Tasuta

Im Reiche des silbernen Löwen II

Tekst
Autor:
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Nimm dir nur Zeit; es handelt sich um die Adresse!«

»Ist sie etwa die deinige?« brüllte er mich wütend an.

»Nein; aber sie enthält nicht bloß deinen Namen, sondern auch deinen Amtstitel. Der Abgesandte des Padischah mag entscheiden, ob darauf auf den amtlichen oder privaten Inhalt zu schließen ist.«

Ich gab das Schreiben dem General. Der Sandschaki fuhr rasch auf ihn los, um es ihm zu entreißen; ich faßte ihn aber hinten am Kragen, drehte ihn mit einem Schwunge um sich selbst herum und schleuderte ihn in die Ecke, wo er niederstürzte. Er raffte sich wieder auf, um seinen Angriff auf den Brief zu wiederholen, aber die anwesenden Offiziere, welche auch aus dem Nebenzimmer hereingekommen waren, stellten sich vor ihn und ließen ihn nicht aus der Ecke heraus. Da er wohl wußte, daß der Brief die Beweise seiner Schuld enthielt, wehrte er sich mit den Fäusten und mit ebenso kräftigen Worten, doch vergeblich. Der General las die Adresse, nickte mir zu und entschied:

»Du hast recht. Die Aufschrift läßt auf amtlichen Inhalt schließen. Der Brief gehört mir!«

Er öffnete ihn und las. Sein Gesicht wurde ernster und immer ernster. Als er zu Ende war, steckte er ihn zu sich, sah einige Augenblicke überlegend vor sich nieder und ging dann zur Thür des Vorzimmers, welche er öffnete.

»Kol Agasi!« rief er hinaus.

Der Alte kam herein.

»Giebt es eiserne Handfesseln hier?«

»Ja, Hazretin. Sie hängen an Ketten unten im Khabu es Sidschn[134], wo die gefährlichen Gefangenen untergebracht werden.«

»Sind diese Gefängnisse fest?«

»Fest? Allah, Wallah! Die Mauern sind mannesstark von Stein; der Boden ist von Stein, und die Decke ist auch von Stein. Es giebt kein Fenster, kein Loch darin, und die Thüren sind so dick, daß man stundenlang arbeiten müßte, um ein kleines Loch hineinzubringen.«

»Wieviel solcher Gelasse sind da?«

»Wohl zehn oder zwölf habe ich gesehen, als ich unten war.«

»Wer hat die Schlüssel?«

»Der Syndandschi[135]. Soll ich ihn holen?«

»Nein; ich gehe selbst, und du wirst mich zu ihm führen.«

Er wendete sich hierauf zu mir und sagte deutsch:

»Der Sandschaki ist ein Verräter. Das Schreiben ist ein förmlicher Kontrakt, den er unterzeichnen sollte, und giebt sogar die Summen an, die er schon erhalten hat und noch bekommen soll. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Ich muß mich seiner Person so versichern, wie es die Größe meiner Verantwortung erfordert, und das Gefängnis also selbst in Augenschein nehmen. Werden Sie dafür sorgen können, daß während meiner kurzen Abwesenheit nichts geschieht, was ich vermeiden muß?«

»Gewiß. Sie brauchen keine Sorge zu haben, Excellenz. Hierbei möchte ich fragen, was Sie betreffs der drei Perser hier beschlossen haben?«

»Sie werden auch an Ketten gelegt. Der eine, den Sie Pädär nennen, hat den Brief aus Teheran gebracht; der Säfir ist der eigentliche Unterhändler und kennt den ganzen Inhalt dieses Schreibens.«

»Was sind das doch für Menschen! Sie betrügen hier und dort, auf beiden Seiten, ihre Auftraggeber, deren Vertraute sie doch sind. Es liegt uns eigentlich die Frage nahe, ob der Kammerherr, der als persischer Beamter doch nahe an der Quelle dieser Anzettelungen wohnt, nicht auch wenigstens etwas von ihnen weiß.«

»Ich habe auch schon daran gedacht. Welcher Meinung sind Sie darüber?«

»Er kommt mir harmlos vor.«

»Mir auch; aber dennoch werde ich dafür sorgen, daß er Hilleh nicht eher verläßt, als bis ich überzeugt, vollständig überzeugt von dieser seiner Unschädlichkeit bin. Also bitte, sorgen Sie dafür, daß, solange ich fort bin, nichts vorkommt, was ich nicht erlauben darf!«

Er entfernte sich mit dem Kol Agasi. Kaum war er hinaus, so machte der Sandschaki abermals einen angestrengten Versuch, aus der Ecke fortzukommen, und sprudelte denen, die ihn daran hinderten, die Drohung zu:

»Macht Platz! Wer mich zurückhält, wird ohne Nachsicht und auf das allerstrengste bestraft. Ich bin es, der hier zu befehlen hat, kein anderer Mensch! Meine Beschwerden werden nach Bagdad und sogar bis nach Stambul gehen. Ich lasse euch absetzen und einsperren! Hört ihr es? Oder fürchtet ihr euch vor dem Christenhunde dort? Dieser Ausbund von Schlechtigkeit und Niedertracht – — —«

Da stand ich aber schon vor ihm und unterbrach ihn durch die Worte:

»Du meinst mich?«

»Ja, dich!« zischte er mich an.

»Und wie wagtest du mich zu nennen?«

»Einen Christenhund, einen – — —«

Er konnte den Satz nicht aussprechen, denn er bekam von mir einen Kopfhieb, der ihn besinnungslos niederwarf. Ich zog ihm das Machrami[136] aus dem Gürtel und band ihm damit die Hände auf den Rücken.

»So; jetzt belästigt er uns nicht mehr. Für das weitere wird der Syndandschi sorgen!«

»Und vielleicht dann gar der Dschellad[137] oder, zur Schonung der von ihm bekleideten Würde, die seidene Schnur,« fügte der Mir Alai meinen Worten hinzu. »Ich sehe, Effendi, daß deine Faustschläge jetzt noch ebenso kräftig sind wie früher. Du ersparst mit ihnen die Fesseln, welche sonst notwendig wären, die Hände und Füße der Gefangenen unschädlich zu machen. Dort wäre eigentlich auch ein solcher Hieb gut angebracht.«

Er deutete auf den Pädär, welcher, noch immer von den Soldaten niedergehalten, die Abwesenheit des Generals zu erneutem Widerstande benutzen zu müssen glaubte. Ich ließ ihn mit seinem eigenen Gürtel binden, und da der Korporal einmal bei dieser Arbeit war, so vollzog er sie, ohne daß ich ihn dazu aufzufordern brauchte, auch an den beiden andern Persern, welche nicht den Mut besaßen, auch nur den geringsten Einspruch dagegen zu erheben.

Die passivste Rolle hatte während der ganzen Zeit der Pischkhidmät Baschi gespielt. Immer bewegungslos wie eine Statue an die Wand gelehnt, hatte er kein Wort gesagt und nur durch seine Augen verraten, daß er an den sich abspielenden Scenen doch eigentlich auch nicht ganz unbeteiligt sei. jetzt näherte er sich mir und sagte sein erstes Wort:

»Effendi, diese Menschen sind Verbrecher; ich gebe das zu. Sie müssen bestraft werden; auch das gebe ich zu. Aber hat der General das Recht, sie festzuhalten und einzusperren?«

»Gewiß!« antwortete ich.

»Obgleich sie persische Unterthanen sind?«

»Höre, sei vorsichtig, o Pischkhidmät Baschi! Das Recht des Generals ist gar nicht zu bestreiten, denn kein Konsul oder sonstiger Vertreter einer fremden Regierung kann etwas gegen die Arretur eines Verbrechers seiner Nationalität haben. Niemand kann zum Beispiele verlangen, daß man einen Mörder laufen läßt, weil er einem andern Volke angehört.«

»Ja, da hast du recht; aber warum mahnst du mich, vorsichtig zu sein?«

»Weil du, wenn du dich dieser Menschen annimmst, leicht in den Verdacht kommen kannst, ein heimlicher Verbündeter von ihnen zu sein.«

Mit einem ruhigen Lächeln, welches unmöglich gewesen wäre, wenn er sich nicht ganz rein gefühlt hätte, gab er mir die Versicherung:

»Ein solcher Verdacht kann mich ja gar nicht treffen! Ich wohne unter dem Schirm der Gnade unsers Beherrschers und freue mich meiner Stellung und meines Lebens. Warum sollte ich mir diese Freude dadurch vergällen oder gar rauben, daß ich mich in Dinge mische, welche sich mit der Behaglichkeit, die ich liebe, nicht vereinbaren lassen? Ich habe dir schon gesagt, daß ich ein tapfrer, ja sogar ein verwegener Krieger bin; aber mein schönes Dasein um schnöden Geldes willen durch Landesverrat und wie diese Dinge sonst noch heißen mögen, auf das Spiel zu setzen, das kann mir nicht im Traume einfallen; dazu halte ich mich auch für viel zu gut. Ich hasse Verschwörungen und alle ähnlichen heimlichen Anschläge, weil sie die Traulichkeit des Befindens stören und die Ruhe der Seele, welche so wohlthuend ist, in Aufruhr verwandeln. Das kannst du mir glauben, Effendi!«

Ja, ich glaubte es ihm ganz gern, aber auch noch aus einem andern Grunde, den er freilich nicht mit angeführt hatte: Er war nicht nur zu bequem, sondern auch zu feig, als daß er Veranlassung zu dem Verdachte geben konnte, von welchem ich vorhin mit Osman Pascha gesprochen hatte.

Dieser kam jetzt zurück. Ihm folgte der Kol Agasi, und ich sah dabei durch die geöffnete Thür, daß das ganze Vorzimmer voller Soldaten stand. Die Gefangenen wurden abgeführt; der Sandschaki aber mußte getragen werden, weil er noch nicht wieder zu sich gekommen war. Der General ging selbst wieder mit, um sich zu überzeugen, daß jede Anforderung der gebotenen Vorsicht erfüllt werde.

Als er hierauf wiederkehrte, mußte ich ihn darauf aufmerksam machen, daß ich mich nun beeilen müsse, nach dem Birs Nimrud zurückzukehren.

»Ja,« stimmte er bei; »wir haben länger zugebracht, als du wohl eigentlich wolltest; aber es ist dabei auch zum vernichtenden Schlage gegen den Sandschaki gekommen, was ich nur dir allein verdanke. Wer aber soll bestimmen, was nun zu geschehen hat, du oder ich?«

 

»Ich bitte, du!«

»Das ist eine Aufgabe, deren Lösung dir wohl leichter würde als mir, weil du die Örtlichkeiten und sonstigen Verhältnisse besser kennst als ich. Ich bitte dich also wenigstens um deinen Rat, um einen guten Vorschlag, nach welchem ich mich richten kann!«

»Gern! Aber wir wollen dabei deutsch sprechen!«

»Wie Sie wollen!« stimmte er sofort in dieser Sprache bei. »Es giebt wohl etwas, was nur wir beide wissen dürfen?«

»Ja.«

»Was?«

»Der große Wert des Schmuggellagers. Ich meine, daß da nur Vertrauenspersonen Zutritt erhalten sollten.«

»Ganz auch meine Meinung. Aber ist es nicht wahrscheinlich, daß es zu einem Kampfe in diesen unterirdischen Räumen kommt?«

»Möglich wohl, doch glaube ich, ihn vermeiden zu können. Wenn das Lager in unsere Hände fällt, gehört es natürlich der Regierung des Padischah. Excellenz sind da wohl auch meiner Meinung?«

»Gewiß. Selbstverständlich ist eine angemessene Prämie für diejenigen Personen, denen wir diesen Gewinn zu verdanken haben werden.«

»Gut, ich halte Sie beim Worte!«

»So? Sie wollen – — – für sich – — —?« fragte er etwas ungläubig. »Es ist jawohl gewiß, daß nur Sie allein es sind, durch den es ermöglicht – — —«

»Bitte,« unterbrach ich ihn, »das bin nicht ich, sondern das ist mein alter Bimbaschi in Bagdad. Hätte er uns nicht erzählt, was ihm im Birs Nimrud geschehen ist, so wäre es jetzt gar nicht möglich, dem Säfir das Handwerk zu legen. Er hat sein ganzes Vermögen hergeben müssen, und so ist er es, für den ich um die mir zugestandene Prämie bitte, Excellenz!«

Osman Pascha reichte mir seine Hand und sagte in gerührtem Tone:

»Dachte es mir! So ähnlich erwartete ich es! Da kommt der bekannte Kara Ben Nemsi zum Vorschein, der stets nicht für sich, sondern für die Braven und Geschädigten sorgt! Ihr Bimbaschi soll soviel haben, wie Sie für ihn erbitten werden. Nun aber: Wir brauchen Militär; von welcher Truppe, und wieviel?«

»Nur Kavalleristen, der Schnelligkeit wegen.«

»Die haben wir ja.«

»Ich weiß nicht, wieviel Mitglieder von der eigentlichen Bande des Säfir zugegen sein werden, und wieviel Ghasai-Beduinen er angeworben hat; aber ich meine, daß wir mit fünfzig Reitern mehr als genug haben werden.«

»Wenn Sie es verlangen, lasse ich die ganze Garnison ausrücken!«

»Danke! Wenn ich die Sache auf mich zu nehmen hätte, würde ich viel weniger als fünfzig brauchen.«

»Aber warum wollen und warum thun Sie das nicht?«

»Der Verantwortlichkeit wegen.«

»Pah! Ich bin hier fremd. Sehen Sie denn nicht ein, daß Sie mir einen außerordentlichen Gefallen erweisen würden, wenn Sie mich von dieser Sache befreiten, indem Sie die Ausführung übernehmen? Ich kenne Sie und weiß, daß ich die Vollmacht in keine bessern Hände legen könnte. Also bitte, thun Sie es, und – — schlagen Sie ein!«

Er hielt mir die Hand hin und fügte, als ich noch zögerte, lächelnd hinzu:

»Ich verspreche sogar, Sie pränumerando durch eine Freude zu belohnen, die ich Ihnen und einem andern mache!«

»Welche Freude?«

»Warten Sie einen Augenblick! Wie heißt der Kol Agasi, für den Sie sich verwendet haben?«

»Amuhd Mahuli.«

»Gut; ich komme in zwei Minuten wieder!«

Er winkte dem Mir Alai, ihm zu folgen, und ging mit ihm in das nächste Zimmer, wo es Schreibzeug gab. Als sie wieder kamen, nickte mir der Oberst, welcher wohl Auskunft hatte geben sollen, mit beistimmendem Lächeln heimlich zu; der General aber hatte einen Papierbogen in der Hand, den er mir mit den Worten gab:

»Amuhd Mahuli ist von heut an Bimbaschi; hier haben Sie die Interimsbestätigung als Garantie für die eigentliche Ernennung, welche in einigen Tagen erfolgen wird. Sie können sie ihm geben, wenn es Ihnen beliebt; von mir und dem Mir Alai wird er jetzt noch nichts erfahren. Vielleicht machen Sie eine Belohnung daraus. Sie sehen, ich komme Ihnen entgegen. Und nun nochmals meine Hand; werden Sie jetzt endlich einschlagen?«

»Ja, von Herzen gern,« antwortete ich, indem ich ihm die Hand reichte und dann das Papier zusammenfaltete und in die Tasche steckte.

»Gut! Bestimmen Sie also, was zu geschehen hat! Aber nehmen Sie nicht weniger als fünfzig Köpfe mit, denn es ist auf alle Fälle besser, Sie haben zehn Mann zuviel als einen zu wenig!«

»So bitte ich um sechzig, denn zehn müssen bei den Pferden bleiben.«

»Schön! Und weiter?«

»Diese sechzig Leute kommandiert aber mein alter Amuhd Mahuli, der natürlich in allen Stücken mir zu gehorchen hat.«

»Einverstanden! Ferner?«

»Ein Paket Lichter und Zündhölzer.«

»Weiter nichts?«

»Ja, weiter nichts. Ich bin fertig und habe nur noch die eine Frage: Würden Excellenz hinauskommen können, wenn ich einen Boten schickte?«

»Wenn Sie nach mir senden, brauchen Sie mich; also werde ich kommen.«

»Dann bitte, das Detachement schnellstens marschfertig, und ein Pferd für den Pischkhidmät Baschi!«

»Der soll wieder mit?«

»Ja, ich brauche ihn.«

»Ich halte ihn aber nicht für sehr mutig!.«

»Ich will nur ihn haben, nicht seinen Mut, den er allerdings auch gar nicht besitzt. Er ist mir zu einer ganz und gar passiven Rolle nötig.«

»O, ich vermute, Sie geben, wie das so Ihre Art und Weise ist, der Angelegenheit eine etwas interessante Wendung?«

»Allerdings.«

»So bin ich begierig auf das, was Sie mir erzählen werden. Ich erteile sofort die nötigen Befehle.«

»Aber bitte, die Ausführung in der möglichsten Stille: Und dann gestehe ich, daß ich Hunger und Durst habe.«

»Diesen Übeln soll sogleich abgeholfen werden,« lachte er vergnügt.

Zehn Minuten später saßen alle Anwesenden bei kaltem Lahhm maschwi[138], und eine Viertelstunde hierauf meldete der Kol Agasi, daß die Mannschaften zum Aufbruche fertig seien. Es war meines Erachtens auch die höchste Zeit dazu. Der Kammerherr weigerte sich nicht, mit von der Partie zu sein; bei sechzig Mann Begleitung fühlte er sich sicher. Hätte er aber gewußt, wozu ich ihn bestimmt hatte, so wäre er wohl lieber in Hilleh geblieben. Amuhd Mahufi hingegen freute sich wie ein Kind auf den Streich, den wir vorhatten.

Viertes Kapitel: Wieder im Turm.

Wir brachen auf und fanden die kleine Reiterschar schon draußen vor dem Thore auf uns wartend. Ich setzte mich mit dem Kol Agasi und dem Kammerherrn an ihre Spitze. Kaum waren wir zur Stadt hinaus, so erkundigte sich der erstere nach den Befehlen, welche ich ihm zu erteilen hätte.

»Du, Effendi, bist der Muschir, der Seraskier Pascha[139] unsrer Armee,« sagte er, »und ich bin der Ferik Pascha[140]. Dir haben alle zu gehorchen, mir aber auch meine sechzig Mann, Wir werden gern kämpfen und sind bereit, für dich in jedes brennende Feuer zu springen. Sag mir nur, was ich thun und wie ich mich verhalten soll!«

»Zunächst haben wir so schnell und so unbemerkt wie möglich nach dem Birs Nimrud zu kommen,« antwortete ich ihm.

»Unbemerkt? Da ist es geraten, von diesem Wege abzuweichen.«

»Wohl; aber dann kommen wir auf schlechtes Terrain und bringen die Beine der Pferde in Gefahr.«

»O nein! Du mußt bedenken, daß hier unser Exerzierfeld ist und wir also jeden Schrittbreit kennen. Wenn die Feinde an einen Angriff denken, so erwarten sie ihn von der Stadt her. Nicht?«

»Allerdings.«

»Sie werden also ihre Wachsamkeit nach dieser Richtung lenken, und so müssen wir von einer andern Seite kommen. Wir setzen dadurch eine Zeit von höchstens fünf Minuten zu. Ist es dir recht, daß wir einen kleinen Bogen schlagen?«

»Ja.«

»So komm, und verlaß dich auf mich! Deine Hengste werden auch nicht ein allereinzigesmal ins Stolpern kommen. Wir reiten wie auf einer ebenen Sufra[141]

Er lenkte nach rechts vom Wege ab, und ich muß sagen, daß er in Beziehung auf die Glattheit des Rittes nicht zuviel gesagt hatte. Dabei ließ er das Gespräch nicht ausgehen; er fuhr fort:

»Ich denke an das alte Sprichwort, welches sagt: Das Schicksal wendet die Ssuderah[142] des Menschen täglich dreimal um, früh einmal, mittags noch einmal und des Abends wieder einmal. Die deinige aber scheint es noch öfter umzuwenden, nämlich des Nachts auch zweimal.«

»Wieso?«

»Weil du in dieser Nacht gefangen warst und nun selbst Gefangene machen willst. So warst du auch mein Gefangener und doch nach kurzer Zeit schon wieder frei, und zwar ohne einen Menschen um die Erlaubnis dazu zu fragen!«

»Ein Sprichwort in meinem Vaterlande sagt: Wer viel fragt, der geht viel irre; hier in diesem Falle würde es heißen müssen: Wer viel fragt, der kommt nicht über die Mauer.«

»Ja, dieser Sprung über die Mauer! Du hättest die Augen sehen sollen, welche euch mit den Blicken folgten, als ihr, wie auf Gomelastik[143] sitzend, darüber hinwegflogt! Wir haben keine schlechten Pferde beim Regimente, aber keine guten Reiter. Der freie Bedawi[144] reitet viel, viel besser als wir. Wenn ich nur ein Bataillon hätte; ein Regiment brauchte es gar nicht zu sein; wie sollten meine Leute reiten lernen! Die müßten fliegen wie die Falken! Aber soweit bringe ich es in meinem ganzen Leben nicht. Das Kismet ist mir nie wohlgesinnt gewesen!«

»Fühlst du dich nicht glücklich!«

»Wie kann man glücklich sein, wenn man fünf Monate lang keine Löhnung bekommt! Der Padischah ist der größte und berühmteste, der reichste und weiseste Herrscher aller Reiche; aber – — du wirst mir nicht das Leid anthun, diese meine Worte zu verraten! – — – sein Reichtum bleibt bei ihm; er kommt nicht zu uns, und seine Weisheit reicht über den ganzen Erdkreis, aber nicht bis in unsere Taschen.«

»Wovon lebst du da, wenn die Löhnung so lange Zeit ausbleibt?«

»Ich lebe eigentlich gar nicht, sondern ich hungere, denn ich habe mein Harem[145] und meine Kinder lieb und gebe ihnen die Brotkrumen, welche ich von den Teppichen meiner hohen Vorgesetzten auflese. Ich will gern hungern; sie aber sollen es nicht!«

»Deine Vorgesetzten haben also Brot?«

»O, nicht bloß Brot, sondern auch Fleisch und überhaupt alles, was ihr Herz begehrt! Du mußt nämlich wissen, daß der Fluß der Löhnung von oben herunter kommt, aber nur bis zum Bimbaschi geht; da hört er gewöhnlich auf, und nur dann, wenn das Regiment revoltiert, wird eine kleine Schleuse geöffnet, die sich aber sehr bald wieder verstopft. ja, wenn ich es einmal bis zum Bimbaschi brächte, so wäre mir und meinem Hause, dem mein ganzes Herz gehört, für immer geholfen!«

 

»Ist dieses dein Haus groß?«

»Ich habe vier Söhne und drei Töchter; ich habe meine eigene Mutter und auch die Mutter meines Harems; das sind elf Personen, die von der kargen Löhnung, die ich nicht bekomme, leben sollen. Allah gebe baldige Besserung!«

»Er wird dir helfen, Amuhd Mahuli. Wenn ich heut mit dir zufrieden bin, werde ich mit dem Dscheneral sprechen und ihn bitten, dafür zu sorgen, daß dir die rückständige Löhnung ausgezahlt wird.«

»Wenn du das wolltest, Effendi! Meine Dankbarkeit und auch die Dankbarkeit meines ganzen Hauses würde dich segnen bis an unser Ende! Wir haben gesehen, wie hoch der Dscheneral dich ehrt und achtet; er hat heut in viel, viel wichtigeren Dingen nur auf dein Wort gehört und würde dir also auch diesen kleinen Wunsch gewiß von Herzen gern erfüllen. Du sollst mit mir zufrieden sein; ich werde alles, alles thun, um mir deine Fürbitte zu verdienen. Vielleicht denkst du dann auch an dein anderes Versprechen.«

»An welches?« fragte ich, mich vergeßlich stellend.

»An deinen Bericht an den Seraskier. Wirst du in demselben auch erwähnen, daß wir jetzt nach dem Birs Nimrud reiten, um die Mörder der Karawane zu ergreifen?«

»Ja.«

»Und daß ich als Oberster von sechzig Mann und dein nächster Untergebener dabei beteiligt bin?«

»Gewiß! Ich werde alles, was du thust, und wie du dich dabei auszeichnest, ganz ausführlich erwähnen.«

»Ich danke dir! Ich weiß, daß du Wort hältst, und werde mir deine Anerkennung und die Gnade des Seraskiers zu erwerben suchen. jetzt sind wir so weit, daß der Birs Nimrud im Ostsüdost vor uns liegt. In zehn Minuten werden wir dort sein.«

»Schon? Das ist schneller gegangen, als ich dachte!«

»Ich wußte es, daß du mit meiner Führung zufrieden sein würdest. jetzt hast du nur zu bestimmen, welchen Punkt der Ruine du zuerst berühren willst.«

»Erinnerst du dich der Stelle, wo wir unsere Pferde versteckt hatten und dann früh am Morgen holten?«

»Ja; ich kenne sie ganz genau!«

»Dorthin muß ich zunächst. Doch halten wir vorher auf Rufesweite von dort an, denn ich will mich zu Fuße hinschleichen, um zu erfahren, wo die Leute stecken, welche wir suchen.«

»Ist das nicht gefährlich?«

»Nein.«

»Man kann dich wieder ergreifen!«

»Gewiß nicht wieder. Kein Fennek geht wieder in die Falle, aus der er einmal entkommen ist.«

Wir ritten noch eine kurze Strecke, und dann hielt der Kol Agasi an.

»Hier haben wir die Entfernung, welche du meinst,« sagte er. »Wenn wir laut rufen, werden wir an der Ruine gehört. jetzt willst du uns verlassen?«

»Ja.«

»Auf wie lange?«

»Das kann ich nicht sagen. Ihr bleibt aber hier und entfernt euch auf keinen Fall, bis ich zurückkehre. Dabei habt ihr jedes Geräusch, auch das geringste, zu vermeiden.«

»Aber wenn du nicht wiederkommst?«

»Ich komme!«

»Wirst du uns in der Dunkelheit finden?«

»Ja. Hier vertraue ich dir meine Gewehre an, und laß nicht andere Pferde an unsere Rappen, wenn sie liegen; sie vertragen das nicht!«

Halefs Barkh war am Zügel nebenher geführt worden; ich gab ihm und meinem Ben Rih das Zeichen, sich zu legen, und sie gehorchten. Dann trat ich die Rekognoscierung an.

Mein Plan war auf die Voraussetzung gebaut, daß der Säfir nicht vor Ablauf der von ihm erwähnten sechs bis sieben Stunden in das Innere des Birs zurückkehren werde, wenigstens nicht in den Raum, wo wir gelegen hatten. Hatte er eher nach uns gesehen, so war unsere Flucht entdeckt und er hatte sich uns entzogen und von den Vorräten und Schätzen der Ruine soviel mitgenommen, wie ihm in der Eile möglich gewesen war.

Ich nahm mich natürlich außerordentlich in acht. Das Messer in der Hand, war ich fest entschlossen, mich nicht berühren zu lassen, sondern jeden, der dies versuchen sollte, niederzustoßen.

Ich kam glücklich bis an das Versteck der Pferde. Es war niemand da. Von hier aus schlug ich die bekannte, schon wiederholt gegangene Richtung nach dem Eingange der Schmuggelniederlage ein. Dort brannten mehrere Feuer, deren Schein es mir erleichterte, einer etwaigen Begegnung zu entgehen. Ich schlich mich, zuletzt am Boden kriechend, näher und immer näher, bis ich eine einzeln stehende Mauersäule erreichte, welche, von der einen Seite vom Feuer beleuchtet, nach der andern einen tiefen Schatten warf. In diesem duckte ich mich nieder und lauschte.

Kaum mehr als zwanzig Schritte von der illustren Versammlung entfernt, welche hier ihr nächtliches Wesen trieb, konnte ich die Männer alle sehen und auch das hören, was nicht ganz leise gesprochen wurde. Sie sprachen aber meist laut und ungeniert, und es war überhaupt zu merken, daß sie sich alle recht sicher fühlten.

Sie bildeten zwei Abteilungen, und ich sah sogleich, daß die einen die Räuber und die andern die Schmuggler waren. Die letzteren beschäftigten sich damit, einen vorher gewiß recht groß gewesenen Haufen von Waren in einzelnen Paketen und Ballen hinauf nach dem Eingange der Niederlage zu schaffen. Sie thaten das von Posten zu Posten, d. h. in der Weise, daß sie sich in gewissen Entfernungen voneinander aufgestellt hatten und einer dem andern das Stück zutrug. Auf diese Weise brauchte keiner von ihnen den ganzen Weg zu machen. Es war ja überhaupt anzunehmen, daß nicht sie alle, sondern nur die von dem Säfir Bevorzugten den eigentlichen Eingang kannten. Diese standen jetzt oben, die andern aber unten, und indem sie sich nicht beisammen befanden und ihre Arbeit außerordentlich still verrichteten, konnten sie meiner Beobachtung keine Erfolge bieten. Ich wendete meine Aufmerksamkeit also der andern Abteilung, den Räubern, zu.

Räuber waren sie, denn es standen und lagen die zwölf Pferde und sechs Lastkamele des Kammerherrn da, die letzteren freilich nicht mehr belastet, denn was sie getragen hatten, lag in zwei Haufen vor den Mordgesellen, welche die einzelnen Gegenstände von dem einen nahmen, um sie zu beschauen, zu taxieren, über ihren Wert zu streiten und nach erfolgter, oft sehr schwieriger Einigung auf den andern zuwerfen. So wurde dieser immer größer und jener immer kleiner.

Aus diesem Abschätzen und Zanken ersah ich, daß das saubere Geschäft nicht auf Lohn, sondern auf Anteil abgeschlossen worden war. Ich zählte fünfzehn Personen, lauter Beduinen, natürlich dem oft erwähnten Stamme der Ghasai angehörend, sonnverbrannte, hagere, finster und gierig dreinblickende Gestalten.

Der Säfir saß bei ihnen. Er hatte in der Hand ein Buch und neben sich einen großen Geldbeutel. In das Buch trug er die einzelnen Stücke und die auf sie gefallene Taxe ein, und aus dem Beutel zahlte er einem alten, graubärtigen Kerl, der wohl der Vormann der Schurken war, den auf sie entfallenden Anteil vom Werte aus. Daß es dabei sehr laut, erregt und nicht ohne recht gefährlich klingendes Wettern und Fluchen abging, versteht sich ganz von selbst. Nur der Säfir bewahrte seine Kaltblütigkeit; er schien im Umgange mit der Art von Leuten erfahren zu sein, hörte ihrem Schimpfen ruhig zu, sprach ein abschließendes Machtwort, dem dann nicht mehr widersprochen wurde, griff in den Beutel und legte den Betrag in die ihm entgegengestreckte, schmutzige Hand. Diese Leute waren keine geschulten Rechner; sie konnten nicht addieren; darum ließen sie nicht die einzelnen Posten zusammenziehen und sich dann die Summe geben, sondern es mußte ihr Anteil für jedes einzelne Stück für sich entrichtet werden.

Einmal verlor der Säfir doch seine Ruhe. Es war bei einer orientalischen Stickerei, deren Gold bis zu mir herüberflimmerte. Die Ghasai taxierten sie zu hoch, und es entstand ein Streit, welcher sich so in die Länge zog, daß er, mit seiner Geduld zu Ende, aufsprang und zornig ausrief:

»Ihr seid von Sinnen und bellt um nichts, wie die Schakale beim Scheine des Mondes! Seht dort meine Leute an! Das sind neunzehn Männer; aber sie alle zusammen haben während der ganzen Nacht nicht soviel Lärm hören lassen, wie ein einzelner von euch in zwei Minuten macht. Das habe ich nun satt! Glaubt ihr, ich sitze nur für euch hier und habe nichts anderes vor, als euer Brüllen anzuhören? In einer halben Stunde sind die dort mit ihrer Arbeit zu Ende; dann müssen auch wir hier fertig sein, denn dann habe ich höchst notwendig noch für mich selbst zu thun. Bringt ihr noch länger zu, so packe ich hier alles zusammen, schaffe es fort, und ihr bekommt keinen, aber auch nicht einen Para mehr!«

Das wirkte; der Handel ging von jetzt an schneller von statten. Aber seine Worte sagten auch mir, daß ich mich beeilen müsse, denn was das war, war er in einer halben Stunde so notwendig für sich selbst zu thun hatte, das wußte ich. Er wollte zu mir und dem Kammerherrn, und da mußte er, wie mein Plan war, uns scheinbar grad so antreffen, wie er uns verlassen hatte.

Ich huschte also zunächst bis aus der Hörweite fort und lief dann, so schnell ich konnte, zu meiner hoffentlich tapferen Kavallerie. Der um mich besorgte Kol Agasi war erfreut, als er mich wiedersah.

»Jetzt beginnt eure Aufgabe,« sagte ich, so daß alle es hörten. »Merkt euch gut, was ihr jetzt von mir hört! Neun Mann bleiben hier an dieser Stelle bei den Pferden; sie haben dafür zu sorgen, daß kein Lärm entsteht. Ein zehnter geht mit mir und dem Pischkhidmät Baschi. Was er zu thun hat, wird er noch erfahren. Wer diese zehn sein werden, hat der Kol Agasi zu bestimmen. Und jetzt kommt die Hauptsache. Hört!«

Sie drängten sich näher zu mir heran, und ich fuhr fort:

»Ich führe die übrigen Fünfzig jetzt zu einer Stelle der Ruinen, wo einige Feuer brennen. Dort sitzen die Mörder und verteilen die Beute; es sind fünfzehn Mann. Da sind auch die Schmuggler, welche ihre Waren in die Trümmer tragen; sie zählen neunzehn, mit dem Anführer zwanzig Personen. Wir haben also zusammen fünfunddreißig Personen zu fangen. Wenn uns keine einzige, hört, ich sage, keine einzige, entkommt, erhält jeder Soldat von euch hundert und jeder Unteroffizier zweihundert Piaster!«

Das gab leise Ausrufe der Freude, des Staunens, der Zustimmung und Ermunterung. Ich sprach weiter.

»Wir fangen sie in folgender Weise: Ihr bildet eine Linie, welche von den Ruinen aus in einem Halbkreise um die Feuer herumführt und dann wieder an die Ruinen stößt. Dadurch werden diese Menschen vollständig eingeschlossen, sodaß keiner hinaus auf die freie Ebene entfliehen kann. Wer von ihnen sich eurer Linie naht, wird laut angerufen und zurückgewiesen; gehorcht er nicht und will den Durchbruch erzwingen, so wird er ohne Nachsicht und Zaudern niedergeschossen. Sie sollen nämlich zunächst zurückgewiesen werden, weil es meine Absicht ist, sie, sobald es hell wird, zusammen zu haben. Was dann geschieht, werdet ihr von mir erfahren, denn bis dahin bin ich wieder bei euch. Sagt mir, aber nicht zu laut, ob ihr alle mich verstanden habt!«

Ich bekam ein sechzigmaliges Ja zu hören. Die Leute waren von den versprochenen Piastern ganz begeistert, und ich konnte überzeugt sein, daß sie alles mögliche thun würden, sich dieses Geld zu verdienen. Um diesen Enthusiasmus auch dem Kol Agasi mitzuteilen, zog ich ihn auf die Seite und fragte ihn leise:

»Meinst du, daß sie nun ihre Pflicht thun werden?«

»Oh, Effendi,« antwortete er, »ich versichere dir, daß sie lieber sterben, als einen dieser Halunken entkommen lassen werden. Du hast dir mit einem Schlage ihre ganze und vollständige Anhänglichkeit, Liebe und Treue erworben!«

»So will ich versuchen, auch die deinige zu erlangen. Du hast vorhin eine höhere Charge gewünscht, und ich sagte dir, daß Allah dir helfen werde. Dieses mein Wort soll in Erfüllung gehen; Allah sendet dir seine Hilfe durch mich, denn ich teile dir folgendes mit: Wenn von den fünfunddreißig Personen, die wir haben wollen, keine entkommt, so bist du Bimbaschi, noch ehe wir nach Hilleh zurückkehren.«

134Gefängniskeller.
135Gefängnisaufseher.
136Taschentuch.
137Henker.
138Gebranntes Fleisch.
139Marschall, Oberfeldherr.
140Divisionsgeneral.
141Tisch.
142Jacke.
143Gummielastikum.
144Beduine.
145Hier ist die Frau gemeint.