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Im Reiche des silbernen Löwen II

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Adolf Farkas, ein geborener Mähre und später ungarischer Offizier, war während der dortigen Erhebung Bems Adjutant und zeichnete sich dabei in jeder Weise aus. Nach diesen Kämpfen gingen beide in türkische Dienste und traten zum Islam über, Bem unter dem Namen Amurat Pascha, während Farkas den Namen Osman wählte, und, da er später den Rang eines Pascha erhielt, jetzt Osman Pascha heißt. Während des Krieges im Jahre 1853 bat Omer Pascha sich ihn als Adjutant aus, und ebenso leistete Farkas in dem Feldzuge von I877-78 Ausgezeichnetes. Für diese Verdienste zum Oberst und bald darauf zum General ernannt, war er zugleich Professor an der militärischen Hochschule in Konstantinopel und genoß auch sonst das Vertrauen des Padischah, wie seine jetzige Sendung nach Bagdad und Hilleh bewies. Ich hatte ihn in Stambul kennen gelernt und an seiner Seite bei anregender Unterhaltung manche Tasse Kaffee getrunken, und manchen Tschibuk ausgeraucht. Jetzt nun standen wir so ganz unerwartet im Zimmer des Sandschaki bei einander, und er hörte mit immer wachsender Aufmerksamkeit der Erzählung unseres Erlebnisses zu. Als ich damit zu Ende war, rieb er sich vergnügt die Hände und gestand:

»Das ist allerdings interessant, höchst interessant, und ich sehe ein, daß Sie keine Zeit zu verlieren haben. Wie gern, wie sehr gern würde ich mit hinausreiten und mich an diesem Coup beteiligen; aber die Pflicht hält mich hier fest. Ich darf dem Sandschaki nicht von der Seite weichen, und die unaufschiebbaren Nachforschungen werden noch die ganze Nacht ausfüllen. Aber ich stelle Ihnen alles zur Verfügung, was Sie wünschen und verlangen. Sprechen Sie nur! Sagen Sie, womit ich Ihnen dienen kann! Haben Sie schon einen Feldzugsplan entworfen?«

»Darf ich diese Cäsar- oder Napoleonsarbeit nicht lieber Ew. Excellenz überlassen? Mir liegt nur daran, meinen Halef unverletzt wieder zu bekommen; das übrige ist ja Sache der hiesigen Verwaltung, welcher ich das Bewußtsein, ihre Pflicht erfüllt zu haben, ganz gern gönne.«

»Sie Diplomat! Im Falle des Nichtgelingens sind Sie dann ganz verantwortungsfrei! Weiß der Sandschaki schon, daß der Pischkhidmät Baschi überfallen und ausgeraubt worden ist und seine Begleiter tot sind?«

»Er hat wohl keine Ahnung davon!«

»So wollen wir ihm auch nichts sagen. Seit ich Ihre Erzählung gehört habe, kann ich nämlich den Gedanken nicht los werden, daß er in Beziehung auf seine Verbindungen mit Persien mit dem Säfir unter einer Decke steckt. Dieser ist der Unterhändler. Meinen Sie nicht?«

»Ja; er oder der Pädär-i-Baharat, vielleicht auch beide zugleich. Daß man sich grad an den Sandschaki gewendet hat, scheint mir zwei Gründe zu haben.«

»Welche?«

»Erstens hat man ihn als bestechlichen Mann gekannt, und zweitens stehen die heiligen Orte, auf welche es doch wohl vor allen Dingen abgesehen ist, unter ihm.«

»Das ist richtig. Sie öffnen mir da die Augen.«

»Auch kann es keinen gewöhnlichen Grund haben, daß sein Verhalten zu dem Säfir ein so seltenes, ein so ausnahmsweises ist. Er ließ ihn, den Fremden, ja nicht nur an der Mehkeme teilnehmen, sondern gestattete ihm auch, in das Verhör zu sprechen. Das läßt auf ganz verdächtige Verbindungen schließen.«

»Ich stimme bei; aber wir werden auch hinter diese Schliche kommen. jetzt mache ich Sie darauf aufmerksam, daß wir ganz vergessen haben, daß wir nicht allein hier sind. Ich bin den Anwesenden eine Erklärung schuldig.«

Sich von mir ab und dem Sandschaki zuwendend, sagte er zu ihm, natürlich nun nicht mehr deutsch sprechend:

»Du sprachst vorhin von Strolchen, Paschern, Dieben, Räubern und Mördern. Wie bisher in vielen anderen Punkten, so bin ich auch in dieser Hinsicht nicht mit dir einverstanden, sondern ganz anderer Meinung. Dieser Franke ist mein Freund, und ich freue mich außerordentlich, ihm so unerwartet hier zu begegnen. Er heißt Kara Ben Nemsi Effendi und steht unter dem ganz besonderen Schutze des Padischah. Das hat er dir gesagt und auch bewiesen, ohne daß es dir beliebte, auf seine Worte zu achten. Ich habe jetzt seine Anklage entgegengenommen und werde sie zu den übrigen Beschuldigungen fügen, welche gegen dich vorliegen und zu denen wahrscheinlich noch andere kommen.«

Man sah es dem Sandschaki an, daß er sich seit der freundlichen Begrüßung zwischen dem Generale und mir in der größten Verlegenheit befand. Er wollte jetzt eine entschuldigende Antwort versuchen, wurde aber daran verhindert, denn mein alter Kol Agasi kam herein und meldete, daß drei Männer den Sandschaki zu sprechen begehrten.

»Wer sind sie?« fragte der General.

»Ich weiß es nicht; sie wollten keine Namen sagen. Sie sind persisch gekleidet, und der eine von ihnen sagte, er käme mitten in der Nacht, weil er dem Sandschaki einen sehr wichtigen Brief zu übergeben und auch von einer großen Mordthat zu erzählen habe, welche am Birs Nimrud geschehen sei.«

»Wer soll ermordet worden sein?«

»Der Pischkhidmät Baschi mit allen Leuten, die bei ihm waren.«

»Von wem?«

»Von den beiden Fremden, welche heut entflohen sind, dem Kara Ben Nemsi und dem Haddedihn-Beduinen.«

Der General sah mich und ich den Kol Agasi an. Diese drei persisch gekleideten Männer konnten nur Kumpane des Säfir sein; ich dachte sogleich an den Pädär-i-Baharat und seine zwei Begleiter. Wenn sie es waren, so spielten sie ein höchst gefährliches Spiel, welches sie freilich für ganz unbedenklich hielten, weil sie zweierlei nicht wußten, nämlich erstens, daß ich mit dem Kammerherrn entkommen war, und zweitens, daß seit dem Abend sich die Verhältnisse des Sandschaki außerordentlich verändert hatten. Der schlauberechnende Säfir wollte aus sehr naheliegenden Gründen, welche keiner Erklärung bedürfen, den Überfall und Mord auf mich und Halef, also auf einen Christen und einen Sunniten schieben und dadurch jeden doch vielleicht gegen ihn auftretenden Verdacht gleich im Beginne von sich und seiner Bande abwälzen.

»Wo befinden sich die drei Perser?« fragte ich den Kol Agasi.

»Unten an der Thür,« antwortete er.

»So haben sie unsere Pferde gesehen?«

»Nein, Effendi. Da die Hengste dir gehören, habe ich sie mit Aufmerksamkeit behandelt und in den Achor[130] unseres Serai schaffen lassen, wo sie Futter und Wasser bekommen.«

»Das ist gut! Hast du den Männern gesagt, daß ich hier bin?«

»Kein Wort! Was denkst du von dem Lichte meiner Gedanken, daß du mir eine so große Dummheit zumutest?«

»Aber die Posten werden es jetzt unten ausplaudern?«

»Auch kein Wort! Sie sind, während du hier oben warst, gewechselt worden, und die jetzigen wissen nichts von dir.«

»Hast du davon gesprochen, daß ein Abgesandter des Padischah angekommen ist?«

»Nein. Diese drei Männer sind so ahnungslos wie Hammel, welche nach der Thür drängen, hinter welcher sie geschlachtet werden sollen.«

»Dieser Vergleich ist nicht übel. Warte einen Augenblick!«

Ich wendete mich zu dem General, welcher mir mit der Frage zuvorkam:

»Du hast eine Idee; ich sehe es dir an. Habe ich recht?«

»Ja.«

»Welche?«

Er sprach arabisch und nannte mich also du. Ehe ich antworten konnte, ergriff der Sandschaki das Wort:

»Ich höre, daß die Karawane des Pischkhidmät Baschi überfallen und er mit den Seinigen ermordet worden sein soll. Hier steht er aber ja! Wie ist das zu erklären?«

»Auf so einfache Weise, wie dir heut noch manches andere auch erklärt werden wird,« erwiderte ich ihm.

»Wo aber ist der Haddedihn? Warum hast du ihn nicht mitgebracht?« erkundigte er sich in höhnischem Tone. »Es scheint doch etwas vorgekommen zu sein, was du verschweigen mußt!«

»Wohl dir, wenn du so wenig zu verschweigen hast wie ich! Es wäre nur gut für dich, wenn du jetzt gar nichts sagtest!«

Nun führte ich den General abseits und besprach mit ihm den Plan, den ich gefaßt hatte; er stimmte bei und traf schnell seine Anordnungen zur Ausführung desselben. Er blieb ganz allein in dem Zimmer; alle anderen begaben sich in das Nebengemach, aus welchem er vorhin mit dem Oberst gekommen war. Auch der Korporal mußte mit seinen Soldaten aus dem Vorraum zu uns kommen, denn wir brauchten sie sehr wahrscheinlich zur Arretur der drei Perser, welche mißtrauisch geworden wären, wenn sie eine solche Wache vor der Wohnung des Sandschaki angetroffen hätten. Diesem letzterem wurde streng bedeutet, daß er sich ganz ruhig und vollständig schweigsam zu verhalten habe, wenn er nicht Gefahr laufen wolle, seinem hohen Stande zuwider behandelt zu werden. jedenfalls wurde es ihm, dem hier bisher Allgewaltigen, schwer, die Fügsamkeit zu zeigen, welche wir von ihm verlangten. Was mich betrifft, so postierte ich mich hinter den Vorhang, um jedes Wort zu hören und die Perser durch eine Lücke beobachten zu können.

Kaum daß diese Vorbereitungen getroffen worden waren, traten sie ein. Sie hatten erwartet, den Sandschaki zu sehen und waren nicht wenig darüber betroffen, daß sie vor einem Generale standen, zu dem sie gar nicht gewollt und von dessen Anwesenheit sie nichts gewußt hatten. Man sah es ihnen an, wie verlegen sie waren. Ich hatte mich nicht geirrt, als ich annahm, daß es der Pädär mit seinen beiden Genossen sein werde.

»Ihr habt gewünscht, hier gehört zu werden. Was ist euer Verlangen, jetzt mitten in der Nacht?« fragte Osman Pascha.

»Wir baten, mit dem Sandschaki sprechen zu dürfen,« antwortete der Pädär.

»Er kann nicht kommen; ich stehe an seiner Stelle hier. Also redet!«

Er sah sie so streng und durchdringend an, daß sie es nicht wagten, sich zu weigern. Der Pädär begann ziemlich kleinlaut:

 

»Unser Bericht ist eigentlich nur für den Gebieter des hiesigen Sandschak; aber da du behauptest, an seiner Stelle hier zu sein, so werden wir dir die Angelegenheit mitteilen.«

»Drückt euch höflicher und vorsichtiger aus! Ich behaupte gar nichts, sondern was ich sage, das gilt. Merkt euch das! Was ist es für eine Angelegenheit, die ihr mir vorzutragen habt? Ich hoffe, eine genug wichtige, um euer nächtliches Kommen zu entschuldigen!«

»Sie ist wichtig. Es handelt sich um den Überfall einer Karawane und einen zwölffachen Mord.«

»Welche Karawane?«

»Die Karawane des Pischkhidmät Baschi, welcher der Gast des hiesigen Gebieters gewesen ist. Sie ist vor einigen Stunden draußen bei den Ruinen überfallen und geplündert worden, wobei der Pischkhidmät Baschi mit seinen elf Begleitern das Leben verloren hat.«

»Wer sind die Mörder?«

»Der Christ und der sunnitische Haddedihn, welche hier schon wegen Mord, Leichenschändung und Schmuggelei vor der Mehkeme standen, aber entflohen sind.«

»Könnt ihr das beweisen?«

»Ja.«

»Wie?«

»Durch unser Zeugnis. Wir waren dabei und sind die einzigen, welche dem Blutbade entkommen sind.«

»Ihr werdet mir den Hergang dieses Ereignisses erzählen; vorher aber handelt es sich um den Brief, von dem die Rede gewesen ist.«

»Er ist für den Sandschaki,« meinte der Pädär verlegen.

»Ich stehe an seiner Stelle!«

»Er enthält eine Schrift, welche von ihm zu unterzeichnen ist!«

»So wird er unterzeichnen!«

»Wir haben diese Schrift wieder abzuliefern und müssen sie uns also zurückerbitten!«

»Dagegen habe ich nichts.«

»Wir dürfen sie aber nur ihm geben, keinem andern Menschen!«

»So ist es ein Geheimnis, um welches es sich handelt?«

»Das weiß ich nicht. Ich habe strengen Befehl, nach dem ich handeln muß.«

»Von wem?«

»Das darf ich nicht sagen.«

»Woher kommt der Brief?«

»Dies zu sagen, ist uns ebenfalls verboten.«

Es war dem Pädär himmelangst; er wand sich hin und her und atmete sichtlich auf, als der General in gleichgültigem Tone entschied:

»Mag es sein; ihr sollt einstweilen euren Willen haben! jetzt zu dem Überfall der Karawane. Wie ging das zu?«

»Es geschah folgendermaßen: Wir drei befinden uns auf der Pilgerschaft nach den heiligen Stätten. Wir kamen gestern hier an und trafen einen Landsmann, mit dem wir uns befreundeten. Als es Abend geworden war, wollten wir die Kühle desselben zur Fortsetzung der Reise benutzen und baten ihn, uns eine Strecke zu begleiten.«

»Wie hieß dieser Mann?«

»Wir haben nicht nach seinem Namen gefragt. Er nannte sich Def[131] des Sandschaki, und so will ich ihn auch weiter bezeichnen, wenn du es erlaubst.«

Er meinte natürlich den Säfir, und es war sehr vorsichtig von ihm, sich auf diese Weise aus der Notwendigkeit zu ziehen, den wahren oder auch einen falschen Namen anzugeben. Er fuhr fort:

»Der Def willigte ein, bis zu den Ruinen mitzureiten. Unterwegs trafen wir auf die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi, welche kurz vor uns von Hilleh aufgebrochen war, und baten um die Erlaubnis, uns ihr anschließen zu dürfen, was uns auch nicht verweigert wurde. Wir waren froh darüber, denn wir hatten von der großen Unsicherheit des Weges und von einem Franken und einen Haddedihn gehört, welche die Anführer räuberischer Beduinen sind und jeden Pilger, der ihnen in den Weg kommt, ausplündern.«

»Kennst du die Namen dieser Räuber?« fragte der General.

»Ja. Der Franke wird Kara Ben Nemsi genannt, und der Haddedihn heißt Halef.«

»Diese Schurken! Man muß sie zu fangen suchen. Leider aber kennt man ihr Aussehen nicht!«

»Oh, das kennen wir,« fiel der Pädär schnell ein. »Man hat sie uns beschrieben, und heut haben wir sie auch gesehen.«

»Nun, wie?«

Jetzt beschrieb der Mensch Halef und mich so genau, daß ich selbst es nicht besser hätte machen können, und setzte dann seine Erzählung fort:

»Kurz vor den Ruinen kamen zwei Männer von seitwärts her geritten und gesellten sich zu uns. Allah hatte unsere Augen verdunkelt, sonst hätten wir erkennen müssen, daß es die beiden Räuber waren. Dann verabschiedete sich der Gast des Sandschaki von uns und wünschte uns glückliche Reise; sie sollte leider nicht glücklich werden, denn kaum war er fort, so fielen Schüsse, und eine Menge Beduinen drangen auf uns ein. Wir sahen, daß die beiden zuletzt Angekommenen, also der Franke und der Haddedihn, ihre Messer zogen und zwei Pilger niederstachen; nun erkannten wir sie und wendeten schnell unsere Pferde, um ihnen zu entgehen. Dies gelang uns, denn die Kugeln, die uns nachgeschickt wurden, trafen uns nicht. Nach einiger Zeit stießen wir wieder mit dem Def zusammen, welcher umgekehrt war, weil er die Schüsse gehört hatte. Wir erzählten ihm den Überfall, und er beredete uns, mit ihm zurückzureiten und den Schauplatz des Überfalles zu beschleichen, weil vielleicht die Rettung eines Lebens möglich sei. Als wir dort ankamen und vorsichtig lauschten, brannte ein Feuer, und die beiden Anführer waren beschäftigt, die Beute unter sich und die Beduinen zu verteilen. Als sie damit fertig waren, ritten sie fort. Die Leiche des Pischkhidmät Baschi nahmen sie mit, um sie in den Fluß zu werfen, damit niemand sie finden könne. Wir aber wagten uns nach ihrer Entfernung hin an das Feuer, um die dort liegenden elf Körper zu untersuchen; sie waren alle tot, und zwar nicht erschossen, sondern erstochen worden. Uns graute. Der Gast des Sandschaki aber war ein kühner Mann; er beschloß, den beiden Anführern heimlich nachzureiten, um ihr Versteck zu erfahren, und sie dann mit Hilfe der hiesigen Soldaten zu fangen. Uns sandte er nach Hilleh zurück, um dem Sandschaki sofort, noch während der Nacht, die Unthat zu erzählen.«

Er hielt jetzt inne; darum erkundigte sich der General:

»Bist du fertig?«

»Ja.«

»Ihr könnt alles, was du erzählt hast, durch einen Eid bekräftigen?«

»Ja.«

»Es kommen in deinem Berichte einige Punkte vor, die mir unklar sind. Du wirst mir also noch einige Fragen zu beantworten haben. Du sagtest, ihr hättet euch mit dem Def befreundet; wie kommt es, daß ihr da seinen Namen nicht kennt? Bevor man sich befreundet, sucht man doch zu erfahren, wie man heißt!«

»Unter schiitischen Pilgern nicht. Du bist ein Sunnit und kannst das also nicht wissen.«

»Gut; das hast du vortrefflich gemacht! Weiter! Es fielen so viele Schüsse, und doch hat keiner getroffen; alle Menschen waren nicht erschossen, sondern erstochen. Ist das nicht sonderbar?«

»Nein. Es war eben nicht genau gezielt worden!«

»Und alle zwölf Mitglieder der Karawane hielten ruhig still, um sich mit Bequemlichkeit nach und nach erstechen zu lassen?«

»Das war die Angst!«

»Der Def hat die Schüsse gehört, muß also noch nicht weit entfernt gewesen sein. ihr kamt mit ihm zurück. Es kann also inzwischen nur eine sehr kurze Zeit vergangen sein, höchstens einige Minuten?«

»Mehr nicht.«

»Und doch brannte schon ein Feuer? Und doch war man schon mit der Verteilung der Beute beschäftigt? Du mußt selbst sagen, daß deine Erzählung stellenweise höchst verwunderlich klingt!«

»Allah! Ich habe die volle, reine Wahrheit berichtet!«

»Ihr waret vorher in Hilleh?«

»Ja.«

»Wie lange?«

»Einige Stunden.«

»Wohin wolltet ihr von hier aus?«

»Zunächst nach Kerbela.«

»Dann?«

»Nach Meschhed Ali.«

»Nicht wieder über Hilleh, denn dies wäre ein Umweg gewesen, sondern direkt über Kefel?«

»Ja.«

»Und wohin von Meschhed Ali aus?«

»Hinunter nach Samawat.«

»Weiter!«

»Von dort aus wollten und wollen wir über Qorna, Hawisa und Disful im Thale des Kercha-Flusses nach Persien zurück.«

»Also ohne wieder hierherzukommen?«

»Ja,« antwortete der sonst so schlaue Pädär, welcher nicht ahnte, welche Falle der General ihm mit diesen Fragen gestellt hatte. Der Fang glückte auch vollständig, indem Osman Pascha fortfuhr:

»Wie steht es da mit dem Briefe an den Sandschaki? Ihr hattet ihn abzugeben, seid aber fortgeritten, ohne dies zu thun, obwohl ihr die Absicht hattet, nicht wiederzukommen. Und nun kommt ihr mitten in der Nacht, um ihn zu bringen. Erkläre mir diese Widersprüche!«

Die Perser waren vollständig überzeugt gewesen, unbedingt nur von dem Sandschaki empfangen zu werden, und also auf ein solches Examen nicht vorbereitet. Der Pädär zermarterte sich das Gehirn nach einer nur leidlich passenden Auskunft; er setzte mehrmals an, um zu antworten, fand aber nichts, was er als nur einigermaßen glaubhaft vorbringen konnte.

»Nun, sprich!« drängte ihn der General. »Woher dieses Schweigen? Fällt dir denn gar und gar keine Ausrede ein?«

»Wir – — wir – — hatten den Brief – — ver – — – vergessen!« stieß der Pädär endlich hervor.

»Vergessen? Einen Brief, der so wichtig ist, daß ihr ihn jetzt zu einer so unpassenden Stunde bringt? Dessen Wert ihr so hoch taxiert, daß ihr das Schreiben nicht einmal mir anvertraut, sondern es nur eigenhändig übergeben wollt? Seid ihr denn wirklich so dumm, anzunehmen, daß ich dieser Ausrede Glauben schenken werde? Es ist eine geradezu unglaubliche Frechheit von euch, mir da eine Menge von Lügen in das Gesicht zu sagen, welche jeder Dummkopf durchschauen würde. Denn nicht bloß eure letzte Ausrede, sondern alles, was du mir erzählt hast von dem Überfalle, ist Schwindel, ist ausgesonnener Lug und Trug.«

»Denke das nicht; denke es ja nicht!« fiel der Pädär schnell und ängstlich ein. »Alles, was ich erzählt habe, ist die reine, die lautere Wahrheit, die wir bereit sind, sofort durch einen Eid zu bekräftigen.«

»Ja, ich traue euch allerdings zu, daß ihr euch nicht besinnen würdet, diesen Meineid zu schwören! Ihr bleibt also dabei, daß Kara Ben Nemsi und der Haddedihn die Anführer der Beduinen sind, welche die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi überfallen haben?«

»Ja.«

»Zu welchem Stamme gehörten diese Beduinen?«

»Das können wir natürlich nicht wissen, weil wir nicht mit ihnen gesprochen haben und es auch so dunkel war, daß wir irgend vorhandene Merkmale gar nicht zu sehen vermochten.«

»Und der Pischkhidmät Baschi ist tot?«

»Ja.«

»Wirklich und wahrhaftig tot?«

»Ja.«

»Ihr habt thatsächlich seine Leiche gesehen? Besinne dich wohl, ehe du antwortest!«

Es wurde dem Pädär bei diesen dringlichen Fragen angst; er begann zu ahnen, daß die Luft hier für ihn nicht so gesund und rein sei, wie er angenommen hatte; aber es gab für ihn keinen Ausweg; er konnte seine Lügen nicht zurücknehmen und antwortete also:

»Ja, wir haben sie gesehen; der Mann ist wirklich tot. Er war ja einer der ersten, welche erstochen wurden.«

Der General ließ eine kurze Pause eintreten, um die Bedeutung der nächsten Worte zu erhöhen, nahm den Pädär scharf in die Augen und sprach mit schwerem Nachdrucke:

»Ich habe geglaubt, er sei unverletzt und liege im Innern des Birs Nimrud gefangen!«

Das kam den Persern so unerwartet, daß sie sich nicht beherrschen konnten. Ihr rasches Zusammenzucken und die erschrockenen Blicke, welche sie einander zuwarfen, waren vollgültige Beweise ihrer Schuld. Sie standen in starrer, wortloser Bestürzung vor dem General. Dieser fuhr mit derselben Strenge fort:

»Der Gast des Sandschaki ist den Anführern der Räuber nach, um ihren Schlupfwinkel zu entdecken?«

»Ja, so sagte er,« nickte der Pädär in einer Weise, welche seine Beklemmung verriet.

»Das war höchst überflüssig von ihm, denn ich kenne dieses Versteck bereits, und zwar ganz genau. Der Haddedihn liegt abgesondert im Raume rechts, wenn man von der Treppe aus in die nächste Kammer kommt; geht man aber geradeaus, so sieht man das Drahtgitter, hinter welchem Kara Ben Nemsi und der Pischkhidmät Baschi gelegen haben!«

»Bi Khatir-i-Khuda – um Gottes willen!« schrie da der Pädär auf. »Woher – — woher weißt du – — —« er hielt vorsichtig inne, denn er besann Sich, daß er im Begriffe stehe, ein Geständnis auszusprechen, und verbesserte sich, indem er es in die Worte veränderte: »Wir wissen nicht, was du meinst. Wir haben nicht die geringste Ahnung davon, was dieser dein Ausspruch zu bedeuten hat!«

»Wirklich nicht? So mache ich euch darauf aufmerksam, daß ich nicht gesagt habe, daß diese beiden Männer noch dort liegen, sondern daß sie dort gelegen haben. Sie sind nämlich nicht mehr gefangen. Euer Säfir – —!«

»Säfir, Säfir!« rief da Aftab höchst unvorsichtig aus.

 

»Oh, du erschrickst darüber, daß ich den von euch so sorgfältig verschwiegenen Namen des sogenannten Gastes« kenne? Dieser dein Schreck überführt euch aller eurer Schuld! Also euer Säfir hat sich in Kara Ben Nemsi stark verrechnet. Dieser Franke ist klüger und geschickter, als ihr alle miteinander in Summa seid. Er hat das Innere des Birs Nimrud gekannt, längst ehe er von euch hineingeschafft wurde, und heimlich über den Säfir gelacht, als dieser vor ihm stand und von den Qualen sprach, mit denen er ihn martern wollte.«

»Ich – — ich – — – wir – — – du – — du siehst uns fast ohne Sprache vor Erstaunen über das, was du sagst und was wir nicht begreifen können!« stammelte der Pädär.

»Nicht vor Erstaunen, sondern vor Angst! Als Kara Ben Nemsi und Halef beim Tamariskengebüsch am Euphrat in deine Hände fielen, hast du gejubelt, vor Freude darüber, daß du ihnen die Hiebe, welche ihr von ihnen erhalten habt, nun zurückzahlen könntest. jetzt nun kommst du zu der Einsicht, daß es allerdings Hiebe, gewaltige Hiebe geben wird, aber nicht für sie, sondern für euch!«

Da hielt der Pädär es für angemessen, seine Bestürzung niederzudrücken und den unschuldig Beleidigten herauszukehren. Er richtete sich hoch auf und fragte:

»Herr, wie kommst du dazu, all dieses unverständliche Zeug uns zu – — —«

»Schweig?« donnerte der General dazwischen. »Ich werde nicht Herr, sondern Hazret genannt, was zu thun du bis jetzt sorgfältig vermieden hast; es wird euch aber die vorgeschriebene Höflichkeit bald beigebracht werden! Und wenn du von unverständlichem Zeuge« redest, so soll dir sofort das Verständnis kommen. Schau hin! Du kennst sie wohl!«

Er deutete nach dem Vorhange. Ich hatte den Kammerherrn, diesen Augenblick erwartend, schon längst zu mir gewinkt und trat mit ihm hinaus. Die Wirkung unseres Anblickes war noch stärker, als wir erwartet hatten. So frech und hartgesotten diese Menschen waren, dem Schrecke, den dieser Augenblick ihnen brachte, konnten sie doch nicht widerstehen. Sie knickten förmlich zusammen, und der Pädär retirierte nach der Thür. Da eilte ich hin, stellte mich zwischen sie und ihn, zog den Revolver, hielt ihm die Mündung vor die Brust und drohte:

»Weg von der Thür, sonst schieße ich dich augenblicklich nieder!«

Dies trieb ihn einige Schritte weiter; da er aber dabei mit der Hand nach dem Gürtel fuhr, fügte ich hinzu:

»Und weg dort mit der Hand! jetzt hat der Scherz ein Ende, und es wird Ernst gemacht. Onbaschi, komm herein!«

Der Korporal folgte diesem Rufe, er kam mit seinen Leuten herein und postierte sich mit ihnen vor der Thür. Während ich den Persern den Revolver noch immer entgegenstreckte, nahm ihnen der General die Messer und Pistolen ab. Gewehre hatten sie nicht mit. Sie machten keinen Versuch, dies nicht geschehen zu lassen.

»So!« sagte ich, zu dem Pädär gewendet. »Weißt du noch, was du mir angedroht hast; was bei unserm Wiedersehen geschehen solle? Das Wiedersehen ist da; was wird nun weiter kommen?«

Ich hörte seine Zähne aufeinander knirschen, eine andere Antwort gab er nicht.

»Ihr habt euch wunder wer weiß wie klug gedacht, und doch wie dumm, wie ganz unverzeihlich dumm seid ihr!« sprach ich weiter. »Es ist wirklich kaum glaublich, mich in den Birs Nimrud zu stecken und mir doch vorher zu verraten, wie man es anzufangen hat, in das Innere dieser Ruine zu kommen!«

»Wer hat das verraten!« fuhr er auf.

»Du!«

»Ich?!«

»Ja, du selbst!«

»Lüge, nichts als Lüge!«

»Pah! Hattest du nicht eine Schrift bei dir, welche die Zeichnung des Weges, des Einganges und sogar die auf dem Ziegel befindlichen Zeichen enthielt?«

Da ballte er die Fäuste, sprang auf mich zu, ohne sich aber ganz heranzugetrauen, und schrie:

»Du hast sie in der Hand gehabt? Du hast sie gesehen? Allah vernichte dich!«

»Ja, ich habe sie gehabt und die Zeichen wohl verstanden!«

»So mußt du allwissend sein oder dich mit teuflischer Zauberei befassen!«

»Es ist weder Allwissenheit noch Zauberei nötig; es gehört dazu weiter nichts, als daß man nicht ganz und gar so einfältig ist, wie ihr drei Kerle seid. Ich will aber darauf verzichten, euch eure Dummheit vor Augen zu halten, denn ihr würdet ja doch nicht zur Einsicht gelangen. Wir wollen es lieber so kurz wie möglich mit euch machen. Gieb einmal den Brief heraus, den du für den Sandschaki mitgebracht hast!«

Er zuckte unwillkürlich mit der Hand nach hinten, zog sie aber von der Stelle, welche er berührt hatte, schnell wieder zurück und antwortete:

»Ich habe keinen Brief!«

»Sprich keinen solchen Unsinn! Es ist ja geradezu zum Lachen, daß du jetzt etwas leugnest, was du vorhin wiederholt behauptet hast!«

»Der Brief war nur ein Vorwand; ich habe wirklich keinen!«

»Du hast ihn mit!«

»Und wenn ich einen hätte, so würde ich ihn doch nicht hergeben!«

»Ich werde ihn schon finden!«

»So such‘!« brüllte er mich grimmig an und ließ ein erzwungenes Gelächter folgen.

Ich trat hinter ihn, legte die Hand auf die Stelle, welche er vorhin berührt hatte, und sagte:

»Hier steckt er!«

»Da im Gürtel? Nimm ihn doch heraus!«

»In dem Gürtel wohl nicht, sondern unter ihm, in der Sirjamä[132], denke ich.«

»Däwwab[133], du hast den Teufel!«

Er hatte dieses beleidigende Wort kaum ausgesprochen, gab ich ihm eine derartige Ohrfeige, daß er, so lang er war, zu Boden stürzte.

»Haltet ihn fest!« rief ich dem Korporal zu.

Dieser warf sich mit seinen Leuten auf den Pädär, noch ehe er aufstehen konnte. Er wollte sich zwar wehren, konnte aber gegen soviel kräftige Hände nichts machen. Da wurde der Vorhang auseinander gerissen; der Sandschaki kam aufgeregt und eilig herein und herrschte mich zornig an:

»Was hast denn du mit den Briefen zu schaffen, die an mich gerichtet sind? Bist du etwa mein Vormund, oder bin ich ein Knabe, der, wenn er haben will, was ihm gehört, erst um Erlaubnis fragen muß? Wenn ein Brief an mich hier ist, so hat ihn kein anderer Mensch zu bekommen als nur ich allein!«

»Auch ich nicht?« fragte der General.

»Nein.«

Da legte ihm Osman Pascha die Hand auf die Schulter und belehrte ihn in gewichtigem Tone:

»Du scheinst noch immer nicht zu wissen, weshalb und wozu ich mich hier befinde. Es sei dir also kurz und deutlich gesagt: Ich bin die Hand des Padischah, welche sich ausstreckt, um das Buch deiner Thaten aufzuschlagen. Da giebt es keine Weigerung und keine Abwehr deinerseits. Ich handle nach der Vorschrift, die mir geworden ist, und werde, falls du dich widersetzest, deinem Ungehorsam zu begegnen wissen!«

Der Sandschaki wich einen Schritt zurück, sah ihm kampfbereit in das Gesicht, senkte aber vor dem Blicke, dem er begegnete, die Augen, besann sich eines Besseren und erwiderte:

»Ich weiß, daß ich gehorchen muß, wenn es sich um amtliche Angelegenheit handelt; dieser Brief aber ist in einer Privatsache an mich gerichtet!«

»Oh! So kennst du bereits seinen Inhalt?«

»Ja.«

»Und weißt also, daß dieser Mann, obgleich er es leugnet, im Besitze eines Schreibens für dich ist?«

»Behaupten kann ich es nicht; aber wenn er einen Brief für mich hat, weiß ich genau, daß der Inhalt ein persönlicher, aber kein amtlicher ist.«

»Warum dann die Angst des Überbringers? Warum die Weigerung, ihn vorzuzeigen?«

»Eben weil der Inhalt nicht mein Amt, sondern eine Privatangelegenheit betrifft, welche sich auf meine Familie bezieht, um die sich kein Mensch und selbst kein Vorgesetzter, auch nicht die Hand des Padischah«, wie du dich nennst, zu kümmern hat!«

»Wohlan! Wenn es so ist, wie du sagst, so werde ich ihn dir lassen. Der Mann mag das Schreiben herausgeben!«

»Ich habe keins!« behauptete der Pädär verstockt, indem er einen ohnmächtigen Versuch machte, trotz der ihn niederhaltenden Hände vom Boden emporzukommen.

»Da er noch immer leugnet, scheint es doch, als ob das Schreiben nichts Unbedenkliches enthalte,« meinte Osman Pascha. »Man suche ihn aus!«

»Wir brauchen gar nicht lange zu suchen,« warf ich ein. »Der Bote hat sich selbst durch seine Hand verraten, mit welcher er nach dieser Stelle griff. Wir werden j a gleich sehen!«

Ich hatte mich bei diesen Worten niedergebückt und die Hand hinten unter den Gürtel des Persers, der sich nicht dagegen wehren konnte, geschoben. Ich fühlte sofort das, was ich suchte. Es befand sich im Innern der Hose hier, wo man sonst keine anzubringen oder zu suchen pflegt, eine Tasche, aus welcher ich das Schreiben zog. Ein schneller Blick zeigte mir die Adresse, mit der man den Brief vorsichtigerweise versehen hatte. Als ich mich wieder aufrichtete, schnellte der Sandschaki herbei, streckte die Hand aus, um mir meinen Fund zu entreißen, und sagte dabei:

»Her damit! Das gehört mir! Du hast ihn gar nicht zu berühren!«

Ich hielt den Brief ebenso schnell hinter mich, schob den aufgeregten Adressaten von mir weg und entgegnete:

130Stall.
131Gast.
132Hose.
133Vieh.