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Satan und Ischariot I

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Mehr Rote kamen herbei. Einer von ihnen betrachtete mich und sagte mit einem entzückten Grinsen seines Gesichtes »Tave-schala!« Das bedeutet in der Yuma- und Tonkasprache Old Shatterhand.



»Tave-schala, Tave-schala!« erklang es weiter, von Mund zu Mund, von Mann zu Mann, bis alle meinen Namen schrieen, so daß die Echos von den Thalwänden widerhallten. Der Jubel kannte keine Grenzen. Man schrie und brüllte, man schwang alle möglichen Waffen über meinem Kopfe; man tanzte um Mich, obgleich die Büsche dabei im Wege waren. Ich ließ es ruhig geschehen, da ich es nicht ändern konnte, und hielt mich vollständig bewegungslos. Alle, alle waren gekommen; einer schob den andern zur Seite, um mich zu sehen; nur zwei kamen nicht: der Häuptling und der junge Weller. Der erstere war zu Stolz, nun, da ich mich in seiner Gewalt befand, nach mir zu laufen, und Weller mußte sich zu derselben Zurückhaltung bequemen, obgleich er wohl lieber auch mitgetanzt und gejubelt hätte. Darauf gab man mir die Füße soweit frei, daß ich kleine Schritte machen konnte, und schaffte mich nach dem Lager, wo ich den großen Mund mit Weller vor seinem Zelte sitzen sah. Ich hatte seinen Sohn erschossen; der ausgesuchteste Martertod war mir gewiß; doch das kümmerte mich jetzt nicht; ich dachte nur an meinen jungen Mimbrenjo, den ich hatte befreien wollen, und freute mich darüber, daß er nicht zu sehen war. Wahrscheinlich war er also doch entkommen. Ein Glück war es dabei, daß ich vorhin alles, selbst die Weste, in welcher sich die Uhr befand, abgelegt hatte. In den Hosentaschen gab es nur Kleinigkeiten, welche ich leicht verschmerzen konnte, und den



Beutel mit meinem ganzen Vermögen. Da dasselbe aber nur aus wenigen Pesos oder Dollars bestand, so konnte auch dieser Verlust mich nicht aus der Fassung bringen. Und was die leibliche Gefahr betrifft, in welcher ich mich befand, so war dieselbe allerdings so groß, wie sie überhaupt nur sein konnte, doch stand sie mir, wie ich sehr genau wußte, nicht augenblicklich bevor. Die Angewohnheit der Indianer, gefangene Feinde zu Tode zu martern, ist für die letzteren allerdings eine höchst fatale, aber da die Roten diese Prozedur nur selten an Ort und Stelle vornehmen, sondern die Gefangenen mit heimschleppen, um den zurückgebliebenen Ihrigen ein Schauspiel zu bereiten, so ist dadurch dem Betreffenden eine Frist geboten, welche er, wenn er ein unternehmender Mann ist, zur Flucht benutzen kann. Das ist doch immerhin besser, als an Ort und Stelle erschossen zu werden.



Als dem Mörder des kleinen Mundes war mir jedenfalls ein sehr grausamer und langsamer Tod zugedacht; auch verstand es sich von selbst, daß der ganze Stamm mich sterben sehen mußte; aus diesen beiden und noch anderen Gründen, welche ich unerwähnt lassen kann, war es nicht nur wahrscheinlich, sondern gewiß, daß ich jetzt für mein Leben nichts zu befürchten hatte. Ebenso wußte ich, daß man größere Mißhandlungen unterlassen würde, weil ich durch dieselben die Befähigung verlieren mußte, den weiten Ritt nach dem Orte, an welchem der Stamm sich befand, mitzumachen. In Beziehung auf Leib und Leben war ich also jetzt gar nicht, oder nur wenig gefährdet.



Als man mich vor den Häuptling stellte, war auf seinem Gesichte der Ausdruck tödlichen Hasses und unerbittlicher Rachsucht zu lesen. Er spuckte mich an und betrachtete mich mit finsterem und dabei stechendem Blicke, ohne jetzt ein Wort zu sagen. Weller junior aber redete mich in höhnischem Tone an:



»Willkommen Sir! Ich freue mich sehr, Euch wieder zu sehen. Ihr habt Euch während der Zeit, in welcher ich nicht das Glück hatte, Euch bedienen zu dürfen, als Old Shatterhand entpuppt und Euch alle Mühe gegeben, uns hinderlich zu sein. Jetzt seid Ihr kalt gestellt, und ich bin neugierig, wie Ihr diesmal Euern Ruf bewähren und wie Ihr es anfangen werdet, dem Martertode, welcher Euch droht, zu entrinnen.«



Es fiel mir nicht ein, dem Menschen eine Antwort zu geben, obgleich ich ihm gerade seines Hohnes wegen gern gesagt hätte, daß es mir ganz und gar nicht einfalle, mich für verloren zu halten. Dies war auch wirklich der Fall. Ich war bei den nördlichen Sioux und bei den südlichen Comantschen, auch bei den Krähen- und Schlangenindianern gefangen gewesen und hatte mich immer glücklich aus der Schlinge gezogen, und da die armseligen Yumas mit den genannten Stämmen in keiner Beziehung zu vergleichen sind, sondern tief unter denselben stehen, so mußte es, wie man sich auszudrücken pflegt, geradezu mit dem Kuckuck zugehen, wenn es mir nicht gelingen sollte, ihnen ein Schnippchen zu schlagen. Harry Melton, der Mormone, war weit mehr zu fürchten als sie. Wenn es ihm einfiel, mich von ihnen zu reklamieren und sie darauf eingingen, so war ich verloren. Ich war aber überzeugt, daß es dem Häuptlinge nicht einfallen würde, mich ihm auszuliefern. Der junge Weller aber galt für mich gleich Null. Seine Anrede an mich war frech und lächerlich zugleich; dies mochte der Häuptling fühlen, denn er wies ihn in keineswegs hochachtungsvollem Tone zurecht:



»Sei still! Deine Rede ist wie ein Halm, welcher keine Körner trägt und wie ein Wasser, in welchem es keine Fische giebt. Vor dir würde sich der Gefangene wohl nicht fürchten. Ich weiß, daß es aller unserer Augen und Arme bedarf, ihn festzuhalten. Er soll uns aber nicht entkommen, sondern viele Tage lang am Marterpfahle bangen, weil er meinen Sohn getötet hat.«



Weller hatte englisch zu mir gesprochen, und ich war ziemlich erstaunt darüber, daß der »große Mund« ihn verstand und sich zu seiner Antwort sogar jenes Gemisches von Englisch, Spanisch und Indianisch bediente, welches im Verkehr mit den Roten am Rio Grande und Rio Pecos gesprochen zu werden pflegt. Dann wendete er sich an seine Leute, welche in einem mehrfachen Halbkreise um uns standen:



»War es Old Shatterhand, welcher sich soweit an uns geschlichen hatte?«



»Nein,« antwortete einer.



»Nicht? Wer denn sonst?«



»Ein Roter, ein Knabe, so jung, daß er wohl noch keinen Namen hat.«



»Wie ist sein Aussehen?«



Der Krieger, welcher geantwortet hatte, beschrieb meinen kleinen Gefährten.



»Uff!« rief da der Häuptling. »Es ist einer der Mimbrenjoknaben, welche mir entkommen sind, weil Old Shatterhand sie verteidigte. Er muß auch mit an den Marterpfahl. Bringt ihn herbei!«



»Wir können ihn nicht bringen, denn es ist uns nicht gelungen, ihn zu ergreifen,« antwortete der Mann kleinlaut.



»Wie?« fragte der große Mund im zornigen Erstaunen. »Ihr seid so viele erwachsene Männer; ihr nennt euch Krieger, und ein Kind, so klein und jung, daß es nicht einmal einen Namen hat, ist euch entschlüpft? Soll ich das glauben?«



Der Rote schlug die Augen nieder und antwortete nicht; die andern standen ebenso verlegen da, deshalb fuhr der Häuptling auf:



»So ist es also doch wahr! Alle alten Weiber werden euch verlachen, und die Kinder werden mit Fingern auf euch deuten. Denkt an den Hohn der anderen Stämme, wenn sie hören, daß soviele Yumakrieger nicht im stande gewesen sind, einen armseligen Mimbrenjoknaben festzuhalten. Der Knabe hat sich bei Old Shatterhand befunden; es ist derselbe, den ich da unten im Thale entfliehen lassen mußte, also wird sein Bruder auch in der Nähe sein und seine Schwester, die Squaw des Opata-Häuptlings dazu. Sucht augenblicklich nach ihnen; sucht den ganzen Wald durch! Ich erwarte, daß ihr sie mir bringen werdet. Drei oder vier von euch genügen, hier bei mir zu bleiben und das Lager zu bewachen.«



Er bezeichnete diejenigen, welche bleiben sollten; die anderen entfernten sich, um seinen Befehl auszuführen. Weller blieb natürlich auch zurück. Ich dachte, daß der Häuptling nun eine Art von Verhör mit mir anstellen werde, dem war aber nicht so. Er ließ mich noch enger fesseln als bisher und an den Zeltpfahl binden; dann schien er mich keines Blickes zu würdigen; aber ich sah, daß er mich gar wohl zwar heimlich aber scharf im Auge behielt.



Nun gab es ein banges Warten für mich. Es war hundert gegen eins anzunehmen, daß mein Mimbrenjo ertappt würde. Es waren der Spürhunde zu viele, als daß ich hoffen konnte, er, der unerfahrene Knabe, werde ihnen entwischen. Faßte man ihn, so war es nicht nur um ihn geschehen, sondern es gerieten auch meine kostbaren Gewehre und mein anderes Eigentum in ihre Hände, und das letztere hielt ich für weit schlimmer als das erstere.



Laute Zurufe, welche zu hören waren, sagten mir, daß man seine Spur gefunden habe. Sie kamen aus immer weiterer Entfernung, ein sicheres Zeichen, daß man ihn verfolgte. Von jetzt an verging eine lange, lange Zeit, weit über eine Stunde; dann kehrte ein starker Trupp der Roten zurück. Wie freute ich mich, als ich den Mimbrenjo nicht bei ihnen sah! Der Häuptling aber rief ihnen zornig entgegen:



»Ihr bringt sie nicht? Seid ihr blind geworden, da ihr die Spur eines Menschen nicht mehr zu sehen vermögt?«



»Die Krieger der Yuma sind nicht blind,« antwortete einer. »Wir haben die Fährte des Knaben gefunden.«



»Aber nicht ihn selbst! Sonst hättet ihr ihn gebracht!«



»Du wirst ihn bald zu sehen bekommen. Seine Spur ging durch den Wald bis an den Rand desselben und von da aus gerade über die offene Ebene hinüber.«



»In welcher Richtung?«



»Nach Süden.«



»Es war nur kurze Zeit vergangen und er konnte keinen großen Vorsprung haben; ihr müßt ihn also gesehen haben, indem er vor euch über die Ebene lief?«



»Der Knabe ist klein; seine Gestalt verschwindet also, selbst wenn die Entfernung keine große ist. Aber seine Spur war deutlich und muß ihn schnell in unsere Hände bringen. Weil es dazu nur einiger Krieger bedarf, folgten ihr die andern; wir aber sind zurückgekehrt.«



Der Häuptling sagte weiter nichts und wendete sich in der Haltung eines Wartenden von ihnen ab. Er war augenscheinlich wütend, sah aber ein, daß zornige Worte nichts zu ändern vermochten und das Resultat der Verfolgung nicht beschleunigen konnten. Mir aber wuchs die Hoffnung, denn das Verhalten des Knaben war so klug, daß ich selbst es nicht besser hätte machen können. Er hatte unsere Pferde stehen und alles bei ihnen liegen lassen und war von der Stelle aus, an welcher er entwischt war, direkt nach dem Waldesrande aufwärts gestiegen und dann in schnellstem Laufe über die Ebene geeilt. Dadurch hatte er die Suchenden von unserm Verstecke abgelenkt. Die Pferde standen noch da, und meine Sachen lagen bei denselben. Auch darin war er klug gewesen, daß er sich südwärts gewendet hatte, denn erstens zog er dadurch die Aufmerksamkeit von derjenigen Richtung, nämlich der nördlichen ab, nach welcher unsere Absichten gingen, und zweitens gab es, wie er gesehen hatte und also wohl wußte, im Süden genug felsiges Terrain, auf welchem er seine Spuren verschwinden lassen konnte.

 



Der Nachmittag verging, und es wurde dunkel. Die Indianer zündeten einige Feuer an, um das Abendessen zu bereiten. Der Häuptling saß noch immer auf derselben Stelle und verhielt sich stumm. Es schien in ihm zu kochen. Weller war fortgegangen, wohl aus purer Langeweile ein wenig im Walde herumzulungern. Jetzt kehrte er zurück. Der Häuptling fragte ihn in nicht eben freundlichem Tone:



»Wo bleibst du so lange? Weißt du nicht, daß die bestimmte Zeit da ist, deinen Vater zu erwarten und herbeizubringen?«



Der Angeredete entfernte sich wieder, und einige Zeit später kehrten die Yumas zurück, welche die Verfolgung fortgesetzt hatten. Meine Hoffnung war keine vergebliche gewesen; sie brachten den Mimbrenjo nicht. Als der Häuptling dies sah, sprang er auf, faßte den vordersten von ihnen beim Arme, schüttelte ihn und schrie:



»Ihr kommt auch allein? Seid ihr denn stinkende Würmer, welche Schmutz fressen und unter der Erde wühlen und deshalb nicht sehen, was sich auf derselben befindet? Ich werde euch heimschicken; da könnt ihr Weiberröcke anziehen und Zelte flicken, was nur die alten Squaws thun, welche zu nichts weiter nütze sind!«



Das war eine Beleidigung, wie sie kaum größer sein konnte. Er ging mit derselben über seine Befugnisse hinaus. Ein Indianerhäuptling besitzt nämlich keine andere Macht als diejenige, welche ihm von seinem Stamme freiwillig übertragen worden ist; sie kann ihm in jedem Augenblicke wieder genommen werden. Er kann, falls er sich seiner Würde nicht wert zeigt oder seine Befugnisse überschreitet, augenblicklich abgesetzt werden und ist dann nichts mehr als jeder andere Stammesgenosse. Der Indianer, gegen welchen die zornigen Worte gerichtet waren, riß sich los und antwortete in zurechtweisendem Tone:



»Wer giebt dem »großen Munde« die Erlaubnis, mich in dieser Weise anzufassen und anzureden? Wenn ich falsch gehandelt habe, so mögen die Aeltesten des Stammes über mich zu Gerichte sitzen und ihr Urteil fällen, dem ich mich unterwerfen muß; wer mich aber beleidigt, der mag sein Messer nehmen und mit mir kämpfen. Der »große Mund« mag bedenken, daß er, indem er mich beschimpft, auch alle Krieger beschimpft, welche mit mir gewesen sind!«



Diejenigen, für welche er mit diesen Worten sprach, ließen ein beifälliges Gemurmel hören. Der Häuptling sah ein, daß er sich zu weit hatte hinreißen lassen, und entgegnete in sehr gemäßigtem Tone:



»Mein Bruder mag annehmen, daß es nicht meine Worte waren, welche er hörte, sondern daß der Zorn aus mir gesprochen hat.«



»Ein Mann muß es verstehen, seinen Zorn zu bemeistern, doch will ich annehmen, daß nichts geredet worden sei. Wenn der »große Mund« selbst gegangen wäre, um den Knaben zu suchen, so hätte er ihn auch nicht gefangen.«



»Aber die Beine eines Kindes sind doch kürzer, als diejenigen erwachsener Männer. Ihr hättet ihn unbedingt ereilen müssen!«



»Wir sind gelaufen, bis wir keinen Atem mehr hatten, haben ihn aber nicht einmal zu sehen bekommen, weil der Vorsprung, den er hatte, zu groß gewesen ist. Dann verschwand seine Spur auf dem Felsen, welcher so hart ist, daß er keine Eindrücke annimmt.«



»Habt ihr nur seine Fährte und nicht auch eine andere gesehen?«



»Nur die seinige.«



»So befinden sich sein Bruder und seine Schwester nicht mehr bei ihm. Nur Old Shatterhand ist bei ihm gewesen und wird uns Auskunft geben müssen.«



Nach diesen Worten trat er zu mir und redete mich zum erstenmale an:



»Wie bist du mit dem Knaben, den wir suchen, hierher gekommen? Seid ihr gelaufen oder geritten?«



»Warum fragst du mich?« antwortete ich. »Du willst nicht nur ein Krieger, sondern ein Häuptling sein und bedarfst meiner, um zu erfahren, was der Verstand jedes Kindes sofort entdecken würde. Frage deinen Scharfsinn, wenn du überhaupt welchen besitzest, nicht aber mich!«



»Du willst nicht antworten, Hund?« fuhr er mich an.



»Belle immerhin! Von mir erfährst du nichts.«



Der Ausdruck bellen erzürnte ihn so, daß er sein Messer aus dem Gürtel zog; er steckte es jedoch wieder zurück, versetzte mir einen Fußtritt und sagte:



»So schweig! Du wirst ja so bald heulen und schreien müssen, daß man es über alle Berge hört.«



»Gewiß nicht eines Feiglings wegen, wie du bist, der vor mir ausgerissen ist und dabei vor Angst seine Flinte weggeworfen hat!«



»Sei still, sonst ersteche ich dich im Augenblicke!« schrie er, indem er das Messer wieder zog.



»Stich immer zu! Bringst du mich zum Schweigen, so doch deine Schande nicht. Dein Gewehr befindet sich in den Händen der Mimbrenjos, welche du zu deinen Todfeinden gemacht hast. Wie werden sie über dich lachen, wenn sie erfahren, daß du, der Häuptling der Yumas, aus reinem Entsetzen die Waffe weggeworfen hast und wie ein Wind entflohen bist!«



Ich reizte ihn mit Absicht, um ihn zum Sprechen zu bringen, denn ich wollte nicht länger warten, zu erfahren, ob man mich jetzt oder später zu töten beabsichtigte. Er war so ergrimmt, daß er zum Stoße ausholte; ein mehrstimmiger Zuruf der Seinigen veranlaßte ihn, sich zu beherrschen. Er ließ den Arm sinken und antwortete, indem er ein höhnisches Gelächter aufschlug:



»Ich durchschaue dich. Du willst mich reizen, damit ich dich im Zorne gleich töten möge, wirst aber diese Absicht nicht erreichen. Du wirst jetzt keinen Mangel bei uns leiden, damit wir dich schnell und gesund nach unsern



Wigwams bringen. Du sollst dick und fett und stark werden, damit du die Qualen, welche dir bestimmt sind, doppelt lange zu ertragen vermagst. Gebt diesem Hunde zu fressen, soviel wie er zu fressen vermag!«



Ich hatte meine Absicht erreicht; ich wußte nun, daß man mich nicht nur schonen, sondern sozusagen sogar mästen wollte. Das hätte mich beruhigen müssen, wenn meine Besorgnis bisher, was aber nicht der Fall war, eine große gewesen wäre. Dem zuletzt gegebenen Befehle kam man sofort nach. Das Essen, welches aus in Wasser gekochtem Bohnenmehl bestand, war fertig, und ein alter schmieriger Kerl machte sich daran, mich, da ich die Hände nicht zu gebrauchen vermochte, wie ein kleines Kind zu füttern. Er setzte sich mit seinem vollen Napfe zu mir, fuhr mit den Fingern in den Brei und schickte sich an, mir denselben in den Mund zu streichen. Ich wehrte mich dagegen. Als der Häuptling dies sah, sagte er:



»Der Hund ist zu vornehm, die Speise der roten Krieger zu genießen. Mache ihm einen Arm los, und gieb ihm Fleisch; das wird ihm besser schmecken. Ich habe versprochen, daß er nicht hungern soll. Desto lauter wird er dann pfeifen und winseln können.«



Der Alte ging nach dem Vorratszelte und brachte mir ein großes Stück Rindfleisch, welches ich, nachdem er mir den Arm freigegeben hatte, mit mehr Appetit, als ich vorher dem Brei abgewinnen konnte, verzehrte. Dann wurde mir der Arm wieder festgebunden.



Eben als die Indianer gegessen hatten, kam Weller junior aus dem Walde. Er brachte seinen Vater mit. Dieser kam, nachdem er den Häuptling begrüßt hatte, zu mir heran, nickte mir malitiös-freundlich zu und sagte:



»Guten Abend, Sir! Wie ist Euer wertes Befinden, Master Shatterhand?«



Ich wendete das Gesicht von ihm ab und antwortete nicht.



»Ah, Ihr scheint ein stolzer Boy zu sein! Ich bin ein so geringer Kerl, daß Ihr es für unter Eurer Würde haltet, auf meinen höflichen Gruß eine Antwort zu geben. Nun, Ihr werdet schon noch höflich werden! Ich stelle Euch hier meinen Sohn vor, einen prächtigen Kerl. Ist ein famoser Schauspieler. Als er sich für einen Kajütenwärter ausgab, habt Ihr wohl nicht geahnt, was eigentlich in ihm steckt. Wie?«



Und als ich auch jetzt nicht antwortete, fuhr er fort:



»Habe mich unendlich gefreut, als er mir vorhin bei meiner Ankunft sagte, welchen Fang meine roten Freunde gemacht haben. Habt Euch um fremde Angelegenheiten, die Euch nichts angingen, gekümmert und wißt Euch nun dafür in Euern eigenen nicht zu helfen. So aber geht es, wenn man sich unaufgefordert zum Advokaten anderer Leute macht. Ihr werdet den Prozeß verlieren und sämtliche Kosten tragen, indem Ihr sie mit dem Leben bezahlt. Wohl bekomm‘s!«



Er wendete sich ab und ging zu dem Häuptlinge, welcher sich an einer Stelle, die außerhalb der Hörweite der andern lag, niedergesetzt hatte. Sein Sohn folgte ihm, und die drei begannen nun ein leise geführtes Gespräch, bei welchem, ihren Gebärden nach, sehr Wichtiges verhandelt wurde. Als dasselbe beendet war, erhoben sie sich von ihren Sitzen; der große Mund rief seine Leute zusammen, um ihnen das Resultat der gepflogenen Unterhandlung mitzuteilen; die beiden Weller stellten sich indessen geflissentlich so ganz in meine Nähe, daß ich das, was sie sprachen, hören mußte, und der ältere meinte zum jüngeren:



»Also ich reite jetzt zurück, und du bleibst bei den



Indianern, die gleich nach mir aufbrechen werden. Es ist von hieraus nach der Hazienda del Arroyo gerade soweit, daß Ihr noch vor der Morgendämmerung den Ueberfall ausführen könnt.«



»Aber die Thore werden zu sein!« meinte der Sohn in einer Weise, aus welcher ich ersah, daß sie nur redeten, damit ich es hören sollte.



»Was schadet das? Ich bin auf die Jagd geritten, habe mich verirrt, kehre so spät zurück und klopfe den Mayordomus auf, um mir öffnen zu lassen.«



»Der wohnt im Hauptgebäude und hört das Klopfen am Thore nicht.«



»So hören es die deutschen Auswanderer, und einer von ihnen wird mir öffnen. Ihr werdet wahrscheinlich das Thor offen finden.«



»Und wenn nicht, wie kommen wir da hinein?«



»Durch den Bach, welcher durch die beiden Mauern in den Hof kommt und wieder hinausgeht. Du freilich darfst dich zunächst nicht sehen lassen, weil man sonst erfahren würde, daß du mit den Roten im Einvernehmen stehst. Du kommst erst angeritten, wenn sie fort sind.«



Nachdem die beiden Menschen noch einige unwesentliche Bemerkungen ausgetauscht hatten, wendete sich der Vater zu mir, indem er sagte:



»Warum wir Euch das wohl hören lassen, Sir? Erstlich darum, weil Ihr gegen uns gearbeitet habt und nun sehen sollt, daß alle Eure Ränke vergeblich gewesen sind; wir kommen doch zum Ziele.«



»Und zweitens,« fuhr der Sohn fort, »um Euch die Gewißheit zu geben, daß Ihr verloren seid und keine Hoffnung auf Rettung haben dürft.«



»Ja, so ist es,« bestätigte der Alte. »Wenn wir es nur im geringsten für möglich hielten, daß Ihr gerettet werden könntet, so würden wir uns sehr wohl hüten, Euch zum Ohrenzeugen unserer Reden zu machen. Bereitet Euch also vor auf den Tod, auf den entsetzlichsten, den es geben kann! Es ist aus mit Old Shatterhand. Ihr werdet nach den Weidegründen der Yumas transportiert, um dort gepfählt, verbrannt oder sonst noch was zu werden. Vorher aber wird Euch unser Freund Melton einen Besuch abstatten, um Euch Dank zu sagen für die Liebe, die Ihr ihm erwiesen habt. Sein Besuch wird dadurch eine erhöhte Feier finden, daß man Euch auch ein wenig die Hände bricht, sowie Ihr es mit ihm gemacht habt. Lebt wohl! Ihr seht uns nicht wieder, wenn Ihr einmal unterwegs zu den Yumas seid, und wir Euch leider auch nicht.«



So! Jetzt wußte ich alles, was sie mir zu wissen geben wollten. Ich hätte gern noch mehr gewußt und es vielleicht erfahren, wäre es nicht meine Absicht gewesen, ihnen weder Frage noch Antwort zu geben. Man hatte es also für nötig gehalten, den für später geplanten Ueberfall der Hazienda sofort auszuführen. Man denke sich meine Lage! Ich wußte, was geschehen sollte, und konnte die Landsleute nicht warnen! Der Herkules wartete auf Nachricht von mir, und ich konnte sie ihm nicht geben! Wäre es möglich gewesen, so hätte ich, obgleich ich mich inmitten der Feinde befand, die Riemen zerrissen, um zu versuchen, mich mit den Fäusten durchzuschlagen; aber die Riemen waren unzerreißbar und schnitten schon ins Fleisch, ohne daß ich versuchte, sie zu zersprengen. Das aber nahm ich mir vor: mein Leben nicht zu schonen, falls es unterwegs auch nur eine Spur von Gelegenheit geben sollte, den Yumas zu entwischen.



Diese Hoffnung wurde mir nun freilich vollständig zu schanden gemacht. Als Weller senior fort war, brachen die Indianer ihr Lager ab, um das Thal in der Richtung nach der Hazienda zu verlassen. Ich wurde auf ein Pferd gebunden, und zwar so, daß es geradezu eines Wunders bedurft hätte, nur einen einzigen Finger frei zu bekommen. Dazu, mußte ich zwischen zwei Roten reiten, an deren Pferden das meinige rechts und links gebunden war. Es war einige Minuten lang meine Hoffnung gewesen, mein Pferd so antreiben zu können, daß es mich trotz meiner Fesseln aus der Mitte der Indianer tragen mußte; nun aber mußte ich auch diesen Gedanken als unausführbar aufgeben.

 



Eine Rettung, eine einzige, gab es noch für die Hazienda, aber auch nur für den Fall, daß man mich soweit mit in die Nähe derselben nahm, daß ich rufen, daß ich durch Schreie warnen konnte. Und ich nahm mir vor, dies ohne Rücksicht auf mein Leben zu thun. Aber, hatte der Häuptling meinen Gedanken erraten, oder war es nur eine Vorsichtsmaßregel, als wir noch ungefähr eine Viertelstunde zu reiten hatten, mußten fünf Mann mit mir zurückbleiben, während die andern den Marsch fortsetzten. Wir befanden uns noch nicht im Walde, sondern noch vor demselben auf freiem Felde. Wären wir unter Bäumen gewesen, so hätte es eher eine Möglichkeit gegeben, daß es mir gelingen könne, trotz der Riemen unter denselben zu verschwinden; hier aber konnte vom Verschwinden keine Rede sein. Dennoch übten die fünf Menschen ihr Wächterwerk auf eine wahrhaft raffinierte Weise aus, indem sie Pflöcke in die Erde schlugen und mich kreuzweise an dieselben banden. Die Packpferde waren bei uns zurückgeblieben und wurden von ihren Lasten befreit, um grasen zu können.



Gesprochen wurde nicht; destomehr zermarterte ich mir das Hirn, um doch noch einen Rettungsweg zu ent- entdecken – vergeblich! Die Zeit verging; die Dunkelheit begann zu weichen; der Tag graute schon. Da hörte ich ein fernes Klingen; soweit es von mir war, ich kannte es doch; es war das Angriffsgeheul der Indianer. Hätte ich jetzt fortgekonnt, es wäre doch zu spät gewesen; ich hätte nicht ein einziges Menschenleben retten können.



Die Gefühle, welche sich meiner bemächtigten, lassen sich nicht beschreiben. Ich geriet in einen solchen Zustand der Wut, daß ich alle meine Selbstbeherrschung zusammennehmen mußte, scheinbar ruhig bleiben zu können. Meine Wächter lachten sich mit teuflischem Grinsen an; ich hätte sie erwürgen können, trotzdem ich sonst nicht gern eines Menschen Gegner bin. Ich lauschte ebenso angestrengt wie sie. Das Geheul wiederholte sich. Es war kein Wut-, sondern ein Siegesgeheul. Die Roten hatten keinen Widerstand gefunden; der Ueberfall war gelungen.



Wir warteten eine Stunde und noch eine, ohne daß ein Bote kam. Es wollte wohl keiner von der Hazienda fort, weil es jetzt jedenfalls ans Plündern ging. Endlich, nach drei vollen Stunden, kam ein Yuma gejagt. Er meldete voller Freude, daß alles aufs beste gelungen sei und daß die fünf mit mir nachkommen sollten. Die Packpferde wurden beladen, und wir ritten weiter. Im Walde kamen wir an dem jungen Weller vorüber, welcher hier zurückgeblieben war, um auf der Hazienda nicht gesehen zu werden und doch so nahe zu sein, daß er alles hören könnte. Er hatte sein Pferd angebunden, lag im Grase, sprang aber auf, als er uns kommen sah, und rief mir zu:



»Was sagt Ihr jetzt, Master? Wenn Ihr jetzt Himmel und Erde in Bewegung setzen könntet, es wäre doch nichts mehr zu ändern. Die Hazienda ist unser, und Ihr geht Eurer letzten Stunde entgegen.«



Ich hatte ihm kein Wort antworten wollen, konnte mich aber jetzt nicht halten und rief ihm im Vorüberreiten zornig zu:



»Oder du der deinigen, Schurke, der du bist. Sobald ich frei bin, hole ich dich mir; darauf kannst du dich verlassen!«



»Thue es, thue es!« lachte er hinter mir her, »Es ist nicht nur eine Ehre, sondern muß eine wahre Wonne sein, von Old Shatterhand niedergeschossen zu werden. Also komme sobald wie möglich! Ich werde mit Sehnsucht auf dich warten.«



Der Mensch hatte leichtes Lachen; mir aber war es trotz der hilflosen Lage, in welcher ich mich befand, genau so, als ob ich ihn schon vor der Mündung meines Gewehres hätte und den kurzen, scharfen Knall desselben hörte.



Jetzt senkte sich der Wald zu den schon mehrfach erwähnten Bachwiesen nieder, auf denen wir die Herden des Haziendero hatten weiden sehen. Die Herden waren da; aber es standen jetzt rote Hüter bei ihnen; die weißen lagen ermordet im Grase; es war keiner von ihnen mit dem Leben davongekommen. Warum man sie nicht geschont und doch allen Auswanderern das Leben geschenkt hatte, wurde mir erst später klar.



Wir hielten einen Büchsenschuß von der Hazienda an. Dort lagen die Deutschen, um welche ich solche Angst ausgestanden hatte, gefesselt an der Erde, bei ihnen der Haziendero, welcher, als er mich erkannte, mir zurief:



»Sie, Sennor? Wie kommen Sie nach hier zurück?«



»Um Sie zu retten, bin aber dabei leider selbst in die Hände der Mörder geraten. Sehen Sie denn nun ein, daß ich recht hatte?«



»Recht hatten Sie, aber doch nicht ganz. Das mit dem Ueberfall war richtig; aber Sennor Melton ist unschuldig, wie Sie sich überzeugen können.«



Er winkte mit dem Kopfe seitwärts. Dort lagen Melton und Weller senior, an Händen und Füßen gefesselt, auch an der Erde. Das war natürlich nur ein Gaukelspiel, welches den Zweck hatte, zu beweisen, daß die beiden keinen Anteil an dem Werke der Indianer hätten. Ich wollte das dem Haziendero sagen, wurde aber von meinen Wächtern mit dem Pferde fortgezerrt und dann in solcher Entfernung wieder an den Boden gepflockt, daß ich nicht mehr mit Timoteo Pruchillo reden konnte.



Die vor mir sich entwickelnde Scene war eine wildbelebte. Das Thor der Hazienda stand weit offen; die Indianer strömten aus und ein, um alles, was nicht niet- und nagelfest war, herauszuschaffen. Dabei heulten sie vor Entzücken einander wie die Tiger an. Was sie geschleppt brachten, wurde nicht unmittelbar vor dem Thore oder vor der Mauer niedergelegt, sondern eine Strecke weit fortgetragen, was mir Grund zu einer Befürchtung gab, welche später leider auch in Erfüllung ging. Die Hazienda sollte nämlich eingeäschert werden, und der Raub wurde, damit die Funken ihn nicht erreichen könnten, weit fortgeschafft.



Aber warum das Haus niederbrennen? Welchen besonderen Zweck verfolgte der Mormone, der doch der Anstifter des Ganzen war, dabei? Auch das sollte mir erst später klar werden. Es war eine geradezu diabolische Berechnung, welche er dabei hatte.



Ferner fiel mir auf, daß sich nur der Haziendero mit seiner Frau bei den Gefangenen befand; ich sah keine von den Personen, welche ich während meines allerdings nur kurzen Aufenthaltes auf der Hazienda bemerkt hatte, auch »Sennor Adolfo«, den aufgedunsenen Majordomo, nicht. Sie waren ermordet worden, alle, ohne Ausnahme, und zwar aus demselben Grunde, den ich jetzt noch nicht kannte.



Das Plündern währte fast bis an die Mittagszeit; dann wurden die Herden zusammengetrieben. Man vereinigte sie nordwärts der Hazienda auf einem weiten, freien Plane, wo sie von einer Anzahl von Indianern zusammengehalten wurden. Als dies geschehen war, brachte man die Leichen der ermordeten Hirten geschleppt. Sie wurden in das Haus getragen, um mit verbrannt zu werden. Bald stiegen dicke Rauchwolken, erst aus dem Hauptgebäude und dann auch aus den kleinen Hofhäusern, auf. Ich hörte den Haziendero vor Schreck schreien; seine Frau stimmte mit lautem Jammer ein.



Aber es sollte für ihn noch schlimmer kommen. Dreißig oder vierzig Yumas bestiegen ihre Pferde und ritten nach verschiedenen Richtungen auseinander. Wozu, das fragte ich mich zwar, fand aber keine Antwort. Nach Zeit von einer halben Stunde sah ich auf der östlichen Höhe Rauch aufsteigen; dann bemerkte ich im Süden dunkeln Qualm, bald darauf auch im Norden; nach Westen, wo jedenfalls dasselbe geschah, konnte ich nicht sehen, weil ich mit dem Kopfe nach dieser Richtung angefesselt war. Kein Zweifel, die Roten hatten den Wald in Brand gesteckt! Das vertrocknete Gras- und Riedwerk gab den Zunder, über welchen das Feuer mit fressender Schnelligkeit glitt, um sich an den dürren Aesten festzubeißen und dann auch die grünen Gipfel anzupacken. Der Haziendero bat, jammerte und fluchte abwechselnd; es half ihm nichts. Die vierzig Roten schürten fort und fort, um das Feuer nicht im saftreichen Grün ersticken zu lassen, und kamen erst dann wieder, als die Flammen eine solche Mächtigkeit entwickelt hatten, daß Menschenhände ihnen keinen Einhalt zu gebieten vermochten und es sicher war, daß die immer stärker werdende Hitze auch das grüne Holz so rasch ansengen werd