ihr.«

»Das ist ja eine wirkliche Flotte von Schiffen und eine ganze Armee von Kriegern!«

»Komm weiter! Ich will dir noch mehr Menschen zeigen.«

Er faßte ihn am Arme und führte ihn nach dem Lager. Als sie durch die Büsche ins Freie traten und der Mann die unerwartete Zahl der Anwesenden erblickte, rief er aus:

»Da kommt ein wirkliches Heer zusammen! Herr, willst du den Sudan erobern?«

»Nein, ich will nur Abu el Mot bestrafen.«

»Abu el Mot?« erklang es schnell. »Weiter willst du nichts?«

»Nein.«

»Du willst nicht die Dörfer der Bongo überfallen?«

»Nein. Ich will nur Abu el Mot unschädlich machen. Sobald dies geschehen ist, ziehen wir wieder fort.«

»Willst du das beschwören?«

»Ja.«

»Bei deinen Ureltern und bei deinem Barte?«

»Gern und sofort.«

»So segne dich Allah und verleihe dir einst den weichsten Platz im siebenten seiner Himmel! Wären meine Hände nicht gebunden, so würde ich dich umarmen und dich bitten, mich als deinen Freund und Verbündeten zu betrachten.«

»Ist dies dein Ernst?«

»Mein heiliger Ernst, Herr. Die Seriben sind wahre Höllen für die armen Bewohner dieses Landes, und Abu el Mot ist der oberste dieser Teufel in Menschengestalt. Niemand hat die Macht oder den Mut gehabt, sein Gegner zu werden, und so hat er das ganze Land in Ketten und Banden geschlagen. Wonach sein Herz begehrt, das nimmt er; jeder muß ihm gehorchen, und wer das nicht thut, der ist verloren, denn er wird entweder getötet oder in die Sklaverei geschleppt. Nun aber ein Emir kommt wie du, mit solcher Macht, da muß alle Angst verschwinden, und ich biete dir meine Dienste und meine Krieger an, um mit ihnen für dich gegen Abu el Mot zu kämpfen.«

Er hatte mit Begeisterung gesprochen, und die linke Hälfte seines Gesichtes glänzte vor Freude. Das war nichts Gemachtes; das war keine Verstellung, und dennoch antwortete Schwarz:

»So bist du also nicht ein Freund von Abu el Mot?«

»O nein, sondern ich hasse ihn.«

»Und dennoch kommst du, um mit seinem Feldwebel Handel zu treiben?«

»Handel?« lachte der Mann grimmig. »Ja, handeln wollte ich, aber nicht wie der Feldwebel es dachte. Ich habe nichts zum Bezahlen mitgebracht. Ich wollte diese Hunde überfallen und töten. Darum wurde ich zornig, als ich hörte, daß sie und ihre Habe bereits in deine Hände gefallen seien. Nun aber magst du alles behalten; ich gönne es dir. Sage mir nur, wo Abu el Mot sich befindet. Es kann nicht so gut wie früher mit ihm stehen, da der Feldwebel von ihm abgefallen ist. Nur dies gab mir den Mut, aus dem versprochenen Handel einen feindlichen Überfall werden zu lassen.«

»Wie ist dein Name?«

»Abu ed Dabbuhs, weil ich nur mit der Keule zu kämpfen pflege und noch keiner mich in dieser Waffe überwunden hat.«

»Und wie viele Männer hast du jetzt bei dir?«

»Zweihundert.«

»So viele brauchtest du, um fünfzig zu überfallen?«

»Zum Überfallen allein nicht, denn, Herr, wir sind keine Feiglinge; aber zum Transporte der Tiere braucht man viele Menschen, und es mußte alles sehr schnell gehen und jede Spur rasch verwischt werden, da Abu el Mot nicht erfahren durfte, was hier an diesem Maijeh vorgegangen war. Der Feldwebel mußte mit allem, was bei ihm war, spurlos verschwinden, und um dies zu bewerkstelligen, sind vierhundert Hände nicht zu viel. Willst du Vertrauen zu mir haben? Sage mir, was du beschlossen hast!«

Schwarz band ihm die Fessel auf und antwortete dabei:

»Ich gebe dir die Freiheit. Finde ich alles so, wie du sagst, so sollst du mein Verbündeter sein und an meiner Seite stehen, wenn Abu el Mot als Besiegter vor mir im Staube liegt.«

 

»Herr, ich habe die Wahrheit gesagt. Erlaube, meine Begleiter herbeizuholen, damit einer derselben zurückreiten und den Kriegern melden kann, welche Änderung eingetreten ist!«

»Das hat noch Zeit. Du sprichst vom Reiten. Sind deine Leute zu Pferde?«

»Nein, sondern auf Kamelen. Auch habe ich Kamele mitgebracht, welche bestimmt waren, den Raub zu tragen, welchen wir hier machen wollten.«

»Ihr werdet auch einen Teil davon bekommen. Daß du so viele Kamele bei dir hast, das ist mir lieb, denn das wird unsern Zug beschleunigen.«

»Wohin?«

»Nach Ombula im Belanda-Lande. Abd el Mot ist dort und hat das Dorf zerstört, die Unbrauchbaren getötet und die Kräftigen zu Sklaven gemacht.«

Der Vater der Keule stand einige Augenblicke bewegungslos; dann schrie er förmlich auf:

»Das möge Allah verhüten, denn wir leben mit den Belanda im Bunde und haben Verwandte dort!«

»Allah hat es nicht verhütet, denn es ist ja bereits geschehen.«

»Weißt du das genau?«

»Ja. Gestern abend kam ein Bote hieher, um es zu erzählen. Abd el Mot steht im Begriffe, noch weitere Sklaven zu machen, und Abu el Mot befindet sich auf dem Wege zu ihm.«

»Dann laß uns schnell aufbrechen, Herr, um diese Hunde umzubringen! Wir sind ja nun mächtig genug, dies zu thun.«

»Wir werden noch heute den Zug beginnen. Komm jetzt mit hin zu den andern, wo wir das übrige besprechen können.«

Sie hatten bis jetzt noch am Rande des Gebüsches gestanden. Nun begaben sie sich mitten in das Lager, wo die Leute des Feldwebels noch gebunden an der Erde saßen oder lagen. Als der letztere den neuen Ankömmling erblickte, rief er aus:

»Der Schech, welchen wir erwarten! Das ist gut, denn er wird zu unsrem Besten reden.«

Der Schech aber versetzte ihm einen derben Fußtritt und antwortete:

»Schweig, du Abkömmling eines räudigen Hundes! Euch ist ganz recht geschehen. Und hätte nicht dieser fremde Emir euch gefangen genommen, so wäret ihr von mir erwürgt worden. Mögt ihr dereinst in dem Feuer brennen, welches ewig schmerzt und niemals tötet!«

Alle Anwesenden blickten auf den Schech, keiner aber mit solchen Augen und solchem Ausdrucke wie Abd es Sirr, der »Sohn des Geheimnisses«. Er hatte mit dem »Sohne der Treue« abseits gesessen und war, als er den Fremden erblickte aufgesprungen, um den Blick nicht wieder von ihm zu lassen.

»Was hast du? Wer ist es? Kennst du ihn?« fragte Ben Wafa.

»Ich – – ich – – ja, ich muß ihn kennen,« antwortete Abd es Sirr, indem seine Augen immer größer wurden.

»Nun, wer ist er?«

»Das – das – – weiß ich nicht.«

»Wenn du ihn kennst, mußt du es doch wissen!«

»Ich – ich kann mich nicht besinnen.«

Er legte die Hände an den Kopf, wie um mit dieser Berührung von außen seinem Gedächtnisse zu Hilfe zu kommen, doch vergeblich. Er ging hin und her, sprach halblaut mit sich selbst, setzte verschiedene Namen aus Silben zusammen, kauerte sich dann wieder neben Ben Wafa nieder, kurz, er that ganz so wie einer, welchem, wie man sich auszudrücken pflegt, ein Wort auf der Zunge liegt, ohne daß es über die Lippen will. Schließlich legte er sich gar lang auf die Erde, grub mit den Fingern Löcher, als ob er den gesuchten Namen ausgraben könne, schlug und strampelte mit den Füßen, ohne aber seinen Zweck zu erreichen.

Indessen hatten Schwarz und Pfotenhauer dem Schech erzählt, was dieser wissen mußte, um mit der gegenwärtigen Lage vertraut zu werden. Er erfuhr, wer die beiden seien. und konnte sich vieles, ja das meiste nicht erklären. Nur das eine begriff er, daß es mit Abu el Mot aus sei, daß dieser ergriffen und dem gefürchteten »Vater der Fünfhundert« in Faschodah ausgeliefert werden solle. Das entzückte ihn, und er wäre am liebsten gleich jetzt marschiert, wenn seine Leute dagewesen wären.

»Wir sind ihrer genug, um des Erfolges sicher zu sein,« bemerkte Schwarz. »Leider aber bin ich der Nuehrs nicht sicher. Wenn ich sie mitnehme, so ist ihnen zuzutrauen, daß sie zu Abu el Mot übergehen. Lasse ich sie aber hier, so muß ich ihnen viele Wächter stellen, welche ich nicht gut entbehren kann.«

»Wenn nur das dir Sorge macht, so kann ich dir helfen,« antwortete der Schech.

»Wodurch?«

»Durch den Chatib meines Stammes. Allah hat ihm die Gabe begeisternder Rede verliehen, so daß ihm selbst das härteste Herz nicht zu widerstehen vermag. Wenn der Geist über ihn kommt, so verläßt er uns und geht auf Reisen, bis ins Land der Schilluk hinunter. Er kennt die Nuehrs genau und weiß mit ihnen zu sprechen. Erlaube ihm, die Schiffe zu besteigen und ihnen zu predigen. Du darfst sicher sein, daß sie dann darauf brennen, im Kampfe gegen Abu el Mot ihr Blut zu vergießen.«

»Wollen es versuchen. Und jetzt gehen wir zu deinen Leuten, um einen Boten an die übrigen abzusenden, der ihnen sagen soll, daß sie sich sputen mögen.«

Als Schwarz nun mit dem Schech über den Lagerplatz schritt, kamen sie an Abd es Sirr vorüber. Dieser gebärdete sich noch immer so auffällig, und sie vernahmen die Worte, welche er vor sich hin sprach:

»Abu – Abu – – Abu en – en – en – o Allah, laß es mich finden!«

»Was hat dieser Jüngling?« fragte der Schech. »Gehört er vielleicht zu den Wahnsinnigen?«

»Nein. Seine Geburt ist in Dunkel gehüllt, und er hat bis vor kurzer Zeit nur sehr wenig Hoffnung gehabt, daß das Rätsel gelöst werden könne. Vielleicht sinnt er gerade jetzt wieder über etwas nach, was ihm nicht klar werden will.«

Sie gingen weiter. Gar nicht sehr entfernt vom Lager, unweit der Stelle, an welcher Joseph Schwarz und der Elefantenjäger dasselbe beobachtet hatten, hielten drei Kamelreiter zwischen den Büschen; sie hatten ein viertes, lediges Kamel bei sich, dasjenige des Schechs.

Dieser letztere kam mit Schwarz zu ihnen, um einen von ihnen fortzusenden und die andern mit in das Lager zu nehmen. Er sprach jedes Wort so, daß Schwarz es deutlich hörte und also die Überzeugung erhielt, daß der neue Verbündete es wirklich ehrlich meine.

Seine Leute waren nicht wenig darüber verwundert, daß hier, wo ein Überfall geplant worden war, ein Bündnis geschlossen worden sei; als sie aber, wenn auch in kurzer Weise, das Nähere erfuhren, waren sie ganz enthusiasmiert von dem Abenteuer, welches ihrer wartete. Der Bote ritt davon und die andern kamen mit ihren Kamelen in das Lager.

Dort war Abd es Sirr noch immer mit dem nicht aufzufindenden Namen beschäftigt. Er fing immer wieder an mit »Abu – Abu en —« konnte aber die Fortsetzung nicht finden. Da meinte sein junger Freund, der Niam-niam:

»Weißt du denn nicht, wo du ihn gesehen hast?«

»Nein.«

»So nützt es dir auch nichts, nach seinem Namen zu suchen.«

»O doch! Wenn ich den Namen finde, so fällt es mir auch ein, wo ich ihn kennen gelernt habe. Es ist mir ganz so, als ob mir dieser Mann einen großen Dienst erweisen könne.«

»So denke weiter nach. Allah wird dich auf das richtige führen. Auch ich werde mir Mühe geben.«

»Du? Wie könntest du finden, was ich selbst vergeblich suche!«

»Wenn Allah es will, so finde ich es leichter und schneller als du. Da kommen sie zurück und bringen zwei Reiter mit. Ich an deiner Stelle würde den Mann fragen, wie er heißt.«

»Ja, daran dachte ich auch bereits; aber es kommt so häufig vor, daß man den Namen wechselt. Ich werde es aber dennoch versuchen.«

Er stand auf, trat vor und fragte, als Schwarz und der Schech vorüber wollten, den letzteren:

»Herr, würdest du mir wohl deinen Namen nennen? Ich bin noch jung und soll eigentlich warten, bis ich vom Alter angeredet werde; aber Allah wird dir die Erfüllung meiner Bitte vergelten.«

»Jawohl will ich ihn dir nennen,« antwortete der Scheik. »Ich heiße Abu ed Dabbuhs.«

Abd es Sirr drehte sich, nachdem er gedankt hatte, zu seinem Freunde um und sagte enttäuscht:

»Das war der Name nicht, den ich meine.«

»So ist es auch der richtige Mann nicht,« meinte Ben Wafa.

»Er ist es ganz gewiß; dieses halbe Gesicht habe ich schon einmal gesehen, und zwar als es noch nicht geheilt war; ich muß damals ein noch kleiner Knabe gewesen sein.«

»Bei uns ist es zwar nicht so; aber nicht wahr, die arabisch sprechenden Menschen wählen den Namen nach der Eigenschaft, welche man besitzt?«

»Ja, oft ist es so.«

»Nun, weißt du, wie ich diesen Mann nennen würde?«

»Wie?«

»Abu en Nuhß el Wihsch.«

Da schlug der »Sohn des Geheimnisses« die Hände zusammen und schrie auf:

»Hamdulillah, ich hab‘s, ich hab‘s! Ja, du hattest recht; Allah hat es dir eher gesagt als mir. Du nennst diesen Mann ‚Vater des halben Gesichtes‘; aber sein Name war damals noch nicht so lang; er hieß nur Abu en Nuhß, ‚Vater der Hälfte‘. Ich hab‘s, ich hab‘s! Allah und allen Propheten sei Dank!«

»Es freut mich, daß ich dir habe helfen können; aber ist es dir denn nun auch eingefallen, wo du diesen Namen gehört und also den Mann gesehen hast?«

»Ja, ich weiß es, ich weiß es. Er kam blutüberströmt in unser Zelt, und die Mutter reinigte und verband es ihm. Dann lag er lange, lange Zeit krank bei uns. Er nahm mich oft zu sich auf das Serir und plauderte gern mit mir. Er scherzte viel und ich mußte ihn immer nur den ‚Vater der Hälfte‘ nennen, weil er nur noch das halbe Gesicht hatte. Das war, wie vieles andre auch, ganz aus meinem Gedächtnisse entschwunden und ist nun bei seinem Anblicke wieder zurückgekehrt. O Allah, Allah, ich werde mit ihm über meine Heimat und meine Mutter reden können!«

»Wenn er es wirklich ist!«

»Er ist‘s, er ist‘s; ich gehe hin zu ihm. Er kann kein andrer sein als Abu en Nuhß. Ich gehe hin!«

Er wollte fort, hatte aber gar nicht nötig, sich von seinem Platze zu entfernen. Seine Worte waren rundum gehört und auch von dem Schech vernommen worden. Dieser kam herbei und fragte:

»Ich höre, daß du den Namen Abu en Nuhß nennst. Wen meinst du damit?«

»Dich, Herr,« antwortete der »Sohn des Geheimnisses«. »Ist das nicht dein Name?«

»Nein, aber zu einer gewissen Zeit wurde ich im Scherze so genannt, von einem kleinen Knaben, dessen Gesellschaft mir meine Leiden erleichterte und meine Schmerzen milderte.«

»Wo war das? Sage es mir, o sage es schnell.«

Schwarz und Pfotenhauer waren auch herbeigekommen und noch andre kamen, um zu hören, was hier so erregt verhandelt werde.

»Das war zu Kenadem im Lande Dar Runga.«

»Kenadem, o Kenadem!« jubelte Abd es Sirr auf.

»Kennst du es denn?« fragte der Schech.

»Nein, doch ich bitte dich um Allahs willen. antworte mir weiter, obgleich ich so viel jünger bin als du! Wie kamst du damals nach Kenadem?«

»Ich hatte ein Gelübde gethan, das Grab des berühmten Marabuhs von Tundzur zu besuchen. Der Weg war weit, sehr weit, aber ich kam glücklich an das Ziel und brachte meine Gebete dar; dann reiste ich, von meinen Sünden frei, zurück; aber zwischen dem Rahat Gerari-See und Kenadem wurden wir Pilger von der Raubkarawane überfallen. Einige von uns wehrten sich; ich befand mich unter ihnen. Wir wurden niedergehauen, und ich erhielt einen Säbelhieb in das Gesicht, welcher mir nicht nur die Nase raubte, sondern auch die Wange und das halbe Kinn abschälte. Allah nahm meine Seele einstweilen aus dem Körper, um mir die großen Schmerzen zu ersparen. So fand mich ein Reisender, welcher später kam und noch Leben in mir spürte. Er nahm mich mit nach Kenadem zu sich, wo ich erst erwachte, als ich verbunden wurde.«

»Wie hieß dieser Mann, welcher dich rettete?«

»Es war Barak el Kasi, der Emir von Kenadem.«

»Hast du sein Weib gesehen?«

»Viele, viele Male, denn die Frauen von Kenadem pflegen sich vor den Gästen ihrer Herren nicht zu verschleiern.«

»Beschreibe sie mir!«

»Warum?«

»Beschreibe sie, schnell!« gebot der Jüngling fast trotzig, ohne auf das warum zu achten.

»Sie war mild und wohlthätig wie der Mond, auf dessen Strahlen sich die Fruchtbarkeit des Taues zur Erde senkt. Alle Menschen liebten sie. Der Emir war finster und streng, aber unsre Seelen neigten sich zu einander; er hatte mir das Leben erhalten, und wir öffneten einander die Ader, um das Blut der Bruderschaft zu trinken. Sein Leben ist wie das meinige und mein Tod wie der seinige. Er liebte mich. Außer mir, und noch viel mehr als mich, hat er seine Frau und sein Kind geliebt.«

»Du hast dieses Kind gekannt?«

»Diesen Knaben? Ja; er war das Geschenk Allahs, die Wonne seiner Mutter und die Hoffnung seines Vaters.«

»Haben sich diese Hoffnungen erfüllt?«

»Das weiß ich nicht, denn ich bin seit jener Zeit nicht wieder nach Kenadem gekommen.«

»Und der Emir, dein Blutsbruder, auch nicht zu dir?«

 

»Nein. Nur vor einem Monat, als ich nicht bei den Meinen war, ist ein Fremder gekommen, hat sich Barak el Kasi, Emir von Kenadem genannt und mit mir zu reden verlangt. Da ich nicht daheim war, ist er noch desselben Tages fortgegangen. Es muß ein Irrtum sein, denn mehrere meiner Krieger wollen in diesem Manne den berühmten Elefantenjäger erkannt haben.«

»Der Emir von Kenadem und der Elefantenjäger sind dieselbe Person.«

»Allah! Wie wäre das möglich!«

»Du sollst es bald erfahren. Weißt du, wie der Sohn des Emirs hieß?«

»Ja, es fehlte ihm an jedem Fuße die kleine Zehe; darum hatte man ihm den Namen Mesuf et Tmeni Sawabi-Ilidschr, Mesuf mit den acht Zehen, gegeben.«

»Nun, so schau einmal her!«

Er entblößte und zeigte erst den rechten und dann auch den linken Fuß.

»Schu halamr el adschib – welch ein Wunder! Auch du hast nur acht Zehen! Oder bist du etwa- – —«

Er hielt in der Rede inne, betrachtete den »Sohn des Geheimnisses« genau und fuhr dann fort:

»Deine Züge sind noch nicht so fest, daß ich nach so langer Zeit in ihnen diejenigen deines Vaters oder deiner Mutter zu erkennen vermöchte; aber eine innere Stimme sagt mir, daß du der Sohn meines Blutsbruders bist. Antworte mir; sage mir, ob meine Ahnung mich täuscht oder nicht!«

»Ich bin es, Herr; ich bin der Knabe, welcher mit dir spielen durfte und dich im Scherze Abu en Nuhß nennen mußte. Ich habe bisher nicht gewußt, wer ich bin; nur in letzter Zeit durfte ich einen Blick in meine Heimat werfen; nun ich aber dich erkannt habe, ist es mir so gewiß, als ob der Prophet es mir selber sagte, daß ich jener Sohn des Emirs von Kenadem bin.«

»So komm an mein Herz, du Sohn und Nachkomme meines Blutsbruders! Eine innere Stimme sagt mir, daß du es bist, ganz abgesehen davon, daß auch deine Worte mich überzeugen müssen. Es ist so, als ob ich ihn selbst getroffen hätte. Deine Freunde sind auch die meinigen, und meine Hand wird wider alle deine Feinde sein.«

Er ergriff den »Sohn des Geheimnisses« bei den Händen und zog ihn an seine Brust, um ihn zu küssen. Dann setzte er sich mit ihm nieder, und die beiden waren nun ganz ausschließlich miteinander beschäftigt. Es verstand sich ja ganz von selbst, daß sie sich gegenseitig so vieles zu fragen, zu beantworten und zu erzählen hatten.

Schwarz wendete sich von ihnen ab, diese sich selbst zu überlassen und dachte nun erst daran, daß der »Vater der elf Haare« noch immer allein bei dem erlegten Nilpferde stand und auf die Leute wartete, welche ihm geschickt werden sollten. Er verkündete also mit lauter Stimme, daß ein großes, fettes Husan el bahr getötet worden sei, was von seiten der Asaker mit großem Jubel aufgenommen wurde, und sandte den »Vater des Gelächters« mit einer Anzahl Soldaten nach der betreffenden Stelle, welche er ihnen so genau beschrieb, daß sie dieselbe nicht verfehlen konnten.

Als sie dort ankamen, stand der Slowak mit geschultertem Gewehre bei dem Tiere und rief ihnen mißmutig entgegen:

»Sind euch Flintenläufe in die Beine geraten, daß ihr sie nicht schneller bewegen könnt! Ich stehe nun über eine Stunde bei dem Ungeheuer, um nicht zu dulden, daß ihm das Leben wiederkehrt. Wäre es erwacht und davongelaufen, so hätten alle meine Bitten und Vorstellungen nicht vermocht, es in Güte zurückzuhalten. Ist es nicht genug, daß ich es für euch erschossen habe? Soll ich es auch noch auf den Rücken nehmen, um es euch zuzutragen?«

»Wie? Du hast es geschossen?« fragte der »Vater des Gelächters«.

»Ja. Wer denn sonst?« antwortete der Kleine stolz.

»Ein andrer. Die Kugel deines Baruhdi er rad ist zwar sehr groß, aber ein solches Loch vermag sie doch nicht zu reißen. Das kann nur eine Rßaß scharmat gewesen sein, und ich weiß, daß nur der ‚Vater des Storches‘ solche Kugeln besitzt; er also hat das Tier getötet, und nicht du bist es gewesen.«

Während die Soldaten sich, ohne auf die Worte der beiden zu achten, mit ihren langen Messern über das Nilpferd hermachten, fuhr der Kleine seinen Freund zornig an:

»Schweig! Bist du etwa dabei gewesen? Dein Maul ist zwar so groß wie dasjenige dieses Ungeheuers; aber dein Gehirn ist so gering und klein, daß keine Nimli sich daran zu sättigen vermöchte. Hast du denn nicht meine Flinte krachen hören?«

»Wir vernahmen zwei Schüsse und erwachten davon. Da Sihdi Aswad und der ‚Vater des Storches‘ fehlten, so wußten wir sofort, daß diese beiden geschossen hatten. Nun willst du mir weiß machen, daß du es gewesen bist. Das kannst du zwar bei einem andern versuchen, aber nicht bei einem, der alle Dörfer und Völker, alle Städte und Menschen der Erde kennt!«

»Sprich ja nicht von deinen Menschen und Dörfern! Ich glaube nicht einmal, daß du den Ort kennst, an welchem die Menschen vor Schreck davonliefen, als sie dein neugeborenes Gesicht erblickten. Ich aber kenne alle Sprachen der Welt und die lateinischen Wissenschaften. Mein Kopf kann aufgeschlagen werden wie ein Buch, in welchem alles steht, und wenn ich will, geht mein Verstand auf über die Unwissenden wie die Sonne, welcher nichts in der weiten Schöpfung gleicht.«

»Schu halalk, uskut – welch ein Geschwätz! Verstumme!« schrie der »Vater des Gelächters« wütend, wobei er ein Gesicht zog, als ob er vor lauter Wonne überströme. »Als mein Gesicht zum erstenmal auf Erden erschien, da jubelte nicht nur die Sonne, sondern das ganze Firmament. Kennst du meinen Namen und weißt du, wer ich bin? Ich heiße Ali Ben Hadschi Ishak al Faresi Ibn Hadschi Otaiba l‘Oscher Ben Hadschi Marwan Omar el Gandesi Hafid Jacub Abd‘ Allah el Sandschaki. Dein Name aber lautet nur Uszkar Istvan. Kann er sich neben dem meinigen sehen und hören lassen?«

»Jawohl! Dein langer Name ist nichts als ein Bandwurm, von dem man froh ist, wenn er glücklich mit Kopf und Schwanz entfernt worden. Der meinige aber ist voller Kraft, Klang und Wohllaut, und jeder, der ihn vernimmt, freut sich der Musik desselben. Und wie der Name, so der Mann. Während du noch schliefest und durch dein Schnarchen das Weltall erzürntest, war ich bereits wach, um mit dem Riesen der Tierwelt zu kämpfen. Schau her an den Unterkiefer! Siehst du das Loch in der Haut? Meine Kugel ist da so stark aufgetroffen, daß das Tier die Maulsperre bekommen hat und weder ein Glied zu rühren noch ein vernünftiges Wort zu reden vermochte. Nur durch diese meine Kugel ist es zu seinen Vätern und Ahnen versammelt worden, und nun sage mir, ob jemals du so etwas fertig gebracht hast oder fertig bringen wirst!«

»Mit größter Leichtigkeit!« antwortete der »Vater des Gelächters«. »Rufe nur ein Flußpferd herbei, und du sollst sofort sehen, welchen Schreck ich demselben einjagen werde.«

»Das glaube ich freilich, denn es braucht nur dein Gesicht zu sehen, so rennt es augenblicklich davon.«

»Sprich nicht von meinem Gesichte!« rief der Hadschi wütend. »Wer ist denn schuld daran, als nur du allein?«

»Ich?!«

»Ja, nur du! Mein Gesicht war eine Perle der männlichen Schönheit. Meine Züge glänzten wie die Anfangsworte des Koran; meine Augen strahlten in Kraft und Milde, und meine Wangen leuchteten wie die Morgenröte, bevor ich dich erblickte. Da kamst du, und als ich dich sah, ging mir das Entsetzen wie ein Erdbeben durch alle meine Glieder, und so oft mein Auge auf dir ruht, ergreift mich dieselbe Herzensangst, die mich so plötzlich um den Inbegriff aller meiner Vorzüge gebracht hat. Ich kann erst dann auf Heilung dieses meines Leidens rechnen, wenn ich dich nicht mehr erblicke und für immer von dir geschieden bin.«

»So mache dich von dannen und wage es nicht, mir jemals wieder unter die Augen zu kommen!« schrie nun seinerseits der Kleine im höchsten Zorne. »Du bist Mismahri et tabuht, der Nagel zu meinem Sarge, und es Sabab kabri, die Ursache meines Grabes. Seit ich dich kenne, gehe ich langsam ein, und der Ärger über dich frißt an den Knochen meines Lebens. Du hast meine Jugend gemordet und die Tage meines Alters im voraus verschlungen. Möge dir der Engel des Gerichtes dafür die Haut mit Nadeln bestecken, so dicht wie das Fell eines Pudelhundes!«

»Und dich möge er an den elf Haaren deines Schnurrbartes aufhängen, gerade über demjenigen Schornstein der Hölle, aus welchem – – —«

Er kam nicht weiter, denn der Slowak war in einem so hohen Grade zornig geworden, daß er sich bei der Erwähnung der elf Haare nicht länger zu beherrschen vermochte.