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Die Sklavenkarawane

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»Herr Doktor, schießte auf Elefant, schießte doch, schießte! Wenn Elefant uns auffangte mit Zahn, seinigem, so fliegte wir in Luft atmosphärige, und seinte zerschmetterte Knochen, unsrige und ganze! Schießte schnell, schießte schnell!«

Der nächste hinter ihm war sein Freund, der »Vater des Gelächters«. Er machte Sprünge wie ein Panther und brüllte dabei in einem Atem:

»O Allah! O Vorsehung! O Ewigkeit! Er wird mich packen, der Elefant, der Verfluchte, der Ungläubige! Möge er vorher in die Hölle stürzen, da, wo sie am tiefsten ist und immer noch ein weiteres, separates Loch nach unten hat!«

Der Sudanese kann absolut nicht schweigen; er muß sprechen und er muß schreien, selbst wenn dies zu seinem größten Schaden ist.

Auch Abd es Sirr und Ben Wafa ließen ihre Stimmen hören, vielleicht in der Absicht, den Elefanten von sich abzuschrecken. Sie rannten mehr nach rechts, während das Tier der geraden Linie folgte, welche von dem Slowaken und seinem Freunde eingeschlagen worden war. Die andern hatten eine Schwenkung nach links gemacht. Sie bemerkten, daß sie das Tier nicht mehr hinter sich hatten, und hielten an.

»Meiner Six, so bin ich im Leben noch nit g‘rannt!« sagte Pfotenhauer aufatmend. »Wann wir stehen geblieben wären, so hätten unsre Kugeln der Bestie nix g‘schadet, wir aber wären von ihr alle mit‘nander zerstampft und zertreten worden. Dort rennt sie auf das Dickicht los. Sie hat es auf den Kleinen und auf den Großvater der Städte und Völker abgesehen. Machen wir schnell, daß wir nachkommen, um denen beiden beizuspringen!«

»Halt!« hielt Schwarz ihn zurück. »Nur nicht unvorsichtig! Sehen Sie, daß die Kerls soeben das Gebüsch erreicht haben! Sie finden sichere Deckung in demselben und sind also gerettet. Wir aber würden uns in die Gefahr begeben, dem umkehrenden Tiere zu begegnen. Wenn wir folgen wollen, so müssen wir es von der Seite her thun und dürfen uns nicht von dem Elefanten sehen lassen. Kommen Sie!«

Jetzt hatte auch der »Herumtreiber« das Gebüsch erreicht. Er brach in dasselbe ein, als ob er nur Gras unter den Füßen habe. Dabei bog er Stämme von der Stärke eines Mannesschenkels auseinander oder brach sie ab. Der »Vater der elf Haare« hörte das gewaltige Knacken und Prasseln hinter sich. Er glaubte, der Elefant sei ihm ganz nahe, wagte sich nicht umzusehen und rannte nur immer gerade aus. Da blieb er mit dem Fuße an einem Schlinggewächse hängen und stürzte nieder. Der »Vater des Gelächters« flog an ihm vorüber. Er raffte sich schnell wieder auf und schoß vorwärts – fast in das tiefe Wasser des Maijeh hinein, an dessen Ufer er sich befand. Neben sich sah er den gewaltigen Stamm eines Baumes. Emporblickend, bemerkte er die Füße seines Freundes. Er that einen Sprung nach oben, erfaßte den Ast und schwang sich hinauf. Von da zum nächsten Aste war es nicht weit; er erreichte auch diesen und wollte noch weiter empor, denn er befand sich nur so hoch, daß der Elefant ihn sehr leicht erreichen konnte, mußte aber darauf verzichten. Der Baum hatte nämlich durch Blitzschlag seine Krone verloren; es gab nur drei Äste und der dritte war abgebrochen und bestand nur aus einem Stumpfe, auf welchem nur eine Person Platz finden konnte. Da saß der Hadschi und zog ein Gesicht, als ob er sich im siebenten Himmel Mohammeds, nicht aber in Lebensgefahr befinde.

»O Allah, was soll ich thun!« rief der Kleine. »Konntest du nicht einen andern Baum wählen! Alle übrigen sind höher und haben mehr Äste. Das Tier wird mich hier abpflücken wie eine reife Traube!«

»Wer hat dir geheißen, mir nachzuklettern!« grinste der andre von oben herab. »Ich bin sicher. Bis herauf zu mir reicht der Rüssel nicht.«

»Aber bis zu mir! O Allah, Allah, was soll ich thun! Er kommt; er ist da, er ist da!«

Seine Angst war groß und auch gar wohlbegründet, denn es krachte und prasselte schon in nächster Nähe.

»Kriech doch auf dem Aste weiter!« riet ihm der Hadschi. »Er ist so dick wie du und reicht über das Ufer hinaus. Da kann das Untier dich nicht erreichen. Mach aber schnell, denn ich sehe ihn schon!«

Er erblickte von seinem höheren Sitze aus den Kopf des Elefanten, der ein ihm im Wege stehendes Bäumchen mit dem Rüssel faßte, samt den Wurzeln aus der Erde zog und dann zur Seite schleuderte.

»Ja, ich krieche, ich krieche,« rief der Kleine entsetzt. »Es ist der einzige Rettungsweg, den es gibt.«

Er turnte sich auf Händen und Füßen und mit außerordentlicher Schnelligkeit auf dem Aste fort, bis dieser sich unter der Last fast bis zum Wasser niederbog. Dort konnte er von dem Elefanten nicht erreicht werden und atmete erleichtert auf, aber nur für einen kurzen Augenblick, denn unter ihm regte sich etwas und als er niedersah, fiel sein Auge auf ein Nilpferd, welches im Wasser stand, so daß nur die Nüstern, Augen und Ohren aus demselben ragten.

»Allah kerihm,« rief er erschrocken aus; »ana fohk l‘ischsch el Husan el bahr – Gott sei mir gnädig; ich hänge über dem Neste eines Nilpferdes!«

In diesem Augenblicke hatte der Elefant den Baum erreicht und wurde durch das Geschrei des Kleinen auf diesen aufmerksam gemacht. Doch beobachtete er zunächst nicht diesen, sondern den Hadschi, welcher seinem Freunde von oben herab antwortete:

»Halte dich fest, sehr fest, sonst gilt‘s dein Leben! Wenn dieses Husan dich erwischt, so zermalmt es dich!«

Der Elefant blinzelte den Sprecher mit seinen kleinen Augen an, stieß einen drohenden Trompetenton aus und richtete dann den Rüssel auf, um den Feind zu ergreifen. Glücklicherweise konnte er ihn nicht ganz erreichen, denn der »Vater des Gelächters« saß zwei Ellen zu hoch und zog außerdem die Beine an den Leib, wobei er halb ängstlich und halb schadenfroh ausrief:

»Versuche es nur, du Sohn eines ehrlosen Vaters, du Neffe eines Oheimes, welcher durch dich zum Gelächter geworden ist! Ich spotte deiner Stärke und verachte deine Klugheit. Komm doch herauf, wenn du mich haben willst!«

Der Elefant sah das Nutzlose seiner Bemühung ein und richtete seine Augen auf den »Vater der elf Haare«. Er avancierte bis an das Wasser und streckte den Rüssel aus, um den Genannten zu ergreifen, konnte aber auch diesen nicht erreichen. Der Kleine bemerkte das mit hoher Befriedigung und schrie ihm spottend zu:

»Hast du Appetit nach mir, du Urahne des Rüssels und der großen Ohren? Klettere doch herauf, damit wir uns liebkosen können! Ich möchte dich gern – —«

Er kam nicht dazu, auszusprechen, was er so gern thun wollte, denn der Elefant hatte einen schnellen und für den Kleinen sehr verhängnisvollen Entschluß gefaßt. Er war zu der Einsicht gekommen, daß er seinen Zweck auf eine andre als die bisherige Weise zu erreichen suchen müsse. Darum schlang er den Rüssel um den Ast und schüttelte denselben mit solcher Kraft, daß der »Vater der elf Haare« sich nicht festzuhalten vermochte und weit hinaus in die Luft und dann in das Wasser geschleudert wurde.

Die Anstrengung des Elefanten war so groß gewesen, daß er das Gleichgewicht verlor. Er rutschte mit den Vorderbeinen von dem schlüpfrigen Ufer ab. Zwar versuchte er, sich mit dem Rüssel an dem Aste festzuhalten, doch vergeblich, denn das Gewicht seines Körpers war zu schwer; der Ast brach ab, und das Tier stürzte in das Wasser, welches hoch aufspritzte und sich dann über ihm schloß.

Aber schon im nächsten Augenblicke tauchte er wieder auf, das heißt, zunächst war nur der kerzengerade emporgestreckte Rüssel zu sehen, welcher im Nu von seinem Schicksale ereilt wurde. Der Elefant war nämlich nicht weit von dem Nilpferde in das Wasser gestürzt; dieses schoß herbei, öffnete den breiten Rachen, klappte ihn um den Rüssel wieder zu und tauchte unter. Einige Sekunden lang schlug das Wasser in hohen, blutigen Wellen und Kämmen auf, dann erschien der Elefant ohne Rüssel, denn dieser war ihm abgebissen worden. Er stieß vor Wut und Schmerz Töne aus, welche jeder Beschreibung spotten, und sah sich nach dem Gegner um. Jetzt erschien derselbe an der Oberfläche, nur wenige Ellen entfernt von ihm; der Elefant holte zum gewaltigen Stoße aus und rannte dem Nilpferde den Zahn, so lang dieser war, in den Leib; dann verschwanden beide abermals.

Im weiteren, doch nur kurzen Verlaufe des Kampfes erschien bald das Hinterteil des Elefanten, bald die eine Seite des Hippopotamus über dem Wasser. Der erstere konnte nicht von dem letzteren loskommen, und das Nilpferd strengte alle seine Kräfte an, den Feind unten zu halten und zu ersticken. Die Wogen stiegen zu kleinen Bergen auf, zwischen denen hohe Fontänen emporgespritzt wurden, so daß man die einzelnen Bewegungen der Tiere nicht zu unterscheiden vermochte.

Während dieses Kampfes der Riesen der Tierwelt hielten sich die andern Bewohner des Maijeh wohlweislich fern, und das war ein Glück für den »Vater der elf Haare«, welcher so weit hinausgeflogen war, daß die Krokodile bei ihm gewesen wären, bevor er das Ufer hätte erreichen können. Er hatte sich schnell an die Oberfläche gearbeitet und gab sich alle Mühe, so rasch wie möglich an das Land zu kommen. Als er es erreichte und triefend aus dem Wasser stieg, wendete er sich um, streckte die Fäuste aus und rief:

»Hamdulillah, ich bin gerettet! Ich sollte gefressen werden; nun aber wird euch der Scheitan verschlingen mit samt eurer ganzen Nachkommenschaft! Kommt schnell herbei, und seht, wie ich des Elefanten und des Nilpferdes Herr geworden bin!«

Dieser letztere Ruf galt Schwarz und dem »Vater des Storches«, welche soeben von seitwärts herbeikamen.

»Ja, kommt, kommt rasch!« rief auch der Hadschi vom Baume herab. »Wir brauchen sie gar nicht zu töten, denn sie bringen sich gegenseitig selber um. Seht den ‚Vater des Rüssels‘! Er bringt das Nilpferd an das Land, kann aber nicht von ihm los und muß elendiglich aus dem Leben scheiden.«

Das Nilpferd war tot; der Elefant hatte mit den Füßen Grund bekommen und schleppte es, indem er rückwärts ging, an seinem Zahne dem Ufer zu. Er konnte sich trotz aller Anstrengung nicht befreien und schrie vor Grimm in einem Atem fort, wobei ihm das Blut armesstark aus der tödlichen Wunde strömte.

 

»Da ist die G‘fahr also für uns vorüber,« meinte Pfotenhauer. »Bringen wir die G‘schicht nun vollends zu End‘!«

Er legte sein Gewehr auf den Elefanten an und drückte los. Beim ersten Schuß wankte das Tier; beim zweiten schlug es hinten aus und brach dann nieder, indem es im Wasser verschwand. Dies sehen und vom Baume herabrutschen war für den Hadschi das Werk nur eines Augenblicks.

»Fachrulillah, Ruhm sei Gott!« rief er triumphierend. »Wir haben die Schrecklichen bezwungen und die Entsetzlichen erlegt; sie liegen mit ihrer Schande im Wasser und müssen sich schämen, an ihren ehrlosen Tod zu denken. Sie sind durch meine List gefällt und durch meine Kühnheit überwunden worden. Alle Gefährten werden mich preisen und loben, wenn sie das Fleisch der Riesen verzehren.«

»Schweig!« antwortete der »Vater der elf Haare«. »Was hast du denn eigentlich gethan? Du bist auf den Baum geklettert und hast gewartet, bis die Tiere tot waren; erst dann kamst du wieder herunter. Halte meinen Heldenmut dagegen, so wird dein Ruhmgeschrei augenblicklich verstummen müssen!«

»So?« fragte der Hadschi, indem er vor Ärger ein Gesicht zog, als ob er vor lauter Wonne vergehen wolle. »Zähle doch einmal deine Heldenthaten auf! Auch du bist auf den Baum geflohen, sogar fast bis an die äußerste Spitze des Astes. Dann hat der Elefant dich in das Wasser geschüttelt, und nun stehst du pudelnaß vor mir, daß es mich erbarmen könnte!«

»Sprich nicht solche Albernheiten. Habe ich denn nicht durch meinen Sprung in den Maijeh den Elefanten listigerweise verführt, auch in das Wasser zu gehen, worinnen er den Tod gefunden hat? Bin nicht also ich es, dem der Sieg zugeschrieben werden muß?«

Die beiden wären wahrscheinlich noch heftiger aneinander geraten, doch wurde ihrem Wortwechsel durch ein rundum sich erhebendes Freudengeheul ein Ende gemacht. Die vor dem Elefanten geflüchteten Leute hatten die Schüsse gehört und Mut gefaßt; sie waren vorsichtig herbeigekommen und sahen, daß nichts mehr zu befürchten sei. Nun erhoben sie, von denen das Ufer wimmelte, ein Triumphgeschrei, vor welchem, wenn sie ihre Kehlen vorhin in derselben Weise angestrengt hätten, der Elefant samt sämtlichen in der Umgegend sich aufhaltenden Nilpferden auf- und davongelaufen wäre. Sie tanzten und sprangen vor Entzücken, und es dauerte eine geraume Zeit, ehe es Schwarz und Pfotenhauer gelang, Ruhe und Ordnung in die Gesellschaft zu bringen.

Nun wurden Seile von den Schiffen geholt, mit deren Hilfe man die beiden Tiere, allerdings unter großer Anstrengung, an das Land zog, um sie auszuschlachten und zu zerlegen. Während ein Teil der Leute mit dieser Arbeit beschäftigt war, kehrten die zwei Deutschen mit den andern zum Lagerplatze zurück, weil zu befürchten stand, daß die Elefanten wiederkommen und ihre Weibchen suchen würden. Glücklicherweise erfüllte sich diese Erwartung nicht.

Später kam einer der am Ufer beschäftigten Männer zum Lagerplatze und meldete, daß man soeben draußen auf dem Flusse ein Boot gesehen habe, welches nach dem Maijeh einlenke. Schwarz und Pfotenhauer eilten sofort nach dem Wasser, gefolgt von den ihnen näherstehenden Gefährten. Man konnte über den Maijeh hinweg und durch den schmalen Eingang desselben blicken. Auf dem schmalen Streifen des Niles, welcher dahinter sichtbar war, kam das Boot, von mehreren Rudern getrieben, herbeigeflogen. Schwarz nahm, um es zu betrachten, das Fernrohr zur Hand und reichte es dann dem ‚Vater des Storches‘. Kaum hatte dieser letztere einen Blick durch die Gläser geworfen, so rief er, zu dem »Sohne der Treue« gewendet, aus:

»Das ist ein Fahrzeug der Niamah-niam. Was hat das zu bedeuten? Nimm das Rohr, und sieh hindurch!«

Ben Wafa folgte dieser Aufforderung und antwortete dann:

»Ein Kriegsboot unsres Stammes! Wie und warum kommt dies hierher? Am Steuer sitzt Wahafi, der listigste Krieger meines Volkes, welcher die Ufer des Flusses kennt bis hinab zum See Ombaj. Sobald mein Vater diesen Mann aussendet, handelt es sich um ein wichtiges Unternehmen. Ich bin überrascht und bestürzt über das Erscheinen dieses Bootes.«

»Zu erschrecken brauchen wir nicht,« meinte Pfotenhauer, »da das Fahrzeug keine feindlichen Menschen bringt. Diese Leute wissen nicht, daß wir uns hier befinden. Sie werden, sobald sie unsre Schiffe erblicken, sofort umkehren wollen. Wir müssen sie also benachrichtigen, daß sie hier nur Freunde finden.«

»Das werde ich thun.«

Er rannte fort, entlang dem linken Ufer des Maijeh bis zu dem Eingange desselben, und kam gerade an dem Augenblicke dort an, als das Boot dieselbe Stelle passierte. Man hörte, daß er den Insassen etwas zurief, worauf sie ein Freudengeschrei erhoben und sich dem Lande näherten. Er sprang zu ihnen in das Fahrzeug, und dann kamen sie über den Maijeh herbeigerudert. Wahafi, der Steuerer, erkannte den »Vater des Storches« von weitem.

»Herr, wie freue ich mich, dich zu sehen,« rief er ihm zu. »Wir kommen nicht allein, sondern es folgen uns viele Krieger nach.«

»Warum?« fragte Pfotenhauer, indem das Boot anlegte und die Leute ausstiegen.

»Es kam ein Händler aus Metambo zu uns. Er war vorher auf der Seribah Abu el Mots gewesen und hatte da gehört, daß dieser nicht anwesend sei und uns gleich nach seiner Rückkehr überfallen werde. Da beschloß der König, ihm zuvorzukommen. Er rief alle seine Krieger zusammen und sendete mich voraus, um zu erfahren, wie es auf der Seribah stehe.«

»Das kannst du hier bei uns ganz genau und schneller erfahren. Wohin sollst du dem Könige die Botschaft bringen?«

»Nach dem kleinen Flüßchen, welches oberhalb Nirrheh in den Nil mündet. Dort will er sich mit seiner Flotte verstecken, bis ich komme.«

»Wie stark ist die Macht, welche er bei sich hat?«

»Es sind über fünfmalhundert tapfere Männer, auf viele Boote verteilt«

»Das ist gut. Wir sind zwar stark genug, aber wenn ihr euch zu uns gesellt, wird uns nicht ein einziger Feind entgehen können. Wie lange rudert ihr von hier aus, um den König zu erreichen?«

»Nicht länger als einen Tag.«

»So kommt mit uns zum Lager. Wir haben dir sehr viel zu erzählen.«

Die Neuangekommenen freuten sich außerordentlich, den Sohn ihres Königs, und auch den »Sohn des Geheimnisses« so unerwartet getroffen zu haben. Noch größer als diese Freude war ihr Staunen, als sie vernahmen, was sich ereignet hatte. Es wurde eine Beratung abgehalten, deren Ergebnis war, daß Wahafi sofort mit seinen Leuten zurückfahren solle, um dem König von dem Stande der Dinge Nachricht zu bringen. Die Niamah-niam sollten von ihrem Aufenthaltsorte direkt nach Ombula marschieren, und dort mit Pfotenhauer, Schwarz, und ihren Leuten zusammentreffen.

Eben wollte Wahafi aufbrechen, als man einen Reiter bemerkte, welcher von Süden her langsam herangeritten kam. Er war eine so wichtige Erscheinung, daß Pfotenhauer das Fernrohr auf ihn richtete.

»Ein Weißer,« sagte er, »und bis an die Zähne bewaffnet. Wer mag er sein! Jedenfalls nicht wieder ein Bote von Abd el Mot, da dieser schon gestern einen geschickt hat.«

Wahafi nahm das Fernrohr, und sah auch hindurch. Er mochte von Pfotenhauer während dessen Aufenthalt bei den Niam-niam gelernt haben, mit diesem Instrument umzugehen. Als er das Gesicht des Reiters erblickt hatte, sagte er:

»Das ist ja Dauwari, der Sucher! Wo der hinkommt, da folgt ihm Mord und Elend nach.«

»Du kennst ihn?« fragte Schwarz.

»Nur zu gut. Ich bin der einzige meines Stammes, der ihn kennt. Ich habe ihn bei den Moro gesehen. Kaum war er von ihnen fort, so kam die Sklavenkarawane und überfiel das Volk. Er verkehrt auf den Seriben und kennt alle Menschenjäger, mit denen er Geschäfte macht.«

»Kennt er dich?«

»Nein.«

»So bleibe noch da. Daß er zu uns kommt, scheint nicht ohne Absicht zu sein. Ein einzelner Mann hütet sich, ein Lager wie das unsrige zu betreten.«

Der Mann ließ nicht die geringste Unsicherheit bemerken. Er kam stracks herbei, stieg vom Pferde, grüßte und fragte dann Schwarz:

»Ich bin zu euch gesandt. Ihr seid doch die Leute, welche zu Abd el Mot gehören?«

»Wer bist du?« erkundigte sich Schwarz, ohne die Frage zu beantworten.

»Ich bin Soldat und traf auf die Sklavenkarawane, welche Abd el Mot befehligt. Er nahm mich in seinen Dienst und sandte mich ab, um euch aufzusuchen.«

»Was hast du uns mitzuteilen?«

»Ihr sollt sofort nach den Gutabergen ziehen, wo ihr ihn in der Schlucht es Suwar finden werdet.«

»Warum zieht er dorthin?«

»Weil er dort einige Dörfer der Mundo überfallen will.«

»Und wann wird er dort eintreffen?«

»Übermorgen. Wenn ihr euch sputet, könnt ihr einen Tag später auch dort sein.«

»Wie lautet dein Name?«

»Amar Ben Suba.«

Schwarz sah ihm scharf in das Gesicht. Der Mann hielt diesen forschenden Blick lächelnd aus. Seine Züge waren die eines kühnen Mannes, aber nicht vertrauenerweckend.

»Sagst du die Wahrheit?« fragte Schwarz.

»Ja. Warum sollte ich lügen!«

»Und doch lügest du!«

Da zog der Mann ein Pistol aus seinem Gürtel und antwortete drohend:

»Sage das ja nicht zum zweitenmal, sonst schieß ich dich nieder! Ich laß mich nicht beleidigen!«

Wenn er der Meinung gewesen war, dem Deutschen zu imponieren, so hatte er sich geirrt. Dieser schlug ihm die Waffe aus der Rechten, riß ihm die Flinte aus der Linken, holte mit derselben aus und versetzte ihm einen Kolbenhieb gegen den Kopf, daß der Getroffene zu Boden stürzte. Einige Augenblicke später war derselbe entwaffnet und gebunden. – Der Hieb hatte ihm für kurze Zeit die Besinnung geraubt. Als er wieder zu sich kam und sich gefesselt sah, rief er aus:

»So behandelt ihr den Boten und Vertrauten eures Vorgesetzten? Abd el Mot wird das zu bestrafen wissen!«

»Schweig! Wir lachen deiner Drohung,« antwortete Schwarz. »Du bist ein Lügner und als solcher behandelt worden. Du kommst nicht von Abd el Mot.«

»So hast du mich gar nicht verstanden?«

»Ich verstehe dich besser als du ahnst und denkst. Du nennst dich Amar Ben Suba und heißest doch anders. Wir kennen dich, du bist Dauwari, der Agent der Sklavenjäger.«

»Du irrst dich. Ich bin kein andrer als derjenige, für den ich mich ausgegeben habe.«

»Herr, glaube ihm nicht!« bemerkte Wahafi. »Er ist Dauwari; ich kenne ihn genau.«

Der Gefesselte warf einen zornigen Blick auf den Sprecher und antwortete:

»Wer bist du, daß du mich kennen willst und es wagst, mich Lügen zu strafen? Sobald ich frei bin, werde ich dir diese Beleidigung mit dem Messer heimgeben!«

Er sah ganz so aus, als ob er der Mann sei, diese Drohung wahr zu machen. Schwarz fuhr ihn zornig an:

»Wahre deine Zunge! Ich weiß, wer du bist und was du willst, und habe keine Lust, deine Grobheiten anzuhören.«

»Nichts weißt du! Es ist alles genau so, wie ich gesagt habe, und wenn ihr dem Befehle, welchen ich euch überbracht habe, nicht Gehorsam leistet, so habt ihr es mit Abd el Mot zu thun.«

»Du meinst mit Abu el Mot!«

»Nein; mich sendet Abd el Mot.«

»So! Wann hat er denn den vorigen Boten geschickt?«

»Das weiß ich nicht; er hat nicht davon gesprochen. Hat er euch schon einen Mann gesandt?«

»Ja. Kämst du wirklich von ihm, so würde er dir gesagt haben, daß er tags vorher eine ganz andre Weisung abgehen ließ. Wo hast du ihn denn getroffen?«

»In Ombula.«

»Dort ist er gar nicht mehr.«

»Er ist noch dort!«

»Nein. Du selbst wirst es noch eingestehen.«

»Ich kann nichts eingestehen, sondern nur bestätigen, was ich bereits gesagt habe.«

»Nun, ich werde dir beweisen, daß ich meiner Sache sicher bin. Du wirst jetzt die Bastonnade bekommen, so viele Schläge auf die Fußsohlen, bis du die Wahrheit bekennst.«

»Das wage nicht! Meine Rache würde schrecklich sein!«

»Wurm, du wagst es, mir zu drohen? Das ist eine Frechheit, auf welche die sofortige Strafe zu folgen hat. Wer von euch versteht es, die Bastonnade zu geben?«

Auf diese Frage meldeten sich gleich mehr als zwanzig der umstehenden Männer. Es wurde ein starker Ast aus dem Gesträuch geschnitten. Dauwari lag auf dem Rücken; einer setzte sich ihm auf den Leib; dann richtete man seine Füße aufwärts und band sie an den Ast, den zwei Männer hielten; ein andrer holte einige fingerstarke Ruten aus den Büschen und hieb auf die entblößten Fußsohlen los.

Der Gezüchtigte biß die Zähne zusammen; er wollte den Schmerz beherrschen und keinen Laut von sich geben, brachte das aber nicht fertig. Schon beim dritten oder vierten Schlage schrie er laut auf; aus dem Schreien wurde ein tierisches Gebrüll, und dann bat er:

 

»Haltet auf; laßt mich los! Ich will alles gestehen; ich will die Wahrheit sagen.«

Schwarz winkte, einzuhalten, und antwortete:

»Du erkennst, daß es mir nicht einfällt, mich von dir täuschen und mir dazu gar noch Grobheiten sagen zu lassen. Beantworte also meine Fragen aufrichtig, sonst wirst du geschlagen, bis man die Knochen sieht! Du warst nicht in Ombula bei Abd el Mot?«

»Nein,« stöhnte der Gefragte.

»Sondern du trafst Abu el Mot und seine Homr-Araber unterwegs?«

»Ja.«

»Er sandte dich mit dem Auftrage, welchen du ausgerichtet hast, hierher?«

»So ist es.«

»Zu welchem Zwecke? Was beabsichtigt er?«

Dauwari zögerte mit der Antwort; darum fuhr Schwarz fort:

»Besinne dich nicht und antworte schnell, sonst fahren wir mit der Bastonnade fort! Ich weiß auch ohne daß du es mir sagst, um was es sich handelt. Abu el Mot will uns in eine Falle locken. Ist es so oder nicht?«

Der Gefragte schwieg noch immer und hielt die Augen mit grimmigem Ausdrucke auf den Deutschen gerichtet. Wie gern hätte er diesen und diejenigen, welche ihn jetzt züchtigten, in das Verderben geführt; aber der Sudanese, welcher die Streiche gab, versetzte ihm zwei so kräftige Hiebe, daß er, vor Schmerz brüllend, gestand:

»Haltet ein, haltet ein! Ja, es ist so. Ihr sollt nach der Schlucht es Suwar gelockt und dort vernichtet werden.«

»Von wem? Abu el Mot hat doch nur wenige Männer bei sich. Will er zu Abd el Mot, um diesen und die Sklavenjäger nach der Schlucht zu führen?«

»Ja.«

»Aber er weiß, daß er selbst dann zu schwach gegen uns ist. Er muß sich also um noch andre Hilfe kümmern. Ich vermute darum, daß er einen seiner Homr ausgesandt hat, um Verbündete zu holen; da er aber unter den Negern keine solchen findet, so hat er nach irgend einer Seribah geschickt. Gestehe es!«

Dauwari zögerte abermals; als er aber sah, daß der Sudanese zum Hiebe ausholte, rief er:

»Halt, ich antworte ja! Herr, du hast richtig geraten. Allah hat dich mit großem Scharfsinne begabt. Abu el Mot hat zwei Homr nach der Seribah Ulambo gesandt, deren Besitzer sein Freund ist.«

»Gut! Ich rate dir, klug zu sein. Du befindest dich in meiner Gewalt und wirst erkennen, daß ich nicht scherze. Du kamst als Verräter zu uns und hast also den Tod verdient. Dieser ist dir gewiß, wenn du bei deinem feindseligen Verhalten verharrst. Gibst du aber alle Hintergedanken auf, so wird dir nichts weiter geschehen und ich lasse dich später laufen.«

»Ist das wahr?« fragte Dauwari schnell.

»Ja; ich lüge nicht wie du.«

»Schwöre es mir!«

»Ich bin ein Christ und schwöre nie. Mein Wort ist so gut wie zehn Schwüre. Hat Abu el Mot sich etwa auf die Nuehrs verlassen, welche in unsre Hände gefallen sind?«

»Ja. Da du mir die Freiheit versprichst, will ich dir die volle Wahrheit gestehen. Abu el Mot vermutet, daß du die Nuehrs überredet hast, es mit dir zu halten. Ich soll unterwegs heimlich mit ihnen reden und ihnen alles versprechen, was sie nur wünschen können, damit sie von dir abfallen und sich mit gegen dich wenden.«

»Das ist nicht übel ausgedacht; nur hat er und hast auch du vergessen, bei eurer Berechnung zu berücksichtigen, daß ihr es mit Abendländern und nicht mit dummen Negern zu thun habt. Wir hätten dir nur scheinbar vertraut und wären sehr bald hinter deine Schliche gekommen. Den Beweis dazu habe ich dir bereits geliefert und du hast ihn gefühlt. Also unterwegs solltest du mit den Nuehrs sprechen? Was verstehst du unter ,unterwegs‘? Wie hat Abu el Mot sich diesen Weg gedacht?«

»Ich sollte euch überreden, die Schiffe einstweilen zurückzulassen und zu Lande nach der Schlucht zu marschieren.«

»Das wäre ein Marsch von zwei Tagen, während welcher Zeit allerdings sehr viel gegen uns geschehen könnte. Ich weiß genug und will nicht weiter in dich dringen. Du wirst gefesselt bleiben, bis die Zeit gekommen ist, daß du mir nicht mehr schaden kannst und dann gebe ich dir die Freiheit. Die Streiche, welche du erhalten hast, sind mehr als wohlverdient. Mein ferneres Verhalten gegen dich werde ich nach dem deinigen richten. Das merke dir!«

Dauwari wurde zur Seite geschafft, wo er allein lag und mit niemand sprechen konnte. Dann traten die beiden Deutschen mit dem »Vater der Hälfte«, Wahafi, Hasab Murat und den andern ihnen treu Ergebenen zu einer kurzen Beratung zusammen.

Es stellte sich heraus, daß sowohl Wahafi als auch der »Sohn der Treue« und Abd es Sirr die Gutaberge und die Schlucht es Suwar sehr gut kannten. Suwar ist der Plural von Sure; das Wörtchen »es« ist der Artikel. Die Schlucht es Suwar heißt also zu deutsch die Schlucht der Suren, der Korankapitel. Wahafi erklärte diesen Namen folgendermaßen:

»In dieser Schlucht wohnte einst ein frommer Prediger des Islam, welcher die Schwarzen zu Allah bekehren wollte, diese aber wollten ihn nicht hören und erschlugen ihn. Noch sterbend verfluchte er den Ort seines Todes, und darauf gingen alle Bäume ein, welche in der Schlucht standen. Das Wasser versiechte; kein Tropfen Taues fiel vom Himmel, und die Tiere flohen die traurige Stätte, bis ein andrer Imam kam, welcher den Fluch von dem Orte nahm. Er pflanzte so viel Talebpalmen, wie der Koran Suren hat, also einhundertundvierzehn, und sprach bei einer jeden das Hamdulillah issai‘jid eddinji, und siehe da, sie wuchsen und gediehen. Nun ist der Ort ein heiliger, und wenn Abu el Mot uns dort vernichten will, so ist sein Beginnen eine doppelt sträfliche Sünde. Allah wird ihn dafür in unsre Hände liefern.«

»Bist du hiervon so sehr überzeugt?« fragte Schwarz.

»Ja. Er kann uns nicht entgehen. Wir werden, was er gar nicht ahnt, eher dort sein als er. Wir werden nicht den Landweg einschlagen, sondern zu Schiffe hingelangen.«

»Meinst du, daß dies schneller geht? Zu Lande können wir die gerade Richtung einschlagen; zu Wasser aber müssen wir jeder Krümmung des Niles folgen. Und bedenke, daß wir aufwärts, also gegen den Strom zu fahren haben.«

»Das ist wahr, aber habt ihr nicht bisher auch schon Ruderer vorgespannt? Ich habt mehr als genug Leute, um abwechseln zu können. Ihr könnt Tag und Nacht fahren; schlagt ihr aber den Landweg ein, so müßt ihr ruhen und schlafen und die kostbare Zeit verlieren. Außerdem erwartet Abu el Mot, daß sein Plan gelingt; er vermutet nicht, daß ihr auf dem Nile kommt, und wird seine Aufmerksamkeit also in eine falsche Richtung lenken. Ich rate euch, sofort aufzubrechen. Abd es Sirr und Ben Wafa kennen den Strom genau und werden euch als Piloten dienen. Ich aber kehre sofort zurück, um den König zu benachrichtigen. Der Ort, an welchem er mit seinen Kähnen und Leuten liegt, beherrscht die Seribah Ulambo, von welcher Abu el Mot Hilfe erwartet. Sollten die dortigen Menschenjäger sein Begehr erfüllen und ihm zu Hilfe eilen, so werden wir uns ihnen in den Weg stellen.«

»Wir können nicht sofort aufbrechen, da wir die Krieger unsres ‚Vaters der Hälfte‘ erwarten müssen.«

»Die werden hier sein, bevor eine Stunde vergangen ist,« antwortete der genannte Häuptling.

»Aber sie sind beritten und müßten doch mit uns in die Schiffe!«

»So lassen sie ihre Tiere hier. Ihr könnt ja eure Herde auch nicht mitnehmen und müßt sie einer Anzahl von Leuten anvertrauen, welche hier warten müssen, bis wir zurückkehren. Da, blicke hinaus gegen die Ebene! Siehst du den langen Reiterzug? Das sind meine Männer; du brauchst also nicht einmal die angegebene Stunde auf sie zu warten.«

»So ist ja alles recht, und ich werde also nach meinem Boote gehen, damit ich keine Zeit verliere,« meinte Wahafi. »Morgen abend werdet ihr uns erreichen, und übermorgen früh können wir uns in der Schlucht es Suwar befinden. Wir kamen hieher, um uns im Maijeh ein Wild zu schießen und dann weiter zu fahren. Beides ist unnötig geworden, da wir vom Fleische des Elefanten nehmen und die Rückkehr antreten können. Allah begleite euch und halte jeden Unfall von euch fern!«

Er ging so schnell davon, als ob er einen Einspruch gegen seine Vorschläge für höchst überflüssig halte, und die andern sahen auch wirklich ein, daß er das beste geraten hatte.