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Die Sklavenkarawane

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Ja, und Abd el Mot töten wir zur Strafe für seine Thaten, und daß er morgen die Ghasuah nicht beginnen kann.«

»Aber ist es nicht der Wille des großen Schechs, von welchem du sprichst, daß man den Menschen nur Gutes erweisen soll? Und du willst den Araber ermorden!«

»Das ist nichts Böses,« entgegnete der Neger in einem Tone, der allerdings zu besagen schien, daß er noch nicht ganz bibelfest sei.

»Lobo glaubt es dir. Aber selbst wenn es uns gelingt, ihm das Leben zu nehmen, wie kommen wir fort? Einen Kahn können wir nicht bekommen, so müssen wir also gehen, und dann werden die Hunde uns schnell eingeholt haben!«

»Du darfst nicht so zaghaft sein,« entgegnete der andre, »denn der große Schech im Himmel wird uns beschützen. Man wird hier erst am Morgen den Tod Abd el Mots und unsre Flucht bemerken. Dann sind wir schon so weit entfernt, daß uns niemand einholen kann. Wir nehmen uns hier so viel Kisrah wie möglich, damit wir unterwegs nicht zu hungern brauchen.«

»Hat dein großer Schech das Stehlen nicht auch verboten?«

»Ja. Also werden wir es nicht thun. Aber wir finden überall Wurzeln, Früchte und Wasser, um den Hunger und auch den Durst stillen zu können.«

Lobo schien doch noch ein Bedenken zu haben. Er blickte nachdenkend vor sich nieder und sagte dann:

»Aber wie können wir vom Schiffe fort, wenn Abd el Mot uns einen Wächter sendet?«

»Wir warten, bis er schläft.«

»Er wird nicht schlafen, sondern den Befehl erhalten haben, kein Auge von uns zu lassen.«

»Nun, so töten wir auch ihn.«

»Das ist doch nichts Gutes, sondern etwas Böses!«

»Der Wächter ist auch bös, denn er wird ein Weißer, ein Araber sein. Ihm geschieht ganz recht, wenn er sterben muß; er gehört wohl gar zu den Leuten, welche uns gefangen genommen haben.«

»Du hast mir einmal erzählt, daß es der Wille des Schechs im Himmel sei, auch den Feinden Gutes zu thun; du aber willst ihnen nur Böses zufügen.«

»Daran sind sie selbst schuld,« sagte Tolo und half sich über das Bedenken mit Kopfschütteln hinweg. »Schweig jetzt und arbeite, der Wächter kommt!«

Der Kahn nahte wieder. In demselben saß ein andrer Weißer, welcher an Bord gestiegen kam. Er schien sehr zornig darüber zu sein, daß er auf das Schiff kommandiert worden, und nun von der Festlichkeit ausgeschlossen war, welche einer jeden Ghasuah vorherzugehen pflegt. Er warf den Sklaven drohende Worte zu, und setzte sich in ihre Nähe, die Peitsche in der Hand. Sie arbeiteten mit angestrengtem Fleiße weiter. Miteinander zu sprechen, durften sie nicht wagen; desto fleißiger aber dachten sie an ihr Vorhaben. Tolo war fest entschlossen, Abd el Mot und den Wächter zu ermorden. Das, was er von den Lehren des Missionars behalten hatte, kam nicht in Konflikt mit seinen heidnischen Anschauungen. Er wußte beides ganz gut in Einklang zu bringen. Lobo war weniger spitzfindig als er. Wie die meisten langsam denkenden und schwer begreifenden Menschen, konnte er nicht leicht eine neue Ansicht fassen, welche seiner bisherigen entgegengesetzt war. Hatte er den Gedanken aber einmal gefaßt, so hielt er ihn fest, und bewegte ihn fleißig im Herzen, soviel dies seinem Verständnisse möglich war. Es wollte ihm nicht recht begreiflich erscheinen, daß man zwei Menschen ermorden, und dabei doch den Willen des guten »Schechs im Himmel« befolgen könne.

Der am linken Ufer des Flusses liegende Mimosenwald war sehr lang, aber nur schmal. Vom Wasser führten einige schmale Wege quer durch ihn hindurch. Folgte man einem dieser Pfade, so hatte man schon nach fünf Minuten den Wald im Rücken und eine weite, freie Strecke vor sich liegen.

Im Süden nennt man jeden Weg, welcher neben einem Flusse hinläuft, Darb tachtani, den untern Weg. Ein Pfad aber, welcher von der Seite her, also senkrecht auf den Lauf des Wassers führt, eine Mischrah. Gewöhnlich steigt die Mischrah vom hohen Ufer herab. Die Wohnungen der Menschen müssen wegen der jährlichen Nilüberschwemmungen hoch liegen, und so kommt es, daß an einer Mischrah gewöhnlich sich Niederlassungen befinden. Besonders gern legt man die Seriben an solchen Stellen an, an denen ein Pfad hinab zum tiefen Ufer führt. Dies war auch hier mit der Seribah Omm et Timsah der Fall.

Hatte man, vom Flusse aufwärts steigend, den Wald hinter sich, so stand man vor einer hohen, stachlichten Umzäunung, hinter welcher die Tokuls dieser Sklavenjägerniederlassung lagen. Dieser Zaun war stark genug, um gegen Menschen und wilde Tiere Schutz zu bieten. Jede Seribah ist mit einer solchen Dornmauer umgeben, welche zwar europäischen Waffen nicht widerstehen könnte, gegen Pfeile und Lanzen aber vollständige Sicherheit gewährt. Die Ein- und Ausgänge haben keine Thüren nach unsrem Begriffe, sondern einige stachlichte Büsche genügen zum Verschlusse. Diese Stellen werden übrigens des Nachts mit Wachtposten besetzt, für welche gewöhnlich hohe Warten auf Pfählen errichtet sind, ganz ähnlich den russischen Kosakenwarten.

Die Seribah Omm et Timsah hatte einen bedeutenden Umfang. Sie enthielt über 200 Tokuls, deren Unterbau aus aufgeworfener Erde bestand, während die Wände und Dächer aus Schilf hergestellt waren. Sie alle hatten eine runde Gestalt und jede einzelne war für sich mit einer besonderen Dornenhecke umgeben. Dies alles bildete eine Art Dorf, welches innerhalb der kreisförmigen Hauptumzäunung lag.

Auch die Hütten hatten keine verschließbaren Thüren. Diebstahl kommt unter den Bewohnern einer Seribah nicht vor; diese haben sich nur vor den irrigen Eigentumsbegriffen der Eingeborenen zu hüten.

Die Wege, welche zwischen den Tokuls hinführten, waren ziemlich reinlich gehalten; desto schlimmer aber sah es vor der äußern Umzäunung aus. Da gab es Abfälle und Unrat in Menge; sogar die verwesenden Leichen natürlich gestorbener oder zu Tode gepeitschter Sklaven lagen hier, einen Geruch verbreitend, den die Nase eines Europäers nicht hätte ertragen können. Dies war ein Sammelplatz aller Arten von Raubvögeln. Auch die Hunde der Sklavenjäger befanden sich da, und des Nachts stellten sich wohl Hyänen und andre wilde Tiere ein.

Unweit der Seribah befand sich die Murrah, der umfriedigte nächtliche Pferch des Viehstandes, dessen Angehörige am Tage über im Freien weiden. Der Dünger dieser Tiere wird sorgfältig gesammelt und in der Sonne getrocknet, um abends in die Murrah geschafft und angebrannt zu werden. Der dichte Rauch, welcher sich dann entwickelt, gewährt den Tieren und Menschen Schutz gegen die schreckliche Plage der Baudah, der Stechfliegen des Sudans. Die Menschen graben sich bis an den Kopf in die ellenhoch liegende Düngerasche ein, wodurch, ganz abgesehen von dem Geruche, die schwarze Haut der Neger sich mit einem abscheulichen grauen Überzuge umhüllt, welcher das Auge des Europäers beleidigt, nach der Meinung der Eingeborenen aber so schön wie gesund ist.

In der Mitte der Seribah standen zwei Tokuls, welche sich durch besondere Größe auszeichneten. Sie waren die Wohnungen der beiden Anführer, Abu el Mots und Abd el Mots.

Da eine Hütte nicht bloß für eine einzelne Person bestimmt ist, so war bei der großen Zahl der Tokuls anzunehmen, daß die Gesellschaft gewiß aus wenigstens 500 Personen bestand. Rinder und Schafe weideten in Menge umher. Auch Pferde und Kamele gab es, doch nur bei gegenwärtiger Jahreszeit. Während und kurz nach der Regenzeit pflegen sie zu Grunde zu gehen.

Der eigentliche Besitzer einer Seribah ist nur höchst selten auf derselben anwesend. Diese Herren bleiben daheim, in Chartum oder wo sie sonst ihren festen Wohnsitz haben. Es fällt ihnen gar nicht ein, sich persönlich an der Sklavenjagd zu beteiligen; sie senden vielmehr ihre Stellvertreter, welche Wokala genannt werden und sehr ausgedehnte Vollmachten besitzen.

Unter diesen Wokala stehen die Reïsihn, Kapitäne und Nautia, Matrosen. Diese Leute werden gebraucht, weil die Jagden meist kurz nach der Regenzeit zu Wasser unternommen werden. Auch Sajadin und Asaker werden engagiert. Die ersteren sind Jäger und verpflichtet, die andern mit frischem Fleische zu verproviantieren. Die letzteren sind Soldaten, welche sich aus allerlei weißem und farbigem Gesindel rekrutieren, gewissenlose Menschen, welche mit den göttlichen und weltlichen Gesetzen vollständig zerfallen sind, und sich sonst nirgends sehen lassen dürfen, ohne daß ein strafender Arm sich nach ihnen ausstreckt.

Die Wokala erhalten eine beträchtliche Besoldung und oft auch noch einen besondern Anteil am Gewinne. Die übrige Mannschaft erhält einen Lohn bis zu zehn Mariatheresiathalern pro Monat und die Kost. Alles andre muß der Mann von dem Sold bezahlen und bekommt es zu den höchsten Preisen angerechnet. Daher bleibt ihm gewöhnlich nichts, oder wenig übrig. Ist der Fang gut, so kommt es vor, daß die Leute ihren Sold in Sklaven ausgezahlt erhalten. Der Schwarze ist dann dem Soldaten mit Leib und Leben angehörig, und dieser kann mit ihm machen, was ihm beliebt, ihn schlagen, verstümmeln oder gar töten.

Je zwanzig oder fünfundzwanzig Soldaten stehen unter einem Unteroffizier, Buluk genannt. Die Rechnungen hat ein Buluk Emini über, welcher lesen, schreiben und rechnen können muß und also gewöhnlich ein niederer Geistlicher, ein Fakir ist; er vertritt zugleich die Stelle des Zauberers, bestimmt die glücklichen und unglücklichen Tage und heilt alle möglichen Schäden des Leibes und der Seele mit Amuletten, welche er verfertigt und gegen guten Preis verkauft. Die Feindschaft eines solchen Mannes kann dem einzelnen sehr gefährlich werden.

Wird eine Ghasuah unternommen, so zwingt man den Schech des Gebietes, in welchem die Seribah liegt, seine Neger als Träger und Spione zu stellen. Dafür wird er nach dem Raubzuge mit Kühen entschädigt, was ihm natürlich lieber ist, als wenn er mit Sklaven bezahlt wird. Der Tag des Aufbruches wird von dem Fakir bestimmt, welcher von jedem einzelnen Tage des Jahres zu sagen weiß, ob er ein glücklicher oder unglücklicher ist.

 

Sobald der Kommandant die Ghasuah verkündet hat, wird die Barakha aufgesteckt. Sie besteht aus einem großen, viereckigen, roten Zeuge, auf welchem das mohammedanische Glaubensbekenntnis oder die erste Sure des Korans gestickt ist.

Sobald diese Fahne weht, weiß jedermann, daß ein Raubzug beschlossen worden ist, und die an demselben Beteiligten geben sich der tollsten Freude hin.

Abd el Mot hatte seine Absicht erst den beiden Belandanegern mitgeteilt, nachdem er selbstverständlich erst von dem Fakir erfahren hatte, daß der morgende Tag ein glücklicher sei. Dann zur Seribah zurückgekehrt, hatte er die Fahne aufstecken lassen. Der Jubel der ersten, welche dieses willkommene Zeichen erblickten, rief alle andern Bewohner der Tokuls aus den Hütten hervor. Die Musikinstrumente wurden geholt; man scharte sich zusammen und schleppte alle vorhandene Merissah herbei, um die glückliche Stimmung durch einen berauschenden Trunk zu erhöhen.

Der Fakir erschien, hielt eine anfeuernde Rede und bot Amulette aus, welche im bevorstehenden Kampfe vor Verwundung und Tod schützen sollten. Dann begann die Musik zu spielen, aber was für eine!

Da war zu sehen und zu hören die Rababah, eine sehr primitive Guitarre mit drei Saiten, die röhrenförmige Bulonk von ausgehöhltem Kamaholze, die Nogarah, eine Kriegspauke, aus einem hohlen Baumstumpfe konstruiert, die Darabukkah, eine kleinere Handpauke, ferner surrende Flöten, hölzerne Riesenhörner, deren schreckliche Töne dem Rindergebrüll gleichen, steinerne Klappern, geschüttelte Flaschenkürbisse, in denen Steine rasselten, Antilopenhörner, deren Töne dem Jammern eines frierenden Hundes gleichen, kleine und große Pfeifen, mit denen man alle möglichen Tierstimmen, besonders die Stimmen der Vögel nachmachte. Wer kein Instrument hatte, brüllte und heulte nach Belieben. Viele improvisierten ganz sonderbare Geräusche. Der eine schlug mit einem Stocke auf dürres Reisig, der andre kniff einem Hunde in den Schwanz, daß das Tier ganz zum Erbarmen musizierte; der dritte schwang an einer Schnur eine Blechplatte im Kreise, um das Pfeifen des Sturmes nachzuahmen. Kurz, es war ein entsetzliches Konzert, welches nur auf kurze Zeit unterbrochen wurde, als der Fakir die Helden aufforderte, das Sklavenjägerlied zu singen. Die Kerls stellten sich in zwei Reihen einander gegenüber auf und sangen:

»U marran basahli!

U marran alei dschebal,

U marran antah el woara,

El es soda kubar.

U marran besahli!

U marran ketir hami,

U marran fi woar kan ro dami;

U marran katach barrut,

Jentelik e reqiq schi dali!«

Das heißt zu deutsch: »Und trinken ist meine Lust! Und dann hinaus in die Berge, und hinaus in den Wald, wo der Löwe haust. Und trinken ist meine Lust! Und kommt die Verwegenheit über mich, da fließt wohl Blut in der Wildnis; und dann wird Pulver verpufft und ich bring Sklaven mit nach Hause!«

Doch welche Stimmen waren das, die dieses Lied sangen. Der eine brüllte wie ein Löwe und der andre wie ein Ochsenfrosch. Ein dritter schrillte im höchsten Fisteltone, und ein vierter schleppte, wie eine Baßgeige brummend, hinterdrein. Eine Melodie gab es nicht, jeder sang so hoch oder tief, wie es seinem Kehlkopfe angemessen war. Nur die einzelnen Worte klangen zusammen, da der Fakir mit hoch erhobenen Armen skandierte. Dies that er in einer Weise, daß er an einem andern Orte sofort als völlig unheilbar ins Irrenhaus geschafft worden wäre.

Als das Lied zu Ende war, wurde wieder getrunken und Musik gemacht. Dann ward ein Tanz arrangiert, den drehenden Derwischen nachgeäfft. So ging es unter steter Abwechselung von Musik, Gesang und Tanz bis in die späte Nacht, da es keinen Tropfen Merissah mehr gab.

Der Lärm schallte über den Wald hinweg bis zum Flusse und dem Schiffe. Dort saßen die beiden Belandaneger und vor ihnen der Wächter, die Peitsche stetig in der Hand. Die Sklavinnen waren nach der Seribah geholt worden, um zu backen.

Zuweilen erhob sich der Aufseher, um einige Minuten hin und her zu gehen. Dabei brummte er grimmig in den Bart, darüber, daß er weder mitsingen noch mittrinken durfte.

Kurz nach Mitternacht kam Abd el Mot noch einmal an Bord, um sich zu überzeugen, ob der Posten seine Schuldigkeit thue. Dann, als er sich entfernt hatte, wurde es drüben in der Seribah still. Die berauschten Sklavenjäger suchten und fanden den Schlaf. Als der Wächter wieder einmal seinen Spaziergang unternahm, flüsterte Lobo seinem Kameraden zu:

»Dieser Weiße ist zornig; er hat die Peitsche stets in der Hand, schlägt uns aber nicht. Lobo möchte ihn darum nicht gern töten.«

»Dann können wir nicht entkommen!«

»Wollen wir ihm nicht die Kehle zuhalten, daß er nicht schreien kann? Dabei binden wir ihn und stecken ihm den Mund zu.«

»Das hat auch Tolo lieber, als ihn zu töten; aber ein einziger Schrei kann uns verderben.«

»Lobos Fäuste sind stark. Er wird den Mann so fassen, daß derselbe gar nicht rufen kann.«

»Und während du ihn festhältst, wird Tolo ihn binden. So können wir es machen. Stricke sind genug da.«

»Wann beginnen wir?«

»Nach einer Weile; dann werden alle Weißen eingeschlafen sein.«

»Aber der Kahn ist nicht da. Er wird des Abends in die Seribah geschafft.«

»So schwimmen wir.«

»Hat Tolo vergessen, daß sich viele Krokodile im Wasser befinden? Darum wird die Seribah ja Omm et Timsah genannt.«

»Tolo läßt sich lieber von den Krokodilen fressen, als daß er die Weißen nach Ombula führt.«

»Lobo auch. Der gute Schech im Himmel wird uns beschirmen, da wir soeben dem Wächter das Leben geschenkt haben.«

»So glaubst du jetzt an diesen großen Schech?«

»Lobo hat während des ganzen Abends über denselben nachgedacht. Wenn der Khassis kein Lügner war, so ist es wahr, was er gesagt hat, denn er ist klüger gewesen, als wir es sind. Und für den schwarzen Mann ist es sehr gut, einen solchen Schech im Himmel zu haben, denn alle weißen Schechs auf der Erde sind seine Feinde. Lobo glaubt also an ihn und wird ihn jetzt bitten, die Flucht, welche wir vorhaben, gelingen zu lassen.«

Der Neger faltete die Hände und blickte zum Himmel auf. Seine Lippen bewegten sich, aber die Bitte war nur für Gott hörbar.

Der Wächter hatte sich wieder niedergesetzt. Dann dauerte es längere Zeit, bis er abermals aufstand, um hin und her zu gehen. Da fragte Lobo:

»Warten wir noch länger?«

»Nein. Tolo hält schon die Stricke in der Hand. Wenn er uns wieder nahe ist und sich umdreht, so springen wir auf und du ergreifst ihn von hinten.«

So geschah es. Der Wächter kam auf sie zu und machte wieder Kehrt. Im Nu standen die Neger hinter ihm, und Lobo legte ihm die beiden Hände um den Hals, den er fest zusammendrückte. Der Mann stand, wohl nicht nur infolge dieses Druckes, sondern mehr noch aus Schreck, völlig bewegungslos; er gab keinen Laut von sich. Er wehrte sich auch nicht, als Tolo ihm die Stricke fest um die Arme, Beine und den Leib wickelte. Er blieb sogar stumm, als Lobo ihm die Hände von dem Halse nahm und ihm seinen Fes vom Kopfe zog, denselben zerriß und aus den Stücken einen Knebel machte, der ihm in den Mund geschoben wurde.

Der Mann war vollständig überwältigt und wurde in den Raum hinabgeschafft. Lobo nahm ihm das Messer und Tolo die Peitsche ab; dann kehrten sie auf das Deck zurück.

Sie ließen sich so leise wie möglich, um ja nicht etwa durch ein Geräusch die Krokodile herbeizulocken, in das Wasser und strebten dem Ufer zu, was gar nicht leicht war, da sie sich durch die dichte Omm Sufah zu arbeiten hatten. Doch gelangten sie wohlbehalten an das Land. Das Naßwerden schadete ihrer mehr als einfachen Kleidung nicht das mindeste.

»Der gnädige Schech im Himmel hat uns vor den Krokodilen beschützt; er wird uns auch weiter helfen,« sagte Lobo, indem er das Wasser von sich abschüttelte. »Denkst du nicht, daß es besser wäre, wenn wir Abd el Mot leben ließen und unsre Wanderung sogleich anträten?«

»Nein. Er muß sterben!«

»Seit du heute von dem himmlischen Schech und seinem Sohne gesprochen hast, kommt es Lobo nicht gut vor, den Araber zu töten.«

»Wenn wir ihm das Leben lassen, ereilt er uns unterwegs. Töten wir ihn aber, so wird, wenn man ihn findet, alle der Schreck so ergreifen, daß sie versäumen, uns zu verfolgen.«

»Lobo thut alles, was du willst. Wie aber kommen wir in die Seribah? Die Wächter machen Lärm.«

»Hast du denn nicht das Messer, mit dessen Hilfe wir uns ein Loch machen können?«

»Aber die Hunde werden uns verraten!«

»Nein; sie riechen, daß wir in die Seribah gehören, und ich kenne sie fast alle nach ihren Namen. Komm!«

Sie schlichen sich vorwärts bis zum obern Rande des Waldes. Dort galt es, vorsichtiger zu sein, denn die Nacht war so sternenhell, daß man einen Menschen auf zwanzig Schritte erkennen konnte. Sie legten sich auf die Erde und krochen derjenigen Stelle der Umzäunung zu, von welcher aus sie die kürzeste Strecke nach dem Tokul Abd el Mots hatten.

Glücklicher und auch sonderbarerweise erreichten sie diese Stelle, ohne von einem Hunde bemerkt worden zu sein. Dort begann Lobo, mit dem Messer ein Loch in den dichten, stachlichten Zaun zu schneiden. Das war nicht leicht und ging außerordentlich langsam. Obgleich er der Stärkere war, mußte Tolo ihn einigemal ablösen, bis die Öffnung so groß wurde daß ein schlanker Mensch durchschlüpfen konnte.

Im Innern der Seribah angelangt, mußten sie nun doppelt vorsichtig sein. Sie blieben eine kleine Weile lauschend liegen; sie vernahmen kein verdächtiges Geräusch. Ein Rind schnaubte draußen im Pferche, und aus der Ferne tönte das tiefe Ommu-ommu einer Hyäne herüber. In der Seribah aber herrschte absolute Stille.

»Wir können es wagen,« sagte Tolo. »Gib mir das Messer!«

»Warum dir?«

»Weil ich den Stoß führen will.«

»Nicht du, sondern Lobo wird es thun, denn er ist der Stärkere von uns beiden.«

»Aber es ist dir ja nicht lieb, daß er getötet werden soll!«

»Aber du hast gesagt, daß er dennoch sterben muß, und da ist es gleich, von wessen Hand es geschieht. Sollte der Schech im Himmel darüber zürnen, so wird er Lobo eher verzeihen als dir, denn Lobo glaubt erst seit heute an ihn, du aber schon seit längerer Zeit. Bleib also hier und warte, bis ich wiederkomme!«

»Du willst allein gehen?«

»Ja.«

»Das duldet Tolo nicht. Er wird dich bis zum Tokul begleiten, um bereit zu sein, wenn dir etwas Böses widerfährt.«

»So komm, denn du hast recht.«

Sie kannten den Weg genau. Die meisten Schläfer befanden sich in ihren Hütten; mehrere lagen vor denselben, doch so fest im Merissahrausche, daß sie nicht aufwachten. Selbst ein Nüchterner hätte die beiden nicht gehört.

Als sie an den Tokul Abd el Mots kamen, lagen wohl acht bis zehn Soldaten um denselben. Der Unteranführer traute den Negersoldaten nicht und pflegte seine Hütte des Nachts mit weißen Söldnern zu umgeben. Aber auch diese lagen in tiefem Schlafe.

»Bleib hier liegen!« flüsterte Lobo. »Es ist nicht schwer, zwischen ihnen hindurchzukommen. Der Araber befindet sich ganz allein in der Hütte. Auch er wird getrunken haben. Ein Stoß, und dann ist Lobo wieder bei dir.«

Die Zuversicht, mit welcher er dies sagte, klang etwas hastig. Die That wurde ihm wohl schwerer, als er es merken lassen wollte. Das Messer in der Hand, kroch er schlangengleich zwischen zwei Schläfern hindurch. Schon hatte er den Eingang erreicht und streckte die Hand aus, um das leichte Schilfgeflecht, welches des Nachts die Thür bildete, beiseite zu schieben; da ließ sich hinter demselben ein lautes Knurren hören. Er zog die Hand zurück; aber der unerwartete Feind brach, anstatt sich zu beruhigen, in ein wütendes Gebell aus und kam, das Geflecht umreißend, aus der Hütte gestürzt. Es war einer jener großen Schillukhunde, welche die Sklavenjäger gern kaufen, um sie gegen die Neger abzurichten. Er warf sich auf Lobo. Dieser war, obgleich dem Alter nach noch kaum ein Mann, doch ein sehr kräftiger Mensch. Er wich dem Hunde mit einer behenden Bewegung aus, faßte ihn mit der Linken beim Genick, riß ihn empor und stieß ihm mit der Rechten mit außerordentlicher Schnelligkeit das Messer einigemal in die Brust. Der Hund brach unter lautem Geheul zusammen.

Von allen Seiten, allüberall antworteten die andern Hunde; die Menschen erwachten, und die vor dem Tokul liegenden weißen Schläfer waren aufgesprungen. Sie wollten sich auf Lobo werfen, dem es nun unmöglich war, sein blutiges Vorhaben auszuführen. Wohl zwanzig Arme streckten sich nach ihm aus; er war umringt und schlug und stieß um sich, um sich Luft zu machen. Dies wäre ihm wohl kaum gelungen, wenn ihm nicht Tolo geholfen hätte. Dieser sprang herbei und schlug mit seiner Nilpeitsche in der Weise auf die Bedränger seines Gefährten ein, daß sie, die so etwas nicht erwartet hatten, Raum gaben. Dies benutzend, flogen die beiden Neger in weiten Sätzen davon, um das Loch und durch dasselbe das Freie zu gewinnen.

 

Einer der Schläfer, welche Lobo hatten ergreifen wollen, war ein Unteroffizier, ein Mann, welcher zu befehlen gewohnt war und mehr Umsicht besaß als die andern. Er sagte sich, daß die zwei Missethäter wohl ihrer Strafe entgehen würden, wenn niemand sie erkannt habe. Darum schrie er mit lauter Stimme in den Lärm hinein:

»Wer waren die beiden? Hat jemand ihre Gesichter gesehen?«

»Lobo und Tolo, die zwei Belanda waren es,« antwortete eine Stimme.

»So sind sie vom Noqer entflohen und haben sich, ehe der Eingang geschlossen wurde, in die Seribah geschlichen, um Abd el Mot zu ermorden. Sie sind noch in der Umzäunung. Eilt an die Thore und besetzt dieselben, damit die Mörder nicht hinaus können! Aber ruft alle Hunde herein, welche uns die Flüchtigen aufspüren werden!«

Infolge dieses Befehls rannte alles nach den Eingängen. Abd el Mot war natürlich erwacht. Er kam aus dem Zelte, um sich nach dem Grunde der großen Aufregung zu erkundigen. Der Unteroffizier erstattete ihm Bericht, und der »Diener des Todes« erteilte der Anordnung desselben seine Zustimmung.

So kam es, daß die ganze Bevölkerung der Seribah sich an den Eingängen versammelte und die beiden Neger das Loch ungehindert erreichen konnten. Lobo wollte durch dasselbe schnell hinaus in das Freie kriechen; aber der schlaue Tolo hielt ihn zurück und sagte:

»Halt, warte! Hörst du nicht, daß man den Hunden ruft und pfeift? Gehen wir jetzt hinaus, so treffen wir auf diese Tiere, welche uns zwar vielleicht nichts thun, aber uns sicher verraten werden. Wir müssen warten, bis sie alle herein sind.«

Lobo sah die Wahrheit dieser Worte ein und blieb stehen. Die beiden hörten mehrere Hunde an dem Loche vorüber und nach dem nächsten Thore rennen. Dort erklang der Befehl Abd el Mots:

»Bindet sie an Leinen, damit sie uns führen können! Und bringt sie an meine Hütte, auf die Spur der Neger!«

»Jetzt ist es Zeit!« flüsterte Tolo. »Schnell hinaus und fort!«

»Die Hunde werden das Loch finden,« antwortete Lobo, »und die Verfolger auf unsre Fährte bringen. Könnten wir reiten, so würden unsre Füße den Boden nicht berühren und die Hunde verlören unsre Spur.«

»Reiten ist unmöglich.«

»Warum nicht? Draußen in der Murrah stehen Pferde und auch Kamele.«

»Aber die Wächter sind bei ihnen; diese Leuten haben den Lärm vernommen und werden sehr aufmerksam sein.«

»Überfallen wir sie!«

»Nein. Es sind ihrer zu viele für uns und wir haben nur ein Messer. Und selbst wenn es uns gelänge, sie zu überwältigen, würde dabei so viel Zeit vergehen, daß die Hunde bei uns wären, ehe wir die Pferde hätten. Wir müssen laufen.«

Sie krochen hinaus und rannten davon, an der Murrha vorüber und in der Richtung, in welcher ihre Heimat lag, in die Nacht hinein.

Als sie glaubten, daß das Loch schnell entdeckt werden würde, hatten sie sich geirrt. Es waren über zwanzig Hunde vorhanden, welche nach dem Tokul Abd el Mots geführt wurden. Dort gab es eine Menge von Spuren, und jetzt wurden dazu so viel neue gemacht, daß es für die Tiere ganz unmöglich gewesen wäre, die richtige zu entdecken. Aber die Hunde verstanden überhaupt gar nicht, um was es sich handelte. Man richtete ihre Nasen zwar auf die Erde, aber man konnte ihnen nicht begreiflich machen, welche Aufgabe man ihnen stelle. Sie suchten im Kreise umher und wollten in den verschiedensten Richtungen davon.

»So geht es nicht,« sagte Abd el Mot. »Sie wissen nicht, wen sie suchen sollen. Wir müssen es ihnen zeigen.«

»Das können wir nicht,« sagte ein alter Tschausch, welcher Befehlshaber über hundert war. »Etwas zu zeigen, was man selbst weder sieht noch weiß, ist unmöglich.«

»Dein Bart ist weiß, aber deine Gedanken sind dunkel,« antwortete der Kommandant. »Die Neger sind vom Schiffe entflohen; dort ist der richtige Ort, den Hunden zu zeigen, was wir wollen. Ich werde selbst gehen und nehme nur den meinigen mit; er ist der beste von allen. Schafft das Boot an das Wasser, doch nicht auf dem Pfade, den die Neger wahrscheinlich gekommen sind! Ihr würdet sonst mit euren Füßen die Fährte verderben. Ich werde euch führen.«

Er nahm seinen Hund an der Leine und schritt dem Haupteingange zu, wo das Boot lag. Sechs Männer nahmen es auf ihre Schultern und folgten ihm. Er wählte einen schmalen Pfad, welcher oberhalb desjenigen, welcher direkt nach dem Schiffe führte, durch den Wald an das Wasser ging. Als sie das Ufer erreicht hatten, wurde das Boot ins Wasser gesetzt und Abd el Mot stieg mit dem Hunde und zwei Männern, welche rudern sollten, ein. Die andern konnten zurückgehen.

Beim Noqer angekommen, stieg der Kommandant an Bord und ließ sich den Hund heraufheben; die Ruderer durften das Schiff nicht betreten, um die Fährte nicht zu verwischen.

Der gut dressierte Hund blieb bei seinem Herrn stehen, der das Verdeck überschaute, was ihm der helle Sternenschimmer erlaubte. Es war kein Mensch zu sehen. Abd el Mot rief den Namen des Wächters, empfing aber keine Antwort. Er rief die beiden Neger, doch mit demselben Mißerfolge. Der Hund bewegte die Ohren, richtete den Kopf zu seinem Herrn empor und stieß die Luft leise pfeifend durch die Nase.

»Du weißt etwas? Du hast etwas gehört? Führe mich!« forderte Abd el Mot das Tier auf, indem er die Leine lockerte

Das Tier zog ihn an derselben unter das Verdeck bis hin zur Stelle, wo der Wächter lag. Der Araber beugte sich zu demselben nieder, um ihn zu betasten, zog ihm den Knebel aus dem Munde, ohne ihm aber die Stricke zu lösen, und fragte mit vor Zorn bebender Stimme:

»Wer hat dich überwältigt und hierher gebracht?«

»Die Neger. Amahn, amahn!«

»Wo sind dieselben?«

»Jedenfalls entflohen. Ich kann nicht dafür. Sie überfielen mich von hinten und ohne daß ich es ahnen konnte. Du wirst es mir verzeihen!«

Er kannte die Strenge seines Vorgesetzten; seine Stimme zitterte vor Angst. Abd el Mot antwortete nicht und fragte auch nicht weiter. Er nahm den gefesselten Mann auf die Schulter und trug ihn hinauf auf das Deck.

»Um Allahs und des Propheten willen, verzeihe mir!« schrie der Wächter, welcher aus dem Verhalten des Kommandanten schloß, was dieser beabsichtigte.

»Allah und der Prophet mögen dir gnädig sein, ich habe nichts dagegen,« antwortete dieser; »aber mich darfst du nicht um Verzeihung bitten. Wer meinen Befehlen nicht gehorcht und seinen Dienst vernachlässigt, den kann ich nicht brauchen. Hast du die Sklaven über Bord gelassen, so sollst du zur Strafe denselben Weg nehmen!«

Der Mann wand sich vergebens in den Armen des Arabers, um sich los zu machen, und flehte mit vor Todesangst kreischender Stimme:

»Sei gnädig, Herr, denn auch du wirst einst von Gott Gnade verlangen!«

»Schweig, Hund, und fahre zur Hölle!«

Er warf ihn über Bord und blieb dann mit vorgebeugtem Körper stehen, um zu sehen, wie der Mann im Wasser verschwand. Nach wenigen Augenblicken tauchte derselbe für kurze Zeit wieder auf und brüllte, indem er das in den Mund gedrungene Wasser von sich sprudelte:

»Allah jilanak kullu abadli – Gott verdamme dich in alle Ewigkeit!«

»Ma‘ assalahme ia kelb – gehab‘ dich wohl, du Hund!« lachte der Araber ihm höhnisch nach.

Er sah zwei Furchen, welche sich blitzschnell der Stelle näherten, an welcher der Unglückliche wieder am Versinken war; sie wurden von zwei Krokodilen gezogen, die durch das Geräusch, welches der fallende Körper im Wasser hervorgebracht hatte, aufmerksam geworden waren. Sie schnappten zu gleicher Zeit nach ihm – ein entsetzlicher Schrei, und die gierigen Ungeheuer verschwanden mit seinem zerrissenen Körper in der Tiefe.

Das noch größere Ungeheuer droben auf dem Deck aber murmelte befriedigt: