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Die Sklavenkarawane

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»Emil, du! Pfotenhauer! Ist es möglich! So schnell!« rief er aus.

»Leise, leise!« warnte sein Bruder. »Pfotenhauer, schneiden Sie die beiden los! Ich habe hier mit dem Alten zu thun.«

Er hielt Abu el Mot mit der einen Hand noch immer beim Halse und versetzte ihm mit der andern Faust mehrere Schläge gegen den Kopf, bis er sich nicht mehr rührte.

»So, das nenne ich ein Glück!« sagte er dann. »Ich habe nicht nur euch, sondern auch diesen Halunken. Das bedeutet einen unblutigen Sieg, denn nun muß sich die Karawane ergeben. Kriecht hier hinter mir hinaus. Vorn dürfen wir uns nicht sehen lassen, sonst haben wir die Verfolger sofort auf den Fersen!«

Er kroch an derselben Stelle, an welcher er in das Zelt gekommen war, wieder hinaus und zog Abu el Mot hinter sich her. Die andern folgten ihm, denn Pfotenhauer hatte die Gefangenen losgeschnitten. Diese holten laut und tief Atem, und reckten und dehnten die maltraitierten Glieder.

»Gott sei Dank, endlich, endlich frei! Emil, Pfotenhauer, das vergesse ich euch nie!«

»Still jetzt!« mahnte sein Bruder. »Noch sind wir nicht in Sicherheit. Der Schein des Feuers dringt bis hier herauf. Legt euch zur Erde! Wir müssen kriechen, zumal da ihr beide helle Kleider habt. Helft mir den Alten schieben!«

Sie krochen nach dem Eingange hin. Dabei zog Emil Schwarz, welcher voran war, den besinnungslosen Abu el Mot hinter sich her, und die andern schoben. Sie waren noch nicht weit gekommen, da ertönte von der Stelle her, an welcher die sechs Wächter saßen, eine laute Stimme:

»Wakkif, la lakuddam, imsik – halt, nicht weiter, haltet ihn fest!«

Mehrere Stimmen fielen ein, und ein Schuß krachte. Zugleich sahen sie eine Strecke vor sich mehrere Gestalten, welche etwas Schweres, Helles trugen und dem Ausgange zustrebten.

»Was ist das?« fragte Emil Schwarz. »Da unten kommen die Wächter. Sie wollen herauf. Wer sind die da vorn? Ah, mir ahnt es! Der Slowak wollte sich auch färben. Joseph, Sejad ifjal, nehmt den Alten, und rennt nach dem Eingange. Dort ist ein Loch, durch welches ihr kriechen könnt. Draußen sind unsre Soldaten. Pfotenhauer, heraus mit dem Messer und den Revolvern; mir schnell nach auf die Wächter!«

Er rannte vom Damme hinab, und der »Vater des Storches« folgte ihm auf dem Fuße. Vorn krachten zwei Pistolenschüsse. Die Wächter, welche sich bereits in der Nähe des Verhaues befanden, wichen zurück. Sie sahen zwei Schwarze auf sich zukommen und hielten sie für Freunde.

»Helft!« rief einer der Wächter ihnen zu. »Die Feinde sind eingebrochen. Dort fliehen sie wieder hinaus. Sie haben einen von uns gefangen. Und – oh Allah, dort, da oben laufen auch zwei, welche einen tragen.«

»Lauft auch ihr, ihr Halunken!« antwortete Schwarz, indem er den Sprecher niederschlug, einem zweiten Wächter einen Hieb gegen den Kopf versetzte, daß er zur Seite taumelte und sich dann auf den dritten warf.

Da er nicht schoß, so schoß auch Pfotenhauer nicht. Es sollte möglichst kein Blut vergossen werden. Er faßte also nach der Flinte des vierten, dem einzigen Gewehre, welches die Wächter bei sich zu haben schienen, entriß es ihm und stieß ihn mit dem Kolben nieder. Er wollte sich gegen den fünften wenden, aber dieser und der sechste rannten bereits dem Feuer zu. Nummer eins bis vier rafften sich auch auf und schossen eiligst davon. Aber jetzt erhob sich im Hintergrunde der Schlucht ein wahrhaft entsetzliches Geheul, als ob alle möglichen wilden Tiere sich zu einem Satanskonzerte zusammengefunden hätten.

»Herrgott, die Sklaven sind los!« rief Schwarz. »Die Schüsse, die Schüsse! Ich hatte zu Lobo gesagt, daß ein Schuß das Zeichen sein werde, daß die Gefangenen nach dem Ausgange fliehen sollten. Ich befürchte, es kommt anders. Sie fliehen nicht, sondern fallen über ihre Peiniger her. Welch ein fürchterliches Massakre wird das geben! Kommen Sie hinaus zu unsern Leuten, welche nicht wissen werden, wie sie sich zu verhalten haben. Dort werden wir wohl auch weitere Erklärung finden.«

Diese Erklärung war nun folgende:

Als der unternehmende »Vater der elf Haare«, ganz erpicht darauf, einmal auf eigene Rechnung den Helden zu spielen, das Loch passiert hatte, wendete er sich, gerade wie vor ihm Schwarz und Pfotenhauer, nach rechts, dem Damme zu. Sie krochen denselben hinauf und kamen gerade oben an, als Abd el Mot vom Zelte her an derselben Stelle anlangte. Der kleine Slowak richtete sich auf und fragte ihn:

»Wer bist du?«

»Ich bin Abd el Mot. Und ihr, was treibt ihr schwarzen Hunde euch hier umher! Ich werde – – —«

Er konnte seine Drohung nicht vollenden, denn der Kleine sprang ihm an die Kehle, krallte ihm beide Hände um den Hals, drückte denselben aus Leibeskräften zusammen, riß den Gegner zu Boden und sagte zu seinen zwei Gefährten:

»Haltet ihn; ich hämmere ihm den Kopf.«

Das hatte natürlich nicht geschehen können, ohne daß die Wächter darauf aufmerksam wurden. Sie erhoben sich von der Erde und schauten nach der betreffenden Stelle. Abd el Mot hatte wirklich die Besinnung verloren.

»Das ist ein Fang!« meinte der Kleine. »Schleifen wir ihn nach dem Loche. Dann kehren wir zurück.«

Sie faßten den Ohnmächtigen an und zogen ihn fort. Als die Wächter das sahen, rief einer von ihnen die Gruppe an, und da dies keinen Erfolg hatte, so schoß er sein Gewehr ab, glücklicherweise ohne daß die Kugel traf. Nun rannten die sechs Sklavenjäger den dreien nach. Diese letzteren aber waren trotz ihrer Last so behend, daß sie eher am Verhau ankamen. Die Verfolger kehrten also um und rannten gegen Schwarz und Pfotenhauer, um von diesen noch viel energischer in die Flucht getrieben zu werden.

Als die beiden letztgenannten dann auch die Lücke passiert hatten, gebot Schwarz, schnell das Feuer anzuzünden. Der Slowak erkannte ihn an der Stimme und rief triumphierend:

»Seinte Sie auch schonte da? Hatt wohl nichts gefangte? Ich hatt gefangte einen Feind, berühmten und geklopfte ohnmächtigen.«

»Wen denn?« fragte Schwarz.

»Abd el Mot. Wernte gehen wieder und fangte auch Abu el Mot, miserabligten.«

»Sind Sie bei Troste?«

»Ich hatt viel Getroste und viel Verwegtenheit. Ich hatt ihn packte bei Gurgel, atemholigter, und ihn würgte bis ohne Besinnigtung und ihn schaffte dann hieher.«

»Ist das möglich! Du hättest wirklich Abd el Mot?«

»Sie kann glaubte es. Es seinte Abd el Mot, wirklichter und wahrhaftigkeitlichter.«

»Teufelskerl! Das konnte dir und uns auch schlecht bekommen. Hörst du das Brüllen und Heulen da hinten in der Schlucht? Daran bist du allein schuld! Macht schnell Feuer!«

Die Flamme leuchtete auf. Ihr Schein fiel auf das Gesicht Abd el Mots. Die drei, welche ihn gefangen hatten, standen neben ihm. Der »Sohn des Geheimnisses« sah das Gesicht mit den jetzt geschlossenen Augen, das einzige Gesicht, welches sein Gedächtnis aus früher Jugendzeit festgehalten hatte.

»Ebrid Ben Lafsa el Bagirmi!« schrie er auf. »Ich erkenne ihn; er ist es; er ist Ebrid Ben Lafsa, der von meinem Vater gefunden und gerettet wurde!«

Da rief eine Stimme in der Nähe:

»Wer ruft diesen verfluchten Namen? Wer von euch kann ihn kennen?«

Es war der Elefantenjäger, welcher diese Frage aussprach. Der »Sohn des Geheimnisses« blickte ihm starr in das Gesicht und antwortete:

»Ich bin‘s gewesen. Wer aber bist du? Bist du etwa der Mann, den sie Sejad ifjal, den Elefantenjäger nennen? Bist du Barak el Kasi, der Emir von Kenadem?«

»Ich bin es.«

»Oh Allah, Allah, Allah! Er ist‘s, mein Vater, mein Vater!«

Die frühere Furcht vor seinem Vater, die Abneigung gegen denselben, welche er zuweilen geäußert hatte, war plötzlich verschwunden. Er flog auf ihn zu und warf sich an seine Brust.

»Du – – du mein Sohn? Wäre es möglich? Thäte Allah mir zuliebe solch ein Wunder?« fragte der Emir ganz fassungslos.

»Ich bin es, ich bin es. Glaube es doch nur gleich! Später werde ich es dir erklären.«

»Ich glaube es; ich glaube es gern! Hamdulillah! Nun bin ich nicht mehr Bala-Ibn, der ‚Vater ohne Sohn‘. Nun ist mir die Heimat nicht mehr verschlossen; mein Schwur ist erfüllt, und ich darf zurückkehren in das Land meiner Väter und nach Kenadem, der Heimat meiner Familie!«

»Ja, nach Kenadem, nach Kenadem! Nimm mich mit! Warst du Bala-Ibn, so war ich Bala-Ab, der ‚Sohn ohne Vater‘. Nun haben wir uns gefunden; nun haben wir uns wieder, und nichts, nichts soll uns mehr trennen!«

Die beiden hielten sich umschlungen und hatten weder Auge noch Ohr für die übrigen. Diese Scene hätte zu einer andern Stunde gewiß das Mitgefühl aller auf das lebhafteste in Anspruch genommen; jetzt aber war man zu sehr mit andrem beschäftigt.

Sobald die Flamme hell genug aufloderte, daß man sich gegenseitig erkennen konnte, eilte Emil Schwarz auf seinen Bruder zu, um ihn zu umarmen, wozu bis jetzt keine Zeit gewesen war. Er drückte ihn an sich, küßte ihn wiederholt herzlich, drückte ihn abermals an sich, schob ihn dann von sich ab, um das liebe Gesicht recht deutlich vor sich zu haben, rief aber erschrocken aus:

»Alle Wetter, Joseph, was ist mit dir? Wie siehst du aus?«

»Wie soll ich denn aussehen? Doch wohl wie sonst, wie gewöhnlich!« antwortete Joseph, der vor den Zärtlichkeiten Emils noch gar nicht zu Worte hatte kommen können.

»Nein, ganz und gar nicht wie sonst. Diese Faulflecke hast du früher nicht in deinem Gesicht gehabt. Du scheinst bei diesem Abd el Mot eine ganz verwahrloste Behandlung – – —«

»Ist es das?« unterbrach ihn der Bruder lachend. »Hat dieser Mensch sich das Gesicht und den ganzen Körper mit Ruß bestrichen, umarmt und küßt mich ein Dutzendmal und wundert sich dann noch, daß ich schwarzfleckig geworden bin! Kerl, das ist stark!«

»Ah, ja! Ich hab‘ vor Entzücken über das Wiedersehen und deine Rettung den ganzen Ruß vergessen. Da steht unser Pfotenhauer. Sehe ich etwa auch so schrecklich aus wie er?«

 

Da drängte sich der »Vater der elf Haare« herbei und rief:

»Schaunte an auch Gesicht, meinigtes. Seinte ich nicht auch Neger, schwarzer und wirklicher?«

Schwarz und Pfotenhauer brachen in ein wirklich erschütterndes Gelächter aus, was bei dem Aussehen des Kleinen auch gar kein Wunder war. Und nun schob sich der »Vater des Gelächters« heran, zog sein geschwärztes Gesicht in die lächerlichsten Falten und sagte:

»Auch ich war dabei, Hadschi Ali; ich habe diesen Abd el Mot mit gefangen genommen.«

»Ihr beide also. Aber ich habe ja drei Personen gesehen. Wer war denn der dritte?«

»Abd es Sirr, welcher dort steht.«

Er deutete nach der Stelle, auf welcher der Genannte sich befand. Sein Vater hatte ihn bei den Schultern gefaßt, hielt ihn weit von sich ab und rief eben jetzt im Tone schmerzlichster Enttäuschung aus:

»Ich habe von Aswad, meinem Freunde erfahren, daß ich meinen Sohn finden werde. Du gabst dich für denselben aus und da das Feuer noch nicht hell brannte, so erkannte ich dein Gesicht nicht deutlich und glaubte dir. Nun aber sehe ich, daß du dich täuschest. Du bist ein Neger; mein Sohn aber trägt das reinste arabische Blut in seinen Adern. Seine Farbe muß heller als die meinige sein.«

»Das ist sie auch,« erklärte Emil Schwarz. »Er hat sich mit Ruß bestrichen, um als Neger sich zu dir zu schleichen und dich zu retten.«

»Wie?« fragte der Emir. »Das thatest du? In solche Gefahr begabst du dich, um deinen Vater zu befreien? Nun gibt es keinen Zweifel mehr; du bist mein Sohn. Allah hat dich mit der Kühnheit deines Vaters ausgezeichnet. Komm nochmals an mein Herz!«

Er wollte ihn abermals umarmen, ließ ihn aber los, that einen Sprung zur Seite und rief:

»Halt, da will einer fliehen, gerade der ‚Sohn der Hölle‘, dem wir alles Leid verdanken! Bleib bei uns, Hund, daß ich dich unter meinen Füßen zertreten kann wie einen Akrab, dessen Gift den Getroffenen tötet!«

Abd el Mot war wieder zu sich gekommen, hatte bemerkt, daß er gerade jetzt nicht beobachtet wurde, und diese Gelegenheit benutzt, sich davonschleichen zu wollen. Der Emir ergriff ihn und warf ihn mit solcher Gewalt zu Boden, daß man hätte meinen mögen, es seien ihm alle Knochen zerbrochen.

»Ja, wollen nicht nachlässig sein,« meinte Emil Schwarz. »Diese beiden Kerls sind zu kostbar für uns, als daß es uns einfallen sollte, ihnen Gelegenheit zum Entkommen zu geben. Bindet sie fest, meinetwegen so fest, daß ihnen das Blut aus den Gliedern spritzt! Aber horcht doch nach dort hinten! Dort geht es schrecklich her. Ich glaube, da hält die Vergeltung eine entsetzliche Ernte.«

Das Brüllen und Heulen war jetzt so stark geworden, daß man gar nicht vermochte, einzelne Stimmen und Töne zu unterscheiden. Wenn man durch die Lücke des Verhaues blickte, so sah man nichts als dunkle, gespenstige Schatten, welche einander am hell lodernden Feuer vorüberjagten.

Man hatte bis jetzt zu sehr mit sich selbst zu thun gehabt; nun aber richtete man die Aufmerksamkeit auf das, was in der Schlucht vorging. Deutlich freilich konnte man nichts erkennen, doch außer jenen zahlreichen, bewegten heulenden Schatten sah man zuweilen zwei Gestalten näher kommen, von denen die eine die andre jagte. Das Resultat war stets, daß die eine zu Boden geschlagen wurde und die andre dann in eiligem Laufe nach dem Kampfplatze zurückkehrte.

»Was sollen wir thun? Müssen wir nicht eingreifen?« fragte Pfotenhauer.

»Das würde vergeblich sein,« antwortete Joseph Schwarz. »Ist der Neger einmal losgelassen, so läßt er sich nicht eher wieder anketten, bis seine Kraft aufgerieben ist.«

»Übrigens würden wir das Übel ärger machen, da es für uns ganz unmöglich ist, den Freund vom Feinde zu unterscheiden.«

Er hatte vollständig recht; das mußte man einsehen, und darum lagerte man sich um das Feuer, um den Ausgang des Kampfes abzuwarten.

Nach und nach wurde das Heulen schwächer. Nur vereinzelt noch ertönte ein schriller Todesschrei und der darauf folgende Jubelruf des Siegers. Endlich wurde es still, und man sah eine Masse schwarzer Gestalten, welche zusammengedrängt standen und wohl eine Beratung hielten. Eine derselben trennte sich vom Haufen, kam näher und kroch durch das Loch. Es war Lobo.

»Nun,« fragte Pfotenhauer, »was hast du zu berichten?«

»Tot,« antwortete der Schwarze einfach.

»Wer?«

»Alle.«

»Wen meinst du denn?«

»Alle Sklavenjäger. Lebt keiner mehr.«

»Entsetzlich! Das hatten wir freilich nicht beabsichtigt. Wie ist das denn gekommen?«

»Lobo schleichen mit Tolo hinein und werden nicht gesehen. Kommen zu arm, gut Belandaneger; alle gebunden, schneiden aber alle ab und warten. Da fallen ein Schuß und fallen noch zwei Schuß; nun also Zeit. Neger werfen weg Fesseln und stürzen sich auf Jäger, würgen sie mit Hand tot, erschlagen sie mit Sklavengabel, erstechen sie mit eigen Messer, bis tot sind, alle tot!«

»Das ist ja ein reines Abschlachten gewesen! Ein wahres Wunder, daß die Angegriffenen nicht Zuflucht bei uns gesucht haben.«

»Können nicht; Neger sich stellen in Weg, lassen nicht vorüber.«

»Aber euch muß es doch auch viele Opfer gekostet haben!«

»Viele tot auch und verwundet, sehr viele; aber Sklavenraub gerächt. Werden nicht wieder fangen arm Belandaneger!«

»Hat man dich zu uns geschickt?«

»Ja. Soll hergehen und sagen, daß Kampf zu Ende. Freund soll kommen und Hand drücken tapfer und dankbar Neger.«

»Wir werden kommen. Habt ihr jetzt sonst dringende Wünsche? Habt ihr Hunger?«

»Kein Hunger. Abu el Mot bei sich viel Fleisch und Mehl. Neger es tragen müssen, nun es essen werden.«

Er kehrte zu seinen Landsleuten zurück. Die Deutschen und ihre Freunde folgten ihm. Sie wurden von den Negern mit brausendem Jubel empfangen. Lobo hatte erzählt, was man diesen fremden Männern zu verdanken hatte. Die Beschreibung des Kampfplatzes ist geradezu unmöglich; er war eine Stätte des vollendeten Grauens und ganz unmöglich ein weiterer Aufenthalt für die Überlebenden. Auf den Rat der Weißen zogen die Neger, nachdem der Verhau beseitigt worden war, aus der Schlucht heraus aufs freie Feld, um dort zu kampieren. Man mußte Abu und Abd el Mot einstweilen vor ihnen verstecken, sonst wären beide zerrissen worden.

Natürlich bekümmerten sich die Weißen um das, was die befreiten Schwarzen nun zu thun beabsichtigten. Diese wollten früh aufbrechen und in die Heimat zurückkehren. Sie hatten schon jetzt alles, was die Karawane bei sich führte, auch die Tiere, mit sich aus der Schlucht genommen. Ganz so, wie Schwarz vermutet hatte, waren die geraubten Herden und alle andern nicht leicht beweglichen Gegenstände unter der Bedeckung von fünfzig Mann zurückgeblieben. Die Neger kannten den Ort und waren natürlich entschlossen, sich während des Rückmarsches wieder in den Besitz dieses ihres Eigentums zu setzen. Wehe dann den fünfzig Sklavenjägern! Sie waren verloren, besonders da die Schwarzen sich die Waffen der Jäger angeeignet hatten.

»Es ist wirklich grauenhaft,« sagte Emil Schwarz, als sie wieder am Feuer saßen. »Gegen fünfhundert Menschen tot! Aber die Sklavenjagden werden für lange Zeit eine Unterbrechung erleiden. Das ist die glückliche Folge dieser entsetzlichen Nacht.«

»Ich bedauere die Kerls nicht, denn ich bin ihr Gefangener gewesen,« antwortete sein Bruder. »Ich weiß, was für Teufels sie waren. Und wer hat sie dazu gemacht? Wer allein trägt die Schuld an dem heutigen Massenmorde? Die beiden Halunken, welche da bei uns liegen und gar noch die Frechheit haben, einander durch Blicke Zeichen zu geben, welche wir nicht verstehen.«

»Sie sind nicht wert, von uns angesehen zu werden. Bindet sie dort an den Baum, damit sie uns aus den Augen kommen!«

Sein Bruder wollte Einspruch erheben; Emil aber sagte ihm in deutscher Sprache, während sie sich jetzt der arabischen bedient hatten, so daß sie von den Gefangenen verstanden worden waren:

»Laß mich nur machen! Ich habe meine Absicht dabei. Ich bemerkte wohl, daß sie sich Winke geben, die wir nicht verstehen. Ich will aber wissen, was sie einander mitzuteilen haben. Schaffe sie also nach dem Baume und binde sie so an, daß sie sich nicht bewegen, wohl aber miteinander sprechen können. Ein Soldat soll sie bewachen, sich aber so entfernt von ihnen niedersetzen, daß sie wissen, er könne sie nicht hören. Indessen schleiche ich mich in ihre unmittelbare Nähe und belausche sie.«

»Dieser Plan ist nicht so übel. Also fort mit ihnen!«

Man hatte die Gefangenen erst vor den Negern versteckt, dann wieder an das Feuer bringen lassen. Jetzt wurden sie nach dem von Schwarz bezeichneten Baume geschafft, neben welchem ein Busch stand. Während man sie dort festband, kroch Schwarz hinzu und legte sich unter diesen Strauch. Er war ihnen so nahe, daß er sie mit dem Kopfe hätte stoßen können, mußte sie also verstehen, selbst wenn sie nur im Flüstertone sprachen. Übrigens durften sie, da sie an den einander entgegengesetzten Seiten des Baumes angebunden wurden, nicht allzu leise sprechen, wenn sie einander verstehen wollten. Bis hin zum Feuer konnten sie nicht blicken und also auch nicht sehen, daß Schwarz sich nicht mehr bei demselben befand. Der Wächter saß in der geeigneten Entfernung. Als sie nun glaubten, allein zu sein, sagte Abd el Mot leise:

»Welch ein Tag! Der unglücklichste meines Lebens. Heute ist die Hölle los, und diese Deutschen sind die Obersten des Teufels. Wie konntest du dich ergreifen lassen?«

»Und wie du dich?« antwortete Abu el Mot zornig.

»Es fielen auf dem Damme drei über mich her.«

»Und mich ergriffen sie gar im Zelte, in welches sie sich geschlichen hatten. Die Wächter müssen geschlafen haben. Nun sind sie tot und haben ihren Lohn. Allah lasse sie in Ewigkeit auf einer rollenden Kugel sitzen, daß sie nie mehr die Süßigkeit des Schlafes schmecken!«

Sie erzählten nun einander, wie es bei ihrer Ergreifung zugegangen war und dann zischte Abu el Mot in grimmig:

»Verflucht sei der Tag, an welchem ich mich entschloß, mit diesem ‚Vater der vier Augen‘ anzubinden! Er ist ein Gelehrter, und da diese Leute ihren Verstand stets nur in den Büchern und nirgends sonst anders haben, so glaubte ich, leicht mit ihm fertig zu werden. Bei Allah, es ist ganz anders gekommen! Wäre er mir nur damals entgangen, so wollte ich nicht mehr daran denken; aber er ist mir gefolgt und hat mich vollständig zu Schanden gemacht.«

»Vollständig?«

»Ja.«

»Das nicht.«

»Gewiß! Ich bin verloren. Was bleibt mir noch?«

»Das Geld.«

»Habe ich es denn? Kann ich es mir holen? Und wenn ich es hätte, was könnte ich damit thun? Ich müßte diese ganze Gegend für immer meiden und mich nach einem so fernen Ort wenden, daß kein Mensch mich kennt und auch kein Bekannter hinkommen kann. Aber nicht einmal dies bleibt mir übrig.«

»Hältst du unsre Lage wirklich für so hoffnungslos?«

»Die meinige allerdings. Weißt du, was mit mir geschehen soll?«

»Nein.«

»Dieser deutsche Hund will mich dem Ali Effendi in Faschodah ausliefern.«

»Dem ‚Vater der Fünfhundert‘? Oh Allah! Thut er das wirklich, so bist du verloren.«

»Ja, ich werde einfach zu Tode gepeitscht wie meine Homr, welche der ‚Vater der vier Augen‘ gefangen genommen und nach dort abgeliefert hatte.«

»Vielleicht ist‘s nur eine Drohung?«

»Nein, es ist sein völliger Ernst.«

»So ist noch immer Hoffnung vorhanden. Bis hinab nach Faschodah braucht man eine lange Zeit, und da wird sich wohl eine Gelegenheit zur Flucht ergeben.«

»Das glaube ja nicht! Man wird mich so gut verwahren und so unausgesetzt bewachen, daß an ein Entkommen nicht zu denken ist. Es gibt nur eine einzige Möglichkeit, die Freiheit wieder zu erlangen.«

»Welche?«

»Nicht unterwegs, sondern erst in Faschodah, wenn ich an den ‚Vater der Fünfhundert‘ ausgeliefert worden bin. Er liebt die Gerechtigkeit, noch mehr aber das Geld. Verstehst du mich?«

»Ja. Du willst dich loskaufen. Dann aber mußt du ihm den Ort mitteilen, wo du es aufbewahrst!«

»Fällt mir nicht ein! Er würde es holen und mich dennoch totpeitschen lassen. Nein, ich bedarf eines Vertrauten, welcher ihn bezahlt, erst die Hälfte und dann, wenn ich frei bin, das übrige.«

»Dieser Vertraute fehlt dir aber.«

»Nein, ich habe ihn.«

»Wer ist es?«

»Du bist es.«

»Aber ich habe kein Geld und bin selbst gefangen.«

»O, dich wird man ein wenig prügeln und dann freilassen, denn du bist nur mein Untergebener gewesen und hast also nicht meine Verantwortung.«

»Denke an den Elefantenjäger! Es ist mehr als Blutrache, was er gegen mich hat.«

»Er hat seinen Sohn wieder und im Entzücken darüber wird er dir verzeihen. Bitte ihn nur demütig; weine und heuchle Reue! Dann stehen diese deutschen Christen dir sicher bei und legen ein gewichtiges Fürwort ein.«

 

»Ach, wenn sie das thäten, wäre ich allerdings gerettet! Dieser Rat ist gut.«

»Sie thun es gewiß, wenn du dich recht reumütig zeigst. Sage ihnen meinetwegen, daß du Christ werden willst. Glauben sie das, so bist du sicher frei. Dann gehst du nach der Seribah und holst das Geld.«

»Ich weiß nicht, wo es liegt.«

»Ich werde es dir sagen. Ich weiß, daß du mir treu bist, mich nicht betrügen und alles thun wirst, mich zu retten. Willst du mir das zuschwören?«

»Ich schwöre es bei mir und meinen Vätern, bei dem Barte des Propheten und aller Kalifen!«

»Das genügt. Ich habe dir vorhin, als wir am Feuer lagen, Zeichen gegeben. Hast du sie verstanden?«

»Nicht alle. Es war Geld gemeint; das übrige begriff ich nicht.«

»Jetzt kann ich es deutlich sagen und will es schnell thun, denn wir wissen nicht, wie bald man uns auseinander reißt. Als ich nach dem Brande die Seribah erreichte, hatte der Schech mit seinen Leuten schon sämtliche Trümmer durchsucht. Er ahnt, daß ich Geld vergraben habe. Wo sollte der Gewinn der vielen Jahre sonst stecken! An den richtigen Ort sind sie aber nicht gekommen und werden ihn auch nicht entdecken. Südwärts von der Umzäunung lagen des Nachts die Herden; dort brannte ein Feuer. Grabe unter der Feuerstätte nach, so wirst du auf vermeintlichen Felsen stoßen; es ist aber keiner, sondern Sand, Kalk und Lehm, gut gemischt und festgerammt. Unter dieser Schicht liegen sechs Daruf, wohlgefüllt mit lauter glänzenden Abu Noktah. Das ist mein Vermögen. Einer dieser Schläuche soll dein sein, wenn es dir gelingt, mich zu retten; doch darfst du – —«

»Und wenn er dich nicht retten will, so nimmt er wohl alle?« ertönte es neben ihm. »Aber weder du selbst noch er soll einen einzigen Abu Noktah haben, sondern ich werde sie holen und unter meine Leute verteilen, welche auch die Herden erhalten, die dein Feldwebel von der Seribah entführt hat.«

Schwarz war der Sprecher. Er richtete sich auf und ging nach dem Feuer, um nach einem zweiten Wächter zu senden, da die Gefangenen nun nicht mehr miteinander sprechen sollten.

Abu el Mot stieß einen Schrei des Entsetzens aus; dann senkte er den Kopf. Es war ihm genau so zu Mute, als ob er am Rande seines offenen Grabes sitze. – —

Am andern Morgen, kurz nachdem die Sonne aufgegangen war, traten die befreiten Belandaneger ihren Heimmarsch an. Glücklich, der Sklaverei entgangen zu sein, dachten sie doch mit Trauer der Ankunft in ihrer verwüsteten Heimat. Sie nahmen die Leichen ihrer Gefallenen mit, um sie bei und mit den Ermordeten in Ombula zu begraben. Ihr Abschied von ihren Rettern war ein außerordentlich bewegter.

Später zogen die Sieger ab, denselben Weg, den sie gekommen waren, da sie zu ihren Kähnen und Schiffen mußten. Die Leichen der Sklavenjäger ließ man liegen, ein Fraß für das Raubzeug der Lüfte und des Waldes. Abu und Abd el Mot wurden so gut bewacht, daß ihnen jede Hoffnung auf Entkommen schwand.

Auf den Schiffen hatte sich nichts ereignet. Man ging sofort an Bord, um zunächst nach dem Maijeh Husan el bahr zu fahren. Der König der Niam-niam fuhr mit seinen Booten und Leuten mit. Dort angekommen, wurden mehrere Stücke der dort zurückgelassenen Tiere geschlachtet. Die übrigen erhielt der Schech Abu en Nuhß, der »Vater der Hälfte«, als Belohnung für sich und seine Leute. Er nahm herzlichen Abschied von seinen Verbündeten und kehrte befriedigt in die Heimat zurück.

Das Geschwader fuhr dann flußabwärts nach der berüchtigten Seribah Abu el Mots. Dieser mußte dabei stehen, als man die Schläuche ausgrub und ihren Inhalt so verteilte, daß jeder mit seinem Betrage neidlos zufrieden war.

Nun ging es an das eigentliche Scheiden. Die Gebrüder Schwarz und ihr Freund Pfotenhauer mußten mit den Niamniam wieder südwärts. Sie wollten weiter forschen und sammeln, Emin Paschas Gebiet aufsuchen und dann über Sansibar in die Heimat gehen. Die andern fuhren nach Norden.

Abu und Abd el Mot wurden dem Elefantenjäger als dem sichersten und strengsten Hüter übergeben. Er wollte mit der Dahabiëh bis Faschodah fahren und dort Abu el Mot nebst dem Feldwebel und dessen Leuten dem »Vater der Fünfhundert« ausliefern. Von Abd el Mot aber erklärte er:

»Den nehme ich mit nach Kenadem. Dort hat er meinen Sohn geraubt, und dort soll ihn auch die Strafe Allahs treffen. Seit ich mein Kind wiedergefunden habe, ist mein Herz weich geworden; dieser Satan aber soll erkennen, daß ich gegen ihn noch derjenige sein kann, der ich früher war, nämlich ‚Barak der Strenge‘, vor welchem jeder Ungehorsame erzittert.«

Emil Schwarz schrieb ihm seine Adresse auf und bat ihn, ihm einmal zu schreiben, wenn die Gelegenheit eine passende Verbindung biete. So war nun alles geordnet, und der Wadscha el wida mußte getrunken werden. Der Slowak und der »Vater des Gelächters« hatten gebeten, bei den Deutschen bleiben zu dürfen, und die Erlaubnis gern erhalten. Am schmerzlichsten war das Scheiden für den »Sohn des Geheimnisses« und den »Sohn der Treue«, doch ging auch das vorüber; dann segelten die Schiffe nach Norden, während die Ruderer der Niam-niam ihre Boote gen Süden trieben. Die Sklavenkarawane war vernichtet; die Sieger gingen nach verschiedenen Richtungen auseinander, und jeder nahm die Überzeugung mit, seine Pflicht gethan und dem Sklavenhandel, wenigstens in dieser Gegend, eine schwere Wunde beigebracht zu haben. Nur Hasab Murat dachte im stillen anders. Er hatte in Abu el Mot einen ihm gefährlichen Konkurrenten vernichten helfen und nahm sich vor, zwar bei dem einträglichen Geschäft zu bleiben, es aber schlauer zu betreiben als bisher und dabei mehr Menschlichkeit walten zu lassen. Die erlebten Scenen waren nicht ohne Eindruck selbst auf ihn geblieben. – – —

Wer in einer der bekannten süddeutschen Universitätsstädte das Adreßbuch in die Hand nimmt und die erste Rubrik, also A aufschlägt, dem fällt sofort ein ungewöhnlich langer Name auf. Dieser lautet: Hadschi Ali Ben Hadschi Ishak al Faresi Ibn Hadschi Otaiba Abu l‘Oscher Ben Hadschi Marwan Omar el Gandesi Hafid Jacub Abdallah el Sandschaki. Hinter diesem Namen steht die Auskunft: Händler in Orientalien, Gartenstraße 6 parterre.

Wer durch diese Adresse veranlaßt wird, ein Fläschchen Rosenöl, einen türkischen Tschibuk oder sonst dergleichen zu kaufen, und sich nach dem betreffenden Hause begibt, der sieht in dieser Nummer 6 ein großes, palastähnliches Gebäude, dessen linke Parterrehälfte der erwähnte Laden mit den daran stoßenden Wohnräumen einnimmt. Das über demselben angebrachte Schild trägt in goldener Schrift die etwas falsche Bezeichnung »Hadschi Ali, Orientalist«.

Ferner kann man im hohen, schön gemalten Hausflur auf einer Tafel lesen: Uszkar Istvan, Hausmann, Sprachlehrer und ornithologischer Autor, parterre rechts – Professor Dr. Emil Schwarz, I. Etage – Professor Dr. Joseph Schwarz, II. Etage Professor Dr. Ignatius Pfotenhauer, III. Etage. Und wer zur richtigen Zeit vorübergeht und nach der dritten Etage emporblickt, kann da ein Fenster offen sehen, aus welchem unter einem roten Fes eine riesige Nase schaut, die sich über dem vorgestreckten Rohre einer Masu‘ra lebhaft hin und her bewegt, um sich ja von dem, was unten auf der Straße geschieht, nichts entgehen zu lassen.

Unten aber, am Fenster rechts neben der Thür, sitzt in allen seinen Mußestunden ein kleines, dünnbärtiges Kerlchen, emsig beschäftigt mit der so und so vielten Umarbeitung eines dicken Manuskriptes, welches den vielversprechenden Titel führt »Warum die Vögel Federn haben«. Dieser der Ornithologie Beflissene, ist natürlich kein andrer als der »Vater der elf Haare«. Seit er mit seinen drei Herren und dem »Vater des Gelächters«, zu welchem die Kunden mehr seines Gesichtes als seiner Waren wegen gehen, aus dem Sudan zurückgekehrt und als Hausmann des gemeinschaftlich bewohnten Gebäudes installiert worden ist, tituliert er sich Sprachlehrer, ohne aber einen Schüler zu bekommen, und hat es sich in den Kopf gesetzt, dem »Vater des Storches« durch die Herausgabe eines gelehrten Werkes zu beweisen, daß er auch Vögel gesehen und über dieselben nachgedacht habe. Darum nennt er sich »ornithologischer Autor« und hat sich als Thema seiner Arbeit gerade die berühmte Frage aus der ebenso berühmten Erzählung Pfotenhauers, welche auch heute noch nicht zu Ende gelangt ist, vorgenommen.