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Die Sklavenkarawane

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Ich will meine Sammlungen von Faschodah aus nach Chartum senden, wo ich einen Freund habe, welcher sie nach der Heimat expediert. Ihm werde ich auch den Löwen schicken. Vielleicht gelingt es, ihn lebendig nach Deutschland zu bringen.«

»Dort wird er wohl kommte in eine Menagerie, botanische?«

»Nein, sondern in eine Menagerie, zoologische,« lachte Schwarz.

»So seinte Zoologie wohl in Menagerie und Botanik nur in Löwenhaus, tiergartentliches?«

»Auch das Löwenhaus dient zoologischen Zwecken, mein lieber Stephan. Da Ihr Name Stephan Pudel ein zoologischer ist, sollten Sie sich einer solchen Verwechselung doch nicht schuldig machen!«

»Gibt es nicht auch Pudel, botanische?«

»Ja, aber die werden nur von Ihnen geschossen, wie es scheint. Sie haben sogar schon astronomische Pudel geschossen, wie ich mich entsinne. Sehen Sie gen Himmel! Ihre Straße, milchigte, beginnt zu erbleichen und die Sterne des Schlangenträgers verschwinden am Horizonte. Da wir im Monate März stehen, ist dies ein Zeichen, daß der Morgen sich naht. Wir können bald das Feuer ausgehen lassen und uns zum Aufbruche rüsten.«

»Das hab‘ ich auch gewüßte, denn ich hatt‘ alle Sternte kennte gelernt. Wie aber wernte wirrrr die Gefangte transportierte?«

»Sehr einfach. Wir binden sie auf die Kamele, deren wir genug haben, da wir fünf erbeuteten.«

»Aber von gefangte Gum sind sechs Männer. Da fehlt ein Kamel, reitendes!«

»So mag der Schech laufen. Er hat es reichlich verdient, daß er sich anstrengen muß.«

Nach einiger Zeit trat die in jenen Gegenden sehr kurze Dämmerung ein; dann wurde es Tag.

Während die Dschelabi den Zug rüsteten, brach Schwarz dem Löwen und der Löwin die Zähne aus, um dieselben als Trophäen mitzunehmen. Dann wurde aufgebrochen.

Die Araber waren wütend darüber, daß es ihnen, da sie gefesselt waren, nicht möglich gewesen war, el Fagr, das Morgengebet, in der vorgeschriebenen Weise abzuhalten. Sie waren gewöhnt, ihre religiösen Obliegenheiten streng zu erfüllen, wegen Raub und Mord aber machten sie sich kein Gewissen. Sie saßen gebunden auf den Kamelen, nur der Schech mußte gehen, was ihn mit ohnmächtiger Wut erfüllte. Dem Verwundeten bereitete der Transport große Schmerzen. Er wimmerte und stöhnte fast ununterbrochen, doch war es unmöglich, ihn in einer weniger schmerzhaften Weise fortzubringen.

Die Gegend war durchweg eben. Je mehr man sich dem Flusse näherte, desto feuchter wurde die Luft und desto dichter hatte sich infolgedessen die Erde mit Gras überzogen. Man näherte sich den Ansiedelungen der Schillukneger, denen man gern ausgewichen wäre, einesteils weil sie als Diebe und Räuber verschrieen sind, und andernteils wegen der Gefangenen, da sie mit den Homr in Blutrache leben. Es stand zu befürchten, daß sie sich derselben mit Gewalt bemächtigen würden, um sie umzubringen. Leider war eine Begegnung mit ihnen nicht ganz zu umgehen, da sie das linke Ufer des Bahr el Abiad von dessen Nebenflusse Keilak bis hinab nach Makhadat el Kelb bewohnen, und zwar in so dicht aneinander liegenden Dörfern, daß die Reihe derselben fast gar keine Unterbrechung erleidet.

Glücklicherweise kannten die Dschelabi die Gegend genau, und der »Vater der elf Haare« versicherte, daß er die Karawane, wenn man ihm folge, zwar nicht unangefochten, aber doch unbeschädigt nach Faschodah bringen werde.

Seiner Weisung zufolge wurde ein Umweg gemacht, um einige dicht bevölkerte Dörfer zu vermeiden. Zur Mittagszeit gönnte man den Tieren und Menschen einige Ruhe. Die ersteren mußten später sehr angestrengt werden, da man, um den Schilluk keine Zeit zu Feindseligkeiten zu lassen, ihr Gebiet in schnellster Gangart zu durchqueren hatte. Erst nach dem Asr wurde wieder aufgebrochen.

Schon nach nicht ganz einer Stunde sah man hinter Durrhafeldern, welche jetzt während der heißen Jahreszeit unbebaut lagen, die Tokuls eines Dorfes liegen.

»Wir sind glücklich bis hierher gekommen und noch keinem Schilluk begegnet,« sagte der Ungar in stolzem Tone. »Bin ich nicht ein vortrefflicher Führer gewesen? Das Dorf, welches hier vor uns liegt, ist das einzige, durch welches wir müssen; dann sind wir bald in Faschodah. Geben wir den Tieren die Peitschen. Sie müssen so schnell wie möglich laufen, damit uns niemand anhalten kann. Wer sich uns in den Weg stellt, wird niedergeritten.«

Die Kamele und Esel gingen einzeln hintereinander. Der Slowak ritt voran. Er ließ seinen Esel im Schritte gehen; aber als er dem Dorfe nahe kam und die ersten Bewohner desselben erblickte, schlug er so auf sein Tierchen ein, daß dasselbe im Galopp davonflog. Die andern folgten. Der Schech war mit einem Stricke lang an den Sattel desjenigen Kameles gebunden, welches Schwarz ritt. Er mußte nicht laufen, sondern förmlich rennen, um nicht umgerissen und fortgeschleift zu werden, eine entsetzliche Schande für ihn, den Schech eines Stammes, dessen Angehörige es für eine Schmach halten, sich außerhalb ihrer Dörfer anders als nur im Sattel zu zeigen.

Die Tokuls lagen ziemlich weit auseinander. Sie waren meist von runder Bauart und aus Holz und Stroh errichtet; Nilschlamm bildete das Bindemittel. Die Dächer bestanden aus Schilf und Stroh und waren mit den Skeletten von Giraffen und Buckelochsen verziert.

Von einer Gasse oder gar Straße war keine Rede. Zwischen den Hütten lagen die Durrhafelder, jetzt dürr und hart; sie bildeten den Weg, den der kleine Führer einschlug, indem er im Galopp von einer Hütte immer um die andre bog. Er schien oft hier gewesen zu sein und die Tokuls so genau zu kennen, als ob er hier geboren sei.

Die ersten Schilluks, an denen man vorbeikam, sahen mit Staunen die Karawane so schnell an sich vorüberfliegen. Es waren schlanke, dunkelschwarze Leute mit schmalen, gar nicht negerartigen Lippen. Sie trugen keine Spur von Kleidung. Die einzige Toilette, die an ihnen zu bemerken war, erstreckte sich auf die sonderbare Anordnung ihres Haares.

Die Schilluk beschneiden nämlich ihr Haar nie. Sie lassen es lang wachsen und flechten es rund um den Kopf so geschickt ineinander, daß es die Gestalt eines Kranzes oder einer Hutkrempe erhält. Andre flechten es von hinten aufwärts bis nach vorn an die Stirn zu einem aufrecht stehenden Kamme, welcher mit der Raupe eines bayrischen Reiterhelmes große Ähnlichkeit hat. Viele machen sich aus weißen Federn rings um den Kopf eine Zierde wie einen Heiligenschein.

Einer saß tabakrauchend vor seiner Hütte. Aber was war das für eine Pfeife, deren er sich bediente! Der Kopf derselben war so groß wie ein Kürbis und das kurze Rohr so dick wie das Handgelenk eines Mannes. Da es keine Spitze hatte, so mußte der Schwarze den Mund so weit aufsperren, daß ihm die Augen aus den Höhlen traten. Aber dies erhöht nach der Ansicht der Schilluk den Genuß außerordentlich. Der Tabak wird bei ihnen gedorrt, zu Mehl zerrieben, in einen Teig geknetet und in Brotform aufbewahrt, um dann, mit beliebigen Pflanzenblättern vermischt, aus solchen Riesenpfeifen geraucht zu werden.

Diese Leute hatten die Karawane mit schweigendem Staunen wahrgenommen; aber dann, als sie vorüber war, erhoben sie ein weitschallendes Geschrei. Schwarz verstand die Schilluksprache nicht, er wußte also nicht, was sie schrieen; da aber das Wort Homr mit besonderem Nachdrucke gebrüllt wurde, so konnte er sich denken, daß man die Araber als Feinde erkannt hatte.

Aus den nahe liegenden Tokuls kamen die Männer, Frauen und Kinder gerannt. Das Geschrei wurde auch von ihnen angestimmt und drang schneller weiter, als die Kamele und Esel laufen konnten. Die Folge war, daß der Alarm vor ihnen hereilte. Im Nu befand sich das ganze Dorf in Aufregung, und wohin die fliegende Karawane kam, sah sie drohende Schwarze vor sich, welche aber vor den dahinrasenden Tieren zur Seite springen mußten.

Glücklicherweise sind Bogen und Pfeil den Schilluk unbekannt; sie führen nur Lanze und Keule; einige wenige haben alte Feuerwaffen. Daher kam es, daß sie ihre Waffen zwar drohend schwangen, aber nicht in Anwendung brachten.

Bald lag das Dorf hinter den Reitern, und der Slowak hielt seinen Esel an.

»Das ist geglückt!« rief er aus. »Sie haben uns nicht anhalten können, und da vorn seht ihr Faschodah.«

Schwarz sah in kurzer Entfernung vor sich den Ort liegen, welcher aus armseligen Hütten bestand, über denen sich die von Mauern umgebenen Regierungsgebäude erhoben. Der Schech war vollständig außer Atem. Er schnappte nach Luft und sein Gesicht war dunkelrot angeschwollen. Dennoch mußte er mit weiter, wenn auch nun langsameren Schrittes.

Zufälligerweise befand zwischen der Stadt und dem Dorfe sich niemand unterwegs, so daß man wenigstens für jetzt keine Belästigung zu erwarten hatte.

»Wo wirst du mit den andern Dschelabi wohnen?« fragte Schwarz den Ungar.

»Jeder von uns hat einen Bekannten im Orte, der ihn gern aufnehmen wird,« antwortete der Gefragte. »Aber bei wem wirst du absteigen?«

»Natürlich beim Mudir.«

»Kennt er dich?«

»Nein.«

»So hast du ein Teskireh bei dir?«

»Sogar einen Hattischerif des Vicekönigs und noch andre Empfehlungen.«

»So wirst du freundlich aufgenommen werden und dich um nichts zu sorgen haben. Soll ich dich gleich zum Palaste des Mudirs führen?«

»Ja, denn ich werde die Audienz nicht nur für mich, sondern auch für euch erbitten. Wir wollen ihm die Gefangenen sofort übergeben, und da wird er eure Aussage hören wollen.«

»Allah segne ihre Rücken und Fußsohlen! Die Fünfhundert sind ihnen gewiß.«

Faschodah ist keine Stadt zu nennen, sondern ein elender, wenn auch sehr alter Ort. Es steht an der Stelle der früheren Schillukresidenz Denab, welches als Danupsis, Hauptstadt der nubischen Äthiopen, bereits von Plinius erwähnt wird. Der Ort nimmt sich wegen der Regierungsgebäude von außen nicht übel aus, doch verschwindet dieser Eindruck beim Betreten sofort.

Das Haus des Mudir und die Kaserne sind von Mauern umgeben und aus Ziegeln gebaut. Auf den Mauern stehen einige Kanonen, und des Nachts patrouillieren die Wachtposten, eine gegen die stets rebellischen Schilluk gerichtete, gar nicht überflüssige Maßregel.

 

Um diese Gebäude stehen mehrere Häuser und zahlreiche Tokul, welche meist von Soldaten, die mit ihren Familien in der Kaserne keinen Platz haben, bewohnt werden. Faschodah hat nämlich eine ungefähr tausend Köpfe zählende Besatzung. Dieselbe besteht aus einer Anzahl von Arnauten, dann aber aus lauter Gehadiah, die ein höchst liederliches Leben führen, aber dennoch leichter zu disziplinieren sind als die Dongolaner, Berberiner, Scheiqieh und Ägypter, aus welchen die sonstige sudanesische Soldateska sonst besteht.

Außer den angegebenen Gebäuden sieht man nur liederlich gebaute Hütten, halbverfallene Baracken, Erdlöcher, übelriechende Lachen und ganze Berge von Unrat, welche die Luft verpesten. Rechnet man dazu, daß der eine Flußarm außerhalb der Regenzeit versumpft und daß der Uferdamm aus Pflöcken besteht, zwischen denen man Erde, Gras und Mist angehäuft hat, so läßt es sich sehr leicht erklären, warum das Klima des Ortes ein höchst ungesundes ist, und warum die nach hier verbannten Verbrecher zwar nicht zum Tode verurteilt, aber demselben doch geweiht sind. Faschodah ist nämlich Verbannungsort.

Außerhalb desselben gibt es einige wenige Gartenanlagen, in denen man Rettiche, Zwiebeln, Knoblauch, Melonen, Gurken, Kürbisse und das hier gebräuchliche Grünzeug baut.

Einen Bazar gibt es freilich da, aber was für einen! Zwei oder drei Griechen oder Ägypter treiben einen kleinen Handel. Sonst sind die Bewohner auf die umher ziehenden Dschelabi angewiesen.

Es wohnen auch Schillukneger in dem Orte. Als diese die Karawane zu Gesicht bekamen, erhoben sie ein eben solches Geschrei wie die ihnen stammesverwandten Dorfbewohner. Sie wagten unter den Kanonen der »Festung« und den Augen des Mudir zwar keine Feindseligkeiten, aber sie liefen drohend und schimpfend hinter dem Zuge her. Ihr Gebrüll machte, daß sich ihnen andre und wieder andre anschlossen, so daß die Begleitung der Reiter, als diese am Thore der Befestigung anlangten, aus mehreren hundert lärmenden Menschen bestand.

Eine unter dem Thore stehende Wache fragte nach dem Begehr der Ankömmlinge. Schwarz antwortete, daß er sich im Besitze eines Hattischerif befinde und den Mudir sprechen wolle. Der Posten schloß das Thor, um sich zu entfernen und Meldung zu machen.

Es dauerte eine ganze Weile, bis er mit einem Onbaschi zurückkehrte, welcher dieselbe Frage aussprach und dann davonging, um einen Buluk Emini zu holen, der ganz dasselbe wissen wollte und nach empfangener Antwort einen Tschausch suchte, welcher die Frage wiederholte und dann nach einem Basch Tschausch eilte, der sich nach ganz demselben Gegenstande erkundigte, worauf er auch hinter dem Thore verschwand, um die wichtige Angelegenheit einem Mülasim mitzuteilen. Dieser eilte zu seinem Jüsbaschi, welcher, nachdem er Schwarz gefragt hatte, was er wolle, einen Kol Agassi schickte. Dieser endlich ließ die Wartenden in den Hof.

Darüber war fast eine Stunde vergangen, während welcher die schreiende Menge sich verdreifacht und das Gebrüll sich verzehnfacht hatte.

Nun stiegen die Reiter ab. Waren sie aber der Meinung gewesen, daß sie nun zum Mudir geführt würden, so hatten sie sich geirrt. Der Adjutant holte vielmehr einen Alai Emini, dieser einen Bimbaschi, der wieder einen Kamaikam und dieser dann einen Mir Alai herbei, welch letzterer endlich die richtige Person zu sein schien, denn er forderte dem Deutschen seine Papiere ab und entfernte sich mit denselben. Nach ungefähr zehn Minuten kehrte er zurück. Diesmal war er bemüht, die größte Höflichkeit zu zeigen. Er lud Schwarz mit einer tiefen Verbeugung ein, ihm zu folgen und führte ihn nach dem Hause des Mudir.

Der Mudir kam seinem Gaste an der Thür entgegen, kreuzte die Hände über der Brust, und begrüßte ihn mit einem ausführlichen »Salam aleïk«, welches Schwarz mit »W‘aleïk issalam« erwiderte. Für den letzteren war der Gruß des Mudir eine Ehrenerweisung, da der strenge Moslem einem Christen gegenüber nur das erste Wort des Grußes, Salam, gebraucht.

Der Mudir führte ihn, was eine noch viel größere Auszeichnung war, selbst nach dem Salamlik, wo er ihn bat, auf einem Diwan von ihm gegenüber Platz zu nehmen. Gesprochen wurde noch nicht, sondern der Beamte klatschte in die Hände, worauf einige junge Neger erschienen. Der erste trug ein Seniëh, ein sechs Zoll hohes Tischchen mit polierter Kupferplatte, welches er zwischen die beiden Herren stellte. Der zweite gab die Fenagin herum, schüttete gestoßenen Kaffee hinein und goß kochendes Wasser darauf. Als die Herren den Kaffee getrunken hatten, brachte der dritte Pfeifen, welche bereits gestopft waren, und der vierte reichte glühende Kohlen dar, die Pfeifen anzustecken. Dann zogen sich die Schwarzen schweigend zurück.

Der Mudir rauchte aus einem gewöhnlichen Tschibuk; Schwarz aber hatte einen sehr kostbaren erhalten. Das Rohr desselben war von echtem Rosenholze, mit Golddraht umwunden, und mit Perlen und Brillanten ausgelegt. Die Spitze bestand aus einem großen, herrlichen Stücke rauchigen Bernsteines, welchen die Orientalen dem durchsichtigen vorziehen.

Je höher der Gast geehrt wird, desto kostbarer die Pfeife, welche man ihm präsentiert. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, konnte der Deutsche mit der ihm gezollten Hochachtung zufrieden sein.

Nun erst, da die Pfeifen brannten, war der Augenblick des Sprechens gekommen. Der Mudir nahm die Legitimationen des Deutschen, welche neben ihm auf dem Diwan lagen, gab sie ihm zurück und sagte:

»Du stehst unter dem Schutze des Khedive, dessen Wille uns erleuchtet. Ich habe deinen Namen gelesen und weiß nun, daß du derjenige bist, den ich erwartet habe.«

»Du wußtest, daß ich kommen würde?« fragte Schwarz.

»Ja. Mumtas Pascha, der Gouverneur, mein Vorgesetzter, welchen Allah segnen wolle, hat es mir geschrieben. Er hat dich in Chartum kennen gelernt und lieb gewonnen. Du bist mir von ihm sehr empfohlen worden, und ich harre deiner Wünsche, um sie dir zu erfüllen, soviel es mir möglich ist. Auch wartet bereits ein Bote auf dich, der dir einen Brief zu überbringen hat.«

»Von wem?«

»Von deinem Bruder, welcher im Lande der Niam-niam verweilt, und dich dort erwartet.«

»So ist er schon dort?« rief Schwarz schnell und erfreut. »Er ist von Sansibar nach Westen vor gedrungen, während ich von Kairo aus nach dem Süden ging. Bei den Niam-niam wollten wir uns treffen. Er versprach mir, als wir uns trennten, mir sofort, wenn er sich am Ziele befinde, Nachricht nach Faschodah zu senden. Und ich kam heute meist aus dem Grunde hierher, nachzufragen, ob ein Bote von ihm angekommen sei.«

»Er ist da und hat einen langen, langen Brief für dich. Er ist ein sehr junger, aber auch sehr kluger Mensch. Allah hat ihn mit einem schärferen Verstande ausgestattet, als Tausende von Männern in hohem Alter besitzen. Er wohnt seit mehreren Tagen bei mir, um dich zu erwarten. Du kommst nicht direkt von Chartum?«

»Nein. Ich ging von dort aus nach Kordofan und Darfur, um die Menschen, Tiere und Pflanzen dieser Länder kennen zu lernen. Ich habe eine Sammlung angelegt, welche mehrere Kamellasten beträgt, und will sie von hier nach Chartum senden.«

»Übergib sie mir; ich werde sie sicher dorthin bringen lassen. Aber du und dein Bruder, ihr müßt sehr kühne Leute sein. Hast du nicht gewußt, daß dein Leben in Kordofan, und ganz besonders in Darfur, in steter Gefahr schwebte?«

»Ich wußte es; aber die Liebe zur Wissenschaft war größer als die Furcht.«

»So hat Allah seine Hand über dich gehalten. Ihr Christen seid furchtlose, aber unbegreifliche Leute. Ein Moslem dankt Allah für sein Dasein und bringt es nicht wegen einiger Gewächse oder Käfer in Gefahr. Du scheinst bösen Leuten gar nicht begegnet zu sein?«

»O doch; aber ich weiß, wie man solche Menschen zu behandeln hat. Der letzten und wohl größten Gefahr entging ich gestern abend, als ich ermordet werden sollte.«

»Gestern abend?« fuhr der Mudir auf. »Von wem? Wer hat es gewagt, dir nur ein Haar krümmen zu wollen? Zu dieser Zeit hast du dich doch schon im Bereiche meiner Macht befunden!«

»Es war am Brunnen des Löwen.«

»Dieser Ort gehört zu meiner Mudiriëh. Wer ist‘s, über den du dich zu beklagen hast? Nenne ihn mir, und ich werde ihn finden, wohin er sich auch verkrochen hat!«

»Es sind die Arab el Homr, welche ich gemietet hatte, mich nach hier zu begleiten.«

»Die Homr stehen nicht unter mir. Ich kann sie nur dann bestrafen, wenn sie sich innerhalb meiner Grenzen befinden.«

»Sie sind hier, unten im Hofe, gefesselt. Ich habe sie als Gefangene mitgebracht, um sie dir zu übergeben.«

»Wie? Du hast sie mit? Sind sie mit dir gegangen, nachdem sie dich ermorden wollten? Wie ist das zu glauben? Sie mußten doch wissen, was hier ihrer harrt?«

»Ich habe sie gezwungen.«

»So erzähle, erzähle!«

Er war ganz in Feuer geraten. Er war Beherrscher einer Gegend, wo es eines kräftigen Armes und einer ungewöhnlichen Energie bedurfte, den Ehrlichen gegen den Unehrlichen in Schutz zu nehmen. Beides besaß er in hohem Grade.

Schwarz erzählte das gestrige Erlebnis, auch den Kampf mit den Löwen. Der Mudir hörte ihm mit gespannter Aufmerksamkeit zu und sprang, als der Bericht zu Ende war, von seinem Sitze auf. Die Pfeife, die ihm längst ausgegangen war, von sich werfend, rief er aus:

»Zwei Löwen hast du getötet und ihr Junges gefangen genommen! Du bist ein Held, ein wirklicher Held! Und doch haben diese Hunde es gewagt, sich an dir vergreifen zu wollen! Sie werden zu mir und Allah um Gnade schreien, aber weder er noch ich werden sich ihrer erbarmen. Und diesen Abu el Mot hast du genannt? Kennst du ihn?«

»Nein, doch habe ich gehört, daß er ein berüchtigter Sklavenjäger ist.«

»Das ist er, der schlimmste von allen. Wehe ihm, wenn er in meine Hände fällt! Warum hat dieser ‚Vater des Gelächters‘ dich verhindert, ihn zu ergreifen! Nun muß ich für lange Zeit darauf verzichten, ihn zu erwischen; denn er wird nach der fernen Seribah Omm et Timsah gehen, und erst nach vielen Monaten zurückkehren.«

»Weißt du, wo diese Seribah liegt?«

»Ja, denn sie ist durch ihre Schandthaten berühmt geworden. Sie liegt weit von hier im Süden, im Lande der Niamniam.«

»Was?« horchte Schwarz erschrocken auf. »Wo mein Bruder sich befindet?«

»Ob er sich gerade in diesem Teile des Landes, welches groß ist, befindet, weiß ich nicht. Sie liegt im Gebiete des Makrakastammes.«

»Dieser Stamm ist mir unbekannt.«

»Der Bote, den dein Bruder gesandt hat, gehört zu demselben.«

»Dann befindet sich mein Bruder dort. Es wird sich auf ihn doch nicht etwa die Drohung beziehen, welche ich aus dem Munde des Abu el Mot hörte? Er hat erfahren, daß sich zwei Europäer dort befinden, welche auch Pflanzen und Tiere sammeln, und will sie ermorden.«

»Hat dein Bruder einen Begleiter mit?«

»Nein. Soviel ich weiß, ist er allein.«

»So kann er nicht gemeint sein. Du darfst also ruhig sein. Wir sprechen später darüber, und der Bote wird dir sichere Nachricht geben. Jetzt aber wollen wir Gericht halten über diese Homr. Ich werde erst die Dschelabi und dann sie vernehmen.«

Er klatschte in die Hände, und als darauf ein schwarzer Diener erschien, gab er ihm einige Befehle. Schon nach kurzer Zeit erschienen mehrere Offiziere, welche als Beisitzer des Gerichts still zu beiden Seiten des Mudirs Platz nahmen. Dann wurden die Dschelabi hereingeführt. Sie mußten kurz erzählen, was geschehen war und traten dann zur Seite. Ihre Aussage stimmte natürlich mit derjenigen des Deutschen genau überein.

Die Homr waren unter militärischer Bedeckung im Hofe zurückgeblieben. Nachdem man ihnen dort die Fußfesseln abgenommen hatte, brachte man sie jetzt herbei. Sogar der Verwundete wurde hereingetragen und bei ihnen niedergelegt. Hinter ihnen stellten sich mehrere Kawassen auf, welche mit Kurbatschen versehen waren.

Die Homr hatten unterlassen, den Mudir zu grüßen, und zwar nicht etwa aus Befangenheit. Der freie Araber dünkt sich vornehmer und besser als der angesessene; noch stolzer blickt er auf den Ägypter herab, den er den Sklaven des Pascha nennt. Der Schech nahm jedenfalls an, daß er im gleichen Range mit dem Mudir stehe. Vielleicht hielt er es für angemessen, demselben durch Trotz zu imponieren. Er wartete gar nicht ab, bis er angeredet wurde, sondern er rief dem Beamten in zornigem Tone zu:

»Wir sind hinterlistigerweise überfallen und gebunden worden; da wir in der Minderzahl waren, haben wir es uns gefallen lassen müssen. Nun aber befinden wir uns an einem Orte, wo wir Gerechtigkeit erwarten können. Wir sind freie Arab el Homr, und niemand hat uns etwas zu befehlen. Warum nimmt man uns die Stricke nicht von den Händen? Ich werde dem Khedive melden lassen, wie die Beni Arab von seinen Dienern behandelt werden!«

 

Er erzielte einen ganz andern Erfolg, als er erwartet hatte. Die Brauen des Mudir zogen sich zusammen. Er antwortete in jenem ruhigen, aber schneidenden Tone, welcher gefährlicher ist als zorniges Wüten:

»Hund, was sagst du? Frei nennst du dich? Mich willst du beim Pascha anzeigen? Wenn du es nicht weißt, daß du ein schmutziger Wurm gegen mich bist, so will ich es dir beweisen. Ihr seid hier eingetreten, ohne eure Köpfe auch nur einen einzigen Zoll vor mir zu beugen. Es gibt keinen Offizier oder Effendi, welcher mir den Gruß versagt, und ihr stinkenden Hyänen, die ihr als Verbrecher zu mir gebracht werdet, wagt es, dies zu thun? Ich werde euch zeigen, wie tief ihr euch zu verbeugen habt. Werft sie nieder und gebt jedem zwanzig Hiebe; der Schech aber soll als Lohn seiner Frechheit vierzig bekommen!«

Einer der Kawassen holte sofort eine hölzerne Vorrichtung herein, welche einer Bank glich, die nur an der einen Seite zwei Beine, an der andern aber keine hat. Sie wurde auf den Boden gelegt, und zwar so, daß die beiden Beine emporstanden. Dann ergriffen die Kawassen einen der Homr, zogen ihn nieder, legten ihn mit dem Rücken auf die Bank und schnallten ihn da fest. Seine nach aufwärts gerichteten Beine wurden fest an die Beine der Bank gebunden, so daß seine Fußsohlen nach oben blickten. Die pantoffelähnlichen Schuhe hatte man ihm natürlich ausgezogen. Dann ergriff ein Kawaß einen fingerstarken Stock und gab ihm auf jede Fußsohle zehn kräftige Hiebe.

Der Homr hatte sich wehren wollen, doch ganz vergeblich. Er biß die Zähne zusammen, um nicht zu schreien; aber als nach den ersten Schlägen die Fußsohlen aufsprangen, erhob er ein fürchterliches Lamento. Als er losgeschnallt war, konnte er nicht auf den Füßen stehen; er blieb wimmernd am Boden sitzen.

Ganz ebenso erging es seinen Kameraden. Der Schech erhielt die doppelte Anzahl Hiebe; nur der Verwundete blieb verschont, denn der Mudir sagte:

»Er hat vor mir auf der Erde gelegen, zwar nicht aus Höflichkeit, sondern infolge seiner Verletzung. Ich will ihn aber mit meiner Gnade erleuchten und annehmen, er habe sich aus Demut vor mir niedergeworfen. Diese Hundesöhne sollen sich nicht ungestraft gegen mich erheben und mir gar drohen, mich beim Pascha zu verklagen! Jetzt mag der Schech mir sagen, ob er den fremden Effendi kennt, welcher hier an meiner Seite sitzt!«

Auch dieser, der Schech, konnte seinen Schmerz nicht still überwinden. Er stöhnte noch lauter als die andern. Als er jetzt zögerte, die verlangte Antwort zu geben, drohte der Mudir:

»Wenn du nicht sprechen willst, werde ich dir den Mund öffnen. Für eine jede Antwort, welche mir einer von euch verweigert, lasse ich ihm zwanzig Hiebe geben. Nun sag, ob du den Effendi kennst!«

»Ja, ich kenne ihn,« stieß der Schech hervor, wohl wissend, daß der Mudir seine Drohung wahr machen werde.

»Du gibst zu, daß ihr ihn überfallen und töten wolltet?«

»Nein. Wer das behauptet, der ist ein Lügner.«

»Ich selbst behaupte es, und also hast du mich einen Lügner genannt, wofür ich deine Strafe schärfen werde. Kennst du einen Sklavenjäger, welcher Abu el Mot heißt?«

»Nein.«

»Du hast gestern in der Nacht mit ihm gesprochen.«

»Das ist nicht wahr!«

»Dieser Effendi hat, als du am Feuer saßest, sich an die Gum geschlichen, und das Gespräch dieser Leute belauscht. Dann sah er dich zu Abu el Mot gehen, und später brachtest du die Gum geführt. Das haben auch diese ehrlichen Dschelabi gesehen. Willst du noch leugnen?«

»Ich war es nicht, sie haben mich verkannt.«

»Du bist ein sehr verstockter Sünder. Weißt du nicht, daß man mich Abu hamsah miah, den Vater der Fünfhundert, nennt? Da du leugnest, was eine große Beleidigung für mich ist, weil du mich damit für einen leichtgläubischen Menschen erklärst, welchen Allah den Verstand versagt hat, so werde ich für dich ein Abu sittah miah, ein Vater der Sechshundert sein. Schafft ihn hinaus in den Hof, und gebt ihm die sechshundert auf den Rücken!«

»Das wage nicht!« schrie der Schech auf. »Sechshundert kann kein Mensch aushalten. Du würdest mich töten. Denke an die Blutrache! Die Krieger meines Stammes würden die Schmach mit deinem Leben sühnen!«

»So mögen sie vorher erfahren, daß ich auch Abu sabah miah, der Vater der Siebenhundert sein kann. Gebt ihm also siebenhundert, und für jedes Wort, welches er noch spricht, soll er einhundert mehr bekommen!«

Das war in einem so bestimmten Ton gesprochen, daß der Schech den Mund nicht wieder zu öffnen wagte. Er wurde von den Kawassen fortgeschafft, und bald hörte man sein Geschrei erschallen.

»Hört ihr ihn?« rief der Mudir den Homr zu. »Wenn er es überlebt, so mag er zum Pascha gehen, und mich verklagen! Ich werde dafür sorgen, daß im Bereiche meiner Macht ein jeder ungefährdet seinen Weg verfolgen kann. Menschen, wie ihr seid, achte ich den Raubtieren gleich, welche ausgerottet werden müssen. Wer mich belügt, oder mir gar droht, dem wird die Peitsche zeigen, daß ich sogar ein Abu alfah, ein Vater der Tausend sein kann. Also sage du mir, ob ihr diesen Effendi habt töten wollen?«

Er zeigte auf denjenigen Homr, welcher ihm am nächsten kauerte.

»Ja,« gestand der eingeschüchterte Mann.

»Und du?« fragte er einen zweiten.

»Ja,« antwortete auch dieser.

Ebenso gestanden die andern ihr Verbrechen ein. Sie erkannten, daß sie durchs Leugnen ihre Lage nur verschlimmern würden. Sie wären am liebsten über den Mudir hergefallen; sie konnten trotz aller Mühe den Grimm, welcher sie beherrschte, nicht ganz verbergen.

»Da ihr es gesteht, möchte ich euch ein gnädiger Richter sein,« sagte der Mudir. »Aber ihr legt dieses Geständnis nicht aus Reue, sondern vor Angst ab, und auf euern Gesichtern sehe ich den Haß und die Rache wohnen. Ihr sollt nicht mehr und nicht weniger bekommen, als der Name besagt, den man mir gegeben hat. Fünfhundert werden genügen, euch zu belehren, daß es gegen das Gesetz des Propheten und die Satzung seiner heiligen Nachfolger ist, einen Mann zu ermorden, welcher sich vertrauensvoll in euren Schutz gegeben hatte. Nur dieser Verwundete soll für heute verschont werden. Er mag im Sidschnah liegen, bis sein Bein geheilt ist; dann soll, wenn er es erlebt, das gleiche Urteil an ihm vollstreckt werden. Das Gericht ist beendet. Ich habe nach Recht und Gerechtigkeit gesprochen. Allah ist mit allen Gläubigen, welche seine Gesetze befolgen; die Missethäter aber wird er mit seinem Zorne vernichten!«

Er erhob sich von seinem Sitze, zum Zeichen, daß die Gerichtsverhandlung zu Ende sei, und die Offiziere thaten dasselbe. Sie entfernten sich, indem sie mit tiefen Verbeugungen Abschied nahmen, und dann erlaubte der Mudir den Dschelabi, die Homr in den Hof zu schaffen und dort Zeugen der Exekution zu sein. Als dann Schwarz sich wieder allein mit ihm befand, fragte der Beamte:

»Dir ist Gerechtigkeit geworden. Wäre das in deinem Lande ebenso schnell geschehen?«

»Das Urteil wäre allerdings später gefällt worden, da man den Fall eingehender untersucht hätte.«

»Was sollte das nützen? Man hätte sich doch jedenfalls überzeugt, daß die Homr schuldig sind?«

»Allerdings.«

»Nun, soweit bin ich viel schneller gekommen. Welche Strafe hätte sie nach euern Gesetzen getroffen?«

»Eine vieljährige Gefangenschaft.«

»Auch da bin ich kürzer. Die Schuldigen erhalten ihre Hiebe und können dann gehen.«

»Für Raubmörder ist diese Strafe außerordentlich milde, nämlich wenn sie die Schläge aushalten.«

Über das Gesicht des Mudir ging ein vielsagendes Lächeln, als er antwortete:

»Ob mein Urteil zu hart oder zu milde ist, das ist Allahs Sache. Er hat dem Verbrecher Glieder gegeben, welche es entweder aushalten oder nicht. Auch bei euch kommt es auf die Gesundheit und Stärke an, ob der Verbrecher die lange Gefangenschaft überwindet oder nicht. Mache dir keine Sorge um die Homr! Ihr Leben ist im Buche verzeichnet; ich kann es ihnen weder nehmen noch erhalten. Erlaube mir, dich zu dem Boten deines Bruders und dann in die Gemächer zu führen, welche für dich bestimmt worden sind.«