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Im Reiche des silbernen Löwen I

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Seine Augen waren tief gerötet, und seine Stimme klang heiser zischend, als er mich anfuhr:

»Hund, binde mich los! Wir müssen fort!«

Da ich auf diese Beleidigung schwieg, antwortete Halef an meiner Stelle:

»Wenn du in dieser Weise mit meinem Effendi sprichst, lassen wir euch die Fesseln und ihr werdet hier liegen bleiben, bis ihr verschmachtet!«

»Wir haben euch nichts gethan!«

»Allah scheint dir nicht wohlgesinnt zu sein, da er dir ein so schlechtes Gedächtnis gegeben hat.«

»Was ich sagte, geschah nur, weil ihr mich reiztet. Hättet ihr euch nicht für die Beherrscher von Ustrali und Yängi dunya ausgegeben!«

»Das thaten wir als wohlverdiente Antwort darauf, daß du dich Kaßim Mirza nanntest.«

»Ich heiße wirklich so!«

»Nein!«

»Beweise es, daß mein Name ein anderer ist!«

»Mach dich nicht lächerlich!«

»Wenn ich euch wieder treffe, wirst du mich wohl nicht lächerlich finden!«

»Du drohst uns also? Gut! Wir binden euch also nicht los!«

Er setzte sich zu mir und nahm sein Frühstück zur Hand. Da schlug der Perser einen andern Ton an. Er erklärte, daß er das Geschehene als ungeschehen betrachten wolle, nur möchten wir ihn losbinden, denn er müsse unbedingt fort. Seine Wut war jedenfalls so groß, daß sie gar nicht größer werden konnte. Wenn es ihm trotzdem gelang, sie zu beherrschen, so mußten es sehr zwingende Gründe sein, welche ihn den Fluß abwärts riefen. Ich überließ es Halef, weiter mit ihm zu sprechen. Dieser gab seinen Entschluß dahin kund:

»Du hast uns belogen, beleidigt und beschimpft; darum haben wir dir gezeigt, daß wir Männer sind, welche sich das nicht unbestraft gefallen lassen. Wir haben euch gebunden und nehmen die Riemen nur dann von euch, wenn du die Beleidigungen zurücknimmst, welche du ausgesprochen hast.«

»Ich nehme sie zurück.«

»Und uns um Verzeihung bittest!«

»Ich bitte darum.«

»Und uns versprichst, es nie wieder zu thun!«

»Allah verbrenne dich! Du darfst nicht allzuviel von mir verlangen!«

»Ganz wie du willst. Ihr bleibt also liegen!«

»Beim Barte meiner Ahnen, du bist der grausamste Mensch, den ich gesehen habe!«

»Mein Herz ist so weich und mild wie fließende Butter, wenn man thut, was ich verlange.«

»So stärke mich Allah! Ich werde also thun, was du gesagt hast.«

»Was?«

»Ich verspreche, euch nicht wieder zu beleidigen.«

»Schön! Wir werden dich also losbinden.«

»Aber gleich!«

»Wann und wie wir es thun werden, das kommt auf den berühmten Emir Hadschi Kara Ben Nemsi hier an.«

»Du hast gesagt, du seiest ein Scheik; also hast du wohl zu bestimmen!«

»Der Effendi ist ein noch viel größerer Scheik als ich. Er zählt seine Pferde nach Hunderten, seine Kamele nach Tausenden, und sein Harem wimmelt von schönen Frauen, welche ihm den Pillav und den gebratenen Hammel bereiten. Wende dich also an ihn!«

Das war dem Perser denn doch zu viel. Er schwieg. Ich beeilte mich mit dem Frühstücke und machte mich dann über die Feuerwaffen der Gefangenen her: Ich schoß ihre Pistolen und Flinten ab – die letzteren mußte Halef von dem Lagerplatze der Perser holen – und warf dann ihre Pulverbeutel in das Wasser.

»O wehe, wehe!« schrie der Pädär-i-Baharat da auf. »Warum vernichtest du das einzige Pulver, welches wir noch haben?«

Ich antwortete noch immer nicht. Er konnte es sich doch denken, daß ich es aus Vorsicht that; es mußte diesen Leuten die Möglichkeit, auf uns zu schießen, genommen werden, sonst wären wir schon gleich nach ihrer Entlassung nicht vor ihnen sicher gewesen. Als ich in dieser Weise für uns gesorgt hatte, schafften wir die Pferde auf das Floß, auf welchem ich blieb, während ich Halef aufforderte, den Gefangenen, welcher Aftab genannt worden war, loszulassen. Es war das derselbe, dessen Messer und Pistole ich in das Wasser geworfen hatte. Der kleine Hadschi ging zu ihm hin und sagte:

»Du hast gehört, daß ich dich losbinden soll; eigentlich bist du das gar nicht wert; aber ich will Gnade walten lassen und dir die Freiheit wiedergeben. Du kannst dann deine prachtvollen Kameraden befreien, aber ja nicht eher, als bis wir fort sind, sonst bekommst du eine Kugel in den Kopf, hast du das gehört?«

»Ja,« nickte der Gefragte.

»Und wenn dein Herr, oder was er ist, darüber klagen sollte, daß die wohlthuende Empfindlichkeit seines Gesichtes ihm das Herz mehr als gewöhnlich erquicke, so reibe ihm die beiden Karawanenwege, welche ich quer über sein edles Antlitz gelegt habe, mit Salz und Pfeffer ein; das wird seine Wonne verdoppeln und die holdseligen Gefühle seines Daseins stärken!«

Der Pädär-i-Baharat, weicher diese Worte gehört hatte, wartete, bis Halef sich wieder bei mir auf dem Floß befand, und rief uns dann in grimmigem Tone zu:

»Fahrt in die Hölle, ihr räudigen Anhänger der Zauberei, ihr Räuber und Diebe der Ringe, welche ihr uns abgenommen habt! Hütet euch, uns wieder zu begegnen! Der Tag, an welchem mein Auge euch zum zweitenmal erblickt, wird der letzte eures Lebens sein, denn meine Kugel wird euch die Pforte öffnen, hinter welcher es nur einen Weg giebt, und der führt zur Hölle hinab, wo ihr die Peitschenhiebe mit ewiger Verdammnis bezahlen werdet!«

Es fiel mir nicht ein, ihm eine Antwort zu geben; aber Halef, der stets sprachfertige und redelustige, erwiderte ihm:

»Du warnst uns vor dem Wiedersehen, ich aber freue mich darauf, denn ich habe die sehnsuchtsvolle Steppe deines Gesichtes ausgemessen und dabei gefunden, daß es da Platz für noch mehr solche Kamelpfade giebt. Sobald Allah deinen Weg wieder vor unsere Augen führt, werde ich nicht unterlassen, dir die Seligkeit dieser letzten Nacht durch einige neue Hiebe in das Gedächtnis zurückzurufen. Bis dahin aber denke zuweilen an uns, die wir deine besten und treuesten Freunde sind und sich immer gern an Kaßim Mirza, den erleuchteten Schahzahdä, erinnern werden!«

Während dieser Rede hatte ich das Floß losgebunden; wir stießen vom Ufer und ruderten es hinaus in den Tigris, in dessen Strömung es dann abwärts schwamm. Wir hatten die hinter uns erschallenden Verwünschungen der Perser bis zum Ausgange der Bucht vernommen. Für heut war ihre Wut eine ohnmächtige; später aber hatten wir uns bei einer etwaigen Wiederbegegnung sehr in acht zu nehmen. Als ich Halef eine darauf bezügliche Bemerkung machte, fragte er:

»Du hältst es also für möglich, daß wir sie wiedersehen?«

»Nicht nur für möglich, sondern sogar für sehr wahrscheinlich.«

»Warum?«

»Weil sie auch nach Bagdad wollen.«

»Sie kommen dort später an als wir!«

»O nein. Ihr Floß ist kleiner als das unserige, und sie haben sechs Hände zum Rudern, also zwei mehr als wir. Es steht zu erwarten, daß sie uns schon heut überholen.«

»Das ist freilich nicht vorteilhaft für uns, denn wenn sie uns überholen, können sie in Bagdad auf uns warten und unsere Ankunft sehen, ohne daß wir es bemerken. Wenn sie uns dann folgen, sind wir in ihre Hände gegeben.«

»Du siehst, wie vorsichtig wir sein müssen, aber nicht nur in Bagdad, sondern schon vorher, denn ich bin überzeugt, daß sie uns schon heut beobachten werden. Es handelt sich dabei nicht nur um uns, sondern auch um unsere Pferde.«

»Du meinst, daß sie es auch auf diese abgesehen haben?«

»Ist das nicht leicht denkbar? Du hast doch gesehen und gehört, wie entzückt dieser sogenannte Kaßim Mirza von ihnen war. Wenn ihre Rachsucht sie antreibt, sich mit uns zu beschäftigen, so wird sich ihre Habsucht zu gleicher Zeit auf die Pferde richten. Wenn sie sich an uns rächen und dabei in den Besitz so wertvoller Tiere kommen können, haben sie ein doppeltes anstatt ein einfaches Spiel gewonnen. Es versteht sich ganz von selbst, daß sie unterwegs einen solchen Plan viel leichter als in Bagdad ausführen können, und so haben wir heut mehr Veranlassung, als morgen, vorsichtig zu sein.«

»Du denkst, daß wir morgen in Bagdad ankommen werden?«

»Morgen mittag, wenn wir nicht durch ein unvorhergesehenes Hindernis aufgehalten werden. Wir werden heut an mehr bewohnten Orten vorüberkommen als bisher; das ist ein Zeichem von der Nähe der Kalifenstadt.«

Was ich vermutet hatte, das geschah: Wir hatten kurz nach Mittag das Dorf Syndijeh beinahe erreicht, als wir die Perser hinter uns kommen sahen. Ihr Floß machte eine schnellere Fahrt als das unserige. Der »Vater der Gewürze« saß am Rande desselben und tauchte sehr fleißig die Hände in die Wellen, um sich das brennende Gesicht mit Wasser zu kühlen. Eine Viertelstunde später kamen sie an uns vorüber.

Da stand er auf, streckte beide Fäuste gegen uns aus und rief:

»Hättet ihr uns das Pulver nicht genommen, so wäre es jetzt um euch geschehen; aber wenn ihr uns heut auch entgeht, ich schwöre bei Hassan und bei Hussein, daß der Abgrund des Verderbens für euch offen bleibt!«

Halef brachte es nicht über das Herz, zu dieser Drohung still zu sein; er antwortete hinüber:

»Deine Rede macht uns lachen. Und wenn ihr tausend Zentner Pulver hättet, würden wir uns doch nicht vor euch fürchten. Oder bildest du dir ein, daß nur ihr allein schießen könntet? Wir haben auch Gewehre!«

»Hat es jemals einen Giaur oder einen verfluchten Sohn der Sunna gegeben, welcher schießen und auch treffen kann?« höhnte er herüber. »In kurzer Zeit werden eure Söhne und Töchter Waisen und eure Weiber Witwen sein. Allah verdamme euch und sie!«

Hanneh eine Witwe, Kara Ben Halef ein Waisenknabe und beide von Allah verdammt, das erboste den kleinen Hadschi so gewaltig, daß er seine Stimme zur größten Stärke erhob, um die Drohung des Feindes zu übertrumpfen:

»Schweig! Du sprichst mit dem Maule der Dummheit und mit der Zunge des Unverstandes. Wenn unsere Gewehre knallen, so werden alle eure Väter, Ahnen, Großväter und Urahnen zu Waisen und alle eure Kinder, Enkel und Nachkommensenkel zu Witwen werden; eure Freunde werden sterben, eure Verwandten und Bekannten werden untergehen, eure Städte und Dörfer aussterben, und das ganze Fars[102] wird ein Schlachtfeld bilden, auf welchem nur noch Witwen und Waisen umherirren, um die von uns Besiegten zu beweinen und die von uns Erschlagenen zu bejammern. Zwischen den Ufern der Ströme wird euer Blut dem Meere entgegenfließen, und die Winde werden die von uns aus ihren Körpern getriebenen Seelen wie Staub durch die Lüfte jagen. Ihr seid ohnmächtige …«

 

Hier brach er plötzlich ab, wendete sich zu mir und fügte mit gewöhnlicher Stimme und in bedauerndem Tone hinzu:

»Wie schade, Effendi! Es ist wirklich jammerschade!«

»Was?«

»Daß sie mich nicht mehr hören können; sie sind leider schon zu weit fort!«

»So mach den Mund zu, und sei still!«

»Still? Hätte ich etwa nichts sagen sollen? Bedenke, daß sie mich zum hinterlassenen Gatten meiner Witwe und zum abgeschiedenen Vater meines Waisensohnes machen wollten! Das konnte, das durfte ich mir nicht gefallen lassen! Du weißt, daß ich den Tod nicht fürchte und niemals Angst vor ihm gehabt habe; aber den Vorwurf, daß ich durch meine Sterbestunde Hanneh, die unvergleichlichste der Frauen aller Länder, deine Dschanneh ausgenommen, in eine traurige Witwe verwandle, den kann ich nicht auf mir sitzen lassen; das mußt du einsehen, ohne daß ich es dir zu sagen brauche!«

Der heißblütige, kleine Kerl ahnte gar nicht, zu welchen Uebertreibungen und Unmöglichkeiten er sich durch seinen Zorn hatte hinreißen lassen; er konnte sich in solchen Augenblicken zu ganz ungeheuerlichen Gedanken und Kombinationen versteigen. Als er das Ruder wieder in die Hand genommen hatte, brummte er noch lange vor sich hin; der Witwen- und Waisen-Sturm wollte sich nur langsam in ihm legen.

Dann kamen wir an Sindijeh vorüber und sahen, daß die Perser hier nicht angelegt hatten, ebenso in Saadijeh. Als wir dann am Nachmittage Mansurijeh erreichten, stand ein Mann mit seinem Weibe am Ufer, welche uns schon von weitem zuwinkten, anzuhalten.

»Sihdi, die wünschen, mitzufahren,« sagte Halef. »Kann man verlangen, daß wir uns eine solche Last aufbürden?«

»Verstelle dich nicht,« antwortete ich; »dein gutes Herz war doch sogleich entschlossen, die beiden mitzunehmen. Ich kenne dich!«

»Ja, Effendi, du kennst deinen Halef sehr genau. Leuten, welche so arm sind, daß sie nicht einmal einige Ziegenhäute zu einem Kellek besitzen, darf man eine solche Bitte nicht abschlagen. Sie wollen sicher nach Bagdad; ein Mann bringt das wohl fertig; aber von den zarten Füßen eines Weibes darf man keine solche Anstrengung verlangen. Wollen wir hinüberlenken?«

»Ja,« antwortete ich, obgleich ich in Beziehung auf die Zartheit der hiesigen Frauenfüße ganz anderer Ansicht war als er.

Als wir uns dem Ufer näherten und da in langsame Bewegung kamen, hörten wir, daß wir richtig vermutet hatten. Der Mann bat uns, ihn und seine Frau mitzunehmen; er könne uns zwar nichts dafür geben, werde aber aus Dankbarkeit für uns beten.

»Es kam vor einer Stunde ein Floß mit drei Personen vorüber,« fügte er hinzu. »Wir riefen ihnen unsere Bitte zu; sie nannten uns aber verdammte Sunniten und fuhren weiter. Allah vernichte diese abgefallenen Anhänger der Irrlehre!«

Als unser Kellek das Ufer berührte, stieg das Paar zu uns herüber, dann kehrten wir nach der Mitte des Stromes zurück. Die »zarten« Füße der Frau waren größer als diejenigen des Mannes, ein Umstand, den man bei den Beduinen, selbst den seßhaft gewordenen, sehr oft beobachten kann, weil die Männer fast jeden Weg nur zu Pferde machen.

Die beiden Leute hatten nichts bei sich als ein wenig Proviant, welcher in einen alten Lappen gewickelt war. Der Mann trug keine Waffen. Sie machten zunächst gar keinen üblen Eindruck und waren so bescheiden, sich ganz hinten an dem Rande des Floßes niederzusetzen. Da ich dort ganz in ihrer Nähe das Ruder regierte, konnte ich sie beobachten, ohne daß es auffällig wurde. Da sah ich denn zu meiner Ueberraschung an dem Finger des Mannes genau so einen silbernen Ring, wie ich deren zwei neben dem goldenen in der Tasche hatte; natürlich wußte ich sofort, woran ich war.

Sobald der Lauf des Flusses es erlaubte, das Hintersteuer zu verlassen, ging ich zu Halef nach dem Vorderteile und fragte ihn:

»Wie gefallen dir diese Leute?«

Ich bediente mich, um ja nicht verstanden zu werden, falls eins unserer Worte hinten gehört werden sollte, des Moghreb-Arabisch, welches Halef als von dorther stammend, ganz vorzüglich sprach. Er antwortete in demselben Dialekte:

»Das sind arme Menschen, die uns, außer daß wir sie mitnehmen, jedenfalls ganz gleichgültig sein können. Aber warum fragst du mich in der Sprache meiner Heimat, Sihdi?«

»Um nicht verstanden zu werden. Diese zwei Personen dürfen uns nicht so gleichgiltig sein, wie du denkst; sie haben Böses gegen uns vor.«

»Allah! – Wirklich? Wieso Böses?«

»Schau dich nicht um, und sieh sie nicht an; beherrsche dein Gesicht; sie dürfen nicht merken, daß wir von ihnen sprechen. Sie haben nämlich vor, uns an die Perser auszuliefern.«

»Maschallah! Hast du einen Grund, ihnen dieses zuzutrauen?«

»Ich traue es ihnen nicht nur zu, sondern ich bin überzeugt, daß sie diese Absicht haben. Der Mann hat nämlich den Ring der Sillan am Finger stecken.«

»Ist es kein anderer Ring?«

»Nein. Wie gut, daß ich unsere noch in der Tasche und dir keinen von ihnen gegeben habe! Du hättest ihn wahrscheinlich angesteckt.«

»Ja, das hätte ich gethan, Sihdi.«

»Dann hätten diese Leute ihn jedenfalls gesehen, und dadurch wäre verraten worden, daß ich sie nicht in das Wasser geworfen habe. Wir werden überhaupt jetzt keinen am Finger tragen.«

»Bist du der Ansicht, daß sie mit den Persern gesprochen haben?«

»Ja.«

»Da müßten sie diesen bekannt sein!«

»Allerdings. Der Vater der Gewürze« bekleidet einen höhern Grad; er kennt also wahrscheinlich alle Mitglieder derjenigen Gegenden, die ihm zugewiesen sind oder in denen er zu thun hat.«

»Ich dachte, daß es Sillan nur in Persien gebe!«

»Ich nicht. Ich erinnere dich an unsere gestrige Vermutung, daß die Sillan vielleicht mit den Babi in irgend einem Zusammenhange stehen. Als diese infolge des Attentates gegen den Schah so unnachsichtlich verfolgt wurden, flohen Tausende von ihnen unter Mirza Jahja nach Iraq Arabi herüber, wo sie ihren Hauptsitz nach Bagdad verlegten. Von jener Zeit her sind jedenfalls noch viele von ihnen hier vorhanden, wenn sie sich auch nicht öffentlich als Anhänger bekennen, und wenn es wahr ist, daß es eine Beziehung zwischen ihnen und den Sillan giebt, so brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, daß wir heut einen hiesigen Sill getroffen haben. Der Perser kennt ihn, ist in Mansurijeh ans Land gegangen und hat ihm eine auf uns bezügliche Instruktion erteilt.«

»Welche mag das sein?«

»Wir werden es erfahren. Es ist höchst wichtig für uns, daß der Pädär-i-Baharat eine Unterlassung begangen hat, ohne welche wir höchst wahrscheinlich in die uns gestellte Falle geraten wären. Er hätte dem Manne sagen sollen, daß er uns seinen Ring nicht sehen lassen dürfe, weil ich diese Art von Ringen für Zauberringe halte.«

»Das ist richtig, Sihdi, sehr richtig! Dadurch, daß er dies vergessen hat, sind wir gewarnt worden und werden uns hüten, auf die gegen uns gerichteten Absichten einzugehen.«

»Da bin ich anderer Meinung als du; ich halte es für geraten, auf sie einzugehen.«

»Wirklich? Effendi, ich habe bisher stets geglaubt, daß du niemals eine Unvorsichtigkeit begehst!«

»Das freut mich, lieber Halef, und ich sage dir, daß ich dieser deiner Ueberzeugung Ehre machen werde. Grad die Vorsicht gebietet mir, den Schein anzunehmen, als ob ich mich täuschen lasse. Wenn man weiß, wo sich der Feind befindet und wo man von ihm angegriffen werden soll, hat man schon halb gesiegt. Wenn wir ihm ausweichen und nach Bagdad gehen, wissen wir nicht, wann und wo uns die Gefahr befällt; sie kann uns dort also ganz unvorbereitet treffen; hier aber werden wir sehr genau wissen, woran wir sind.«

»Wie willst du das erfahren?«

»Dieser Sill oder sein Weib wird es mir, ganz ohne es zu beabsichtigen, sagen, und zwar schon heut, denn ich bin überzeugt, daß der Anschlag, welcher jedenfalls gegen uns geplant wird, ausgeführt werden soll, noch ehe wir Bagdad erreichen. Ich vermute sehr, daß wir von den Leuten, welche wir aus Barmherzigkeit mitgenommen haben, in Beziehung auf unser heutiges Nachtlager einen Rat bekommen, dem die Absicht zu Grunde liegt, uns in die Hände der Perser zu liefern.«

»Und diesen Rat willst du befolgen?«

»Ja.«

»Höre, Sihdi, ich bin bereit, jede Gefahr mit dir zu bestehen; aber merke wohl auf! Ich sage, jede Gefahr bestehen, aber ich meine nicht, daß ich darin umkommen will. Du hast ja gehört, was ich vorhin über meine Witwe und meinen Waisenknaben gesagt habe. Ich darf noch nicht sterben, sondern muß mich für diese beiden noch lange, lange aufbewahren, denn was könnten Hanneh und Kara an einem verstorbenen Mann und toten Vater für Freude erleben? Keine, gar keine! Ich hoffe, du siehst ein, daß ich mich den abgeschiedenen Geistern jetzt noch nicht zugesellen darf!«

»Mach dir keine unnötige Sorge! Grad dadurch, daß wir uns in die Gefahr begeben, hört sie für uns auf, eine Gefahr zu sein. Du wirst dich doch nicht vor Menschen fürchten, die deine Peitsche schon gekostet haben!«

»Fürchten? Fällt mir nicht ein! Dieses Wort ist mir vollständig unbekannt. Ein Mensch, welcher sich fürchtet, gleicht einer Flinte, die nicht losgeht, wenn man schießen will, einer Tarabukka[103], deren Fell zerrissen ist, oder einem Löwen, welcher weder Krallen noch Zähne mehr besitzt; ich aber gehe sofort los, wenn ich gereizt werde; ich bin noch nicht zerrissen worden und habe auch alle meine Zähne noch. Die Perser mögen nur kommen; meine Peitsche ist abermals bereit für sie!«

»Gut! Wir werden also ruhig abwarten, welchen Plan sie gegen uns geschmiedet haben. Wir werden ihn jedenfalls erfahren, sobald wir gegen Abend an das Ufer legen. Laß dir aber nichts gegen diesen Mann und sein Weib merken! Wir müssen ganz freundlich und scheinbar unbefangen sein, damit sie nicht ahnen, daß wir Mißtrauen gegen sie hegen.«

Ich begab mich jetzt nach dem Hinterteile zurück und begann mit den beiden ein Gespräch, bei welchem ich mich so harmlos wie möglich zeigte. Es gelang mir, sie zu täuschen und zuweilen einen unbewachten Blick aufzufangen, durch welchen sie einander sagten, daß ihrer Ansicht nach ihr Vorhaben sehr gut von statten gehe.

Wir passierten noch Dokhala und einige Dörfer, bis wir die Krümmung hinter Jehultijeh erreichten. Da rief ich Halef zu:

»Paß jetzt nun auf, ob es einen Ort giebt, welcher sich zum Uebernachten eignet! In einer halben Stunde wird die Sonne untergehen.«

Was ich nun erwartete, das geschah: Kaum hatte ich diese Aufforderung ausgesprochen, so sagte der Mann aus Mansurijeh:

»Ich höre, daß ihr einen Ort finden wollt, welcher sich zum Schlafen eignet. Effendi, ich kenne einen, denn ich fahre oft nach Bagdad und bleibe stets da, wo ich meine, über Nacht.«

»Wo ist das?« fragte ich.

»Am rechten Ufer, gar nicht weit von hier.«

»Was ist es für ein Ort?«

»Es ist eine Chuss el Khaßab[104], in welcher es Platz für wenigstens zehn Personen giebt. Die Wände sind fest gegen den Regen und alle bösen Nebel; es giebt kein Ungeziefer in ihrem Innern; man wohnt unter dem Dache wie in Allahs Schutz, und süße Träume winken jedem, der durch die immer gastlich offene Thüre schreitet.«

Wie verlockend das klang! Der Mann wurde ja fast poetisch, um uns diese Falle möglichst als begehrenswert erscheinen zu lassen! Ich that nicht, als ob mir das auffallen müsse, und antwortete:

»Ist Gesträuch in der Nähe?«

»Soviel du willst! Wir brauchen das Feuer bis zum Morgen nicht ausgehen zu lassen, denn es herrscht der Brauch, daß jeder, der da übernachtet, dann früh, ehe er sich entfernt, einige Bündel Holz und Schilf für diejenigen sammelt, welche nach ihm kommen. Wasser zum Trinken giebt der Fluß. Es ist also für alles gesorgt, was nötig ist, den Aufenthalt euch angenehm zu machen.«

 

»Schön! Wir werden also in dieser Hütte übernachten. Sage es uns, wenn wir hinüberlenken sollen!«

Er warf seiner Frau einen Blick der Befriedigung zu. Also sogar Feuermaterial sollten wir vorfinden! Es fiel mir natürlich nicht ein, daran zu glauben, daß jeder Fortgehende in der angegebenen Weise für den Nachfolgenden sorge. Die Perser waren schon längst bei der Hütte angekommen; um uns sehen und beobachten zu können, wünschten sie, daß von uns Feuer gemacht werde, und so hatten sie sich der Mühe unterzogen, das dazu nötige Material für uns zu sammeln. Es war ja möglich, daß wir die Hütte erst nach eingetretener Dunkelheit erreichten; dann war es für uns zu spät, nach Holz zu suchen, und so hatten lieber sie dafür gesorgt, daß unsere Personen ihnen durch ein Feuer sichtbar gemacht wurden.

Der Sill forderte uns schon nach kurzer Zeit auf, nach dem Ufer zu halten. Wir sahen bald darauf die Hütte liegen, und er deutete uns die Stelle an, wo wir landen sollten. Ich folgte dieser Aufforderung nicht, sondern dirigierte das Floß nach einer andern Stelle, wo das Ufer frei von Büschen und also zu übersehen war. Wenn die vor uns hier angekommenen Perser im Gesträuch steckten, konnten sie uns einfach niederschießen. Ich hatte ihnen zwar ihr Pulver genommen, aber es verstand sich ganz von selbst, daß sie in Mansurijeh darauf bedacht gewesen waren, diesen Verlust zu ersetzen.

»Warum landest du hier und nicht weiter unten bei der Hütte?« fragte mich der Sill. »Ich habe dir ja die Stelle gezeigt, welche viel passender als diese ist!«

»Der Pferde wegen,« antwortete ich. »Sie haben von früh bis jetzt stehen müssen und brauchen Bewegung. Wir werden jetzt ein Stück reiten. Geh du mit deinem Weibe einstweilen nach der Hütte. Wir kommen nach, ehe es ganz dunkel wird.«

Wir zogen die Pferde an das Ufer und setzten uns auf. Es ging im Galoppe hinter dem Schilf- und Buschsaume, welcher den Fluß begleitete, auf die Hütte zu, welche vielleicht fünfzig Schritte vom Wasser entfernt stand.

»Warum willst du zu Pferde und nicht mit dem Floß hierher, Sihdi?« fragte mich Halef.

»Um vor dem Manne und seiner Frau hier zu sein,« antwortete ich. »Ich suche nach den Spuren der Perser.«

Es genügte, einmal um die Hütte zu reiten, so sah ich die gesuchten Stapfen. Die drei haßerfüllten Menschen waren hier gelandet, hatten sechs große Bündel Brennholz und Schilf gesammelt und sich dann auf ihrem Floße wieder entfernt. Dies hatte nur flußabwärts geschehen können, und so wußte ich, in welcher Richtung sie sich versteckt hielten. Höchst wahrscheinlich waren sie nicht weit fort von hier, und als ebenso sicher war anzunehmen, daß sie eine Uferstelle gewählt hatten, von welcher aus sie unsere Ankunft beobachten konnten. Diese Stelle mußte eine in das Wasser hineinragende sein, und wenn ich dabei die Sehweite des menschlichen Auges in Betracht zog, so war es gar nicht schwer, wenigstens ungefähr zu bestimmen, wo der betreffende Ort zu suchen sei. ihre Aufmerksamkeit war flußaufwärts gerichtet, also mußte ich, wenn ich sie sehen wollte, ohne von ihnen bemerkt zu werden, mich nach einem abwärts von ihnen liegenden Uferpunkt begeben.

Als ich dies meinem Hadschi erklärt hatte, ritten wir nach der angegebenen Richtung einen Halbkreis, welcher uns an den Fluß führte. Dort stiegen wir ab, ließen die Pferde stehen und drangen durch die Büsche bis zum Wasser vor. Da sahen wir aufwärts von uns eine von dem Ufer gebildete Landzunge, an welcher, von der Hütte ab-, uns jetzt aber zugewendet, das Floß der Perser angebunden war; diese drei selbst aber lagen nicht weit davon am Rande des Schilfes und schienen, wie aus ihren Gestikulationen zu sehen war, eine sehr lebhafte Unterhaltung zu führen.

»Sihdi, dein Scharfsinn hat, wie so oft, auch hier ganz genau das Richtige getroffen,« sagte Halef. »Die Kerle befinden sich grad da, wo du es vermutet hast. Ich möchte am liebsten hingehen und in der Sprache der Peitsche mit ihnen reden.«

»Dazu giebt es jetzt keinen Grund,« antwortete ich. »Wenn du in dieser Weise mit ihnen reden willst, müssen wir ihnen beweisen können, daß sie Feindseliges gegen uns vorhaben, und diese Beweise fehlen uns noch.«

»Sie fehlen uns nicht. Wir wissen ja, daß sie den Mann und das Weib gewonnen haben, uns ihnen in die Hände zu liefern. Ist das nicht genug?«

»Nein, denn sie würden es ableugnen.«

»Das Leugnen ist kein Gegenbeweis!«

»Was wir wissen oder denken, ist bis jetzt nur erst Vermutung. Wir brauchen also Gewißheit, und die werde ich mir holen.«

»Wo?«

»Dort, bei ihnen.«

»Du willst also hin?«

»Ja.«

»Gleich jetzt etwa?«

»Nein, sondern erst dann, wenn es vollständig dunkel geworden ist.«

»So willst du sie wie gestern belauschen?«

»Ja.«

»Wird es nicht dem Sill und seinem Weibe auffallen, wenn du dich entfernst, ohne daß er einen triftigen Grund dazu ersieht?«

»Er könnte allerdings Mißtrauen schöpfen; darum müssen wir auf eine Ausrede bedacht sein. Der Mann wird erst das Moghreb und dann das Aschia beten. Beim Aschia gehe ich fort. Wenn er dich dann am Schlusse des Gebetes fragt, warum ich mich entfernt habe, sagst du, ich könne als Christ nicht in Gemeinschaft mit Leuten beten, welche Mohammed anrufen. Das ist ein Grund, gegen den er nichts wird einwenden können.«

»Davon bin ich überzeugt. Aber es giebt einen Einwand, den ich aussprechen muß, Sihdi.«

»Welchen?«

»Wie nun, wenn die Perser nach der Hütte kommen, während du sie suchst und also abwesend bist? Was soll ich da thun?«

»Dieser Fall tritt nicht ein. Ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß sie ihr Versteck nicht eher verlassen werden, als bis ihr Verbündeter sie aufgesucht hat, um ihnen Bericht zu erstatten. Wir sind also, solange er nicht bei ihnen gewesen ist, vollständig sicher vor ihnen. Jetzt aber müssen wir zurück, sonst wird es Nacht, ehe wir die Hütte erreichen.«

Wir gingen zu den Pferden und schlugen denselben Bogen ein, den wir vorhin geritten waren. Da wir infolgedessen von einer ganz andern Seite anlangten, kam es dem Sill nicht in den Sinn, daß wir am Flusse gewesen waren.

Die Wände der Hütte bestanden aus Schilf und Lehm; sie waren wohl anderthalb Fuß dick und hatten, wie ich bemerkte, eine schadhafte Stelle, durch welche man von außen in das Innere sehen konnte. Der Eingang war mit einer alten Schilfmatte verhängt. Im Dache gab es ein Loch, durch welches der Rauch abziehen konnte. Das Innere war so groß, wie der Sill gesagt hatte, aber im höchsten Grade schmutzig. Auf die »süßen Träume«, welche nach seinem Ausdrucke uns hier erwarteten, verzichtete ich, denn es verstand sich ganz von selbst, daß wir nicht in diesem Unratstalle, sondern im Freien schlafen würden. Freilich durfte ich das jetzt noch nicht sagen, sondern mußte mich in alle Vorschläge des Mannes fügen, der sich sehr besorgt um unsere Bequemlichkeit zeigte.

Er schichtete in einer Ecke Holz auf, welches später angebrannt werden sollte. Den dicksten Schmutz räumte er zur Seite, um uns eine wenigstens einigermaßen annehmbare Lagerstätte zu ermöglichen; kurz, er that alles, was unter den gegebenen Verhältnissen möglich war, um unser Vertrauen und unsere Anerkennung zu erlangen. Dann, als die Sonne untergegangen war, kniete er mit nach Mekka gerichtetem Gesichte vor der Hütte nieder, um das Moghreb zu beten.

Wir waren freundlich gegen ihn und seine Frau und teilten die Reste unsers Proviantes mit ihnen. Als wir gegessen hatten, war die Zeit des Aschia gekommen, und er machte sich wieder zum Gebete fertig. Da ging ich an ihm vorüber und vom Flusse fort, scheinbar ins Land hinein; aber als er mich nicht mehr hören konnte, verließ ich diese Richtung und wendete mich nach dem Wasser zurück, doch nicht bis ganz an dasselbe, denn es war immerhin möglich, daß die Perser ungeduldig geworden und näher herangekommen waren. Ich hatte mir die Entfernung und die Ufergestaltung genau eingeprägt, dennoch war es nicht leicht, mich so zurechtzufinden, daß ich den Fluß grad da, wo die Landzunge lag, erreichte. Ich fand, daß ich eine Strecke zu kurz oder zu weit gegangen war, und es dauerte dann noch eine ganze Weile, bis ich erkannte, daß ich mein Ziel grad vor mir hatte. Zunächst über diese Irrung und Versäumnis ärgerlich, sah ich sehr bald ein, daß dieser Umweg mir nicht Schaden, sondern Vorteil brachte.

Ich bückte mich nämlich eben nieder, um durch die Büsche zu kriechen, als ich eilige Schritte hinter mir hörte. Schnell schob ich mich in das Gesträuch, und kaum war dies geschehen, so kam der Sill, blieb in kurzer Entfernung von mir stehen und klatschte in die Hände. Als er dieses Zeichen einigemal wiederholt hatte, erklang vom Wasser her die laute Frage:

102Persien.
103Trommel.
104Schilfhütte.