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Im Reiche des silbernen Löwen II

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Märgi loetuks
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Er stand vor freudigem Schreck ganz unbeweglich da und brachte kein Wort hervor. Dann nahm er sich zusammen und sagte, aber auch nur stammelnd:

»Bim – — – ba – — – schi – — – noch – — – ehe – — – wir – — —« und nun sprudelte er höchst schnell hervor. »Bimbaschi soll ich sein, noch ehe wir nach der Stadt zurückkehren?! Effendi, ich weiß, daß du die Wahrheit sagst und keinen unbegründeten Scherz mit mir treibst, und so will – — —«

»Sei still, Amuhd Mahuli,« unterbrach ich ihn. »Noch bist du nicht Bimbaschi; du kannst und sollst es aber werden, wenn du die von mir gestellte Bedingung erfüllst. Rege dich also jetzt nicht auf, und sei darauf bedacht, meinen Erwartungen zu entsprechen.«

»Effendi, wir fangen sie; wir fangen sie alle, alle, alle! Ich bin überzeugt, daß uns kein einziger entschlüpft. Komm schnell, damit wir den Kreis um sie rasch schließen!«

»Erst hast du die neun auszuwählen, welche hier bleiben, und den einen, der mit mir geht.«

»Das ist in einer kleinen Minute geschehen, ich eile, es zu thun!«

Er nannte die betreffenden zehn Namen, und dann setzten sich die fünfzig in Marsch. Wir gaben uns natürlich Mühe, kein Geräusch zu verursachen, und als wir in der Nähe des Feuers angekommen waren, wurde die Linie nach der Anweisung des Kol Agasi so vortrefflich und behutsam gebildet, daß keiner von den Einzuschließenden etwas davon bemerkte, und ich sicher war, daß es keine Lücke gab, durch welche jemand entschlüpfen konnte. Hierdurch beruhigt, ging ich mit dem Kammerherrn und unserm einen Reiter nach der Stelle, welche Halef in seiner drolligen Weise »Markt der Stachelschweine« genannt hatte. Wie erinnerlich, war das der verborgene Mauereinschnitt, in dem wir die Pferde versteckt hatten, und wo ich mit dem Kammerherrn aus unserer Haft wieder an das Licht des Tages oder vielmehr das Dunkel der Nacht gekommen war.

Ich wußte, daß ich ein gewagtes Spiel unternahm; aber es war mir so frei, so leicht, so unbesorglich zu Mute, als ob ich es schon gewonnen hätte. Indem wir die Schutthalde hinaufstiegen, fragte mich der Perser:

»Warum suchst du diesen Ort wieder auf, Effendi? Wir haben doch, denke ich, hier gar nichts mehr zu suchen!«

»Ich suche hier sogar sehr viel.«

»Was?«

»Den Säfir.«

»Den sah ich doch vorhin bei seinen Leuten!«

»Vorhin, ja. Nun aber werden wir ihn in unserm Gefängnisse finden!«

»Willst du etwa wieder hinein?«

»Ja.«

»Allah! Bist du bei Sinnen?«

»Ich denke es. Und ich kehre nicht allein dorthin zurück, denn du wirst mich begleiten.«

Er blieb vor Schreck sofort im Ziegelmehle stecken, schlug die Hände zusammen und stöhnte:

»Denn – — du – — wirst – — mich – — begleiten! Effendi, das fällt mir ganz und gar nicht ein! Wenn du übergeschnappt bist, so ist das für mich kein Grund, es auch zu sein!«

»So höre, was ich hier noch weiter suche! Nämlich dein Eigentum.«

»Mein Eigentum? Wie meinst du das?«

»Von deinen Pferden und Kamelen will ich gar nicht sprechen, doch hast du gesehen, daß sie noch da sind, und wenn du thust, was ich wünsche, wirst du sie wieder bekommen; aber die letzteren waren schwer beladen, und zwar, wie ich denke, mit Gegenständen, welche nicht wertlos sind.«

»Bloß nicht wertlos? Du kannst mir glauben, ihr Wert ist so groß, daß er ein Vermögen, ein ganzes Vermögen beträgt. Es sind Geschenke des Schah-in-Schah, und was unser Beherrscher giebt, das kostet viel, sehr viel!«

»Was wird er da sagen, wenn du ihm berichtest, daß diese kostbaren Geschenke geraubt worden sind?«

»An das, was er sagen wird, mag ich gar nicht denken. Ich werde seine Gnade, seinen Schutz, sein Vertrauen verlieren und in den Staub gestoßen werden, aus welchem ich mich nie wieder erheben kann. Dazu kommen die Unterschriften, die ich dem Säfir geben mußte. Er wird mich durch sie zum Bettler machen!«

»Wäre es da nicht ein Glück für dich, ein großes Glück, wenn du das alles wieder bekämst, die Geschenke des Schah und auch deine Unterschriften?«

»Ja, das wäre ein Glück, für welches ich Allah nicht genug danken könnte!«

»Aber du willst sie ja gar nicht wieder; du verzichtest ganz auf sie!«

»Ich? Verzichten? Wer hat das gesagt?«

»Du selbst!«

»Ich selbst? Davon weiß ich kein Wort, kein einziges Wort!«

»Hast du nicht soeben ganz bestimmt gesagt, daß du nicht mit mir ins Gefängnis zurückkehren willst?«

»Das habe ich allerdings; aber was hat diese so wohlbegründete Weigerung mit den Geschenken meines hohen Regenten und mit den unterschriebenen Anweisungen zu thun?«

»Sehr viel. Wir kehren in das Gefängnis zurück, um das alles wieder zu holen. Wenn du dich entschließest, mitzukommen, garantiere ich dir die Möglichkeit, dir zu deinem Eigentume zu verhelfen.«

»Ist das wahr, Effendi?« fragte er schnell, sich mit den tief in den Schutt eingesunkenen Füßen energisch herausarbeitend.

»Ja.«

»Aber er wird uns festhalten!«

»Das kann er nicht; wir werden im Gegenteile ihn festnehmen. Dies ist ja der Hauptgrund, welcher mich veranlaßt, diesen ungewöhnlichen Schritt der Rückkehr zu thun. Hier weiß ich, was ich thue; wenn ich mich aber auf die Soldaten verlassen muß, ist es sehr leicht möglich, daß uns der Säfir entflieht. Wenn du es wünschest, gebe ich dir mein Wort, daß du mir ohne alle Sorge folgen kannst. Wenn du mir vertraust, zwinge ich ihn zur Herausgabe dessen, was er dir abgenommen und abgezwungen hat; du erhältst also die Geschenke des Schah-in-Schah wieder und wirst folglich nicht sein Vertrauen verlieren, sondern dich seiner Dankbarkeit für die richtige Ablieferung derselben erfreuen.«

»Dieses dein Versprechen beseitigt meine Bedenken bis auf das eine, daß er sich weigern wird, das zu thun, was du von ihm verlangst. Es wird wahrscheinlich einen Kampf geben.«

»Nicht einen Kampf, sondern nur einen einzigen Hieb von mir, und daß er daran genug haben wird, hast du ja gesehen, als ich den Sandschaki niederschlug!«

»Ja, du hast eine ganz außerordentliche und sehr gefährliche Faust. Also, ich will dir Vertrauen schenken und dich begleiten. Was thut und wagt man nicht, wenn es darauf ankommt, sich das Wohlgefallen des Beherrschers zu erhalten!«

»Gut! Wenn wir auf die Schultern des Soldaten steigen, erreichen wir mit Bequemlichkeit das Loch. Ich gehe voran, und du folgst. Warte nur noch einen Augenblick!«

Ich sagte dem Chejahl[146], daß er hier still zu warten habe, bis wir wieder kämen, und lieh mir von ihm das alte Gebetstuch, welches er im Hüftgurte stecken hatte. Ich brauchte es zur Verdeckung des Loches in der Gefängnisecke. Zündhölzer und einige Talgkerzen hatte ich schon in Hilleh zu mir gesteckt; auch hatte ich dem Pädär dort mein Messer wieder genommen; dazu kamen die Revolver und der Henrystutzen. Den Bärentöter hatte ich bei den Pferden gelassen. Ich war also hinreichend bewaffnet und brauchte mich vor dem Säfir nicht zu fürchten. Ich gebe zu, daß zu meinem Unternehmen ein gut Teil Wagemut gehörte; wer mir aber vorwerfen wollte, daß es nicht bloß ein gewagtes, sondern ein vermessenes gewesen sei, den müßte ich darauf aufmerksam machen, daß ich überzeugt war, es im Innern der Ruine nur mit einer ganz geringen Anzahl von Gegnern zu thun zu haben. Ich glaubte annehmen zu dürfen, daß nur einige der Schmuggler die Lage und Einrichtung der dortigen Räume kannten, denn es wäre eine unverzeihliche Unvorsichtigkeit des Säfir gewesen, alle seine Pascher in das Geheimnis einzuweihen. Ich hatte also, ihn ausgenommen, ein Zusammentreffen mit höchstens nur den paar Personen zu befürchten, die mich hereingeschafft hatten, und mit diesen glaubte ich leicht fertig werden zu können.

Jetzt war es nun die allerhöchste Zeit, die uns so liebe, traute Stätte aufzusuchen. Der Soldat lehnte sich an die Wand; seine zusammengefalteten Hände bildeten die erste und seine Schultern die zweite Stufe aufwärts; so kam ich sehr leicht in das Loch, und der Kammerherr folgte mir. Daß ihm dabei das Herz nicht leicht war, hörte ich an dem schwer bedenklichen Seufzen und Krächzen, mit dem er sich hinter mir herschob. Wir hatten bequeme Passage, da der Gang jetzt frei von Ziegelmehl war; der leichte kurze Stutzen behinderte mich auch nicht.

Am Ende des wagrechten Ganges angekommen, richtete ich mich in dem senkrechten auf und lauschte; mein Kopf befand sich schon im Raume Nummer Fünf. Es regte sich nichts, und so stieg ich aus dem Loche; gleich kam dann auch der Perser heraus. Eine mit den tastenden Händen ausgeführte Untersuchung belehrte mich, daß wir unser Zwangsasyl genau so wiederfanden, wie wir es verlassen hatten. Unsere Fesseln lagen noch da, und auf der andern Seite fühlte ich den Müllhaufen, den wir aus dem Loche geworfen hatten. Wir waren allein, und so hätte ich gern ein Licht angezündet, aber der Schein desselben wäre zwischen den Stäben der Vorhangsthür hindurchgedrungen und hätte uns, falls in den anderen Räumen jemand war, sofort verraten. Wir mußten unsere Vorbereitungen also im Finstern treffen.

Zunächst warfen wir das Loch so weit, wie das Material reichte, wieder zu; ich steckte den Stutzen hinein, und breitete das Gebetstuch des Soldaten darüber, auf welches der Rest des Ziegelmehls gestreut wurde. Auf diese Weise wurden das Loch und das Gewehr den Augen des Säfir entzogen. Messer und Revolver hatte ich natürlich nicht sichtbar im Gürtel, sondern verborgen in den Taschen stecken.

Nun mußte ich den Perser wieder binden und brauche wohl nicht zu sagen, daß er dies nicht zugeben wollte. Als ruhige Vorstellungen nichts halfen, gab ich ihm einen etwas weniger freundlichen Rippenstoß, der ihn augenblicklich von der Notwendigkeit der von mir beabsichtigten Maßregel überzeugte. Er wurde genau so gefesselt, wie er es vorher gewesen war. Dann setzte ich mich nieder und legte mir auch meine Stricke wieder an, natürlich nicht so fest wie früher, denn das mochte und konnte ich auch nicht, aber doch so, daß es bei nicht genauer Untersuchung den Anschein hatte, als ob an ihnen nichts verändert worden sei. Nun fühlte ich mich beruhigt. Mein Wunsch, noch vor dem Säfir hier einzutreffen, war erfüllt: jetzt konnte er kommen!

 

Die Stimmung des Kammerherrn war, obgleich er sich einen »kühnen Krieger« genannt hatte, keinesfalls eine so zuversichtliche wie die meinige. Ich hörte wiederholt ein leises, bedrücktes »Ah« oder »Oh«, dem ein seufzendes »Allah, Allah!« hinzugefügt wurde. Er hatte Angst, und als wir nach einiger Zeit Schritte hörten und der Schein eines Lichtes zwischen den Drahtstäben hindurchdrang, flüsterte er mir, vor Furcht stotternd, zu:

»Effe – fendi, sie ko – kommen! Ia, Samaja, ia Hajaja – o mein Himmel, o mein Leben! jetzt ist es aus mit uns, vollständig aus. 0, hätte ich mich nicht verführen lassen! Wäre ich doch nicht wieder hereingekrochen!«

»Schweig doch!« raunte ich ihm zu. »Ich höre, sie gehen zunächst zu Halef, und wir müssen lauschen!«

Die Schritte hatten sich nach Nummer Vier gerichtet; ich hörte den Säfir und auch Halef sprechen, konnte aber die Worte nicht verstehen, doch als der erstere sich wieder entfernte, und mein Hadschi ihm mit erhobener Stimme nachrief, verstand ich die Worte:

»Laß dich nicht auslachen! Ich kenne meinen Effendi. Er wird kommen, ganz gewiß kommen und mich herausholen. Dann rechnen wir aber mit euch ab!«

»So will ich dir sagen, daß er schon gekommen ist,« rief der Säfir zurück. »Er liegt schon lange Zeit hier unten, viel fester gebunden als du!«

»Das ist eine Lüge!«

»Es ist wahr!«

»Und wenn es wahr wäre, so hat er nur mit dir gespielt, sich einen Scherz gemacht; das ist so seine Weise, die er liebt. Er wird frei sein und auch mich befreien, ehe du es denkst!«

»Nur seine Seele wird frei sein, denn wir werden sie und auch die deinige mit Stöcken aus euern verfluchten Körpern treiben!«

»Die Stöcke sind für dich, nicht für uns. Ich schwöre dir bei Allah und dem Propheten zu, daß du schon in kurzer Zeit die Peitsche fühlen wirst, die ihr mir unter höhnenden Worten abgenommen habt! Dann wird es deine Seele sein, die aus deiner aussätzigen Haut direkt hinunter in die Hölle fährt!«

Der Säfir schlug ein verächtliches Gelächter auf, und dann näherten sich die Schritte unserer Thür. Ich hörte deutlich, daß es nur zwei Personen waren. Die Riegel wurden zurückgeschoben und die Drähte aufgezogen; dann trat der Säfir mit dem kleinen Kerl ein, welcher mich durch seine Verkleidung als Hadschi Halef getäuscht hatte, und jetzt hielt er ein brennendes Lämpchen in der Hand.

Der Anführer warf einen scharf forschenden Blick durch den Raum, trat zu dem Kammerherrn, weil dieser ihm näher lag als ich, bückte sich und untersuchte die Fesseln.

»Noch in Ordnung!« sagte er, indem er sich wieder aufrichtete. »Mit dir spreche ich später. Erst kommt der Christ daran, mit dem ich eigentlich noch gar nicht habe reden können.«

Er stellte sich vor mich hin und winkte den Kleinen mit der Lampe herbei, um mich besser sehen zu können. Auch meine Fesseln zu untersuchen, hielt er nicht für notwendig, weil diejenigen des Kammerherrn »in Ordnung« gewesen waren und meine zusammengekrümmte Gestalt den Anschein erweckte, als ob meine Lage noch dieselbe erzwungene und schmerzliche sei wie vorher.

»Du hast wahrscheinlich gehört, was der giftige Zwerg, dein Begleiter, soeben brüllte!« fragte er.

»Ja,« antwortete ich.

»Diese häßliche, widerwärtige Kröte ist wahnsinnig, ist verrückt!«

»Nein!«

»Nicht? Du stimmst ihr bei?«

»Ja?«

»So bist auch du verrückt, aus Angst vor mir vollständig übergeschnappt!«

»Das fällt mir gar nicht ein. Mein Verstand ist jedenfalls klarer und gesünder als der deinige.«

Da ließ er dasselbe Gelächter wie vorhin hören und rief aus:

»Frei will er sein; frei will er seinen Hadschi machen; Prügel mit der Peitsche soll ich bekommen! Das bestätigt dieser Kerl und redet dabei von seinem Verstand!«

»Pah! Was mein Hadschi sagt, das pflegt er stets zu halten. Wenn er dir Prügel versprochen hat, so wirst du sie bekommen, du magst dich dagegen wehren, wie du willst!«

»Hund, wenn du nicht verrückt bist, so kannst du nur die Absicht haben, mich zu beleidigen! Du scheinst gar nicht zu ahnen, was dir bevorsteht!«

»Willst du auch mich zum Lachen bringen? Wenn einer von uns beiden nicht weiß, was ihn erwartet, so bist du es. Ich habe dir vorausgesagt, was geschehen wird. Warte den Morgen ab!«

»Ja, ich erinnere mich,« nickte er mir höhnisch zu. »Das Strafgericht über mich wird mit dem Tage beginnen und mit dem Abende zu Ende sein; so oder ähnlich hast du ja gesagt. Das aber wäre mir zu kurz, viel zu kurz! Für dich habe ich da besser gesorgt. Du bekommst von mir nicht bloß einen kurzen Tag; du sollst die Freuden, mit denen ich dich beglücken werde, länger, viel länger genießen! Was du da drüben am Tigris verbrochen hast – — —«

»Ah, an dem Pädär-i-Baharat!« fiel ich ein.

Da wich er in größter Überraschung einen Schritt zurück und fragte hastig:

»Pädär-i-Baharat? Was weißt du von ihm? Woher kennst du diesen Namen? Wer hat ihn dir gesagt? Schon dieser eine Umstand, daß du, ein Fremder und Christ, diesen Namen gehört hast, besiegelt deinen Tod!«

»Ich wiederhole, daß du dich immerfort mit mir verwechselst. Nicht mein, sondern dein Tod ist besiegelt. Du bist durchschaut worden; man weiß, daß du der Säfir« bist, von dem – — —«

»Säfir!« unterbrach er mich. »Mensch, das ist für dich ein neuer Grund zu sterben! Wenn ich dein Ende nicht schon beschlossen hätte, würde ich jetzt bestimmen, daß du diesen Ort nur als Leiche verlassen darfst!«

»Bilde dir nichts ein! Du hast gar keine Macht über mich. Ich werde den Birs Nimrud gesund und frei verlassen und dich als meinen Gefangenen nach Hilleh bringen, um dich zum Pädär und seinen beiden Gefährten sperren zu lassen, die dort an Ketten gelegt worden sind.«

»Ich – — dein – — Gefangener – — nach Hilleh – — an – — Ketten – — —!« rief er, mich wie einen Geist anstarrend, aus. »Es ist wirklich so, wie ich gesagt habe; du bist vollständig übergeschnappt!«

»So sagt dir jetzt ein Übergeschnappter, daß du den Pädär in eine Falle geschickt hast, in welcher er gefangen worden ist. Kein Mensch hat ihm dort das geglaubt, was zu sagen du ihm anbefohlen hast.«

»Was – — was hat man ihm nicht geglaubt?«

»Daß ich und der Haddedihn die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi überfallen haben, und daß du uns nachgeschlichen bist, um unser Versteck zu erfahren, auch das nicht, daß ich die Leiche des Pischkhidmät Baschi mitgenommen habe, um sie ins Wasser zu werfen.«

Er wollte hierauf etwas sagen, brachte aber vor Bestürzung kein Wort hervor. Da kam mir der Gedanke, diese seine Verwirrung zur Entdeckung des auf die »Rose von Schiras« bezüglichen Geheimnisses auszunützen, und ich fuhr fort:

»Du siehst, daß eure Heimlichkeiten öffentlich geworden sind. Sogar hinter eure berühmte Gul-i-Schiraz« ist man gekommen.«

Da fuhr er wie ein Raubtier auf mich los und zu mir nieder, faßte mich an beiden Schultern, schüttelte mich und fauchte mich wildkatzig an:

»Die Gul-i-Schiraz? Die Biwä-i-Hakim[147], die Schems-i-Dschamal[148], unsere Sitarä-i-Dschira[149], die so tief im Verborgenen wohnt, daß selbst ich sie nur dreimal gesehen habe?

Unsere schöne, unsere herrliche Königin, vor der wir alle unsere Häupter und unsere Kniee beugen? Sie, deren Blick die Herzen bezaubert und deren Stimme zu den schwersten, den verwegensten Thaten begeistert, sie willst du kennen, du elender, armseliger Wurm? Ich erwürge, ich erdrossele dich!«

Er griff mir nach der Gurgel. Schon wollte ich meine Hände schnell aus der Schlinge ziehen, um ihn abzuwehren, da fiel mir ein anderes Mittel ein, welches wahrscheinlich dieselbe Wirkung hatte und ihn vielleicht zu weiteren Unvorsichtigkeiten veranlaßte, denn er befand sich in einer Aufregung, die ihn hinderte, zu überlegen, was er sagte.

»Rühr mich nicht an!« herrschte ich ihn an. »Ich bin auch ein Sill!«

Er fuhr, als hätte er einen kräftigen Stoß erhalten, von mir zurück, riß die Augen weit auf und fragte:

»Du – — du – — ein Sill?!«

»Sogar ein Särtip-i-Sillan[150]

»Ein Särtip? Mensch, entweder hast du den Teufel, der dir unsere Geheimnisse verraten hat, oder du bist wirklich ein Sill! Dann giebst du dich aber nur für einen Christen aus und bist eigentlich ein rechtgläubiger Schiit.«

»Wenn meine Hände nicht gebunden wären, so könnte ich meinen Ring aus der Tasche nehmen und dir damit beweisen, wer und was ich bin!«

»Er – & er hat – — hat auch einen Ring.« rief er in immer wachsender Erregung aus. »Wenn das wahr ist, so kann A dich prüfen. Ich brauche dich nur zu fragen nach dem Namen unseres höchsten Gebieters, nach Dscha – — —«

Er hielt nach dieser einen Silbe inne, denn er sah ein, daß er im Begriffe stehe, den größten Verrat, der einem Sill möglich war, zu begehen. Die fehlende Silbe des Namens war leicht zu erraten, und da ich an jenem Abende am Tigris dem Pädär abgelauscht hatte, wie dieser höchste Gebieter« genannt wurde, so ergänzte ich den unterbrochenen Satz:

»Du meinst Dschafar, den Aemir-i-Sillan[151]

»Ja, ja, den meine ich! Du kennst ihn! Du weißt alles, alles, alles! Entweder bist du wirklich ein Särtip-i-Sillan und dein Rang ist höher als der meinige; dann muß ich dich sofort frei lassen. Oder du bist durch Verrat ein Wissender geworden und also ein Spion, den ich augenblicklich unschädlich zu machen habe.«

Er machte, indem er mit beiden an die Stirn gelegten Händen vor mir stand, jetzt den Eindruck vollständiger Ratlosigkeit auf mich. Da wandte er sich mit einer schnellen, entschlossenen Bewegung zu dem Kleinen um:

»Leuchte her; leuchte ihn an! Ich muß sehen, was für ein Gesicht er macht. Ich muß ihm bis hinunter in die Tiefe seines Herzens schauen!«

Als das Männchen dieser Aufforderung nachgekommen war, war es ein förmliches Bohren zu nennen, mit dem sich der Blick des Säfir in meine Augen senkte. Seine Narbe war angeschwollen und tief dunkelrot, und aus seinem Gesichte, seinen geballten, angriffsbereiten Fäusten und seiner sprungfertigen Haltung sprach eine Entschlossenheit, eine Spannung, welche, wenn sie zum Ausbruche kam, geradezu vernichtend zu werden drohte. Dennoch sah ich dem breitschulterigen, starkkräftigen Menschen mit ruhigem Lächeln in das Gesicht, zog aber die Schlinge des Strickes heimlich auseinander, um die Hände zur Gegenwehr bereit zu haben.

»Dein Antlitz ist mir unleserlich,« sagte er, obgleich meine Ruhe und Sorglosigkeit doch eigentlich sehr leicht zu erkennen war. »Ich sehe nichts, und ich entdecke nichts! Ich muß zu einem andern, einem bessern und untrüglichen Mittel greifen: Ich beschwöre dich bei Allah, oder, wenn du ein Christ bist, bei deinem Gotte, mir die Wahrheit zu sagen! Wirst du das?«

 

»Ja.«

»Hast du den Mut dazu, wirklich den Mut, falls du kein Sill bist, dies einzugestehen?«

»Ja. Glaube nicht, daß ich mich vor dir fürchte!«

»So sag, bist du ein gläubiger Schiit oder wirklich ein Christ?«

»Es kann mir nicht einfallen, deinetwegen oder aus irgend einem anderen Grunde, wäre die Gefahr für mich auch noch so groß, meinen Glauben zu verleugnen. Ich bin ein Christ.«

»Allah! Die Gesetze unseres Bundes machen die Mitgliedschaft eines Christen unmöglich. Du bist also kein Sill?«

»Nein.«

»Du bist also ohne unsere Erlaubnis in unsere Geheimnisse eingedrungen?«

»Ja.«

»So sei verflucht, tausendmal verflucht, und stirb!«

Er stürzte, in seinem Grimme nicht daran denkend, sich einer Waffe zu bedienen, mit auseinander gekrallten Händen auf mich nieder. Ich machte eine schnelle Seitwärtsbewegung, welche zur Folge hatte, daß er daneben griff, fuhr mit den Händen aus der Schlinge, faßte ihn am Halse, zog ihn vollends an mich, wälzte mich auf ihn und versetzte ihm rasch nacheinander zwei Hiebe auf das Schläfenbein. Er warf die dadurch machtlos gewordenen Arme in die Luft, streckte die konvulsivisch zuckenden Beine lang aus und bewegte sich nicht mehr.

Dies war schneller geschehen, als ich es erzählen kann. Es genügten zwei, drei kräftige Rucke an den Stricken, mich vollends von ihnen frei zu machen, dann sprang ich auf.

Der Kleine stand, mit der Lampe in der Hand, wie leblos da und starrte mich an. Da aber warf er die Lampe weg, welche verlöschte, so daß es finster wurde, und schrie:

»Hund, du entkommst uns dennoch nicht!«

Ich wollte vorsichtig ausweichen, aber schon war er da; ich fühlte seine Hand, die mich packte, und dann einen Stich, welcher in mein Herz gegangen wäre, wenn ich mich nicht schon in der beabsichtigten Wendung befunden hätte; nun traf er nur den Armmuskel und hatte, wie sich später zeigte, nur eine ungefährliche, zolltiefe Wunde zur Folge. Ich wollte ihn fassen, aber der kleine, behende Kerl entwich mir schnell und griff zur Pistole, was ich aber wegen der eingetretenen Finsternis nicht sah. Ich sprang nach dem Eingange, um ihm den Rückzug abzuschneiden; da krachte sein Schuß, welcher nach der Stelle gezielt war, an der ich soeben gestanden hatte. Der Pulverblitz zeigte mir seine Gestalt; ich sprang auf ihn zu und schlug ihm, weit ausholend, die Faust auf den Kopf, daß er niederstürzte. Mich sofort zu ihm bückend, überzeugte ich mich, daß nun auch er mir nichts mehr anhaben konnte.

Jetzt war es still, und auch ich bewegte mich nicht, um zu erfahren, ob der Schuß gehört worden sei. Es regte sich nichts. Da erklang die leise Stimme des Kammerherrn:

»Effendi!«

»Ja,« antwortete ich.

»Bist du tot?«

»Unsinn! Wenn ich antworte, kann ich doch nicht tot sein!«

»Also auch nicht erwürgt oder erschossen?«

»Nein; höchstens ein klein wenig mit dem Messer geritzt.«

»Wo sind diese beiden schrecklichen Menschen?«

»Sie liegen hier, leblos von meinen Hieben. Doch sprich jetzt nicht! Noch wissen wir nicht gewiß, ob der Schuß ungehört geblieben ist.«

Wir warteten noch einige Zeit; es kam niemand, und so hielt ich es für erlaubt, ein Licht anzubrennen. Die Lampe konnte nicht wieder angezündet werden, weil sie zerbrochen und ihr Inhalt verschüttet war.

»Baräkullah – Gott sei gepriesen!« seufzte der Perser. »Ich sehe, daß du Sieger geblieben bist. Mein Herz war starr vor Angst, als der Säfir wie ein hungriger Tiger vor dir stand und sich dann auf dich stürzte, um dich mit seinen Krallen zu erdrosseln! Nie in meinem ganzen Leben habe ich so gezittert und gebebt wie da, denn wenn er dich getötet hätte, so wäre auch ich verloren gewesen. Ich bin zwar ein sehr erfahrener und mutiger Krieger; aber wenn man gebunden ist, kann alle Tapferkeit nichts nützen. Wann machst du mich endlich wieder von den Fesseln frei?«

»Sofort. Wir werden sie zur Abwechslung nun diesen beiden anlegen.«

Ich band ihn los. Er sprang auf und frohlockte:

»Allah sei gepriesen, daß diese große, entsetzliche Gefahr vorüber ist! Ich bin derselben zwar mit großer Kühnheit entgegengegangen, doch – — —«

»Schrei nicht so!« unterbrach ich ihn. »Von deiner großen Kühnheit weiß ich nichts, und wenn du wirklich meinst, daß die Gefahr vorüber sei, so irrst du dich. Wir haben nur erst diese zwei hier fest und es noch mit dreiunddreißig andern zu thun.«

»Allah bewahre uns! Noch dreiunddreißig!. Was wird das für ein Ende nehmen!«

Die Angst fuhr ihm abermals in die Glieder, was ihn veranlaßte, sich niederzusetzen; ich aber legte dem Säfir und seinem Gesellen die Stricke so fest an, wie es unsere Sicherheit erforderte, und war damit eben fertig, als ich die laut rufende Stimme Halefs hörte:

»Sihdi, Sihdi! Es wurde geschossen. Bist du da?«

»Ja, Halef!« antwortete ich ebenso laut.

»Ich stecke hier. Kommst du bald?«

»Gleich!«

»Wenn die Halunken doch meine Peitsche mitgebracht hätten! Hast du sie vielleicht gesehen?«

Ich konnte nicht anders, ich mußte trotz des Ernstes der Situation lachen. Kaum erfuhr der gute Hadschi, daß er gerettet sei, so war die heißgeliebte Peitsche der erste Gegenstand, an den er dachte! Ich bedeutete dem Perser, still zu bleiben, nahm das Licht und eine hinüber zu dem mich Erwartenden. Als er mich eintreten sah, sagte er.

»Der Säfir wollte mir weiß machen, daß du sein Gefangener seist; ich aber glaubte es ihm natürlich nicht und habe ihm eine innige Begegnung mit der Eindringlichkeit meiner Kurbadsch versprochen.«

»Das habe ich gehört. Er hat nicht gelogen; ich war wirklich gefangen; nun aber bin ich frei und habe ihn fester als er mich vorher. Ich werde dir das nachher erzählen; jetzt führe ich dich zu ihm.«

»So gieb mir erst den Gebrauch meiner Glieder wieder, denn so, wie ich daliege, würde es mir unmöglich sein, mich deiner freundlichen Leitung anzuvertrauen!«

Man hatte ihn in einen Teppich gerollt und diesen dann mit Stricken umwunden. Nur sein Kopf sah aus dem Bündel hervor. Ich holte ihn heraus. Kaum stand er auf den Beinen, so erhob er den Arm, hielt die Finger zum Schwur in die Höhe und sprach:

»So wahr ich hier endlich aus der Haut dieses Teppichs gefahren bin, so wahr werde ich mein Wort halten und dem Säfir meine Peitsche kosten lassen! Man hat sie mir genommen; aber ich suche sie; ich werde sie finden, und wenn man sie am Ende der Welt oder noch weit darüber hinaus versteckt hätte! Du liebst die Sprache meiner Kurbadsch nicht, Sihdi; diesesmal aber kannst du dagegen sagen und dagegen machen, was du willst, ich halte mein Wort!«

»Da will ich dich beruhigen, lieber Halef. Heut bin ich vollständig mit dir einverstanden. Als ich hörte, daß er dir mit Prügeln drohte und du ihm deine Peitsche versprachst, stand es bei mir fest, daß er ihr nicht entgehen solle.«

»So sei diese deine Einsicht und die Tiefe deines beglückenden Verständnisses gesegnet, soweit die Menschen auf der Erde wohnen! jetzt aber komm; führ mich zu ihm! Ich darf keinen Augenblick länger zögern, ihm die ersehnte Glückseligkeit meines Grußes zu bringen! Du kannst es gar nicht ahnen, Effendi, in welch heißer Erwartung mir sein Herz entgegenschlägt!«

Er nahm mich bei der Hand und zog mich fort. Ich erkannte, daß ich ihn diesesmal nicht hätte abhalten können, seinem Grimme – um mich seiner Ausdrucksweise zu bedienen – durch »die Segnungen der Peitsche« Luft zu machen. Dieser Säfir hatte aber eine solche Züchtigung mehr als verdient, und so stimmte der glühende Wunsch des kleinen Hadschi im gegenwärtigen Falle ausnahmsweise einmal mit meiner Ansicht überein.

Er zog mich hinaus in den Mittelraum und wollte von da aus mit mir weiter; ich blieb aber stehen und sagte:

»Ehe wir zum Säfir gehen, muß ich erfahren, wie man sich seit dem Augenblicke, an welchem ich in das Wasser sprang, zu dir verhalten hat. Erzähle es mir also!«

»Hat das nicht noch Zeit? Ich verschmachte, wenn du das Wiedersehen mit ihm noch länger hinausschiebst.«

»So thut es mir leid, daß ich gezwungen bin, dich verschmachten zu lassen. Ich muß sein Verhalten zu dir kennen, um das meinige gegen ihn danach einrichten zu können.«

»So muß ich die Fülle meines Verlangens nach ihm beherrschen, um dich zu unterrichten; aber ich sage dir, daß er für jede Minute, die ich länger warten muß, fünf Hiebe mehr bekommt!«

»So mach es kurz!«

»Kurz? O Sihdi, wie wenig Verständnis hast du doch für die Notwendigkeit derartiger freundschaftlicher Beweise! Ich werde es im Gegenteile so lang wie möglich machen, denn je größer die Zahl der Schläge ist, die er bekommt, desto höher wächst seine Erkenntnis meiner selbstlosen Zuneigung und desto gründlicher werde ich die Gefühle der Zärtlichkeit los, welche meine Seele mit der seinigen verbinden. Also, was willst du wissen, und was soll ich dir sagen? Es ist besser, ich frage dich, um die Kürze meiner Erlebnisse in die Länge deiner Neugierde ziehen zu können.«

»Hattest du, als ich aus dem Fährkorbe sprang, nicht den Gedanken, mir zu folgen?«

»Ja; er kam mir allerdings, und ich hätte ihn auch ganz ungehindert ausführen können, denn unsere zwei Busenfreunde konnten sich zunächst nicht um mich kümmern, weil sie genug damit zu thun hatten, die Fähre vor dem Umkippen zu bewahren. Aber die Einsicht des richtigen Verhaltens kam mir schon im nächsten Augenblicke. Wenn ich, an Händen und Füßen gebunden, dir nachsprang, so warst du gezwungen, dich meiner Unbehilflichkeit anzunehmen, wodurch wir in Gefahr kamen, wieder aufgefischt zu werden; ja, ich hätte mich und dich sogar in Lebensgefahr gebracht, da sie sehr leicht auf den höchst unzweckmäßigen Gedanken kommen konnten, auf uns zu schießen. Es war für dich notwendig, so rasch wie möglich zu verschwinden; du mußtest also untertauchen und unter dem Wasser sofort und so weit wie möglich weiterschwimmen. Das hättest du aber nicht thun können, wenn du gezwungen gewesen wärest, mir deine Hilfe und Unterstützung zuzuwenden. Darum blieb ich ruhig liegen, und ich glaube, daß ich da recht gehandelt habe.«

146Kavallerist.
147Witwe des Herrschers.
148Sonne der Schönheit.
149Stern der Begeisterung.
150Oberster des Sills.
151Fürst der Schatten.