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Die Sklavenkarawane

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Das war dem Deutschen lieb, denn der Aufenthalt in dem Selamlük war jetzt kein angenehmer, da man dort das Brüllen der gepeitschten Araber allzu deutlich vernahm.

Nachdem sie mehrere Zimmer durchschritten hatten, welche nichts als die Wandpolster und einen Teppich enthielten, kamen sie in einen kleinen Hinterhof, in welchem ein Kiosk stand, an dessen hölzernen Wänden sich blühende und duftende Schlinggewächse empor rankten.

»In diesem Lusthause sollst du wohnen,« sagte der Mudir. »Und da ist der Knabe, welcher dir den Brief zu überbringen hat. Er soll dich zu deinem Bruder führen und wird dich auch schon hier bedienen. Er kann dein Dolmetscher sein, denn er spricht die Sprache der Niam-niam und ist auch des Arabischen mächtig.«

Neben der Thür des Gartenhauses war eine Schilfdecke ausgebreitet, von welcher sich die Gestalt des Knaben erhob, um sich gleich wieder vor den beiden demütig zur Erde zu werfen. Der junge Neger war gewiß nicht über sechzehn Jahre alt und fast unbekleidet. Die Farbe seiner Haut war ein erdiges Rotbraun, wohl ein Ergebnis des Bodens, welchen sein Volk bewohnt.

Es ist nämlich eigentümlich, daß, wie man bemerkt hat, die Färbung jener Negerstämme von der Farbe des von ihnen bewohnten Bodens abhängig ist. Die Bewohner der schwarzerdigen Tiefebenen, die Schilluk, Nuehr und Denka, zeichnen sich durch ein tiefes Schwarz der Hautfarbe aus, während die Bongo, Niam-niam und Monbuttu, welche ein rotes, eisenhaltiges Land bewohnen, eine rötliche Färbung besitzen.

Der Mudir befahl dem Neger, aufzustehen. Als er das gethan hatte, sah man, daß er von gedrungener, untersetzter und kräftiger Gestalt war. Die Muskeln seiner Beine waren kräftiger entwickelt, als man es sonst bei Negern zu beobachten pflegt. Seine Gesichtszüge näherten sich dem kaukasischen Typus. Der Mund war zwar aufgeworfen, aber klein, die Nase gerade und schmal. Die Augen waren groß und mandelförmig geschnitten; sie standen sehr weit voneinander ab und gaben dem vollen, runden Gesichte einen schwer zu beschreibenden Ausdruck kriegerischer Entschlossenheit und Vertrauen erweckender Offenheit.

Die Waffen des Knaben lagen neben ihm. Sie bestanden aus einem Bogen nebst einem mit Pfeilen gefüllten Köcher, einem Messer mit sichelartiger Klinge und einem Trumbasch oder Wurfeisen, welches als Waffe sehr gefürchtet ist. Dieses Eisen gleicht dem australischen Bumerang, ist mehrschenklig gebogen und mit scharfen Zähnen und Spitzen versehen. Die Cateja, welche in der Äneide genannt, und als eine Wurfkeule von zerschmetternder Wirkung beschrieben wird, ist jedenfalls auch eine ähnliche Waffe gewesen. – Außerdem trug der Knabe eine Art Schutzwaffe an sich, und zwar an den Armen. Diese steckten nämlich von der Hand an bis zum Ellbogen in einer Menge von Metallringen, die eng aneinander lagen und eine schützende Manschette bildeten. Eine solche Armbekleidung wird Danga-Bor genannt und ist besonders bei den Bongonegern gebräuchlich.

Ganz eigenartig, und gar nicht unschön, war das Haar des Knaben geordnet. Dasselbe war zwar wollig, aber ziemlich lang. In lauter dünne Zöpfchen und diese wieder untereinander verflochten, bildete es auf dem Kopfe eine runde Krone, in welcher ein bunt schillernder Federbusch steckte. Rund um die Stirn, ganz an die Grenze des Haarwuchses befestigt, trug er einen eigenartigen Schmuck, welcher aus den Reißzähnen von Hunden bestand, die an eine Schnur gereiht waren.

Der offene, freundlich ehrerbietige Blick, mit welchem er den Deutschen musterte, machte auf diesen einen sehr guten Eindruck.

»Wie heißest du?« fragte ihn Schwarz.

»Ich bin der Sohn des Bjiä,« antwortete der Neger in arabischer Sprache, in welcher er gefragt worden war. »Die Sandeh heißen mich Nuba; der weiße Mann aber, welcher mich hierher sendet, hat mich Ben Wafa genannt.«

»Das ist ein schöner Name, welcher dir Vertrauen erweckt. Wie heißt dieser weiße Mann?«

»Er nennt sich Schwa-za.«

»Du willst Schwarz sagen?«

»Ja,« nickte der Knabe, »aber ich kann diesen Namen nicht so aussprechen; darum sage ich Schwa-za.«

»Ich heiße ebenso, denn ich bin sein Bruder.«

»So bist du der Effendi, zu dem er mich sendet?«

»Ja.«

»Das freut mich sehr, denn du gefällst mir. Dein Auge ist gerade so mild und freundlich wie das seinige, nicht so grausam wie dasjenige der Araber, welche zu uns kommen, um Reqiq zu machen. Darum werde ich dich gerade so lieb haben wie ihn und dir ebenso treu dienen.«

Es war ihm anzusehen, daß dieser Herzenserguß ein aufrichtiger war, denn sein intelligentes Gesicht glänzte vor Freude.

»Nicht wahr, du sollst mich zu ihm bringen?« fragte Schwarz.

»Ja, Effendi.«

»Aber das ist schwer. Unser Weg führt durch Gegenden, welche den Sandeh und also auch dir feindlich gesinnt sind.«

Da ergriff der Knabe schnell des Deutschen Hand, küßte sie und rief:

»Effendi, du schimpfest uns nicht Niam-niamIst der Denkasprache entnommen und bedeutet ‚Allesfresser‘, auch ‚Menschenfresser‘, sondern nennst uns bei unsrem richtigen Namen! Ich bin ein Königsprinz und brauche keinem Menschen zu dienen. Für dich aber werde ich alles thun, was du verlangst. Nur deinem Bruder zuliebe bin ich sein Bote geworden, denn ein andrer wäre nicht klug genug gewesen, bis hierher zu gelangen; die Denka und Nuehr hätten ihn getötet oder zum Sklaven gemacht.«

»Hattest du das denn nicht auch für dich zu befürchten?«

»Nein, denn mich fängt keiner. Ich bin ein Krieger und habe unsre Männer schon oft in den Kampf geführt.«

Er sagte das mit einem ruhigen Stolze, welcher fern von Überhebung war. Der kleine, jugendliche Held mußte allerdings ein ganz tüchtiges Kerlchen sein, da er eine so weite Reise ganz allein durch feindliches Land unternommen und auch glücklich beendigt hatte.

»Wäre es nicht besser gewesen, wenn du noch einige Krieger mitgenommen hättest?« fragte Schwarz.

»Nein, denn mehrere werden leichter bemerkt, als nur einer.«

»Bist du gelaufen?«

»Nein. Ich habe mir eine kleine Flukah mit einem Segel gebaut. Mit derselben bin ich den Bahr er Rohl und dann den Bahr ed Dschebel herabgefahren. Es gab überall Wasser zum Trinken. Hatte ich Hunger, so fing ich mir Fische, und kam ein feindliches Schiff, so versteckte ich meine Flukah in das Gebüsch des Ufers oder hinter das hohe Schilf.«

»Aber kanntest du denn den Weg?«

»Ja, denn ich bin bereits zweimal in Chartum gewesen und habe dort die Sprache der Araber gelernt.«

»Bist du nicht einmal bei einer Seribah ausgestiegen?«

»Wie könnte ich das, Effendi! Das darf man nicht wagen. In den Seriben wohnen doch nur Sklavenjäger. Ich kenne sie alle, aber ich bin stets des Nachts und sehr schnell an ihnen vorübergefahren.«

»Kennst du auch eine, welche Omm et Timsah genannt wird?«

»Ja. Sie ist die gefährlichste für uns, da sie an der Grenze unsres Landes liegt und dem grausamsten Manne gehört, den es geben kann.«

»Wie heißt dieser Mann?«

»Abu el Mot.«

»Ah, du kennst seine Seribah! Hast du jemals auch ihn selbst gesehen?«

»Ja. Er hat das Angesicht und die Gestalt eines Gestorbenen, und der Tod folgt jedem seiner Schritte. Seine Seribah ist ein Schreckensplatz. Die Leichen zu Tode gepeitschter Sklaven, die frei umherliegen, der Sammelplatz aller Arten Raubvögel und aasfressender Raubtiere sind ihre Merkmale.«

»Und wo war mein Bruder, als du ihn verließest?«

»Bei meinem Vater.«

»Er befindet sich also in der Nähe der Seribah des Sklavenjägers?«

»Ja, Effendi. Die Entfernung beträgt nur drei Tage reisen.«

»Und ist mein Bruder der einzige Fremde, welcher jetzt bei euch weilt?«

»Nein. Es ist noch ein andrer Weißer bei ihm.«

»Ah! dann sind es diese beiden, von denen Abu el Mot gesprochen hat. Was ist und wie heißt dieser andre?«

»Er ist ein Baija et tijur. Er hat die Beine des Storches, und seine Nase ist lang und beweglich wie der Schnabel des Storches. Darum wird er Abu laklak genannt. Seinen eigentlichen Namen kann ich nicht aussprechen.«

»Wir müssen schleunigst abreisen, denn ihm und meinem Bruder droht die größte Gefahr. Abu el Mot will sie töten.«

»Hat er das gesagt?« fragte der Mudir.

»Ja,« antwortete der Deutsche. »Ich habe es selbst gehört.«

»Ich weiß allerdings, daß er keinen fremden Weißen im Bereiche seines Jagdgebietes duldet, und so glaube ich, daß er seine Drohung wahr machen wird, sobald er auf seiner Seribah eingetroffen ist. Die Gefahr, in welcher sich dein Bruder befindet, ist sehr groß, denn der König der Sandeh vermag ihn nicht gegen die Hinterlist und die überlegenen Waffen der Sklavenjäger zu schützen.«

»O, die Sandeh sind tapfer!« warf der Neger in stolzem Tone ein.

»Ich will das nicht bestreiten,« antwortete der Mudir im Tone gnädiger Überlegenheit, »aber wie viele von euch sind dennoch von den Sklavenjägern getötet oder geraubt worden! All euer Mut vermag nichts gegen die wilde Gier dieser Menschen, und was wollt ihr mit euern Pfeilen gegen die Schießgewehre solcher Räuber anfangen?«

»Aus wieviel Menschen besteht gewöhnlich ein solcher Raubzug?« fragte Schwarz.

»Oft aus mehreren Hundert,« belehrte ihn der Mudir. »Es kommt vor, daß sich die Besatzungen von zwei und noch mehr Seriben vereinigen. Dann sind so viele Jäger beisammen, daß selbst das bevölkertste Negerdorf nicht an Widerstand denken darf. Die Seribah Omm et Timsah ist die größte, von welcher ich weiß, und Abu el Mot hat also Leute genug, seine Absicht auszuführen.«

»Dann darf ich mich hier keine Stunde länger als nötig verweilen. Ich muß suchen, ihm zuvorzukommen, um den Bruder rechtzeitig zu warnen.«

»Das ist mir nicht lieb, denn ich hätte dich gern lange Zeit bei mir gehabt. Mein Herz findet Wohlgefallen an dir; außerdem bist du mir sehr warm empfohlen, und so will ich dich nicht unbeschützt der dich erwartenden Gefahr entgegengehen lassen. Mein Sinnen geht darauf, Abu el Mot in meine Hände zu bringen; dies kann durch deine Hilfe geschehen, darum werde ich dir fünfzig Soldaten mitgeben, welche ich mit allem, was sie brauchen, sorgfältig ausrüste. Bist du damit einverstanden?«

 

Der Deutsche gab natürlich eine bejahende Antwort; der Vorschlag mußte ihm ja hoch willkommen sein. Der Neger hatte indes die Pfeile aus seinem Köcher genommen; auf dem Grunde des letzteren steckte der Brief, welchen er Schwarz überreichte. Dann führte der Mudir seinen Gast in das Innere des Häuschens, welches aus zwei kleinen, aber sehr hübsch ausgestatteten Gemächern bestand.

»Hier wohnen nur solche Gäste, welche mir willkommen sind,« sagte er, »der Niam-niam wird dich bedienen. Er wartet draußen deiner Befehle, und ich werde meinen Leuten die Weisung erteilen, dieselben augenblicklich und so eifrig zu erfüllen, als ob sie aus meinem eigenen Munde kämen. Die Dschelabi, welche mit dir gekommen sind, werden auch meine Gäste sein, denn sie waren deine Begleiter.«

»Und was geschieht mit den Homrarabern?«

Der Mudir machte eine strenge, abwehrende Handbewegung und sagte:

»Was mit ihnen geschehen soll, das ist bereits geschehen, und du wirst nicht weiter danach fragen. Ich will Ordnung haben in dem mir anvertrauten Lande; wer dieselbe bricht, den richte ich schnell und streng. Allah mag ihren Seelen gnädig sein; bei mir aber gibt es keine Gnade, sondern nur Gerechtigkeit.«

Er ging. Schwarz ließ sich auf ein Polster nieder, um den Brief seines Bruders zu lesen. Dieser schrieb ihm, daß er von Sansibar glücklich nach dem Viktoria-Nyanza, und von dort nach dem Albert-Nyanza vorgedrungen, und von da nach den Quellen des Gazellenflusses gelangt sei und nun den Bruder bei den Makrakanegern, die zu den Niam-niam gehören, erwarte.

In Sansibar hatte er einen deutschen Naturforscher, einen ausgezeichneten Ornithologen, getroffen, von welchem er gebeten worden war, ihn mitzunehmen. Dieser Mann war ein Bayer von Geburt und trotz verschiedener Eigenheiten ein ganz tüchtiger Reisegesellschafter und mutiger Begleiter. Beide hatten es unterwegs zu einer bedeutenden wissenschaftlichen Ausbeute gebracht und hielten nun Rast, um ihre Sammlungen zu ordnen und Schwarz bei sich zu erwarten. Den »Sohn der Treue« hatten sie ihm als zuverlässigen Führer entgegengeschickt.

Eben war der Deutsche mit der Durchsicht des Briefes fertig, als der Slowak bei ihm eintrat.

»Bitte Verzeihung, daß ich Sie könnte gestörten!« sagte er. »Ich hatt gewillt bringen einen Wunsch, unsrigen.«

»So ist dieser Wunsch nicht allein der Ihrige, sondern auch derjenige eines andern?«

»Ja. Vater des Gelächters hatt Bitte, meinige auch als Bitte, seinige.«

»Nun, was wünschen Sie denn?«

»Mudir hatt sprechte selbst mit uns und uns sagte, daß wir alle seinte Gäste, seinige, und wohnte in Haus, hiesiges. Hatt uns auch sagte, daß Sie willte abreisen in Zeit sehr baldiger, mit Soldaten, vieligen. Ich und Hadschi Alli, Freund meiniger, wollen nicht gebleibte zurück, sondern gehen mit Ihnen zu den Niam-niam, um zu machente dort Geschäft, vorteilhaftes. Wollen kaufte hier Sachen und verkaufte dort wieder mit Profit, großartigen. Darum ich kommte schnell hierher, um willte fragen, ob Sie wernte haben die Güte, zu nehmen mit mich und Hadschi Alli, freundschaftlichen.«

»Warum nicht? Ihr Vorschlag ist mir recht angenehm. Sie und der ‚Vater des Gelächters‘ sind brauchbare Leute, und je mehr ich solche Männer mitnehmen kann, desto besser ist es für mich.«

»Also Sie gebten Erlaubnis, Ihrige?«

»Ja, ganz gern.«

»Das seinte sehr schön. Das machte mir Freude, unendliche. Ich hatt gelernte Sprache, negerliche, und werd seinte Ihnen nützlich mit Kenntnissen, meinigen. Wir werden machte Forschungen, wissenschaftenkeitliche, und uns erwerbte Namen, unsrige, sehr berühmte. Ich willte gleich lauf zu Hadschi Alli, wartenden, um ihm zu sagente, daß wir könnte treffen Vorbereitung zur Abreise, schneller, weil Sie haben erfüllte Wunsch, unsrigen!«

Er eilte erfreut fort, um dem »Vater des Gelächters« die betreffende Mitteilung zu machen.

Eine Ghasuah

Da, wo der Bahr el Ghazal, der Gazellenfluß, in das Gebiet der Bongoneger tritt, sind an seinem rechten Ufer nur einzelne Dalebpalmen zu sehen, deren dunkelgrüne Blattwedel sich im leisen Luftzuge träumerisch bewegten. Am linken Ufer stieg ein dichter Mimosenwald bis an das Wasser herab. Die da an den Ästen und Zweigen hängenden dürren Gräser zeigten an, wie hoch zur Regenzeit das Wasser zu steigen pflegte.

Auf dem Wasser lagen große Inseln, welche aus Anhäufungen frischer und abgestorbener Grasrhyzome bestanden, und dazwischen gab es lange und breite Streifen von Omm Sufah, welche den jetzt schmalen Strom noch mehr einengten.

Im hohen Rohre, und von demselben fast ganz verborgen, lag ein Noqer, eine jener Segelbarken, wie sie am oberen Nile gebräuchlich sind. Der in der Mitte des Fahrzeuges angebrachte Hauptmast war niedergelegt, ebenso der kleinere am Vorderteile des Schiffes. Wer von der Anwesenheit dieses Noqer nichts wußte, konnte leicht in kurzer Entfernung von demselben vorüberfahren, ohne ihn zu bemerken.

Es war klar, daß die so vorsichtig versteckte Barke außer Gebrauch lag, und dennoch gab es Personen, welche sich emsig auf derselben beschäftigten.

Fünf oder sechs Sklavinnen knieten nebeneinander, um Durrha auf der Murhaqa zu reiben. Diese Murhaqa ist ein Reibstein, welcher den in Pfahlbauten gefundenen Mahlsteinen fast genau gleicht. Die angefeuchtete Durrah wird in die Vertiefung desselben geschüttet und mit dem Ibn el Murhaqa, einem kleineren Steine, mühsam zerquetscht und zu Mehl zerrieben. Diese primitive Weise des Mahlens, bei welchem den Sklavinnen der Schweiß von den Gesichtern in den teigigen Brei tropft, ist sehr anstrengend und zeitraubend. Hat so ein armes Wesen sich von früh bis abend abgemüht, so ist das Ergebnis kaum der tägliche Bedarf von zehn bis fünfzehn Mann.

Dieser durch das nasse Mahlen erzeugte dicke Brei ist die Grundlage des sudanesischen Speisezettels. Auf der Doka gebacken, gibt er die Kisrah, rotbraune, saubere Fladen, das gewöhnliche Brot des Landes, mit Wasser gekocht aber die Luqmah, eine Art Pudding, welcher keinem Europäer einen Ruf des Entzückens entlocken kann. Die Kisrah wird als Proviant auf monatelangen Reisen mitgenommen. Läßt man sie mit Wasser gären, so bekommt man die Merissah, ein säuerliches, überall gebrauchtes Getränk.

Unter dem Verdecke des Hinterteiles waren zwei Schwarze beschäftigt, Stricke aus Palmblattfasern zu drehen. Dabei sprachen sie leise miteinander. Die Blicke, welche sie dabei auf die Sklavinnen warfen, bewiesen, daß sie von diesen ja nicht gehört sein wollten.

Diese Schwarzen trugen die Guluf, drei wulstige Narben auf jeder Wange, ein sicheres Zeichen, daß sie geraubt worden waren. Ist nämlich eine Sklavenjagd glücklich ausgefallen, so empfangen die jüngeren männlichen Gefangenen diese sechs Schnitte als ewiges und unverwischbares Zeichen der Knechtschaft. Man reibt die Wunden mit Pfeffer, Salz und Asche ein, um den Heilungsprozeß zu verzögern, und die Narben möglichst aufschwellen zu lassen.

Bekleidet waren die beiden nur mit dem Lendenschurze. Das Haar hatten sie mit Anwendung eines vertrocknenden Klebstoffes steif und cylindrisch emporfrisiert, so daß es das Aussehen eines zerknillten Chapeau-claque ohne Krempe besaß. Sie unterhielten sich im Dialekte der Belandaneger, in welchem alle Worte, welche etwas Geistiges, Übersinnliches bezeichnen, dem Arabischen entnommen sind, wie es überhaupt bei allen sudanesischen Sprachen mehr oder weniger der Fall ist. Dabei wendeten sie die erste Person der Einzahl des Zeitwortes nicht an, sondern setzten an Stelle des »Ich« ihre Namen.

»Lobo ist traurig, sehr traurig!« flüsterte der eine. »Und Lobo darf doch nicht sehen lassen, daß er traurig ist.«

»Tolo ist auch traurig, mehr traurig noch als du,« antwortete der andre ebenso leise. »Als Lobo und Tolo geraubt wurden, hat Abu el Mot Lobos ganze Familie getötet, aber Tolos Vater und Mutter entkamen; sie leben noch, und armer Tolo kann nicht zu ihnen. Darum ist er doppelt traurig.«

Er sprach in der dritten Person, meinte aber sich selbst, da er Tolo hieß.

»Warum soll Lobo nur halb traurig sein?« fragte der erstere. »Wurden seine Eltern und Geschwister ermordet, so ist er unglücklicher als du. Und – —« er sprach so leise, daß sein Leidensgefährte es kaum verstehen konnte – »was hat ein Belanda zu thun, wenn der weiße Mann ihm die Seinen tötet?«

Toto blickte besorgt nach den Sklavinnen, ob diese vielleicht horchten, und antwortete dann, indem er die Augen rollte:

»Rache nehmen! Er muß Abu el Mot töten.«

»Ja, er muß, aber er darf nicht davon sprechen!«

»Seinem Freunde Tolo aber kann er es sagen; dieser wird ihn nicht verraten, sondern ihm helfen mit dem Messer oder mit dem Pfeile, welcher in den Saft der Dinqil getaucht und vergiftet ist.«

»Aber dann wird man uns zu Tode peitschen.«

»Nein; wir fliehen.«

»Weißt du nicht, wie schwer das ist? Die Weißen werden uns mit Hunden verfolgen, welche uns sicher finden.«

»So macht Tolo sich selbst tot. Peitschen läßt er sich nicht, und leben mag er auch nicht, wenn er nicht bei Vater und Mutter sein kann. Der Weiße denkt nicht, daß der schwarze Mann ein Herz hat; aber er hat ein besseres als der Araber; er liebt Vater und Mutter sehr, und will bei ihnen sein, oder sterben. Weißt du, ob wir leben werden, wenn wir hier bleiben? Wir sind Eigentum des Weißen, und er kann uns beim kleinsten Zorne töten. Und wenn er eine Ghasuah unternimmt, so müssen wir mit, und für ihn gegen unsre Brüder kämpfen. Auch da können wir getötet werden. Tolo will aber seine schwarzen Brüder nicht fangen und zu Sklaven machen!«

»Meinst du denn, daß es eine Ghasuah geben wird?«

»Ja. Warum reiben die Weiber dort nun schon seit vielen Tagen Durrah? Merkst du nicht, daß Kisrah gebacken werden soll? Viel Vorrat von Kisrah aber macht der Araber nur dann, wenn er sie als Vorrat bei einer Ghasuah braucht.«

Lobo schlug die Hände zusammen, machte ein erstauntes Gesicht und sagte:

»Wie klug du bist! Daran hat Lobo nicht gedacht. Er glaubte, der Zug würde erst dann unternommen, wenn Abu el Mot aus dem Lande der Homr zurückgekehrt ist.«

»Abd el Mot kann auch ziehen, wenn er will. Er ist der zweite Häuptling der Seribah und Abu el Mot der erste. Ist der erste nicht da, so befiehlt der zweite. Warum haben die Leute ihre Gewehre putzen und ihre Messer schleifen müssen, gestern und vorgestern schon. Niemand weiß vorher, was geschehen soll, aber wir werden bald etwas erfahren.«

»Weißt du, wohin es gehen soll?«

»Wie kann Tolo es wissen! Nicht einmal die weißen Soldaten, die sich in der Seribah befinden, erfahren es vorher. Abd el Mot allein weiß es, und – —«

Er hielt inne, bückte sich auf seine Arbeit nieder und drehte an den Seilfasern mit einer Hast, als ob er sich bei dieser Beschäftigung nicht Zeit zu einem einzigen Worte gegeben habe. Sein Genosse folgte seinem Beispiele. Beide hatten gesehen, daß ein Mann in einem Kahne an den Noqer gelegt, und das Deck desselben bestiegen hatte.

Dieser Mann war ein Weißer. Ein dichter, dunkler Bart umrahmte sein Gesicht, welches vom Sonnenbrande das Aussehen gegerbten Leders erhalten hatte; seine Züge waren hart, seine Augen blickten finster. Er trug einen eng anliegenden weißen Burnus, um welchen ein Shawl gewunden war, aus dem die Griffe eines Messers und zweier Pistolen blickten. Die nackten Füße steckten in grünen Pantoffeln, und der Schädel war in ein grünes Turbantuch gehüllt, ein Zeichen, daß dieser Mann seine Abkunft von dem Propheten Mohammed herleitete. In der Hand hielt er die lange, dicke Nilpeitsche.

»Abd el Mot!« flüsterte Lobo seinem Gefährten zu.

»Still, schweig!« antwortete dieser ängstlich.

Der Weiße war also der zweite Kommandant der Seribah. Er nannte sich »Diener des Todes«, während der erste Befehlshaber »Vater des Todes« hieß. Er blieb für einen Augenblick bei den Sklavinnen stehen. Diese arbeiteten mit doppeltem Eifer als vorher; doch schien ihr Fleiß seinen Beifall nicht zu finden, denn er schrie sie mit harter Stimme an:

»Allah zerschmettere euch! Wollt ihr ihm die Zeit abstehlen, ihr Faullenzerinnen! Heute soll gebacken werden, denn morgen brechen wir auf, und noch ist das Mehl nicht fertig!«

Er schlug mit der Peitsche ohne Wahl auf sie ein, daß die Getroffenen vor Schmerz heulten, aber ohne zu wagen, ihre Arbeit dabei auch nur für einen Augenblick einzustellen. Dann kam er zu den beiden Belandanegern. Er sah ihnen eine Weile zu, hob dann ein Seil auf, um die Arbeit zu prüfen, warf es wieder hin, und versetzte jedem einige Hiebe, von denen die Haut an den getroffenen Stellen sofort aufsprang. Die Schwarzen bissen die Zähne zusammen, daß es laut knirschte, gaben aber keinen Laut von sich, und arbeiteten ohne Unterbrechung weiter.

 

»Es that wohl nicht weh genug?« lachte er grausam. »Das nächste Mal werdet ihr schon heulen müssen, ihr Tagediebe. Werft euch nieder, wenn ich mit euch rede!«

Dieser Befehl war von einigen weiteren Hieben begleitet. Die Neger sanken zu Boden, was sie vorher nicht gewagt hatten, um nicht mit der Arbeit inne zu halten. Er betrachtete sie mit gefühllosem Blicke, versetzte jedem einen Fußtritt und fuhr fort:

»Ihr seid Belandas. Ist euch euer Land bekannt?«

»Ja, Herr,« antwortete Tolo ohne aufzublicken.

»Kennt ihr die Helle Ombula?«

»Tolo ist oft dort gewesen.«

»Was hattest du dort zu thun?«

»Die Schwester der Mutter wohnt mit ihrem Manne und ihren Kindern dort.«

»So hast du also Verwandte in Ombula! Wie viele Familien gibt es da?«

»Sehr viele, Herr, viel mehr als in andern Dörfern,« antwortete der Neger, dem es wie den meisten seinesgleichen unmöglich war, weiter als höchstens zwanzig zu zählen.

»Ist der Ort gut befestigt?« fuhr der Araber fort.

»Es ist ein doppelter Stachelzaun rundum,« antwortete der Gefragte.

»Ist die Umgebung offen, oder gibt es Wald?«

»Der Subakh steht in Büschen, aus denen Lubahn ragen.«

»Besitzen die Einwohner viele Rinder?«

»Nein, Herr, sie sind arm.«

Die Rinder sind dem Sklavenjäger nämlich noch lieber als die Gefangenen. Diese Tiere haben für den Neger einen so hohen Wert, daß er bei einem Überfalle vor allen Dingen sie zu retten sucht und dabei wohl seine Kinder opfert. Der Belanda hatte eine verneinende Antwort gegeben, um den Araber von dem Überfalle des befreundeten Dorfes abzubringen. Abd el Mot durchschaute ihn. Er zog ihm die Peitsche zwei-, dreimal über den Rücken, und donnerte ihn an:

»Hund, lüge nicht, sonst peitsche ich dich tot! Sage die Wahrheit, oder ich schlage dir das Fleisch in Striemen von den Knochen. Gibt es viele Rinder dort?«

»Ja,« gestand jetzt Tolo aus Angst.

»Und haben die Leute gute Waffen?«

»Pfeile, Spieße und Messer.«

»Keiner hat eine Flinte?«

»Keiner, Herr.«

Abd el Mot examinierte weiter und drohte: »Wenn ich ein einziges Gewehr finde, oder auch nur sehe, peitsche ich dir die schwarze Seele aus dem dunklen Leibe. Kennst du alle Wege dort?«

»Ja.«

»Und Lobo auch?«

»Auch er.«

»Wenn wir des Morgens von hier wegmarschieren, wann kommen wir hin?«

»Am Abende des dritten Tages, Herr.«

»Gut, ich habe beschlossen, Ombula zu überfallen, um Abu el Mot Sklaven und Rinder geben zu können, wenn er kommt, damit er sieht, daß wir thätig gewesen sind. Ihr beide sollet unsre Führer sein, und ich kann euch nur raten, daß ihr eure Sache gut macht. Bin ich mit euch zufrieden, so verkaufe ich euch an einen guten Herrn, der euch nicht prügelt, selbst wenn ihr faul seid. Im Gegenfalle aber grabe ich euch in einen Bau der Ardah ein, damit sie euch bei lebendigem Leibe fressen. Merkt euch das, ihr beiden schwarzhäutigen Schlingel, und nun frage ich: wollt ihr mir treu und gehorsam sein?«

»Ja, Herr!«

»Das versprecht ihr jetzt; aber ich traue keinem schwarzen Hunde. Ihr bleibt bis zum Aufbruche hier auf dem Schiffe, und werdet es nicht verlassen. Ich stelle euch einen Wächter her, welcher den Befehl hat, euch zu erschießen, sobald ihr euch dem Rande des Schiffes nähert. Und während des Marsches gebe ich euch Gewichte an die Füße, damit ihr die Lust zur Flucht verliert. Jetzt arbeitet weiter und schwatzt nicht dabei, sonst lasse ich euch den Mund zunähen, daß ihr verschmachten müßt. Ihr wißt, daß das keine leere Drohung ist. Ich habe das schon oft gethan.«

Er gab jedem noch einen Hieb, dann ging er und stieg in sein Boot. Sie sahen es im hohen Schilfe verschwinden, besorgten aber, daß er sie von dort aus beobachten werde. Darum arbeiteten sie schweigend weiter, bis sie ihn am Ufer erscheinen, und einen schmalen, durch den Mimosenwald führenden Weg einschlagen sahen.

Erst jetzt wagte es Tolo, seinem Gefährten leise zuzuflüstern:

»Du siehst, daß Tolo recht hatte, der Zug beginnt schon morgen.«

Lobo griff mit der Hand nach seinem schmerzenden Rücken, knirschte mit den Zähnen, rollte die Augen, als ob er sie herausdrehen wolle, und antwortete:

»In unser Land, nach Ombula. Allah, Allah! Unsre Freunde sollen Sklaven werden!«

»Und wir müssen die Weißen führen! Werden wir es thun?«

Lobo zögerte mit der Antwort. Er schien überhaupt geistig weniger begabt zu sein als sein Unglücksgenosse.

»Warum sagst du nichts?« fragte dieser. »Sollen wir die Araber führen und unsre schwarzen Brüder mit töten und gefangen nehmen?«

»Nein,« antwortete Lobo in bestimmtem Tone. Er war nun zu einem Entschlusse gekommen. »Wir fliehen. Dann aber können wir Abu el Mot nicht töten, was wir doch thun wollten. Er ist noch nicht wieder da.«

»So töten wir Abd el Mot an seiner Stelle. Das ist fast ebenso gut. Wenn wir ihm das Leben nehmen, so muß der Zug morgen unterbleiben, und wir retten die Leute von Ombula.«

»Werden sie es uns auch danken? Und wie töten wir ihn? Am Tage ist es ganz unmöglich, und das Nachts schläft er mitten unter den Wächtern. Man wird uns ergreifen. Ist es da nicht besser, wenn wir uns nicht in eine so große Gefahr begeben?«

Tolo erkannte gar wohl die Wahrheit dieser Worte. Er dachte nach. Jetzt erschallte von jenseits des Waldes ein schrecklicher Lärm herüber. Menschliche Stimmen sangen, jauchzten und brüllten. Dazu ertönten die ganz unbeschreiblichen Klänge der im Sudan gebräuchlichen Instrumente.

Das schien den nachdenkenden Neger schnell zu einem Resultate zu bringen. Er sagte:

»Hörst du den Jubel? Jetzt hat Abd el Mot gesagt, daß die Ghasuah morgen beginnen soll. Nun entfalten sie die Fahne und fragen den Zauberer.«

»Er wird dem Zuge günstig sein, und sie gehorchen ihm, denn er ist ein frommer Fakir. Auch wir sollten ihm eigentlich gehorchen, obwohl wir nicht zu Allah beten wie unsre Peiniger.«

»Nein. Tolo gehorcht nicht dem Fakir, sondern einem ganz andern.«

»Wem? Wer ist das?«

»Dem großen Schech, der über den Sternen wohnt und niemals stirbt, der alles sieht und jede That belohnt oder bestraft.«

»Du hast Lobo davon erzählt, aber Lobo kann ihn nicht sehen.«

»Er ist überall, wie die Luft, die man auch nicht erblickt.«

»Vielleicht hat dich der Fremde belogen, der dir von ihm erzählte!«

»Nein. Dieser fremde Weiße war ein Khassis, ein guter Mann, der keine Lügen sagte. Er erzählte von dem großen, allmächtigen Schech, welcher den Himmel und die Erde gemacht hat, und auch die Menschen. Er befahl ihnen, gut und fromm zu sein, aber sie gehorchten ihm nicht. Da sandte er seinen Sohn vom Himmel herab, der ihnen Gnade brachte und dafür von ihnen getötet wurde. Er lehrte, daß die Menschen einander lieben, und sich nur Gutes erweisen sollen. Diese Lehre brachte der Khassis zu uns. Wir gewannen ihn lieb und glaubten seinen Worten. Da aber kamen die Sklavenjäger und töteten ihn. Tolo weiß noch alle seine Worte und wird nach denselben handeln. Die Liebe gebietet ihm, seine Eltern aufzusuchen und die Helle Ombula zu retten. Das wird er thun, selbst wenn es sein Leben kosten sollte. Der Sohn des Schechs im Himmel ist auch ohne Murren gestorben. Und wer da stirbt, indem er Gutes thut, und die Gesetze des großen Schechs erfüllt, der ist nicht tot, sondern er steigt auf zum Himmel, zum Sohne des Schechs, um bei demselben zu leben und niemals zu sterben.«

Der Neger hatte das mit wahrer Inbrunst gesprochen, im Tone vollster Überzeugung. Der andre schüttelte den Kopf und sagte:

»Lobo versteht das nicht; aber du hast ihm noch niemals eine Lüge gesagt, und so will er es glauben, und ganz dasselbe thun, was du thust. Hätte er den Khassis gesehen und gehört, so würde er wohl ganz so überzeugt sein, wie du es bist. Also wir fliehen und retten Ombula!«