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Im Reiche des silbernen Löwen II

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Auf diese Worte zogen sich seine Untergebenen augenblicklich von uns zurück; es trat aber noch eine andere Wirkung ein, die er wahrscheinlich nicht vermutet hatte. Mein leicht erregbarer und in Beziehung auf den Ehrenpunkt höchst empfindlicher Hadschi glaubte nämlich, die Beleidigung, welche in den Ausdrücken des Kammerherrn lag, nicht auf sich sitzen lassen zu dürfen. Er sprang von dem Brunnenrande, auf welchem er mit mir saß, herunter, schnellte zu dem Perser hin und herrschte ihn zornig an:

»Was hast du gesagt? Von der tiefsten Stufe der Bevölkerung und dem Dunkel der Unwissenheit hast du gesprochen? Du kennst wohl diese Stufe und dieses Dunkel aus eigener Erfahrung sehr genau? Uns beiden sind sie unbekannt! Auch hast du gewagt, das Wort der Verachtung über deine niemals abgewischten Lippen zu bringen? Wer bist du denn eigentlich, daß es dir beifällt, in diesem hohen, aber halsbrecherischen Tone mit uns zu sprechen? Du kriechst in der Kammer deines Gebieters herum wie eine niedrige Sakkaja[95] in den Löchern der Erde; du sinkst vor ihm auf die Kniee und schlägst mit deiner Stirn den Boden zu seinen Füßen. Du bist ein Diener seiner Einfälle und ein Sklave seiner Launen. Die Kleider und die Waffen, in denen du dich brüstest, hast du dir nicht erworben wie ein Mann, welcher Ehre besitzt, sondern er hat sie dir geschenkt, weil du seinen Speichel wie Honig verzehrst. Wir aber sind die freien Herren und Gebieter unserer selbst. Wir thun, was uns beliebt, und beugen unsere Nacken vor Allah allein, aber vor keinem einzigen seiner Geschöpfe, auch dann nicht, wenn sich dasselbe so lächerlicherweise Beherrscher der Welt« nennen läßt. Wer steht da höher, wir oder du? Und wem gehört die Verachtung, welche an unsere Ohren drang, uns oder dir?«

Der kleine mutige Kerl hatte diese Strafrede so schnell hervorgesprudelt, daß es unmöglich gewesen war, ihn zu unterbrechen; nun aber, als er eine Pause machte, um Atem zu holen, riß der Oberste der Kammerherren den Dolch aus dem Gürtelshawl und antwortete in zornigem Tone:

»Schweig, Hund! Wenn du noch ein einziges solches Wort sagst, steche ich dich nieder oder lasse dich durchpeitschen, daß dir die Haut auseinanderspringt!«

Auch seine Leute nahmen eine drohende Haltung an; dem Hadschi aber fiel es ganz und gar nicht ein, sich bange machen zu lassen. Er deutete auf mich, der ich den Stutzen schußbereit in den Händen hielt, und erwiderte, indem er laut auflachte:

»Was sagtest du? Wie war das? Mich erstechen? Sieh dort meinen Effendi an! Ehe du den Dolch erhoben hättest, würde seine Kugel dir durch den Schädel fahren. Und mich schlagen lassen? Hast du eine Peitsche? Ich sehe keine. Schau aber du doch einmal her an meine Seite! Da hängt eine Kurbadsch, welche aus liebevoll verbundenen Nilhautstreifen zusammengeflochten ist; die hat schon mit dem Rücken manch eines Menschen gesprochen, der sich höher dünkte, als seine Nase reichte, und von uns niedergebogen wurde, um durch unsere Hiebe zur Demut und Bescheidenheit gebracht zu werden. Bilde dir ja nicht ein, daß wir uns vor euch fürchten, weil ihr zwölf Personen seid und wir sind nur zwei! Es ist uns niemals eingefallen, unsere Gegner zu zählen; je mehr ihrer sind, desto lieber ist es uns, und so sage ich auch euch ganz aufrichtig, was wir zu thun gesonnen sind: Mein Effendi hält euch mit seinem Gewehre in Schach; er wird jeden, der die Hand erhebt, sofort über den Haufen schießen; ich aber nehme, wie du siehst, jetzt meine Kurbadsch vom Gürtel und schlage sie dem um die Ohren, der noch ein einziges Wort der Beleidigung zu uns spricht. Du hast mich .)Hund« genannt; nimm dich in acht, und zwinge mich ja nicht, dir zu zeigen, wer hier als Herr auftreten und wer als Hund behandelt wird!«

Er stand vor dem Perser, welcher von seinem Teppich aufgesprungen war, und fuchtelte ihm drohend mit der Peitsche vor dem Gesicht herum. Der Zurechtgewiesene war natürlich wütend; unter andern Verhältnissen hätte er sich auch anders verhalten; aber er sah den Lauf meines Gewehres gerade auf sich gerichtet und meinen Finger am Drücker, und das hielt ihn ab, zu handeln, wie er sonst gehandelt hätte. Vielleicht nahm er an, daß meine drohende Haltung nicht für ihn gefährlich sei, daß ich doch nicht schießen würde; aber zwischen Vermutung und Gewißheit ist ein großer Unterschied, und er besaß nicht den Mut, diesen Unterschied kennen zu lernen. Man sah ihm an, daß er nach einer Weise suchte, sich ohne Blamage aus der Affaire zu ziehen, und es trat auch wirklich ein Umstand ein, der seiner Verlegenheit zu Hilfe kam.

Die Scene hatte selbstverständlich die Aufmerksamkeit auch der andern im Khane Anwesenden erregt; sie waren herbeigekommen, um zu beobachten, wie dieselbe verlaufen werde. Da stand der Khandschi mit einigen Soldaten, welche ihm zum Schutze des Ortes beigegeben waren. Er hatte als erster Beamter hier die Verpflichtung, auf Ruhe und Ordnung zu sehen, schien aber ein bequemer und wenig thatkräftiger Mann zu sein, dem es gar nicht einfiel, sich mit unserer Angelegenheit zu beschäftigen. Seine Soldaten lächelten vergnügt vor sich hin; ihnen machte das Intermezzo Spaß; das gab doch einmal eine amüsante Unterbrechung des alltäglichen und langweiligen Einerlei, zu dem sie hier verurteilt waren. Die Pilger, Leichentransporteure und anderen Personen verhielten sich ebenso. Nur einer von ihnen schien Lust zu haben, sich persönlich beteiligen zu wollen. Sein scharf geschnittenes, von der Sonne gebräuntes Gesicht war lebhaft bewegt; er blieb nicht ruhig stehen, sondern bewegte sich hin und her, um bald Halef, bald mich genauer und forschend zu betrachten. Ich sah es ihm an, daß er etwas vorhatte, und als er jetzt den Perser so unentschlossen stehen sah, trat er zu ihm hin, verbeugte sich tief vor ihm und sagte:

»Hazreti[96], verzeih, daß ich ein Wort an dich richte! Ich kann dir über diese beiden Männer Auskunft geben.«

»Wer bist du?« fragte ihn der Angeredete, sichtlich erfreut, aus seiner Unschlüssigkeit erlöst zu werden.

»Ich war ein tapferer Krieger des Beduinenstammes der Obeïde, bin aber wegen diesen Leuten, die Allah zerreißen möge, ausgestoßen worden und muß nun, um nicht hungern zu müssen, der Diener fremder Menschen sein.«

Das Gesicht dieses Mannes kam mir bekannt vor, doch konnte ich mich nicht besinnen, wann und wo ich es gesehen hatte; da kam Halef zu mir zurück und sagte mit leiser Stimme.

»Sihdi, ich erkenne ihn; er ist einer der beiden Spione, welche wir damals mit der Schande bestraften, daß wir ihnen die Bärte abschneiden ließen.«[97]

Jetzt besann ich mich auch; Halef hatte recht. Die zwei Beduinen waren durch diese Bestrafung ehrlos geworden und infolgedessen von ihrem Stamm verstoßen worden; jetzt ergriff der Mann die sich ihm so unerwartet bietende Gelegenheit, sich an uns zu rächen. Mir war gar nicht bange dabei, und Halef setzte sich mit erwartungsvollem Lächeln wieder neben mich auf den Brunnenrand.

Der Perser ließ sich wieder auf seinen Teppich nieder, steckte den Dolch in den Shawl, ließ eine möglichst würdevolle Miene sehen und forderte nun den einstigen Obeïde auf:

»Erzähle mir, was du von ihnen weißt! Wenn du eine gerechte Sache gegen sie hast, sind wir bereit, dir beizustehen.«

»Meine Sache ist nicht nur eine gerechte, sondern eine blutige,« kam der Beduine dieser Aufmunterung nach, »denn eine Schande, wie sie mir angethan worden ist, kann nur mit Blut vergolten werden. Der Stamm der Haddedihn fing damals Streit mit den Obeïde an; wir rüsteten zum Kriege, und unser Scheik sandte zwei Kundschafter aus, die Absichten der Haddedihn zu erforschen. Einer dieser Kundschafter war ich; Allah wollte, daß wir Unglück hatten; wir wurden ergriffen und zu alten Weibern gemacht, indem man uns die Bärte schor. Dadurch ging unsere Ehre verloren, und wir wurden von den Unserigen ausgestoßen.«

»Du sprichst von dir, wolltest aber doch von ihnen reden!«

»Verzeih; es wird sofort geschehen! Ich kannte diese Männer damals noch nicht, habe sie aber später genau kennen gelernt und sehr viel über sie gehört. Der Kleine dort heißt Hadschi Halef Omar und ist jetzt der Scheik der Haddedihn – — —«

»Was sind die Haddedihn? – Sunniten?«

»Ja.«

»So wird Allah sie und ihn verfluchen und verderben! Wie darf er es wagen, diesen Khan zu betreten, der nur für die gläubigen Bekenner der heiligen Schia erbaut worden ist! Sobald er fort ist, muß dieser Ort von seinem Gestanke gereinigt werden!«

»Allah, Wallah! Der Gestank des andern ist noch viel größer!«

»Wieso?«

»Weil er weder ein Sunnit noch ein Schiit, sondern überhaupt kein Moslem ist.«

»Was denn? – Etwa ein verfluchter Jehudi?«[98]

 

»Nein, sondern noch schlimmer, denn er ist ein ungläubiger Nasrani.«[99]

»Ein Nasrani?« fuhr der Perser auf. »Ist das möglich? Ist das auch nur denkbar? Hat man eine so verfluchte Entweihung des heiligen Pilgerweges jemals erlebt? Was ist da zu thun! Ermannt euch, ihr Leute; es ist eine Bestie, ein nach Verwesung duftendes Aas in unserer Mitte! Werft euch auf den Kerl, schafft ihn, lebend oder tot, vor das Thor hinaus!«

Halef griff wieder nach seiner Peitsche und wollte vom Brunnenrande herunterrutschen; ich hielt ihn zurück und sagte:

»Bleib! Es wird jetzt interessant. Ich bin neugierig, ob sie den Mut besitzen, sich an mir zu vergreifen.«

Sie besaßen ihn nicht; sie fluchten und schimpften in allen Tonarten, blieben aber da stehen, wo sie standen. Der Obeïde bestärkte sie in dieser Feigheit, indem er die Warnung aussprach:

»Seid nicht unvorsichtig, sondern nehmt euch in acht! Dieser Ungläubige ist euch unbekannt, ich aber kenne ihn, denn ich habe alles gehört, was man von ihm berichtet.«

»Du widersprichst dir doch!« warf der Kammerherr ein. »Erst klagst du ihn an, und dann warnst du uns vor ihm!«

»Weil ich nicht will, daß ihr gegen ihn unterliegen sollt.«

»Wir sind ihm überlegen!«

»Im Kampfe nicht! Er ist stark und geschmeidig wie ein Panther und erlegt den Löwen des Nachts mit einer einzigen Kugel. Das große, schwere Gewehr, welches dort neben ihm lehnt, hat Geschosse, welche mehrere Tagreisen weit fliegen und dann noch jeden treffen, den er will, denn ihm hilft der Scheitan, mit welchem er ein Bündnis geschlossen hat. Und mit dem kleinen Gewehre kann er, obgleich er niemals zu laden braucht, soviel tausend- und millionenmal schießen, wie er will, denn es ist in der Hölle angefertigt worden, wo alle seine Ahnen und Urvorväter wohnen. Im Kampfe könnt ihr nichts gegen ihn erreichen; es giebt nur ein einziges Mittel, ohne Schaden für sich selbst mit ihm fertig zu werden; das ist die List!«

Ich hätte bei diesen Worten beinahe laut aufgelacht. Daß er in meiner Gegenwart die List empfahl, war doch ein gar zu auffälliger Beweis dafür, daß er selbst von diesem Artikel keine Spur besaß. Auch der Perser sah dies ein; er schaute ihn erstaunt an, schüttelte den Kopf und sagte:

»Wir sollen uns nicht an ihn wagen, sondern listig sein? Und das sagst du uns vor seinen eigenen Ohren?«

»Warum nicht? Er weiß es doch, ganz gleich, ob er es hört oder nicht, denn seine Verschlagenheit ist fast noch größer als die Stärke seines Körpers und die Unfehlbarkeit seiner Gewehre.«

»Und da sollen wir ihn mit List überwinden? Willst du uns angeben, auf welche Weise, durch welche List?«

»Das kann ich nicht; das ist eure Sache. Ich habe euch gewarnt und ihn euch übergeben; nun könnt ihr machen, was ihr wollt.«

»Ich höre, daß du selbst eine Angst vor ihm hast, die gar nicht zu messen ist; ich aber fürchte mich nicht und weiß, was ich zu thun habe.«

Das war nur Redensart; er fürchtete sich doch, denn anstatt einen thätlichen oder wörtlichen Angriff gegen mich zu unternehmen, wendete er sich an den in seiner Nähe stehenden Khandschi:

»Du bist der von dem Pascha eingesetzte Aufseher dieses Khan?«

»Ja, Hazreti,« nickte der Befragte mit breitem, verlegenen Lächeln.

Er hatte natürlich die Warnungen auch gehört, fürchtete sich infolgedessen ungeheuer vor Halef und vor mir und ahnte zu seiner größten Beunruhigung, daß man ihm zumuten werde, in irgend einer Weise gegen uns vorzugehen.

»Der Khan steht an dem Wege nach den heiligen Stätten der von Allah gesegneten und begnadeten Anhänger der Schia?« fragte der Perser weiter.

»Ja.«

»Er ist also wohl nur für diese Rechtgläubigen vorhanden?«

»Ja.«

»Der Zutritt eines Ungläubigen muß als todeswürdige Entweihung dieses Ortes gelten?«

»Ja.«

»Und du hast darüber zu wachen, daß er die Bestimmung erfüllt, für welche er errichtet worden ist?«

»Ja.«

»Und mit aller Strenge dafür zu sorgen, daß jede ungesetzliche oder entwürdigende Benutzung unterbleibt?«

»Ja.«

Es machte mir außerordentliches Vergnügen, daß das wohlgenährte, runde Gesicht des Khandschi bei jedem ja länger und immer länger wurde. Der Perser aber peinigte ihn noch weiter:

»Du hast gehört, daß sich jetzt ein Christ innerhalb dieser Mauern befindet?«

»Ja.«

»So fordern wir dich auf, augenblicklich deine Pflicht zu thun! Die Anwesenheit dieses Menschen ist ein himmelschreiendes Verbrechen gegen Allah, gegen den Propheten, gegen die Gebote des Islam und gegen alle Bekenner desselben, welche sich hier befinden. Wir verlangen die schnellste und schwerste Bestrafung, hier gleich, vor unsern Augen! Hörst du wohl! Wenn du dich, was aber gar nicht möglich ist, weigern solltest, werde ich mich bei unserm Beherrscher der Welt beschweren, der deinen Padischah anhalten wird, dich mit zehnfacher Bastonnade und dem Tode zu bestrafen!«

Als der Oberste der Kammerherren jetzt seinen Strafantrag beendet hatte, war das Gesicht des Khanwächters so lang geworden, daß die weitere Verlängerung auch nur um ein Muh-i-Schutur[100] eine absolute Unmöglichkeit war. In ganz demselben Maße war auch seine Verlegenheit gewachsen; er wußte weder wo ein noch wo aus, und das erweckte mein Mitleid für den harmlosen, friedfertigen Menschen. Ich ergriff deshalb das Wort, mich an ihn wendend:

»Tritt näher zu mir her, Khandschi! Du hast bisher gehört, was andere meinen; nun sollst du auch unsere Ansicht kennen lernen. Aber sei höflich, sonst gehen unsere Gewehre augenblicklich los!«

Er hatte solche Angst vor uns, daß er nur wenige Schritte that, meiner Aufforderung zu folgen.

»Ist dieser Khan wirklich nur für die Anhänger der Schia da?« fragte ich.

»Ja,« nickte er.

»Für Andersgläubige ist er verboten?«

»Ja.«

»Bist du Schiit?«

»Nein.«

»Sind deine Soldaten Schiiten?«

»Nein.«

»Und doch seid ihr hier? Sogar als Beamte? Auch der Obeïde, welcher uns beschuldigt hat, ist kein Schiit. Ich achte das Gesetz, erwarte aber, daß auch andere es respektieren. Wenn dieser Khan nur für Schiiten vorhanden ist, so haben alle, die das nicht sind, ihn unverweilt und für immer zu verlassen. Packe also deine und deiner Soldaten Habseligkeiten zusammen! Sobald ihr fortgeht und der Obeïde mit, werden auch wir den Khan verlassen.«

Es war eine wahre Wonne, das Gesicht zu sehen, welches der arme Teufel machte; die Verlegenheit knickte ihn beinahe zusammen. Ich fuhr fort:

»Ich halte es außerdem für notwendig, daß jeder, der sich für einen Schiiten ausgiebt, nachweisen muß, daß er wirklich einer ist. Wer das nicht kann, hat sich auch zu entfernen. Haben die Leute, welche sich so feindlich gegen uns benehmen, dir ihre Legitimationen vorgezeigt?«

»Nein.«

»So sollst du zunächst die meinigen sehen. Ich verlange aber, daß du ihnen die Ehrfurcht erweisest, welche bei Androhung strengster Bestrafung vorgeschrieben ist!«

Ich nahm die Dokumente, heut zum zweitenmal, aus der Tasche, öffnete sie und gab sie ihm. Ob er lesen konnte oder nicht, war mir gleich; er sah die Siegel und rief erschrocken aus:

»Maschallah! Ein Bujurultu, ein Jol teskeressi und gar ein Ferman, alle mit der eigenhändigen Unterschrift des Großherrn, welcher der Liebling Allahs und des ganzen Himmels ist!«

Er legte die Siegel an die Stirn, den Mund und das Herz und verbeugte sich dreimal tief, fast bis auf die Erde herab. Dann gab er mir die Legitimationen zurück. Ich nahm eine vierte hervor und fuhr fort:

»Da unsere Gegner sich für Leute aus Farsistan ausgeben, will ich dir beweisen, daß wir auch dort der größten Hochachtung und Höflichkeit versichert sind. Selbst die höchsten Würdenträger müssen uns die Ehren erweisen, welche wir auf Grund dieses Schriftstückes zu beanspruchen haben. Bist du der persischen Sprache mächtig«

Bei dieser Frage reichte ich ihm meinen persischen Ferman hin.

»Des Lesens nicht,« antwortete er in außerordentlich respektvollem Tone.

»So will ich dir sagen, daß dieser Ferman von dem Schah-in-Schah auch eigenhändig unterschrieben und untersiegelt worden ist. Die Inschrift des Siegels lautet: Sobald die Hand Nasr-ed-Dins das Siegel des Reiches ergreift, erfüllt die Stimme der Gerechtigkeit die Welt vom Monde an bis zu den Fischen.« Ich hoffe, du siehst nun ein, daß mein Dasein von der Gewogenheit sowohl des Großherrn, als auch des Schah von Persien erleuchtet wird, und hast dich demgemäß gegen uns zu verhalten. Du bist nicht persischer Unterthan und kannst also über die Drohung lachen, welcher dieser angebliche Pischkhidmät Baschi vorhin ausgesprochen hat; eine Beschwerde von mir aber würde dich nicht nur um deine Stelle, sondern auch noch um viel mehr bringen!«

Er erwies, obgleich er Türke war, jetzt auch dem persischen Ferman die schon erwähnten Höflichkeiten und gab ihn mir dann mit der sehr devoten Versicherung zurück:

»Ich bitte dich demütig, o Liebling des Großherrn, mir in Bagdad und Stambul zu bezeugen, daß ich euch weder mit einer Miene noch mit einer Silbe beleidigt habe, denn gleich der erste Blick auf euch sagte mir, daß euch alle Pforten des Reiches und also auch die Thore dieses Khans geöffnet sind. Betrachte mich als deinen Diener! Ich bin bereit, alle deine Befehle augenblicklich zu erfüllen!«

»Das erwarte ich allerdings! Vor allen Dingen verlange ich, daß nun auch diese angeblichen Perser beweisen, daß sie Perser, und zwar Schiiten sind. Wir haben uns legitimiert; nun kommt die Reihe an sie, dies auch zu thun!«

»Du hast recht, und ich erwarte, daß sie diesem Verlangen nachzukommen vermögen!«

Er drehte sich von mir ab und nach dem Kammerherrn um. Ich hatte diesem mit meinem persischen Ferman imponiert; er sah die vorhin gegen mich gerichtete Waffe jetzt in meinen Händen, und der Ausdruck der Verlegenheit, welcher dabei auf seinem Gesichte erschien, verriet mir, daß er nicht imstande war, den von ihm verlangten Nachweis zu führen. Er versuchte, das unter einem möglichst selbstbewußten Tone zu verbergen, indem er den Khandschi zornig fragte:

»Ist es denn möglich, daß du den Mut hast, einen solchen Ausweis im Ernste von mir zu verlangen? Du warst bisher vollständig überzeugt, daß ich der Pischkhidmät Baschi des Schah von Persien wirklich bin, und jetzt forderst du mich infolge der Worte eines vollständig Fremden plötzlich auf, dir Beweise vorzuzeigen! Steht dir als Moslem deine Würde so wenig fest, daß sie ein so schwaches Lüftchen aus dem Lande der Ungläubigen umzuwehen vermag?«

»Es handelt sich hier nur um meine Würde als Beamter des Großherrn. Sobald ich sein von Allah gesegnetes Siegel erblicke, habe ich meine Pflicht zu erfüllen, ohne nach der Religion und dem Glauben dieses Effendi zu fragen, welcher mir bewiesen hat, daß er unter dem ganz besondern Schutze des Padischah steht. Du hast den Streit mit ihm begonnen, indem du dich als ein Mann gebärdetest, der das Recht besitzt, hier als Gebieter aufzutreten. Dieses Recht gebührt dir selbst als Pischkhidmät Baschi nicht; aber da du dich für ihn ausgiebst, ist es meine Pflicht, den Beweis von dir zu verlangen!«

»Meine Untergebenen können es mir bezeugen.«

»Was sie sagen, gilt nichts, denn ich kenne sie nicht. Wenn du ein so hoher Herr bist, der in der immerwährenden Gegenwart des Schah-in-Schah wandelt, mußt du doch das Siegel und die Unterschrift desselben in den Händen haben. Da dieser fremde Effendi beides besitzt, darf ich wohl sagen, daß es dir doch viel leichter als ihm sein muß, eine solche Beglaubigung deines Herrschers zu erlangen.«

»Ich habe sie nicht von ihm gefordert, weil ich es für vollständig unmöglich hielt, daß irgend ein Mensch an der Wahrheit meiner Worte zweifeln könne. Ich habe zwar Briefe meines Gebieters mit, die muß ich aber an den heiligen Orten abgeben und darf sie keinem andern Menschen zeigen als denen, an die sie gerichtet sind.«

»Das ist nicht vorteilhaft für dich. Du hast ja selbst gesagt, daß nur Schiiten hierher gehören und jeder Andersgläubige den Khan zu verlassen habe. Wenn du mir nicht beweisen kannst, daß du ein Bekenner der Schia bist, muß ich dich nach deinem eigenen Willen mit deinen Leuten aus dem Thore weisen!«

 

»Welche Schande!« fuhr der Perser auf. »Muß ich mir das wirklich sagen lassen!«

»Ja, das mußt du! Du bist ein Fremder, der sich nicht legitimieren kann, und hast mir, dem Kommandanten dieses Ortes, zu gehorchen.«

»Und was geschieht, wenn ich dir den Gehorsam verweigere?«

»So habe ich einen Bericht abzufassen, den ich fortsende, und werde euch hier behalten, bis die Antwort darauf eingetroffen ist.«

»Wir lassen uns aber nicht halten!«

»Allah bewahre dich vor schädlichem Ungestüm! Meine Asaker[101] fürchten sich nicht vor euch, und dieser wohlbewaffnete Effendi würde mir mit seinem tapfern Scheik der Haddedihn gewiß beistehen. Ihr habt gesehen, wie er schießen kann!«

Der Kammerherr sah sich fragend im Kreise seiner Leute um; sie zeigten jetzt ganz andere Gesichter als vorher; der frühere Ausdruck der Zuversichtlichkeit war vollständig verschwunden. Meine Schießprobe und die vorgezeigten Legitimationen hatten die beabsichtigte Wirkung hervorgebracht: der Khandschi war mutig, der Kammerherr aber bedenklich geworden. Meinem kleinen, wackern Hadschi machte das Spaß; er griff mit der Hand nach den Waffen in seinem Gürtel und fragte mich in unternehmendem Tone:

»Du bist natürlich einverstanden, Effendi? Wollen wir es diesen Leuten sofort zeigen, wie zwei erfahrene Krieger es anfangen, zwölf Gegner in zwei Minuten widerstandsunfähig zu machen?«

»Ja, das wollen wir, aber in anderer Weise, als du denkst,« antwortete ich. »Grad weil ich kein Moslem bin, sondern ein Christ, werde ich diesen Zwiespalt, an dem wir unschuldig sind, auf friedliche Weise lösen.«

Ich wendete mich an den Khandschi und fügte hinzu:

»Würdest du es gelten lassen, wenn jemand, den du kennst, dir die Versicherung gäbe, daß dieser persische Mirza[102] wirklich der Pischkhidmät Baschi des Schah ist?«

»Ja,« antwortete er.

»So sag, ob du mich jetzt kennst!«

»Dich! Natürlich kenne ich dich! Du hast mir ja die allerhöchsten Schriftstücke vorgezeigt; folglich kenne ich dich so gut, als ob ich, wenn du mir gestattest, von Jugend auf an deiner eigenen Stelle gewesen sei.«

»Du würdest also meine Worte gelten lassen?«

»Wie meine eigenen!«

»Gut, so versichere ich dir, daß dieser Mirza wirklich derjenige ist, für den er sich ausgegeben hat, und bitte dich, ihn hier im Khan verweilen zu lassen, so lange es ihm beliebt!«

»Du hast es gesagt, und es soll geschehen, Effendi!«

»Maschallah!« rief da Halef aus. »Du vergiltst die Beleidigungen, welche wir anzuhören hatten, mit dieser großen, unverdienten Güte? Wie kannst du mich um die Glückseligkeit bringen, diesen zwölf Personen zu beweisen, daß wir zwei, ich und du, viel mehr als zwölf bedeuten!«

Ich antwortete ihm nur mit einem Winke auf die Perser, und da begriff er mich. Die verblüffte Miene, welche der Kammerherr jetzt zeigte, bereitete mir mehr Genugthuung, als ich durch die Ausführung der Absicht Halefs gefunden hätte. Er starrte mich förmlich an und stieß, indem er mit dem Kopfe schüttelte, die Worte hervor.

»Allah akbar – Gott ist groß! Wie groß aber auch ist mein Erstaunen!«

»Worüber?« erkundigte sich Halef lachend.

»Daß ein Christ, ein Ungläubiger, der mich heut zum erstenmal sieht, es wagt, mich als den Abglanz des Beherrschers zu bestätigen!«

»Wenn du glaubst, daß dies ein Wagnis sei, so irrst du dich. Man sieht dir grad jetzt diesen Abglanz so deutlich an, daß ein Irrtum vollständig ausgeschlossen ist. Dein Gesicht strahlt uns in der ganzen Fülle seiner Weisheit entgegen, und wir sehen ein, daß du viel zu klug und zu erhaben bist, als daß wir dir das sagen dürfen, was wir dir eigentlich mitzuteilen hätten.«

»Mitzuteilen? Mir? Was meinst du?«

»Daß ihr euch in einer großen Gefahr befindet, von welcher ihr keine Ahnung hättet, wenn du nicht eine so große Leuchte des Scharfsinnes wärest.«

Der Perser mußte die in diesen Worten liegende Ironie heraushören; er hielt es aber, da es sich um eine Warnung handelte, für angezeigt, so zu thun, als ob er sie nicht bemerkt habe, und erkundigte sich weiter-

»Du sprichst von einer Gefahr. Meinst du, daß sie sich auf mich, auf uns beziehe?«

»Natürlich auf euch; ich habe ja soeben gesagt, daß sie euch bedrohe. Wenn sie uns beträfe, würden wir kein Wort darüber verlieren, denn die Gefahr ist die Luft, in der wir leben und das Wasser, an welchem wir uns täglich erquicken. Wir lieben die Gefahr; wir können und mögen ohne sie nicht sein, und je größer sie ist, desto lieber haben wir sie. Wir kennen diese eure Gefahr sehr genau, denn wir haben selbst auch schon in ihr gesteckt und ihr dabei gezeigt, daß wir mit ihr spielen, so ungefähr, wie zwei Riesen mit einem Zwerge scherzen.«

Es war lächerlich, daß der kleine Kerl sich mit einem Riesen verglich; er nahm eben den Mund wieder einmal recht voll, was mir, als dem Europäer, natürlich mehr auffiel als dem Perser, welcher die Ausdrucksweise des Hadschi für ganz selbstverständlich zu halten schien und seine Nachforschung in gespannter Weise fortsetzte:

»Ich wüßte nicht, was für eine Gefahr uns bedrohen könnte. Wir stehen unter dem mächtigen Schutze des Schah-in-Schah und sind überzeugt, daß uns nirgends etwas geschehen kann.«

»In Persien mögt ihr von diesem Schutze sprechen, aber nicht hier. Ihr habt ja vorhin gesehen, wie gering seine Macht gegen unsern Willen war. Sag mir doch einmal, ob deine Truppe einen besonderen Namen hat!«

»Was sollte sie für einen besonderen Namen haben? Sie ist eine Karwan wie jede andere auch.«

»Du irrst. Sie besitzt einen Namen, den man ihr gegeben hat, ohne daß du etwas davon weißt.«

»Welchen?«

»Man nennt sie die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi.«

»Diesen Namen wirst du ihr wohl in diesem Augenblicke erst selbst gegeben haben!«

»Nein. Wir haben ihn gekannt, längst ehe wir dich sahen. Wir wußten, daß diese Karwan-i-Pischkhidmät Baschi unterwegs sei und erwartet werde, und als wir euch hier trafen, erkannten wir euch sofort. Darum nur konnte mein Effendi gegen den Khandschi behaupten, daß du der Oberst der Kammerherren seist.«

»Der Sinn deiner Rede ist mir außerordentlich dunkel. Du sagtest, daß unsere Karwan erwartet werde. Ich frage dich, wo und von wem? Wir haben uns in tiefster Verborgenheit zur Reise gerüstet und sind so heimlich aufgebrochen, daß niemand etwas von uns wissen kann.«

»Allah hat erlaubt, daß Menschen vorhanden sind, welche schärfere Augen und Ohren besitzen, als du zu haben scheinst. Eure Vorbereitungen sind beobachtet worden; man weiß, daß ihr kostbare Waren geladen habt, um sie nach den heiligen Stätten zu bringen. An euerm Wege warten Räuber, denen eure Ankunft bereits gemeldet worden ist. Ihr sollt überfallen werden und wenn ihr nicht auf unsere Warnung hört, so ist es nicht nur um das Eigentum des Schah-in-Schah, sondern wahrscheinlich auch um euer Leben geschehen.«

Ich hatte den Hadschi nicht unterbrochen; er fühlte sich als den Herrn der Situation, und diesen für ihn so großen Genuß wollte ich ihm nicht verkümmern. Dabei nahm ich als ganz selbstverständlich an, daß er für seine wohlwollende Absicht Dank und Anerkennung ernten werde. Zu meinem Erstaunen mußte ich aber einsehen, daß ich mich da einer Täuschung hingegeben hatte. Als er jetzt schwieg, sah der Kammerherr bald ihn, bald mich forschend an, brach in ein kurzes, höhnisches Gelächter aus und sagte dann:

»Abarak Allah! Gott sei gesegnet, daß er so liebe, gute Menschen wie euch geschaffen hat! Ich bin im höchsten Grade erstaunt darüber, daß es so herrliche, so unvergleichliche Leute giebt! Wir haben euch ganz anders, nur nicht wie Freunde behandelt, und als Antwort darauf seid ihr auf unser Glück, auf unser Heil bedacht! Es trieft Segen von euern Zungen und Wohlthat von euern Lippen. Das ist nur darum möglich, weil einer von euch ein Christ ist, dessen Lehre ihm ja, wie ich gehört habe, gebietet, allen seinen Feinden Gutes zu erweisen. Diese unmännliche Lehre habe ich aber stets verachtet, und ebenso verachte ich jeden, der sich zu ihr bekennt. Ihr habt also zu wählen zwischen meiner Verachtung oder meinem Gelächter, und ich bin überzeugt, daß dieses letztere auf euch passen wird. Denn lächerlich ist es im höchsten Grade, mir zuzumuten, das zu glauben, was jetzt gesagt wurde.«

»So zweifelst du an dem, was ich von den Absichten dieser Räuber gesagt habe?« fragte Halef in zornigem Tone.

»Daran nicht, ganz und gar nicht; aber die Personen der Räuber sind wahrscheinlich ganz andere, als du uns glauben machen willst. Du hast von einer wertvollen Ladung gesprochen, nur um zu erfahren, was wir geladen haben. Das übrige brauche ich nicht zu sagen; du kannst es dir denken!«

»Verstehe ich dich richtig Willst du etwa sagen, daß wir —«

Sein Zorn war so groß, daß er den Satz nicht ganz aussprechen konnte, aber mit der Rechten nach der Peitsche griff, um die unterbrochene Rede in dieser Weise zu vollenden. Ich faßte seinen Arm, hielt ihn fest und sagte:

»Keine Unüberlegtheit, Halef! Was dieser Mann denkt und spricht, kann uns höchst gleichgültig sein. Mag er später zu seinem Schaden erkennen, daß er jetzt und hier die größte Unklugheit seines Lebens begangen hat. Wir sind mit ihm fertig. Komm!«

»Ja, reiten wir fort, Sihdi,« stimmte er mir bei. »Er wird es bitter bereuen, daß er heut wie auch in seinem ganzen Leben nicht gescheiter als sein Vater, Großvater, und Vorahne gewesen ist, welche die unverzeihliche Dummheit begangen haben, sich von dem Fatum der Schiiten einen solchen Sohn, Enkel und Urenkel aufhängen zu lassen. Allah gebe, daß alle Nähte seines Leibes und seiner Seele aufplatzen, wie bei einem alten, zerrissenen Alduwan!«[103]

Ich mußte über diesen drastischen Wunsch laut lachen; der Perser getraute sich nur, die beiden Fäuste gegen uns zu schütteln und uns im höchsten, aber ohnmächtigen Zorne zuzurufen:

95Eidechse, Lurch.
96Hoheit.
97Siehe Karl May, »Durch die Wüste« Seite 422.
98Jude.
99Christ.
100Pers.: kleinstes Maß = Breite eines Kamelhaares.
101Soldaten.
102Titel jedes gebildeten Persers, wenn das Wort vor den Namen gestzt wird.
103Handschuh.