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Durch die Wuste

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»Bist du der Freund oder der Diener dieses Effendi?«

»Ich bin sein Diener und sein Freund.«

Da wandte sie sich wieder zu mir:

»Sihdi, komm und folge mir!«

»Wohin?«

»Bist du ein Schwätzer, oder fürchtest du dich vor einem Weibe?«

»Pah! Vorwärts!«

Sie wandte ihr Kamel und ritt auf derselben Spur zurück, welche die Füße des Tieres vorher im Sande zurückgelassen hatten. Ich hielt mich an ihrer Seite, und die andern beiden blieben hinter uns.

»Nun,« fragte ich zu Albani zurück, »hatte ich nicht recht mit dem Abenteuer, welches ich Ihnen vorhersagte?«

Albani sang statt der Antwort:

»Dös Dirndel ist saubaVom Fuaß bis zum Kopf,Nur am Hals hat‘s a Binkerl,Dös hoaßt man an Kropf.«

Das Weib war allerdings nicht mehr jugendlich, und die Strahlen der Wüstensonne, sowie die Strapazen und Entbehrungen hatten ihr Angesicht gebräunt und demselben bereits Furchen eingegraben; aber einst war sie gewiß nicht häßlich gewesen, das sah man ihr heute noch sehr deutlich an. Was führte sie so ganz allein in die Wüste? Warum hatte sie den Weg nach Dschidda eingeschlagen und kehrte nun mit uns zurück? Warum war sie sichtlich erfreut gewesen, als sie hörte, daß Halef nach Mekka gehen wolle, und warum sagte sie nicht, wohin sie uns führen werde? – Sie war mir ein Rätsel. Sie trug eine Flinte und an ihrem Gürtel einen Yatagan; ja, in den Sattelriemen des Kameles hatte sie sogar einen jener Wurfspieße stecken, welche in der Hand eines gewandten Arabers so gefährlich sind. Sie machte ganz den Eindruck einer selbständigen, furchtlosen Amazone, und dieses letztere Wort war ganz am Platze, da solche kriegerische Frauen in manchen Gegenden des Orients öfter zu sehen sind, als im Abendlande, wo dem Weibe doch eine freiere Stellung gewährt ist.

»Was ist das für eine Sprache?« fragte sie, als sie die Antwort Albanis hörte.

»Die Sprache der Deutschen.«

»So bist du ein Nemtsche?«

»Ja.«

»Die Nemtsche müssen tapfere Leute sein.«

»Warum?«

»Der tapferste Mann war der »Sultan el Kebihr«, und dennoch haben ihn die Nemtsche-schimakler[87], die Nemtsche-memleketler[88] und die Moskowler besiegt. Warum werde ich von deinem Auge so scharf betrachtet?«

Sie hatte also von Napoleon und von dem Ausgang der Freiheitskriege gehört; sie hatte sicher eine nicht gewöhnliche Vergangenheit hinter sich.

»Verzeihe mir, wenn mein Auge dich beleidigt hat,« antwortete ich. »Ich bin nicht gewohnt, in deinem Lande ein Weib so kennen zu lernen, wie dich.«

»Ein Weib, welches Waffen trägt? Welches Männer tötet? Welches sogar seinen Stamm regiert? Hast du nicht von Ghalië gehört?«

»Ghalië?« fragte ich, mich besinnend; »war sie nicht vom Stamme Begum?«

»Ich sehe, daß du sie kennst.«

»Sie war der eigentliche Scheik ihres Stammes und schlug in der Schlacht bei Taraba die Truppen des Mehemed Ali, welche Tunsun-Bei kommandierte?«

»So ist es. Siehst du nun, daß auch ein Weib sein darf wie ein Mann?«

»Was sagt der Kuran dazu?«

»Der Kuran?« fragte sie mit einer Gebärde der Geringschätzung. »Der Kuran ist ein Buch; hier habe ich meinen Yatagan, mein Tüfenk[89] und meinen Dscherid[90]. Woran glaubst du? An das Buch oder an die Waffen?«

»An die Waffen. Du siehst also, daß ich kein Giaur bin, denn ich denke ganz dasselbe, was du denkst.«

»Glaubst du auch an deine Waffen?«

»Ja; noch viel, viel mehr aber an das Kitab-aziz[91] der Christen.«

»Ich kenne es nicht, aber deine Waffen sehe ich.«

Das war nun allerdings ein Kompliment für mich, da der Araber gewohnt ist, den Mann nach den Waffen zu beurteilen, welche er trägt. Sie fuhr fort:

»Wer hat mehr Feinde getötet, du oder dein Freund?«

Kam es auf die Waffen an, so mußte Albani allerdings bedeutend tapferer sein als ich; dennoch war ich überzeugt, daß der gute Triester mit seinem Sarras gewiß noch keinem Menschen gefährlich geworden sei. Ich antwortete aber ausweichend:

»Ich habe mit ihm noch nicht darüber gesprochen.«

»Wie viele Male hast du eine Intikam[92] gehabt?«

»Noch nie. Mein Glaube verbietet mir, selbst meinen Feind zu töten; er wird getötet durch das Gesetz.«

»Aber wenn jetzt Abu-Seïf käme und dich töten wollte?«

»So würde ich mich wehren und ihn im Notfalle töten, denn die Notwehr ist hier erlaubt. Aber du sprichst vom »Vater des Säbels«; kennst du ihn?«

»Ich kenne ihn. Auch du nennst seinen Namen; hast du von ihm gehört?«

»Ich habe nicht bloß von Abu-Seïf gehört, sondern ihn gesehen.«

Sie wandte sich mit einer raschen Bewegung zu mir herum.

»Gesehen? Wann?«

»Vor noch nicht vielen Stunden.«

»Und wo?«

»Zuletzt auf seinem Schiffe. Ich war sein Gefangener und bin ihm gestern entflohen.«

»Wo ist sein Schiff?«

Ich deutete die Richtung an, in der ich es noch vermuten mußte.

»Dort liegt es in einer Bucht versteckt.«

»Und er ist darauf?«

»Nein. Er ist in Mekka, um dem Großscherif ein Geschenk zu bringen.«

»Der Großscherif ist nicht in Mekka, sondern in Taïf. Ich habe dir eine große Botschaft zu verdanken. Komm!«

Sie trieb ihr Dschemmel zu größerer Eile an und lenkte nach einiger Zeit nach rechts ein, wo eine Reihe von Bodenerhebungen am Horizonte sichtbar wurde. Als wir näher kamen, bemerkte ich, daß dieser Höhenzug aus demselben schönen grauen Granit bestand, wie ich ihn später bei Mekka wieder fand. In einer Talmulde standen einige Zelte. Sie deutete mit der Hand auf dieselben und meinte:

»Dort wohnen sie.«

»Wer?«

»Die Beni-küfr[93] vom Stamme der Ateïbeh.«

»Ich denke, die Ateïbeh wohnen in El Zallaleh, Taleh und dem Wadi el Nobejat?«

»Du bist recht berichtet; aber komm. Du sollst alles erfahren!«

Vor den Zelten lagen wohl an die dreißig Kamele nebst einigen Pferden am Boden, und eine Anzahl dürrer, struppiger Wüstenhunde erhob bei unserem Nahen ein wütendes Geheul, infolgedessen die Insassen der Zelte hervortraten. Sie hatten ihre Waffen ergriffen und zeigten ein sehr kriegerisches Aussehen.

»Wartet hier!« befahl die Gebieterin.

Sie ließ ihr Kamel niederknieen, stieg ab und trat zu den Männern. Mein Gespräch mit ihr war weder von Albani noch von Halef vernommen worden.

»Sihdi,« fragte Halef, »zu welchem Stamme gehören diese Leute?«

»Zum Stamme Ateïbeh.«

»Ich habe von ihm gehört. Zu ihm zählen die tapfersten Männer dieser Wüste, und keine Pilgerkarawane ist vor ihren Kugeln sicher. Sie sind die größten Feinde der Dscheheïne, zu denen Abu Seïf gehört. Was will das Weib von uns?«

»Ich weiß es noch nicht.«

»So werden wir es erfahren. Aber halte deine Waffen bereit, Sihdi; ich traue ihnen nicht, denn es sind Ausgestoßene und Verfluchte.«

»Woran erkennst du dies?«

»Weißt du nicht, daß alle Bedawis[94], welche in der Gegend von Mekka wohnen, die Tropfen von den Wachslichtern, die Asche von dem Räucherholze und den Staub von der Türschwelle der Kaaba sammeln und sich damit die Stirn einreiben? Diese Männer hier aber haben nichts an ihren Stirnen; sie dürfen nicht nach Mekka und nicht zur Kaaba; sie sind verflucht.«

»Aus welchem Grunde kann man sie ausgestoßen haben?«

»Das werden wir vielleicht von ihnen erfahren.«

Unterdessen hatte die Frau einige Worte zu den Männern gesprochen, worauf einer von ihnen sich uns näherte. Er war ein Greis von ehrwürdigem Aussehen.

»Allah segne eure Ankunft! Steigt ab, und tretet in unsere Zelte. Ihr sollt unsere Gäste sein.«

 

Diese letztere Versicherung gab mir die Ueberzeugung, daß wir keinerlei Gefahr bei ihnen zu fürchten hätten. Hat der Araber einmal das Wort Def[95] ausgesprochen, so darf man ihm vollständiges Vertrauen schenken. Wir stiegen von unseren Tieren und wurden in eines der Zelte geführt, wo wir uns auf dem Serir[96] niederließen und mit einem frugalen Mahle bewirtet wurden.

Während wir aßen, ward kein Wort gesprochen. Dann aber wurde uns je ein Bery gereicht, und während wir den scharfen Tombaktabak rauchten, der wohl aus Bagdad oder Basra stammte, begann die Unterhaltung.

Daß wir nur einen Bery erhielten, war ein sicherer Beweis, daß diese Leute keine Reichtümer besaßen. In der Gegend der heiligen Stadt raucht man nämlich aus dreierlei Pfeifensorten. Die erste und kostbarste Sorte ist der Khedra. Er ruht gewöhnlich auf einem Dreifuß, besteht aus gediegenem, schön ziseliertem Silber und ist mit einem langen Schlauch versehen, welcher Leiëh genannt wird und je nach dem Reichtume des Besitzers mit Edelsteinen oder anderem Schmucke geziert ist. Aus dem Khedra raucht man meist nur den köstlichen Tabak von Schiras. Die zweite Art der Pfeifen ist der Schischeh. Er ist dem Khedra ziemlich ähnlich, nur etwas kleiner und weniger kostbar. Die dritte und gewöhnlichste Sorte ist der Bery. Er besteht aus einer mit Wasser gefüllten Kokosschale, in welcher der Kopf und – statt des Schlauches – ein Rohr befestigt wird.

Es waren über zwanzig Männer in dem Zelte. Der Alte, welcher uns begrüßt hatte, führte das Wort:

»Ich bin der Scheik el Urdi[97] und habe mit dir zu reden, Sihdi. Die Sitte verbietet, den Gast mit Fragen zu quälen; aber ich werde dich dennoch nach Einigem fragen müssen. Erlaubst du mir es?«

»Ich erlaube es.«

»Du gehörst zu den Neßarah?«

»Ja, ich bin ein Christ.«

»Was tust du hier im Lande der Gläubigen?«

»Ich will dieses Land und seine Bewohner kennen lernen.«

Er machte ein sehr zweifelvolles Gesicht.

»Und wenn du es kennen gelernt hast, was tust du dann?«

»Ich kehre in meine Heimat zurück.«

»Allah akbar, Gott ist groß, und die Gedanken der Neßarah sind unerforschlich! Du bist mein Gast, und ich werde glauben, was du sagest. Ist dieser Mann dein Diener?«

Er deutete dabei auf Halef.

»Er ist mein Diener und mein Freund.«

»Mein Name ist Malek. Du hast mit Bint-Scheik-Malek[98] gesprochen; sie sagte mir, daß dein Diener nach Mekka gehen wolle, um ein Hadschi zu werden.«

»Sie hat dir das Rechte gesagt.«

»Du wirst auf ihn warten, bis er zurückkehrt?«

»Ja.«

»Wo?«

»Ich weiß es noch nicht.«

»Du bist ein Fremdling, aber du kennst die Sprache der Gläubigen. Weißt du, was ein Delyl ist?«

»Ein Delyl ist ein Führer, welcher das Gewerbe treibt, den Pilgern die heiligen Orte und die Merkwürdigkeiten von Mekka zu zeigen.«

»Du weißt es. Aber ein Delyl betreibt auch noch ein anderes Geschäft. Es ist den ledigen Frauen verboten, die heilige Stadt zu betreten. Wenn nun eine Jungfrau nach Mekka will, so geht sie nach Dschidda und vermählt sich der Form nach mit einem Delyl. Er bringt sie als sein Weib nach Mekka, wo sie die Faradh und Wadschib[99] erfüllt; wenn dies geschehen ist, gibt er sie wieder los; sie bleibt eine Jungfrau, und er wird für seine Mühe bezahlt.«

»Auch dies weiß ich.«

Die Einleitung des alten Scheik machte mich neugierig. Welche Absichten leiteten ihn, die Pilgerfahrt Halefs mit dem Amte eines Delyl in Verbindung zu bringen? Ich sollte es sofort erfahren, denn ohne jeden Uebergang bat er:

»Erlaube deinem Diener, für die Zeit seiner Hadsch ein Delyl zu sein!«

Das war überraschend.

»Wozu?« fragte ich ihn.

»Das werde ich dir sagen, nachdem du die Erlaubnis ausgesprochen hast.«

»Ich weiß nicht, ob er darf. Die Delyls sind Beamte, welche jedenfalls von der Behörde eingesetzt werden.«

»Wer will ihm verbieten, eine Jungfrau zu heiraten und sie nach der Pilgerfahrt wieder frei zu geben?«

»Das ist richtig. Was mich betrifft, so gebe ich meine Erlaubnis gern, wenn du denkst, daß sie erforderlich ist. Er ist ein freier Mann; du mußt dich an ihn selbst wenden.«

Es war ein förmlicher Genuß, das Gesicht meines guten Halef zu beobachten. Er war ganz verdutzt.

»Willst du es tun?« fragte ihn der Alte.

»Darf ich das Mädchen vorher sehen?«

Der Scheik lächelte ein wenig und antwortete dann:

»Warum willst du sie vorher sehen? Ob sie alt ist oder jung, ob schön oder häßlich, das ist ganz gleichgültig; denn du wirst sie nach der Hadsch doch wieder freigeben.«

»Sind die Benaht el Arab[100] wie die Töchter der Türken, welche sich nicht sehen lassen dürfen?«

»Die Töchter der Araber brauchen ihr Gesicht nicht zu verbergen. Du sollst das Mädchen sehen.«

Auf seinen Wink erhob sich einer der Anwesenden vom Boden und verließ das Zelt. Nach kurzer Zeit trat er mit einem Mädchen ein, dessen Aehnlichkeit mit der Amazone mich erraten ließ, daß diese die Mutter desselben sei.

»Das ist sie; blicke sie an!« sagte der Scheik.

Halef machte von dieser Erlaubnis einen sehr ausgiebigen Gebrauch. Die vielleicht fünfzehnjährige, aber bereits vollständig erwachsene dunkeläugige Schöne schien ihm zu gefallen.

»Wie heißest du?« fragte er sie.

»Hanneh[101],« antwortete sie.

»Dein Auge glänzt wie Nur el Kamar[102]; deine Wangen leuchten wie Zahari[103]; deine Lippen glühen wie Römmahm[104], und deine Wimpern sind schattig wie die Blätter von el Szemt[105]. Mein Name lautet Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah, und wenn ich kann, so werde ich deinen Wunsch erfüllen.«

Die Augen meines Halef leuchteten auch, aber nicht bloß wie Nur el Kamar, sondern wie Nur esch Schemms[106]; seine Sprache trieb poetische Blüten; vielleicht stand er am Rande desselben Abgrundes, welcher die Hadschi-Hoffnungen seines Vaters und Großvaters, weiland Abul Abbas und Dawud al Gossarah, verschlungen hatte: der Abgrund der Liebe und der Ehe.

Das Mädchen entfernte sich wieder, und der Scheik fragte ihn:

»Wie lautet dein Entschluß?«

»Frage meinen Herrn. Wenn er nicht abrät, werde ich deinen Wunsch erfüllen.«

»Dein Herr hat bereits gesagt, daß er dir die Erlaubnis gibt.«

»So ist es!« stimmte ich bei. »Aber sage uns nun auch, warum dieses Mädchen nach Mekka soll und warum sie sich nicht in Dschidda einen Delyl sucht?«

»Kennst du Achmed-Izzet-Pascha?«

»Den Gouverneur von Mekka?«

»Ja, du mußt ihn kennen, denn jeder Fremdling, der Dschidda betritt, stellt sich ihm vor, um seinen Schutz zu erhalten.«

»Er wohnt also in Dschidda? Ich bin nicht bei ihm gewesen; ich brauche nicht den Schutz eines Türken.«

»Du bist zwar ein Christ, aber du bist ein Mann. Der Schutz des Pascha ist nur gegen hohen Preis zu erhalten. Ja, er wohnt nicht in Mekka, wohin er eigentlich gehört, sondern in Dschidda, weil dort der Hafen ist. Sein Gehalt beträgt über eine Million Piaster, aber er weiß sein Einkommen bis auf das Fünffache zu bringen. Ihm muß jeder zahlen, sogar der Schmuggler und der Seeräuber, und darum eben wohnt er in Dschidda. Man sagte mir, daß du Abu-Seïf gesehen hast?«

»Ich habe ihn gesehen.«

»Nun, dieser Räuber ist ein guter Bekannter des Pascha.«

»Nicht möglich!«

»Warum nicht? Was ist vorteilhafter: einen Dieb zu töten oder ihn leben zu lassen, um eine Rente von ihm zu beziehen? Abu-Seïf ist ein Dscheheïne; ich bin ein Ateïbeh. Diese beiden Stämme leben in Todfeindschaft; dennoch wagte er es, sich an unser Duar[107] zu schleichen und mir meine Tochter zu rauben. Er zwang sie, sein Weib zu sein; aber sie entkam ihm einst und brachte mir ihre Tochter mit zurück. Du hast beide gesehen; mit meiner Tochter bist du angekommen, und die ihrige war soeben hier im Zelte. Seit jener Zeit suche ich ihn, um mit ihm abzurechnen. Einmal habe ich ihn gefunden; das war im Seraj[108] des Statthalters. Dieser schützte den Räuber und ließ ihn entkommen, während ich vor dem Tore auf ihn lauerte. Später einmal sandte mich der Scheik meines Stammes mit diesen Männern hier nach Mekka, um eine Opfergabe nach der Kaaba zu bringen. Wir lagerten nicht weit von der Pforte er Ramah; da sah ich Abu-Seïf mit einigen seiner Leute kommen; er wollte das Heiligtum besuchen. Der Zorn übermannte mich; ich ergriff ihn, trotzdem bei der Kaaba jeder Streit verboten ist. Ich wollte ihn nicht töten, sondern ihn nur zwingen, mir zu folgen, um draußen vor der Stadt mit ihm zu kämpfen. Er wehrte sich, und seine Männer halfen ihm. Es entspann sich ein Kampf, der damit endete, daß die Eunuchen herbeieilten und uns gefangen nahmen, ihm aber und den Seinigen die Freiheit ließen. Zur Strafe wurden uns die heiligen Orte verboten. Unser ganzer Stamm wurde verflucht und mußte uns ausstoßen, um des Fluches wieder ledig zu werden. Nun sind wir geächtet. Aber wir werden uns rächen und diese Gegend verlassen. Du bist ein Gefangener von Abu-Seïf gewesen?«

 

»Ja.«

»Erzähle es!«

Ich gab ihm einen kurzen Bericht über das Abenteuer.

»Weißt du den Ort genau, an welchem sein Schiff verborgen liegt?«

»Ich würde ihn selbst bei Nacht wieder finden.«

»Willst du uns hinführen?«

»Ihr werdet die Dscheheïne töten?«

»Ja.«

»So verbietet mir mein Glaube, euer Führer zu sein.«

»Du darfst dich nicht rächen?«

»Nein, denn unsere Religion gebietet uns, selbst unsere Feinde zu lieben. Nur die Behörde hat das Recht, den Bösen zu bestrafen, und ihr seid keine Richter.«

»Deine Religion ist lieblich; wir aber sind keine Christen und werden den Feind bestrafen, weil er beim Richter Schutz finden würde. Du hast mir den Ort beschrieben, und ich werde das Schiff auch ohne deine Hilfe entdecken. Nur versprich mir, daß du die Dscheheïne nicht warnen willst.«

»Ich werde sie nicht warnen, denn ich habe keine Lust, ihr Gefangener noch einmal zu sein.«

»So sind wir einig. Wann wird Halef nach Mekka gehen?«

»Morgen, wenn du es mir erlaubst, Sihdi,« antwortete der Diener an meiner Stelle.

»Du kannst morgen gehen.«

»So laß ihn gleich bei uns bleiben,« bat der Scheik. »Wir werden ihn so weit an die Stadt begleiten, als wir ihr nahen dürfen, und ihn dir dann zurückbringen.«

Da kam mir ein Gedanke, dem ich sofort Ausdruck gab:

»Darf ich mit euch ziehen und bei euch auf ihn warten?«

Ich bemerkte sofort, daß dieser Wunsch allgemeine Freude erregte.

»Effendi, ich sehe, daß du die Ausgestoßenen nicht verachtest,« antwortete der Scheik. »Du sollst uns willkommen sein! Du bleibst gleich hier bei uns und hilfst uns am Abend die Ewlenma[109] schließen.«

»Das geht nicht. Ich muß zuvor nach Dschidda zurück, um meine Geschäfte abzuschließen. Mein Wirt muß wissen, wo ich mich befinde.«

»So werde ich dich bis vor die Tore der Stadt begleiten. Auch sie darf ich nicht betreten, denn sie ist eine heilige Stadt. Wann willst du reiten?«

»Sogleich, wenn es dir beliebt. Ich brauche nur wenig Zeit, um wieder mit dir zurückzukehren. Soll ich dir einen Kadi oder Mullah mitbringen für den Abschluß der Verheiratung?«

»Wir brauchen weder einen Kadi noch einen Mullah. Ich bin der Scheik meines Lagers, und was vor mir geschieht, hat Kraft und Gültigkeit. Aber ein Pergament oder ein Papier magst du mir bringen, auf welches wir den Vertrag niederschreiben. Das Mohür und Gemedsch[110] habe ich.«

In kurzer Zeit standen die Kamele bereit; wir stiegen auf. Die kleine Truppe bestand außer uns dreien aus dem Scheik, seiner Tochter und fünf Ateïbeh. Ich folgte dem Alten ohne Einrede, obgleich ich bemerkte, daß er nicht den geraden Weg einschlug, sondern sich mehr rechts nach dem Meere zu hielt. Albani hatte jetzt nicht mehr so viel Not wie vorher, sich auf seinem Kamele zu halten, und die langen Beine der Tiere warfen den Weg förmlich hinter sich.

Da hielt der Scheik an und deutete mit der Hand seitwärts.

»Weißt du, was da drüben liegt, Effendi?«

»Was?«

»Die Bucht, in welcher das Schiff des Räubers liegt. Habe ich es erraten?«

»Du kannst denken, aber du sollst mich nicht fragen.«

Er hatte ganz richtig geraten und schwieg. Wir ritten weiter. Nach einiger Zeit zeigten sich zwei kleine Punkte am Horizonte, gerade in der Richtung auf Dschidda zu. Wie es schien, kamen sie uns nicht entgegen, sondern verfolgten eine Richtung, welche sie nach der soeben erwähnten Bucht bringen mußte. Es waren Fußgänger, wie ich durch das Fernrohr erkannte. Das mußte hier in der Wüste auffallen, und es lag der Gedanke nahe, daß sie zu den Leuten von Abu-Seïf gehörten. Es war sehr zu vermuten, daß mein Wächter dem Kapitän unsere Flucht hatte melden lassen, und in diesem Falle konnten diese beiden Männer die jetzt zurückkehrenden Boten sein.

Auch Malek hatte sie erkannt und beobachtete sie scharf. Dann wandte er sich zu seinen Leuten und flüsterte ihnen eine Weisung zu. Sofort wandten sich drei von ihnen in der Richtung zurück, aus welcher wir gekommen waren. Ich durchschaute die Absicht. Malek vermutete ganz dasselbe wie ich und wollte die Männer in seine Gewalt bekommen. Um dies zu bewirken, mußte er ihnen den Weg nach der Bucht abschneiden, aber so, daß sie es nicht merkten. Daher schob er seine drei Männer nicht schräg vor, sondern er ließ sie scheinbar zurückkehren und dann, sobald sie aus dem Gesichtskreis der Betreffenden verschwunden waren, einen Bogen schlagen. Während wir andern unsern Weg fortsetzten, fragte er:

»Effendi, willst du ein wenig auf uns warten, oder reitest du nach der Stadt, wo du uns am Tore finden wirst?«

»Du willst diese Männer sprechen, und ich werde bei dir bleiben, bis du mit ihnen geredet hast.«

»Es sind vielleicht Dscheheïne!«

»Ich denke es auch. Deine drei Männer schneiden sie vom Schiffe ab; reite du hier schief hinüber, und ich will mit Halef unsere bisherige Richtung fortsetzen, damit es ihnen nicht einfällt, nach Dschidda zurückzufliehen.«

»Dein Rat ist gut; ich folge ihm.«

Er bog ab, und ich gab Albani einen Wink, sich ihm anzuschließen. Dieser hatte es so leichter, da ich mit Halef den schärfsten Galopp einschlagen mußte. Wir zwei flogen wie im Sturme dahin und lenkten, als wir in gleicher Linie mit den Verfolgten waren, hinter ihren Rücken ein. Sie merkten erst jetzt unsere Absicht und zögerten. Hinter sich hatten sie mich mit Halef, seitwärts von ihnen kam Malek auf sie zu, und nur der Weg vor ihnen schien noch frei zu sein. Sie setzten ihn mit verdoppelter Eile fort, waren aber doch noch nicht weit gekommen, als die drei Ateïbeh vor ihnen auftauchten. Trotzdem es ihnen in dieser Entfernung nicht möglich gewesen war, einen von uns zu erkennen, mußten sie doch Feinde in uns vermuten und versuchten, uns im schnellsten Laufe zu entkommen. Es gab eine Möglichkeit dazu. Sie waren bewaffnet. Wenn sie sich teilten, so mußten wir dies auch tun, und dann war es einem sicher zielenden, kaltblütigen Fußgänger nicht ganz unmöglich, es mit zwei und auch drei Kamelreitern aufzunehmen. Sie aber kamen auf diesen Gedanken entweder nicht, oder es fehlte ihnen an Mut, denselben auszuführen. Sie blieben zusammen und wurden von uns zu ganz gleicher Zeit umringt. Ich erkannte sie auf der Stelle; es waren wirklich zwei von den Schiffsleuten.

»Woher kommt ihr?« fragte sie der Scheik.

»Von Dschidda,« antwortete der eine.

»Wohin wollt ihr?«

»In die Wüste, um Trüffel zu suchen.«

»Trüffel suchen? Ihr habt weder Tiere noch Körbe bei euch!«

»Wir wollen nur erst sehen, ob diese Schwämme hier wachsen; dann holen wir die Körbe.«

»Von welchem Stamme seid ihr?«

»Wir wohnen in der Stadt.«

Das war nun allerdings sehr frech gelogen, denn diese Männer mußten ja wissen, daß ich sie kannte. Auch Halef ärgerte sich über ihre Dreistigkeit. Er lockerte seine Peitsche und meinte:

»Glaubt ihr etwa, daß dieser Effendi und ich blind geworden sind? Ihr seid Schurken und Lügner! Ihr seid Dscheheïne und gehört zu Abu-Seïf. Wenn ihr es nicht gesteht, wird euch meine Peitsche sprechen lehren!«

»Was geht es euch an, wer wir sind?«

Ich sprang vom Kamele, ohne es niederknien zu lassen, und nahm die Peitsche aus Halefs Hand.

»Laßt euch nicht verlachen, ihr Männer! Hört, was ich euch sage! Was diese Krieger vom Stamme der Ateïbeh mit euch haben und von euch wollen, das geht mich nichts an; mir aber sollt ihr Antwort geben auf einige Fragen. Tut ihr es, so habt ihr von mir nichts weiter zu befürchten; tut ihr es aber nicht, so werde ich euch mit dieser Peitsche in der Art zeichnen, daß ihr euch nie wieder vor einem freien, tapferen Ibn Arab sehen lassen könnt!«

Mit Schlägen drohen, ist eine der größten Beleidigungen für einen Beduinen. Die beiden griffen auch sofort nach ihren Messern.

»Wir würden dich töten, ehe du zu schlagen vermagst,« drohte der eine.

»Ihr habt wohl noch nicht erfahren, wie mächtig eine Peitsche aus der Haut des Nilpferdes ist, sobald sie sich in der Hand eines Franken befindet. Sie schneidet so scharf wie ein Yatagan; sie fällt schwerer nieder als eine Keule, und sie ist schneller als eine Kugel aus euren Tabandschab[111]. Seht ihr denn nicht, daß die Waffen aller dieser Männer auf euch gerichtet sind? Laßt also eure Messer im Gürtel und antwortet! Ihr seid zu Abu-Seïf gesandt worden?«

»Ja,« klang es zögernd, da sie bemerkten, daß kein Entrinnen war.

»Um ihm zu sagen, daß ich euch entkommen bin?«

»Ja.«

»Wo habt ihr ihn getroffen?«

»In Mekka.«

»Wie seid ihr so schnell nach Mekka und wieder zurückgekommen?«

»Wir haben uns in Dschidda Kamele gemietet.«

»Wie lange bleibt Abu-Seïf in der heiligen Stadt?«

»Nur kurze Zeit. Er will nach Taïf, wo sich der Scherif-Emir befindet.«

»So bin ich jetzt mit euch fertig.«

»Sihdi, du willst diese Räuber entkommen lassen?« rief Halef. »Ich werde sie erschießen, damit sie keinem mehr schaden können.«

»Ich habe ihnen mein Wort gegeben, und das wirst du mit mir halten. Folge mir!«

Ich stieg wieder auf und ritt davon. Halef folgte mir; Albani aber blieb noch zurück. Er hatte seinen langen Sarras gezogen; doch hatte ich zu ihm das gute Vertrauen, daß diese energische Pantomime sehr unschädlicher Natur sein werde. Er blieb auch wirklich sehr gelassen auf seinem Kamele sitzen, als die Ateïbeh absprangen, um die Dscheheïne zu bewältigen. Es gelang dies, nachdem einige unschädliche Messerstöße gewechselt worden waren. Die Gefangenen wurden je an ein Kamel gebunden, und die Reiter derselben wandten sich zurück, um die Gefangenen in das Lager zu schaffen. Die anderen folgten uns.

»Du hast sie begnadigt, Sihdi; aber sie werden dennoch sterben,« meinte Halef.

»Ihr Schicksal ist nicht meine und auch nicht deine Sache! Bedenke, was du heute werden sollst. Ein Bräutigam muß versöhnlich sein!«

»Sihdi, würdest du den Delyl bei dieser Hanneh machen?«

»Ja, wenn ich ein Moslem wäre.«

»Herr, du bist ein Christ, ein Franke, mit dem man von diesen Dingen reden kann. Weißt du, was die Liebe ist?«

»Ja. Die Liebe ist eine Koloquinte. Wer sie ißt, bekommt Bauchgrimmen.«

»O, Sihdi, wer wird die Liebe mit einer Koloquinte vergleichen! Allah möge deinen Verstand erleuchten und dein Herz erwärmen! Ein gutes Weib ist wie eine Pfeife von Jasmin und wie ein Beutel, dem nimmer Tabak mangelt. Und die Liebe zu einer Jungfrau, die ist – – die ist – – wie – der Turban auf einem kahlen Haupte und wie die Sonne am Himmel der Wüste.«

»Ja. Und wen ihre Strahlen treffen, der bekommt den Sonnenstich. Ich glaube, du hast ihn schon, Halef. Allah helfe dir!«

»Sihdi, ich weiß, daß du niemals ein Bräutigam sein willst; ich aber bin einer, und daher ist mein Herz geöffnet wie eine Nase, die den Duft der Blumen trinkt.«

Unser kurzes Gespräch war zu Ende, denn die anderen hatten uns nun eingeholt. Es wurde über das Vorgefallene kein Wort verloren, und als die Stadt in Sicht kam, ließ der Scheik seine Tiere halten. Er hatte zwei ledige Kamele mitgenommen, welche uns bei unserer Rückkehr tragen sollten.

»Hier werde ich warten, Sihdi,« sagte er. »Welche Zeit wird vergehen, bis du wieder kommst?«

»Ich werde zurück sein, ehe die Sonne einen Weg zurückgelegt hat, der so lang ist, wie deine Lanze.«

»Und das Tirscheh oder Kiahat[112] wirst du nicht vergessen?«

»Nein. Ich werde auch Mürek und ein Kalem[113] mitbringen.«

»Tue es. Allah schütze dich, bis wir dich wiedersehen!«

Die Ateïbeh hockten sich neben ihre Kamele nieder, und wir drei ritten in die Stadt.

»Nun, war das kein Abenteuer?« fragte ich Albani.

»Allerdings. Und was für eines! Es hätte ja beinahe Mord und Totschlag gegeben. Ich hielt mich wirklich zum Kampf bereit.«

»Ja, Sie hatten ganz das Aussehen eines rasenden Roland, mit dem nicht gut Kirschen essen ist. Wie ist Ihnen der Ritt bekommen?«

»Hm! Anfangs haben Sie mich bedeutend in Trab gebracht; dann aber ging es leidlich. Ich lobe mir ein gutes deutsches Kanapee! – Sie wollen mit diesen Arabern gehen? – So werden wir uns wohl nicht wiedersehen.«

»Wahrscheinlich, da Sie ja die nächste Gelegenheit zur Abreise benutzen wollen. Doch habe ich so viele Beispiele eines ganz unerwarteten Zusammentreffens erlebt, daß ich ein Wiedersehen zwischen uns nicht für unmöglich halte.«

Diese Worte sollten sich später wirklich erfüllen. Für jetzt aber nahmen wir, nachdem wir dem Kamelverleiher seine Tiere zurückgebracht hatten, einen so herzlichen Abschied, wie es Landsleuten ziemt, die sich in der weiten Ferne getroffen haben. Dann begab ich mich mit Halef nach meiner Wohnung, um meine Habseligkeiten zusammenzupacken und mich von Tamaru, dem Wirt, zu verabschieden. Ich hatte nicht geglaubt, daß ich seine Wohnung so bald aufgeben würde. Auf zwei gemieteten Eseln ritten wir wieder zur Stadt hinaus. Dort wurden die harrenden Kamele bestiegen, worauf wir mit den Ateïbeh nach ihrem Lager ritten.

87Nördlichen Deutschen.
88Oesterreicher.
89Flinte.
90Wurfspieß.
91Heiliges Buch.
92Blutrache.
93Verfluchten.
94Beduinen.
95Gast.
96Niedriges Holzgestell, mit Matten belegt.
97Gebieter des Lagers.
98Tochter des Scheik Malek.
99Unerläßliche und erforderliche Handlungen.
100Töchter der Araber.
101Anna.
102Licht des Mondes.
103Blumen.
104Granatäpfel.
105Akazie.
106Sonnenlicht.
107Zeltdorf.
108Palast.
109Verheiratung.
110Petschaft und Wachs.
111Pistolen.
112Pergament oder Papier.
113Tinte und eine Feder.