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Old Surehand III

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Wo hat er sie getroffen? Wo ist das gewesen?«

»Am Rande des Estacado. Sie und ihre Pferde waren dem Tode des Verschmachtens nahe, und die Frau hatte einen kleinen Knaben in ihr Tuch gewickelt. Mein Vater, der Häuptling der Apatschen, hat sich ihrer angenommen und sie zum nächsten Wasser geführt, um sie zu speisen und zu tränken, bis sie sich erholten. Dann wollte er sie zur nächsten Ansiedelung der Bleichgesichter bringen; sie aber baten ihn, ihnen lieber zu sagen, wo die Komantschen zu finden seien. Er ritt mit ihnen zwei Tage weit, bis er die Spuren der Komantschen entdeckte. Da diese seine Todfeinde waren, mußte er umkehren, gab ihnen aber Fleisch und einen Kürbis voll Wasser mit und erteilte ihnen eine so genaue Anweisung, daß sie die Komantschen finden mußten.«

»Wann hat sich das ereignet?«

»Vor langer Zeit, als ich noch ein kleiner Knabe war.«

»Was hat mein Bruder sonst noch über diese beiden Personen und ihr Kind erfahren?«

»Daß die Frau ihre Seele verloren hatte. Ihre Reden sind verworren gewesen, und wo es ein Gebüsch gab, da nahm sie einen Zweig, um ihn sich um den Kopf zu winden.«

»Weiter weiß Winnetou nichts von ihnen?«

»Weiter nichts; es ist das alles, was mein Vater mir über diese Begegnung erzählt hat.«

Der Apatsche bekräftigte durch eine Handbewegung, daß er nichts mehr zu sagen habe, und fiel dann in seine frühere Schweigsamkeit zurück. Da ergriff Schahko Matto eifrig das Wort:

»Aber ich kann noch mehr sagen; ich weiß mehr von. diesen Dieben, als Winnetou, der Häuptling der Apatschen, wissen kann!«

Apanatschka wollte weiter sprechen; ich winkte ihm aber, zu schweigen. Jedenfalls war er der kleine Knabe gewesen, und da der Mann und die Frau, welche als seine Eltern galten, von dem Osagen des Diebstahls geziehen wurden, wollte ich eine voraussichtliche direkte und große Beleidigung dadurch verhüten, daß ich an seiner Stelle das Wort ergriff:

»Schahko Matto, der Häuptling der Osagen, mag uns erzählen, was wir über die Personen, welche wir meinen, von ihm hören können! Es wird wahrscheinlich nicht viel Gutes sein.«

»Old Shatterhand hat recht; es ist nichts Gutes,« nickte er. »Hat er vielleicht einen Mann gekannt, welcher Raller hieß und bei den Bleichgesichtern das war, was sie einen Offizier nennen?«

»Es ist mir kein Offizier dieses Namens bekannt.«

»Dann ist es so, wie ich mir später gedacht habe: er hat uns damals einen falschen Namen genannt und ist nur in der Absicht, uns zu betrügen, zu uns gekommen. Wir haben überall nach ihm geforscht; ich bin sogar in den Forts und auch in den großen Städten der Weißen gewesen, mich nach ihm zu erkundigen, aber nirgends hat es einen Offizier gegeben, welcher Raller hieß.«

»Es sind da wahrscheinlich zwei Fälle möglich: Entweder war er Offizier und hieß nicht Raller, oder er hieß so und war nicht Offizier. Was wollte er bei den Kriegern der Osagen?«

»Er kam ganz allein zu uns; er trug die Kleidung der Offiziere und sagte, daß er der Bote des großen, weißen Vaters in Washington[15] sei. Es war ein neuer weißer Vater gewählt worden, der diesen Boten zu uns schickte, um uns sagen zu lassen, daß er die roten Männer liebe, daß er Frieden mit ihnen hegen und besser für sie sorgen wolle als die frühern weißen Väter, welche nicht gut und ehrlich gegen sie gewesen seien. Das gefiel den Kriegern der Osagen wohl, und sie nahmen den Boten als Freund und Bruder auf und behandelten ihn mit größerer Ehrfurcht und Aufmerksamkeit, als sie selbst ihrem größten und ältesten Häuptling zu erweisen gewohnt waren. Er schloß einen Vertrag mit ihnen ab; sie sollten ihm Felle und Häute liefern, wofür er ihnen schöne Waffen, Pulver, Blei, Messer, Tomahawks, fertige Anzüge und auch prächtige Kleider und Schmucksachen für die Squaws versprach. Er gab ihnen zwei Wochen Zeit, diesen Vertrag zu überlegen, und ritt fort. Er kehrte schon vor dieser Frist zurück und brachte einen weißen Mann, eine sehr schöne, junge, rote Squaw und einen kleinen Knaben mit. Der Weiße trug den Arm in der Binde; er war durch einen Schuß verwundet worden, doch zeigte die Untersuchung, daß die Wunde in guter Heilung stand. Das junge Weib war seine Squaw und der Knabe sein Sohn. Der schöne Körper der Squaw war leer, denn der Geist hatte ihn verlassen. Sie sprach von Tibo taka, von Tibo wete und wand sich Zweige um den Kopf. Auch von einem Wawa Derrick redete sie zuweilen. Wir wußten nicht, was sie damit meinte, und auch der Weiße, dessen Squaw sie war, sagte, daß er ihre Reden nicht verstehe. Sie wurden bei uns aufgenommen, als ob sie Bruder und Schwester der Osagen seien; dann ging Raller wieder fort.«

Schahko Matto machte hier eine Pause, welche ich benutzte, ihn zu fragen:

»Wie war das Verhalten der beiden Weißen zueinander? Ließ es auf Freundschaft oder nur auf gewöhnliche Bekanntschaft schließen? Es kommt wahrscheinlich sehr viel darauf an.«

»Sie waren Freunde, so lange sie glaubten, beobachtet zu sein; hielten sie sich aber für unbemerkt, so zankten sie sich.«

»Hatte der Mann der Squaw vielleicht ein Merk- oder Kennzeichen an seinem Körper?«

»Nein, aber der Offizier, welcher sich Raller nannte, hatte eins; es fehlten ihm zwei Zähne.«

»Wo?« fragte ich rasch.

»Oben vorn, rechts und links einer.«

»Ah! Etters!« rief ich aus.

»Uff! Das war Dan Etters!« ließ sich auch der sonst so stille Winnetou schnell hören.

»Etters?« fragte der Häuptling der Osagen. »Ich glaube nicht, diesen Namen je gehört zu haben. Hat der Mann so geheißen?«

»Ursprünglich wohl nicht. Er war oder ist ein großer Verbrecher, welcher viele falsche Namen getragen hat. Wie wurde denn der andere, der verwundete Weiße von ihm genannt? Raller muß doch einen Namen genannt haben, wenn er mit ihm sprach oder ihn gar rief.«

»Wenn sie einig waren, nannte er ihn Lo-teh; aber wenn sie glaubten, allein zu sein, und sich zankten, sagte er sehr oft zornig E-ka-mo-teh zu ihm.«

»Ist das kein Irrtum? Hat der Häuptling der Osagen sich diese beiden Namen gut gemerkt? Haben sie sich während der langen Zeit, welche inzwischen vergangen ist, vielleicht in deinem Gedächtnisse verändert?«

»Uff!« rief er aus. »Schahko Matto pflegt sich die Namen von Menschen, welche er haßt, so zu merken, daß sie bis zu seinem Tode ihm unverändert im Kopfe bleiben.«

Ich stemmte unwillkürlich den Ellbogen auf das Knie und legte den Kopf in die Hand. Es war mir ein Gedanke gekommen, so kühn und doch so naheliegend; ich zögerte, ihn auszusprechen. Winnetou sah mich an, ließ ein Lächeln um seine Lippen gleiten und sagte:

»Meine Brüder mögen Old Shatterhand genau betrachten! Grad so wie jetzt pflegt er auszusehen, wenn er eine wichtige Fährte entdeckt hat. Ich kenne ihn.«

Ich war mir gar nicht bewußt, ein besonders geistreiches Gesicht gemacht zu haben; ich weiß vielmehr, daß ich, wenn sich die Seele zum Nachdenken zurückzieht, eigentlich eine recht dumme Physiognomie zu zeigen pflege. Dies mochte Dick Hammerdull auch finden, denn er sagte zu Winnetous Bemerkung:

»Es scheint grad das Gegenteil der Fall zu sein. Mr. Shatterhand sieht aus, als#ob er eine wichtige Spur nicht gefunden, sondern sie soeben ganz und gar verloren hätte. Meinst du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?«

»Hm!« brummte der Lange, indem er in seiner trockenen Weise meine Partei ergriff; »wenn du denkst, daß dein Gesicht gescheiter aussieht als das seinige, so bist du der leibhaftige Hornfrosch, der sich für ein lebendiges Götterbild hält!«

»Schweig!« fuhr ihn der Dicke an. »Was verstehst denn du von den Göttern und ihren Bildern? Mich mit einem Hornfrosch zu vergleichen! Das ist eine Majestätsbeleidigung, für welche du wenigstens zehn Jahre Eastern penitentiary[16] bekommen solltest!«

»Schweig du selbst!« entgegnete Pitt Holbers. »Die Majestätsbeleidigung wurde nicht von mir, sondern von dir begangen, indem du das Gesicht Old Shatterhands mit dem deinigen verwechseltest. Nicht er, sondern du siehst grad so aus, als ob du nicht nur eine Spur verloren, sondern überhaupt niemals eine gefunden hättest. Du bist zwar mein Freund, aber Mr. Shatterhand lasse ich auch von dir nicht ungestraft beleidigen!«

Es war ihm Ernst mit dieser Reprimande, sonst hätte er nicht ganz gegen seine Gewohnheit eine so lange Rede gehalten. Ich belohnte ihn mit einem dankenden Blicke, obgleich ich Dick Hammerdull nicht ernst genommen hatte, und sagte, zu Winnetou und Schahko Matto gewendet:

»Ich befinde mich wahrscheinlich im Irrtum, aber es ist mir ein Gedanke gekommen, den ich nicht so ohne alle Prüfung von mir weisen möchte. Ich glaube nämlich jetzt zu wissen, was das geheimnisvolle Wort Tibo bedeutet. Es kommt dabei nur darauf an, daß der Häuptling der Osagen die beiden Namen, welche er vorhin nannte, richtig behalten hat. Der erste hieß Lo-teh. Es ist eine Eigentümlichkeit der Sprache Schahko Mattos, daß er den ersten Laut dieses Wortes halb wie L und halb wie R aussprach. Wahrscheinlich hat er »Lothaire« gemeint, ein Wort, welches ein französischer Vorname ist.«

»Ja, ja!« fiel der Osage ein. »So, grad so klang dieser Name, wenn er von Raller ausgesprochen wurde.«

»Gut! Dann bedeutet der zweite Name E-ka-mo-teh jedenfalls das auch französische Wort Escamoteur, welches einen Juggler, einen Taschenspieler bedeutet, der große Gewandheit darin besitzt, Gegenstände auf unbegreifliche Weise verschwinden und wieder erscheinen zu lassen.«

 

»Uff, uff, uff!« rief Schahko Matto aus. »Ich höre, daß Old Shatterhand sich auf der richtigen Spur befindet!«

»Wirklich?« fragte ich erfreut. »Hat der verwundete Weiße vielleicht die Dummheit begangen, damals die Osagen mit derartigen Künsten zu unterhalten?«

»Ja, das hat er gethan. Er ließ alles, alles kommen und verschwinden, wie es ihm gefiel. Wir haben ihn für einen so großen Zauberer gehalten, wie bei den roten Männern keiner gefunden werden konnte. Alle Männer und Frauen, alle Knaben und Mädchen haben ihm mit Erstaunen, oft mit Entsetzen zugesehen.«

»Gut! So will ich den Häuptling der Apatschen an einen Mann erinnern, von dem auch er erzählen hörte. Ich weiß, daß in seiner und meiner Gegenwart von einem einst hochberühmten und dann plötzlich verschollenen Escamoteur erzählt worden ist, von dessen Tricks man behauptete, daß sie nicht nur unvergleichlich, sondern geradezu unerreichbar seien. Er wurde, wie Winnetou sich erinnern wird, nicht anders als Mr. Lothaire, the king of the conjurers genannt.«

»Uff!« stimmte der Apatsche bei. »Von diesem haben wir wiederholt erzählen hören, in den Forts und an den Lagerfeuern.«

»Und weiß mein Bruder noch, weshalb dieser Mann verschwinden mußte?«

»Ja. Er hatte falsches Geld gemacht, sehr, sehr viel falsches Geld, und, als er arretiert werden sollte, zwei Polizisten niedergeschossen und einen verwundet.«

»Nicht bloß das!« fiel da Treskow ein. »Ich kenne, wenn auch nicht die Person, so doch den Fall genau; er wurde in Beamtenkreisen oft erwähnt, weil er höchst lehrreich für jeden Polizisten ist. Dieser Lothaire hat sich nämlich der Verfolgung wiederholt auf eine so raffinierte Weise entzogen und dabei noch weitere Mordthaten verübt, daß sein Fall uns als Unterrichtsgegenstand zur Belehrung dienen mußte. Er stammte, ich weiß nicht mehr, aus welcher französischen Kolonie, wo er sich auch nicht mehr sehen lassen durfte. Wenn ich mich nicht irre, war er ein Kreole aus Martinique und ist zuletzt in Bents Fort oben am Arkansas gesehen worden.«

»Das stimmt; das stimmt und wird noch besser stimmen lernen!« gab ich zu. »Lothaire war nur sein Vorname. Es kommt ja häufig vor, daß derartige Leute Ihren Vor- als Künstlernamen wählen. Sagt, Mr. Treskow, ist es Euch wohl möglich, Euch auf seinen vollständigen Namen zu besinnen?«

»Er hieß – – er hieß – – – hm, wie hieß er nur? Es war auch ein echt französischer Name, und wenn – – – ach, jetzt fällt er mir ein! Er hieß Lothaire Thibaut und – – – alle Wetter! Da haben wir ja das Tibo, welches, wie ich vorhin hörte, so lange vergeblich gesucht worden ist!«

»Ja, wir haben es; ganz sicher haben wir es! Taka ist der Mann und Wete die Frau; Thibaut Taka und Thibaut Wete sind Herr und Frau Thibaut. Die Frau des Medizinmannes sagte, wenn sie sich vollständig nannte: Tibo wete elen. Was hat dieses Elen zu bedeuten? Ich ahne es.«

»Sollte der Vorname Ellen gemeint sein?«

»Höchst wahrscheinlich. Wenn die Frau des Medizinmannes sich nicht in ihrem Wahnsinne mit einer andern verwechselt, sondern die wirkliche Thibaut Wete Ellen ist, so ist sie eine getaufte Indianerin vom Stamme der Moqui.«

»Warum der Moqui?«

»Weil sie auch von ihrem Wawa, d. i. Bruder Derrick spricht; Taka, Wete und Wawa aber sind Worte, welche der Moquisprache angehören. Thibaut Taka war ein berühmter Taschenspieler und verschwand bei den Indianern, weil er sich bei den Weißen nirgends mehr sehen lassen durfte. Ihm, dem geschickten Escamoteur, mußte es sehr leicht sein, Medizinmann der Roten zu werden und bei ihnen großes Ansehen zu gewinnen.«

»Aber die Farbe, die Indianerfarbe?«

»Pshaw! Für einen solchen Künstler eine Kleinigkeit! Ich bin jetzt beinahe überzeugt, daß Tibo taka und Tibo wete nicht Mann und Frau sind. Und sollten sie es dennoch sein, so möchte ich wenigstens behaupten, daß Apanatschka nicht der Sohn der beiden ist, wenigstens nicht der Sohn des Taschenspielers, von dem er auch nie als Sohn behandelt worden ist.«

Der, welcher jetzt genannt worden war, hatte unsern Folgerungen die größte Aufmerksamkeit geschenkt. Es verstand sich ganz von selbst, daß ihm jedes Wort vom höchsten Interesse war. In seinem Gesichte wechselten die Ausdrücke der widersprechendsten Gefühle. Daß der Medizinmann nicht sein Vater, ja, daß dieser ein Verbrecher sein sollte, berührte ihn jedenfalls weniger, als daß ich ihm auch die Mutter rauben wollte; ich sah, daß es ihn drängte, mir da zu widersprechen, gab ihm aber einen wohlgemeinten Wink, zu schweigen, und wendete mich wieder an Schahko Matto:

»Wir haben den Häuptling der Osagen in seiner Erzählung unterbrochen und bitten ihn, jetzt fortzufahren. Der Weiße, welcher sich Raller nannte, hat den Vertrag, den er mit euch abschloß, natürlich nicht gehalten?«

»Nein, denn er war ein Betrüger wie alle Bleichgesichter, Old Shatterhand und nur noch einige aus- ausgenommen. Die Krieger der Osagen aber hielten ihm ihr Wort. Sie suchten die Jagdgruben auf, in denen sie ihre Felle und Pelze aufbewahrt hatten, und brachten sie ihm in das Lager,« antwortete Schahko Matto.

»Wo befand es sich zu jener Zeit?«

»Am Flusse, den die Weißen den Arkansas nennen.«

»Ah! Und am Arkansas ist Thibaut zuletzt gesehen worden. Das stimmt auffällig. Waren es viele Häute?«

»Viele, sehr viele Pakete! Ein ganzer großer Kahn wurde voll.«

»Was? Raller hat einen Kahn, ein Boot gehabt?«

»Ein sehr großes sogar. Wir haben es ihm aus Holzstangen und Fellen gebaut. Nur an Dickschwanzhäuten[17] waren es weit über zehnmal zehn Bündel, das Bündel zu zehn Dollars gerechnet, die andern Felle, welche zusammen noch viel mehr kosteten, gar nicht mit gezählt.«

»So eine Menge? Er hat sie doch unmöglich weit transportieren können, sondern bald verkaufen müssen. Wohin wollte er sie schaffen?«

»Nach Fort Mann.«

»Ah! Das lag am Arkansas, wo ihn die große und sehr belebte Cimarronstraße kreuzte. Da gab es reichen Verkehr, und es waren stets Pelzhändler mit bedeutenden Kapitalien da, welche solche Summen zu jeder Zeit bezahlen konnten. Aber es gab da auch eine zahlreiche Garnison. Daß er sich überhaupt und nun gar mit der Ausführung eines solchen Betruges dorthin wagte, war eine Frechheit, welche gradezu ihresgleichen sucht. Es war eine große Unvorsichtigkeit von euch, ihm diese Waren anzuvertrauen. Ich vermute, daß ihr ihn nicht fortgelassen habt, ohne ihm Begleitung mitzugeben?«

»Old Shatterhand hat es erraten. Da er ein Abgesandter des großen, weißen Vaters war, glaubten wir, nicht unvorsichtig zu sein, wenn wir ihm Vertrauen schenkten. Wir mußten ihm auch schon deshalb glauben und vertrauen, weil er uns selbst aufforderte, ihn nach Fort Mann zu begleiten, wo wir die Bezahlung in Waren ausgeliefert bekommen sollten.«

»Wieviel Osagen bekam er mit?«

»Sechs Mann; ich war selbst dabei.«

»Hatten soviel Personen in dem Boote Platz? Wohl schwerlich!«

»Er nahm zwei Mann zur Hilfe bei den Rudern mit in den Kahn. Die andern vier mußten zu Pferde dem Flusse folgen. Um gleichen Schritt mit dem schnellschwimmenden Fahrzeuge halten zu können, war es notwenig, die besten Pferde auszusuchen.«

»Wie gut, wie pfiffig ausgedacht! Ich bin nämlich überzeugt, daß er es auch auf diese eure Pferde abgesehen hatte.«

»Old Shatterhand hat auch hier das Richtige getroffen. Es war zur Zeit, in welcher der Fluß viel Wasser und gute Strömung hat; darum erreichte der Kahn das Fort einen Tag früher als wir mit den Pferden. Wir kamen abends so spät an, daß wir kurz vor Thorschluß das Fort betraten, nachdem wir zwei Männer bei den Pferden vor demselben gelassen hatten. Dann war das Thor zu, und wir durften nicht mehr heraus. Raller gab uns zu essen und dazu so viel Feuerwasser, wie wir haben wollten. Wir tranken, bis wir einschliefen. Als wir erwachten, war es schon Abend des nächsten Tages. Raller war fort; der andere Weiße mit seiner Squaw und dem Kinde war fort; unsere Pferde waren auch fort und mit ihnen die beiden Krieger, welche sie hatten bewachen sollen. Als wir uns erkundigten, hörten wir, daß Raller die Felle schon vor unserer Ankunft verkauft und bezahlt bekommen hatte. Sobald der Schlaf des Feuerwassers über uns gekommen war, hatte er für sich und das andere Bleichgesicht mit Squaw und Kind das Thor öffnen lassen und war dann nicht mehr gesehen worden. Nun war es wieder Nacht, so daß wir nicht nach seiner Fährte suchen konnten. Wir hatten bis zum Morgen zu warten. Wir waren sehr zornig und verlangten unsere Felle, welche sich noch in dem Kahne am Ufer befanden. Die Soldaten und andern Bleichgesichter lachten uns aus. Als wir hierauf noch mehr ergrimmten, wurden wir eingesperrt und erst nach drei Tagen, in denen wir weder Essen noch Wasser erhielten, wieder freigelassen. Die Spuren der Betrüger waren nun nicht mehr zu sehen. Wir suchten dennoch und fanden die Leichen der beiden Krieger, welche die Pferde beaufsichtigt hatten, im Gebüsch des Flusses liegen. Sie waren vor dem Fort erstochen und dann dorthin geschafft und versteckt worden.«

»Habt ihr diesen Mord im Fort gemeldet?«

»Wir thaten es, aber man ließ uns nicht hinein; man drohte, uns sofort wieder einzusperren, falls wir es wagen sollten, durch das Thor zu schreiten. Der Jagdertrag eines vollen Jahres und eines ganzen Stammes war verloren; wir hatten zwei Krieger und die Pferde eingebüßt. Anstatt uns die erbetene Hilfe zu leisten, wollte die Obrigkeit der Weißen uns gefangen nehmen. Raller, der Mörder und Betrüger, war kein Bote des weißen Vaters gewesen, und weil wir keine Pferde hatten und eingesperrt gewesen waren, konnten wir ihm nicht folgen, um ihn zu bestrafen. Das ist die Gerechtigkeit der Bleichgesichter, welche von Liebe, Güte, Frieden und Versöhnung reden und sich Christen, uns aber Heiden nennen! Jetzt weiß Old Shatterhand, was ich über Tibo taka und Tibo wete zu sagen habe. Ich will ihn nicht fragen, ob er auch jetzt noch denkt, daß die Weißen bessere Menschen als wir Roten sind.«

Ich mußte mich als Weißer natürlich und leider jeden Urteiles über das, was er erzählt hatte, enthalten und konnte ihm nur die allgemeine, nichtssagende Antwort geben:

»Der Häuptling der Osagen hat bereits gehört, daß ich keine Rasse für besser als die andere halte; es giebt bei allen Völkern und in allen Ländern gute und auch böse Menschen. Hat Schahko Matto vielleicht später wieder eine Begegnung mit einem von diesen beiden Bleichgesichtern gehabt?«

»Nein.«

»Auch nichts von ihnen gehört?«

»Auch nicht. Seit jener Zeit habe ich heut zum erstenmal die Namen Tibo taka und Tibo wete wieder vernommen. Wir haben nach dem Manne mit den zwei Zahnlücken überall und unablässig gehorcht, doch alle Nachfragen und Erkundigungen sind bisher vergeblich gewesen. Es sind inzwischen weit über zwanzig Sommer und Winter vergangen, und so haben wir angenommen, daß er nicht mehr lebt. Sollte ihn aber der Tod noch nicht ergriffen haben, so bitte ich den großen und gerechten Manitou, ihn in unsere Hände zu führen, denn der große Manitou ist gütig und gerecht; die Bleichgesichter aber sind es nicht, obgleich sie sich seine Lieblingskinder nennen.«

Es trat eine lange Pause ein, denn keiner von uns Weißen fühlte das unerläßliche Material in sich, die Anklage des Osagen zu entkräften oder gar zu widerlegen. Habe ich mich jemals in Verlegenheit befunden, so war es dann, wenn ich gezwungen war, die Vorwürfe, welche der weißen Rasse von Angehörigen anderer Nationen gemacht wurden, schweigend hinzunehmen. Alles, was man dagegen sagen könnte, hat ja doch keinen Erfolg, wenigstens keinen augenblicklichen. Das Beste, was man dagegen thun kann, ist, in eigener Person und durch den eigenen Lebenswandel den Beweis zu führen, daß derartige Anschuldigungen wenigstens mich nicht treffen. Wollte das ein jeder thun, so würden sie gewiß und bald zum Schweigen kommen.

Das jetzt beendete Gespräch mußte von uns allen natürlich Apanatschka am meisten berührt haben. Er hatte höchst wahrscheinlich viele Fragen und Entgegnungen vorzubringen, war aber infolge meines Winkes so klug, zu schweigen. Es war Schahko Matto gegenüber nicht geraten, sein nahes Verhältnis zu Tibo taka noch näher und ausführlicher in Erwähnung zu bringen, als es schon geschehen war. Ich fühlte so schon große Befriedigung darüber, daß der Osage nicht auf den Gedanken gekommen war, sich nach der Identität zwischen Tibo taka und dem Medizinmanne der Komantschen zu erkundigen.

 

Was Raller, den angeblichen Abgesandten des »großen, weißen Vaters« betraf, so wollte sich in mir eine Idee oder eine Ahnung geltend machen, deren Berechtigung mir außerordentlich zweifelhaft erschien. Ich hütete mich also, ein Wort über sie zu verlieren, obgleich ich die Erfahrung gemacht hatte, daß ich mit derartigen, scheinbar grundlosen Vermutungen und unwillkürlichen Gedankenverbindungen meist das Richtige traf. Aber wenn ich darüber auch schwieg, diese Stimme in mir auch zum Schweigen zu bringen, das wollte mir nicht gelingen. Und je länger ich sie hörte, desto wahrscheinlicher kam es mir vor, daß sie mir nichts Falsches sage.

Als Schahko Matto davon sprach, daß Raller sich für einen Offizier ausgegeben hatte, war mir nämlich Douglas, der »General«, eingefallen. Es gab keinen einzigen stichhaltigen Grund, diese beiden Personen in so nahe Beziehung zu einander zu bringen; sie waren Verbrecher; sie hatten sich unberechtigterweise einen militärischen Grad beigelegt; das war alles, und lange noch nicht genug, um annehmen zu können, daß sie eine und dieselbe Person seien, und doch wurden sie in meinem Innern, in meiner Vorstellung nach und nach so zusammengeschoben, daß sie schließlich nicht mehr zwei Figuren sondern eine einzige bildeten. Das Seelenleben des Menschen ist so reich an geheimnisvollen Gesetzen, Kräften und Erscheinungen, deren Wirkungen wir achtlos an uns vorübergehen lassen; aber wer so viel bei seinen Büchern gesessen und getüftelt hat wie ich, wer so viel Nächte unter dem Dache des Urwaldes oder unter dem Himmel der Wüste, der Savanne lag und tiefe Einkehr in sich hielt, der lernt, auf die Regungen und Stimmen seines Innern aufmerksam zu sein, und schenkt ihnen gern das Vertrauen, welches sie verdienen.

Daß ich mit allen diesen Personen und Verhältnissen Old Surehand in Beziehung, und zwar in die engste Beziehung brachte, versteht sich ganz von selbst. Jedenfalls war er es, der im Mittelpunkte des Geheimnisses stand und der den Schlüssel zu demselben, jetzt noch ohne es zu wissen, in den Händen hielt. Darum nahm ich mir vor, meine Ahnungen noch für mich zu behalten und sie erst nach unserm Zusammentreffen mit ihm in Worte zu kleiden. Wir waren ja hinter ihm her und mußten ihn wahrscheinlich bald einholen.

Diesen Gedanken hing ich, als wir uns zur Ruhe gelegt hatten, noch lange nach, ehe ich einschlief. Früh dann, beim Aufbruche, waren sie fest in mir geworden, und ich legte mir nur noch die eine Frage vor, wer unter Wawa Derrick gemeint sein könne. Erraten konnte ich das nicht, weil es höchst wahrscheinlich eine Person war, welche ich nicht kannte.

Es war eine vollständig baum- und strauchlose Gegend, durch welche wir nun kamen. Wir befanden uns zwischen dem Nord- und Südarm des Salmon-River auf einer nur mit Büffelgras bewachsenen Prairie. Am Nachmittage kamen wir dem Südarme näher und sahen einen einzelnen Reiter, welcher weit vor uns quer über unsere Richtung aus Norden kam. Wir hielten sofort an und stiegen ab, um uns nicht von ihm sehen zu lassen; aber er hatte uns schon bemerkt und richtete den Lauf seines Pferdes auf uns zu. Darum setzten wir uns wieder auf und ritten ihm entgegen.

Als wir uns ihm so weit genähert hatten, daß wir ihn deutlich erkennen konnten, stellte es sich heraus, daß er ein Weißer war. Er stutze und hielt an, als er entdeckte, daß unser Trupp aus Leuten von zweierlei Farben bestand, denn das ist stets geeignet, Verdacht zu erwecken. Das Gewehr schußfertig in den Händen, sah er uns entgegen. Als wir uns ihm bis auf ungefähr dreißig Pferdelängen genähert hatten, hob er das Gewehr und forderte uns auf, zu halten, widrigenfalls er schießen werde. Diese Drohung war etwas für unsern dicken Hammerdull; er trieb trotz ihr seine Stute weiter und rief dabei dem Fremden lachend zu:

»Macht keine dummen Witze, Sir! Oder solltet Ihr Euch wirklich einbilden, daß wir uns vor Eurer Gartenspritze fürchten werden? Thut sie weg, und seid gemütlich, denn wir sind es auch!«

Das volle Gesicht des Kleinen strahlte allerdings eine Freundlichkeit aus, welcher der Reiter nicht widerstehen konnte wie ebensowenig sein Pferd, denn dieses ließ ein vergnügtes Wiehern hören, und er antwortete, indem er sein Gewehr sinken ließ:

»Diesen Gefallen kann ich Euch schon thun. Uebrigens bilde ich mir über Euch vorläufig gar nichts ein, weder etwas Gutes noch etwas Böses, obgleich Ihr zugeben werdet, daß ich allen Grund habe, Verdacht gegen Euch zu hegen.«

»Verdacht? Warum?«

»Weiße und Rote gehören nicht zusammen, und wenn man sieht, daß diese zwei Farben sich einmal vertragen, hat man gewöhnlich die Kosten dieses Schauspieles zu bezahlen.«

»Vertragen? Seht Ihr denn nicht, daß einer der Indianer gefangen ist?«

»Um so schlimmer, daß Ihr dem andern nicht auch einige Riemen angelegt habt. Der Gefangene scheint eine Leimrute zu sein, an der man kleben bleiben soll!«

»Ob Ihr kleben bleibt oder nicht, das ist uns ganz egal; aber los kommt Ihr nicht. Wir wollen wissen, wer Ihr seid, und zu welchem Zwecke Ihr Euer Pferd hier in dieser alten Prairie spazieren reitet.«

»Spazieren? Danke! Es war kein angenehmer Ritt, den ich hinter mir habe.«

»Warum?«

»Ehe ich antworte, will ich erst wissen wer Ihr seid!«

»Ah so! Bin sofort bereit, Euch gehorsamst zu Diensten zu stehen!« Und mit der Hand der Reihe nach auf sich und uns zeigend, fuhr er fort:

»Ich bin der Kaiser von Brasilien, wie Ihr mir ja gleich angesehen haben werdet. Der ungefesselte Indianer hier ist einer von den heiligen drei Königen aus dem Morgenlande, von denen bekanntlich der erste weiß, der zweite rot und der dritte schwarz gewesen ist; dieser hier wird also wohl der zweite sein. Der Mann mit dem großen und dem kleinen Gewehre« – er deutete dabei auf mich – »ist Bileam, der Euch wohl bald zum Sprechen bringen wird. Der Weiße neben ihm« – er meinte Treskow – »ist ein verwunschener Prinz aus Marokko, an dessen Seite Ihr seinen Hofnarren seht —«

Da er bei dem Worte Hofnarr auf Pitt Holbers zeigte, fiel ihm dieser kräftig in die Rede:

»Halte den Schnabel, alte Spottdrossel! Du gebärdest dich doch, als ständest du vor einer Menagerie, deren Bestien du diesem Fremden zeigen müßtest!«

»Ob Bestien oder nicht Bestien, das bleibt sich ganz gleich. Meinst du etwa, Pitt Holbers, altes Coon, daß ich ihm eure Namen nenne soll? Da kennst du weder mich noch die Gesetze des Westens. Er ist allein; wir sind ein ganzer Trupp, also hat er zuerst zu antworten, aber nicht wir, und wenn er das nicht augenblicklich thut, renne ich ihm mein Gewehr in den Leib oder reite ihn einfach über den Haufen.«

Er meinte das natürlich nur im Scherze; mochte nun der Fremde dies so nehmen oder nicht, aber er warf einen verächtlichen Blick auf die alte, haarlose Stute Hammerdulls und rief, indem er ein lautes Lachen hören ließ, aus:

»Lack-a-day! Mit dieser Pfefferkuchenziege soll ich umgeritten werden? Die würde doch sofort aus allen Knochen fallen. Versucht es doch einmal! Come on!«

Der Dicke hielt so große Stücke auf sein Pferd, daß ihn nichts so schnell in Harnisch bringen konnte, als wenn man sich über das häßliche Aeußere desselben lustig machte. So auch hier. Seine gute Laune war wie weggeblasen, und kaum hatte der Fremde die Aufforderung ausgesprochen, so ertönte die zornige Antwort:

»Sogleich, sogleich! Go on!«

Die Stute hörte das bekannte Wort; sie fühlte den Schenkeldruck und die Zügelhilfe und gehorchte augenblicklich. Sie rannte mit einem Satze, den ihr jeder, der sie nicht kannte, nie zugetraut hätte, das Pferd des Fremden an, welches zunächst in das Straucheln kam und nach einem zweiten Angriffssprunge der Stute sich hinten niedersetzte. Das geschah so rasch und unerwartet für den Reiter, daß er, ohne Zeit zum Parieren zu finden, die Bügel verlor und aus dem Sattel flog. Nun war die Reihe, zu lachen, an Dick Hammerdull. Er warf seine kurzen, dicken Arme triumphierend in die Luft und rief.

»Heigh-day! Da fliegt er hin, der Pfefferkuchenmann! Wenn er nur nicht zerbrochen ist! Hat das die alte Ziege nicht gut gemacht, Pitt Holbers, altes Coon?«

Der Lange antwortete in seinem gewöhnlichen Gleichmute:

»Wenn du denkst, daß sie dafür einen Sack voll Hafer verdient hat, so magst du recht haben, lieber Dick.«

»Ob Hafer oder nicht, daß bleibt sich gleich; es giebt hier leider nur Gras zu fressen!«

Der Fremde rappelte sich empor, hob sein Gewehr auf, welches ihm entfallen war, und stieg mißmutig wieder in den Sattel. Um aus dem derben Scherze nicht völlig Ernst werden zu lassen, richtete nun ich selbst das Wort an ihn:

15Präsident der Vereinigten Staaten.
16Sehr strenges Isoliergefängnis in Philadelphia.
17Dickschwanz-Biber.