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Satan und Ischariot I

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Ich gab mir den Anschein, als ob ich seiner Versicherung Glauben schenkte, und antwortete:

»Hm! Es ist allerdings ein Leichtsinn, sich an einem Unternehmen zu beteiligen, ohne genau zu wissen, auf welche Weise dasselbe zu stande kommen soll. Es wird mir schwer, Euch eine solche Unvorsichtigkeit zuzutrauen.«

»Traut sie mir in Gottes Namen zu, Master! Ich schwöre, daß ich nur gewußt habe, daß die Deutschen im Bergwerke arbeiten sollen, daß man sie aber für immer in demselben vergraben will, davon habe ich keine Ahnung gehabt.«

»Aber als Ihr es erfuhrt, seid Ihr natürlich einverstanden gewesen?«

»Nein. Ich habe mich mit aller Gewalt dagegen gesträubt, konnte es aber leider nicht ändern. Aber ich nahm mir fest vor, ihnen später, soviel in meiner Macht stand, ihre Lage zu erleichtern.«

»So! Nun, wenn das der Fall ist, so seid Ihr allerdings nicht der schlechte Mensch, für den ich Euch gehalten habe. Habt Ihr denn eine Ahnung, was es heißt, fürs ganze Leben in einem Schachte eingesperrt zu sein?«

»Natürlich kann ich mir das denken.«

»In einem Quecksilberwerke nämlich! Dies fürchterliche Gift übt eine entsetzliche Wirkung auf den Körper aus. Wie hätten meine armen Landsleute nach einigen Jahren ausgesehen, wenn sie nicht indessen gestorben wären! Und was für einen Tod hätten sie gehabt!«

»Schiebt das nicht auf mich, Master! Der teuflische Plan ist in dem Gehirn Meltons entstanden.«

»Ihr sagt ganz richtig: teuflisch ist der Plan. Die Urheber werden aber auch eine Strafe erleiden, welche ihrem Verbrechen angemessen ist. Ich werde sie den Mimbrenjo-Indianern übergeben und sie am Marterpfahle hinrichten lassen. Die Schurken werden tagelang sterben. Darauf könnt Ihr Euch verlassen!«

»Sie haben es verdient; ich aber sage mich von ihnen los!«

»Das ist zu spät. Der Anteil, welchen Ihr an dem Werke habt, kann nicht ungeschehen gemacht werden.«

»Er kann es, Master, er kann es, wenn Ihr nur wollt, indem ich mich auf Eure Seite stelle, indem ich Euer Verbündeter werde.«

»Ich danke für einen solchen Verbündeten!«

»Wirklich? Meint Ihr, daß ich Euch nicht von Nutzen sein kann?«

»Ich möchte wissen, in welcher Weise Ihr mir förderlich werden könntet! Die Verhältnisse liegen so, daß ich keiner Hilfe bedarf. Mein Plan ist einfach und dabei leicht auszuführen. Wir reiten nach Almaden, schießen die Yumas zusammen, nehmen die weißen Halunken gefangen und veranstalten den mit uns verbündeten Mimbrenjos ein Schauspiel mit Marterpfählen. Da Ihr so viel von mir gehört haben wollt, werdet Ihr mir wohl zutrauen, daß ich dies ohne Eure Hilfe fertig bringe.«

»Ich gebe freilich zu, daß Ihr der Mann dazu seid, auch ohne mich ans Ziel zu kommen; aber Ihr werdet dabei auf Schwierigkeiten stoßen, welche ich, falls Ihr Euch meiner Hilfe bedienen wolltet, leicht beseitigen könnte.«

»Was für Schwierigkeiten könnten das wohl sein?«

»Kennt Ihr denn den Weg hinauf nach Almaden?«

»Ich brauche ihn nicht zu kennen. Der Haziendero ist ja bei uns.«

»Kennt Ihr die Stellen, wo die drei Yumaposten liegen, die Ihr noch aufzuheben habt?«

»Wir werden sie finden.«

»Ja, ein Pfadfinder, wie Ihr seid, wird sie finden, aber nach langem Suchen. Dabei geht die kostbare Zeit verloren. Ebenso müßt Ihr in Betracht ziehen, daß Euch kein Mann entkommen darf, denn wenn es einem gelänge, Euch zu entgehen, so würde er Euch voran nach Almaden eilen und Eure Ankunft melden. Ob das weitere dann so glatt für Euch verlaufen würde, das bezweifle ich sehr. Und dann wollt Ihr, ehe es zum Kampfe kommt, Euch Meltons und der zwei Weller versichern. Ihr scheint das für sehr leicht zu halten.«

»Allerdings. Ich will gar nicht von meinen früheren Erlebnissen und Erfahrungen reden; es muß schon das, was in den letzten Tagen geschehen ist, Euch sagen, daß wir es ohne große Mühe und Gefahr durchsetzen werden.«

»Es wird Euch allerdings keine Gefahr bringen, da Ihr Meister in solchen Dingen und zumal im Anschleichen seid. Ich selbst bin ja auch in dieser Weise von Euch überrumpelt worden. Desto mehr Mühe aber wird es Euch machen, diese drei Männer zu erwischen, da Ihr nicht wißt, wo sie wohnen, wo sie sich verborgen halten.«

»Das werden wir wohl zu entdecken vermögen.«

»Vielleicht, aber wohl nur dann, wenn es zu spät ist und diejenigen, welche Ihr fangen wollt, Wind von Euch bekommen haben.«

»Ihr redet in Rätseln, Master Player. Erst sprecht Ihr vom Wohnen und dann vom Verbergen. Wie hängt das wohl zusammen? Ein Versteck ist doch keine Wohnung!«

»Gewöhnlich nicht, hier aber doch. Die drei haben den Verhältnissen nach eine ganz bequeme Wohnung; dieselbe liegt aber so versteckt, daß selbst Euer bekannter Spürsinn nicht ausreicht, sie zu entdecken.«

»Es wird Spuren geben, nach denen wir uns richten können.«

»Nein, denn die Gegend ist ganz ausnahmslos so felsig, daß es keinen Fußstapfen geben kann.«

»So legen wir uns auf die Lauer. Melton wird seine Wohnung, welche Ihr ein Versteck nennt, doch zuweilen verlassen, so daß wir ihn zu sehen bekommen.«

»Das thut er allerdings, aber nur des Nachts, weil er gewarnt worden ist. Meine Botschaft, daß ich Winnetou an der Hazienda gesehen habe, ist von Posten zu Posten weiter getragen worden und so zu ihm gekommen. Es lag zwar gar kein Grund vor, anzunehmen, daß er von unserem Unternehmen mehr wisse, als ich Euch in der Uebereilung gesagt hatte; aber das war doch genug, um anzunehmen, daß er Verdacht geschöpft habe und weiter nachforschen werde. Als ich da unten mit Euch sprach, ahnte ich nicht, daß Ihr Old Shatterhand wäret, doch wußten wir, daß Winnetou von Old Shatterhand unzertrennlich ist und sehr wahrscheinlich versuchen werde, Euch zu befreien. Gelang ihm dies, so war anzunehmen, daß Ihr sofort nach Almaden aufbrechen würdet. Melton und die Weller werden sich also auf alle Fälle so verhalten, wie die Vorsicht ihnen gebietet. Sie gehen des Nachts aus. Bei dem Wege in das Bergwerk, den sie zu machen haben, ist es ganz gleich, ob sie ihn des Nachts oder am Tage thun.«

»So! Ihr kennt also den Ort, wo sie wohnen?«

»Ja.«

»Meint Ihr nicht, daß ich Euch zwingen kann, ihn mir zu entdecken? Ich stelle Euch die Wahl zwischen dieser Mitteilung und dem Tode!«

»Das nützt Euch nichts. Habt Ihr einmal die Absicht, mich in gleicher Weise wie Melton zu behandeln, so ist mir der Tod ohnedies gewiß. Ich werde nur dann sprechen, wenn ich auf Schonung rechnen kann.«

Ich war überzeugt, daß seine Festigkeit keine bedeutende sei und ich, um ihm das Geheimnis zu entlocken, nur seine Hände zu drücken brauchte; aber die immerwährende Wiederholung desselben Einschüchterungsmittels widerstrebte mir, und ich wollte ja mehr von ihm erfahren, als die Wohnung Meltons allein. Darum hielt ich es für das beste, mich ihm geneigt zu zeigen, und sagte:

»Nun, angenommen, daß wir Euch das Leben schenken, auf wessen Gewissen fällt dann die Verantwortung von allem, was Ihr später thun werdet? Auf das unserige. Wenn Ihr sterbt, so könnt Ihr nichts Böses mehr thun.«

»Seid überzeugt, daß ich bessere Wege einschlagen werde, wenn Ihr mich leben laßt! Ich war, wie schon gesagt, nicht böse, sondern nur leichtsinnig und würde es Euch Zeit meines Lebens danken, wenn Ihr einmal Gnade für Recht ergehen lassen wolltet. Macht wenigstens den Versuch!«

»Hm! Ein Versuch ist noch nicht die vollendete That; man kann dann immer noch thun, was man will. So könnte ich denn allerdings einmal versuchen, ob mit Euch auf ehrlichem Wege auszukommen ist.«

»Thut das, thut das, Master! Ich gebe Euch mein Wort, daß der Versuch gelingen wird.«

»So sagt mir zunächst einmal, wie Ihr Euch diesen Versuch wohl denkt!«

»Bindet mich zunächst los, und dann werde ich – —«

»Halt!« unterbrach ich ihn. »Vom Losbinden kann keine Rede sein. Ihr bleibt unter allen Umständen zunächst noch Gefangener.«

»Aber wie kann ich Euch behilflich sein, wenn ich mich nicht bewegen kann!«

»Jetzt ist Eure einzige Bewegung das Reiten, und das könnt Ihr, wie Ihr bewiesen habt, auch in Fesseln.

Sollten die Dienste, welche Ihr uns anbietet, eine Bewegung, in welcher Euch die Fesseln hindern würden, notwendig machen, so werden wir Euch dieselben abnehmen. Das höchste, was ihr außer dem Reiten jetzt zu thun vermögt, ist, uns den Weg anzugeben, den wir reiten müssen.«

»Das werde ich,« brummte er, mißmutig darüber, daß ich ihm gleich seinen ersten Wunsch abgeschlagen hatte.

»Und zwar richtig anzugeben,« fügte ich mit Nachdruck hinzu. »Wollet Ihr uns irre leiten, vielleicht um Zeit zu gewinnen, so würden wir es sofort bemerken und Euch die Riemen straffer anziehen. Wann werden wir den nächsten Yumaposten erreichen?«

»Noch vor Abend.«

»Wie ist die Oertlichkeit beschaffen, in welcher er liegt?«

»Er befindet sich an einem Waldesrande. Vorher müssen wir über eine freie Ebene.«

»So kann der Posten diese Ebene überblicken?«

»Ja. Wenn ihr ihn überraschen wollt, müßt ihr dieselbe also vermeiden.«

»Das kommt auf ihre Länge oder Breite an. Sobald wir sie erreichen, werdet Ihr uns darauf aufmerksam machen. Sagt mir zunächst doch einmal, warum Ihr auf der Hazienda geblieben und nicht mit nach Almaden geritten seid?«

»Ich hatte den Auftrag, dort die Retorten zu erwarten, welche aus Ures kommen werden.«

»Dieselben sollten dann über die Postenkette nach Almaden transportiert werden?«

»Ja.«

»Wenn Ihr Retorten braucht, so vermute ich, daß in Almaden das Quecksilber in Form von Schwefelquecksilber, also als Zinnober gefunden wird?«

»So ist es; es kommt jedoch stellenweise auch gediegen vor.«

»Der Zinnober soll in den Retorten also in Schwefel und Quecksilber zerlegt werden. Durch welche Zuschläge soll das geschehen? Eisenhammerschlag ist nicht zu haben; ich vermute folglich Kalk?«

 

»Ja, es soll Kalk verwendet werden.«

»Giebt es welchen da oben?«

»Massenhaft. Die Berge und Felsen bestehen meist nur aus Kalk, in welchem es zahlreiche Höhlen giebt.«

Bei dem Worte Höhlen kam mir ein Gedanke. Es war für uns äußerst beschwerlich und hinderlich, die Gefangenen im Freien zu bewachen. War es möglich, sie oben in einer Höhle unterzubringen, so bedurften wir viel weniger Leute, die vielen Roten unter Aufsicht zu halten. Darum erkundigte ich mich:

»Kennt Ihr vielleicht eine Höhle, welche in der Nähe des Schachtes liegt?«

»Ja.«

»Ist sie groß?«

»Sie kann wohl an die hundert Menschen fassen.«

»Wieviel Eingänge hat sie?«

»Nur einen. Sie hat aber keine Hinterwand und scheint tief in den Kalkfelsen zu gehen, man kann aber nicht weiter, weil man an einen Abgrund kommt, dessen Breite man nicht zu ermessen vermag.«

»Ist er tief?«

»So tief, daß man einen Stein, den man hinabwirft, nicht unten auftreffen hört. Rechts giebt es eine kleine Nebenhöhle, welche voller Wasser steht. Ich habe es versucht; es ist trinkbar und sehr kühl.«

»Natürlich wissen Eure Freunde auch von dieser Höhle?«

»Kein Wort! Ich habe ihnen nichts gesagt, denn ich hatte – —«

Er hielt inne. Er schien jetzt mehr gesagt zu haben, als er eigentlich wollte.

»Weiter! Denn ich hatte – – —?«

»Ich hatte meine Gründe dazu,« vervollständigte er sich. »Ich brauchte einen solchen Ort für mich allein.«

»Wozu?«

Er gab nicht sofort Antwort. Da er nachsann, vermutete ich, daß er die Wahrheit nicht sagen wollte und auf eine Ausrede dachte. Dann erklärte er:

»Mein Grund wird Euch beweisen, daß ich wirklich kein schlechter Mensch bin. Ich dachte an die deutschen Arbeiter. Vielleicht konnte es mir gelingen, einen oder einige von ihnen zu befreien; ich brauchte ein Versteck, um sie zu verbergen, und da kam mir die Höhle als ungemein passend vor. Darum sagte ich nichts von ihr.«

»Das macht Eurem guten Herzen allerdings alle Ehre. Wann habt Ihr sie denn entdeckt?«

»Schon als ich vor einem Jahre zum erstenmal oben war.«

»Ihr wart von Melton geschickt worden, und habt ihm nach Eurer Rückkehr natürlich Bericht erstattet?«

»Ja.«

»Damals habt Ihr doch noch nichts von den deutschen Arbeitern gewußt?«

»Nein.«

»Und wollt ihm doch gerade wegen dieser die Höhle verheimlicht haben! Ihr seht, daß man mit Euern Versicherungen vorsichtig umzugehen hat. Ihr habt einen ganz andern Grund gehabt, von der Höhle zu schweigen; ich will aber nicht in Euch dringen, ihn mir zu sagen, da er mir sehr gleichgültig sein kann. Aber laßt dies den letzten Versuch sein, mir Schwarz für Weiß vorzumachen! Ich bin nicht der Mann, der so leicht zu täuschen ist, und würde das nächste Mal nicht so bereitwillig sein, wie jetzt, mich zufrieden zu geben.«

Den eigentlichen Grund für seine Geheimhaltung der Höhle glaubte ich erraten zu können. Er hatte wohl die Absicht gehabt, seine Compagnions zu bestehlen und das entwendete Quecksilber und Zinnober in der Höhle zu verbergen, bis sich Gelegenheit finden würde, es unbemerkt fortzuschaffen. Daß er sich sträubte, mir dies zu gestehen, war kein Beweis, daß er es unehrlich in Beziehung auf seine mir gemachten Versprechungen meinte. Darum fühlte er sich durch meine letzten Worte beunruhigt und entschloß sich, um mein Mißtrauen zu zerstreuen, mir einen Umstand mitzuteilen, den ich noch nicht kannte und welcher für mich höchst wertvoll war.

»Ich mache Euch weder Schwarz für Weiß noch Weiß für Schwarz vor,« sagte er. »Ich gebe zu, daß Ihr Ursache habt, mir zu mißtrauen; aber es kann Euch doch nichts nützen, Dinge zu erfahren, welche mit Euern Absichten in keinem Zusammenhange stehen.«

»Das weiß ich wohl, und darum habe ich nicht in Euch gedrungen, mir wegen der Höhle die Wahrheit zu sagen. Ich meine nur, daß Ihr Euch hüten sollt, mich in Dingen, die mich angehen, täuschen zu wollen. Ihr wißt, daß von Euerm Verhalten Euer Leben abhängt.«

»Es fällt mir nicht ein, Euch zu täuschen. Mein Leben ist mir lieb; ich will es mir erhalten und werde Euch darum ehrlich dienen. Dafür will ich Euch den vollgültigen Beweis geben, indem ich Euch etwas verrate, was Euch jedenfalls freudig überraschen wird.«

»Was?«

»Da oben in Almaden giebt es weder Gras noch Baum, und so muß alles, was man zur Nahrung braucht, weit hergeschafft werden. Wie Melton überhaupt für alles schon vorher gesorgt hat, ehe die Hazienda ihm gehörte, so hat er auch Proviant gekauft, welcher in fünf Maultierwagen von Ures nach Almaden gegangen ist.«

»Das zu hören, ist mir allerdings sehr wichtig. Wer führt den Transport? Denn ich nehme an, daß die Fuhrleute den Weg nach Almaden nicht kennen.«

»Melton hat ihnen einige Indianer entgegengeschickt.«

»Habt Ihr die Leute mit ihren Wagen und Maultieren gesehen?«

»Nein, denn sie haben einen Weg eingeschlagen, auf welchem sie nicht auf mich treffen konnten. Der Weg, welcher über die Hazienda führt und den auch Ihr bis jetzt benutzt habt, ist für Fuhrwerk stellenweise nicht passierbar; darum mußten diese Wagen einen andern einschlagen, welcher weiter südlich liegt und länger ist, dann aber mit dem unserigen zusammentrifft.«

»Kennt Ihr die Gegend, wo beide Wege sich vereinigen?«

»Sehr gut, da ich es bin, der den andern, den bequemeren Weg ausfindig machen mußte. Wir werden übermorgen an diese Stelle kommen.«

»Meint Ihr, daß die Wagen dann schon vorüber sein werden?«

»Ich bezweifle es. Wenn ich genau nachrechne und ihnen kein Unfall widerfahren ist, halte ich es für wahrscheinlich, daß sie die Stelle schon morgen abend erreichen werden.«

»So hätten wir sie dann vor uns und könnten uns mit Proviant versehen?«

»Nicht nur mit Proviant. Die Wagen enthalten auch noch viele andere Gegenstände, welche in Almaden gebraucht werden.«

»Wenn sich das bewahrheitet, so will ich zugeben, daß Ihr mir mit der Mitteilung einen dankenswerten Dienst erwiesen habt, obgleich wir auch ohne dieselbe auf die Wagen getroffen wären. Aber aus Euern Worten entnehme ich noch etwas, was für uns ebenso wichtig, wenn auch bedeutend unangenehmer ist. In der Gegend von Almaden wächst kein Baum, kein Gras. Wie weit erstreckt sich die Unfruchtbarkeit?«

»Beinahe eine Tagereise weit nach allen Seiten.«

»Aber wo Wasser ist, da wächst doch wenigstens Gras, und Ihr spracht vorhin von Wasser!«

»Das befand sich in der Höhle. Wasser giebt es freilich in Almaden, aber nur unterirdisch. Das Oberirdische ist eine steinharte, dürre Kalkfelseneinöde.«

»Und doch sind dreihundert Indianer oben! Haben die denn keine Pferde?«

»Sie haben sie nicht mitgenommen. Sie mußten die Pferde unter der Aufsicht einiger Wächter zurücklassen.«

»So werden auch wir dazu gezwungen sein, und das ist unangenehm. Habt Ihr vielleicht eine Ahnung, wo die Pferde der Yumas sich befinden?«

»Es ist nicht direkt darüber gesprochen worden, aber da ich es bin, der die ganze Gegend ausgekundschaftet hat, so kann ich mir denken, wo man sie zu suchen hat. Die Yumas sind von Norden gekommen und haben die Tiere also nordwärts von Almaden zurücklassen müssen, und zwar haben sie das jedenfalls hart an der Linie gethan, auf welcher das fruchtbare und unfruchtbare Land zusammenstößt. Es giebt dort nur eine einzige Stelle, an welcher man dreihundert Pferde auf längere Zeit mit wenig

Wächtern zusammenhalten kann, und diese Stelle kenne ich genau. Wir stoßen natürlich nicht auf sie, da wir von Westen kommen und, an der Kalkeinöde angelangt, eine Tagesreise von ihr entfernt sein werden. Habt Ihr vielleicht die Absicht, die Pferde wegzunehmen? In diesem Falle werdet Ihr mich bereit finden, Euch zu ihnen zu führen, und das muß Euch wieder ein Beweis dafür sein, daß ich es wirklich ehrlich mit Euch meine.«

»Werde es mir überlegen,« antwortete ich kurz, indem ich damit die lange Unterhaltung abbrach. Ich hatte zwar noch mancherlei zu fragen, konnte das aber auch später und gelegentlich thun, da ich ihn nicht vermuten lassen wollte, wie wenig ich eigentlich über die Verhältnisse unterrichtet war, welche ich doch genau kennen mußte, um unsere Absichten zu erreichen.

Ehe ich mich von ihm trennte, um wieder auf die Seite Winnetous zu kommen, lockerte ich die Riemen ein wenig, welche seine Hände zusammenhielten. Es sollte das, ohne daß ich etwas dazu sagte, für ihn ein Zeichen sein, daß die moralische Umkehr, welche er mir versprochen hatte, auf mich einen guten und für ihn einen nützlichen Eindruck gemacht hatte.

Ueber den heutigen Ritt glaube ich, hinweggehen zu können, da er nichts Erwähnenswertes brachte. Um die Mitte des Nachmittags hatten wir eine steile Bergeslehne erklommen und langten auf einer Hochebene an, welche im Norden und Süden von Höhen eingeschlossen war; ihr östliches Ende konnten wir nicht sehen. Da ließ der Player mich zu sich kommen und teilte mir mit:

»Das ist die Ebene, jenseits welcher der Posten am Waldesrande liegt.«

»Wie lange reitet man dorthin?«

»So wie wir reiten, werden es fast zwei Stunden sein.«

»Liegt der Posten in gerader Richtung von hier?«

»Ja.«

»So will ich Euch Gelegenheit geben, mir noch augenfälliger als bisher zu beweisen, daß ich mich auf Euch verlassen kann.«

»Thut das, Master! Was verlangt Ihr von mir?«

»Ich werde voranreiten, um die Indianer dingfest zu machen, und Ihr sollt mich an den Ort begleiten, an welchem ich sie zu suchen habe.«

»Sehr gern! Aber sie werden Euch kommen sehen!«

»Wieso? Ah, Ihr denkt, ich reite geradeaus? Das fällt mir nicht ein, denn da würden sie mich allerdings bemerken. Wir machen einen Umweg, bis wir den Waldesrand erreichen, und schleichen uns dann an demselben bis zum Posten hin. Aber ich mache Euch darauf aufmerksam, daß der leiseste Versuch eines Verrates Euch sofort eine Kugel oder einen Messerstich einbringen würde!«

»Kommt mir nun doch nicht immerfort wieder mit Euern Drohungen! Ihr habt keinen Grund mehr dazu. Ich habe mir vorgenommen, mein Leben dadurch zu retten, daß ich Euch treu diene, und müßte ein Dummkopf sein, wenn es mir einfallen könnte, es durch Falschheit noch mehr in Gefahr zu bringen, als es vorher auf dem Spiele gestanden hat!«

Ich suchte mir zu dem Yumatöter und seinem Bruder noch sechs oder sieben Mimbrenjos aus, mit denen ich den Streich ausführen wollte. Nachdem ich Winnetou gebeten hatte, in dem bisherigen Schritte weiterreiten zu lassen, wendeten wir uns im Galoppe nach Süden ab. Konnten wir den beabsichtigten Umweg nicht auch nach Norden machen? Allerdings; aber dann hätten wir später beim Anschleichen, wobei wir die südliche Richtung einhalten mußten, die Sonne seitlich vor uns gehabt; so wie wir aber jetzt ritten, bekamen wir sie in den Rücken und konnten nicht geblendet werden. Es giebt eben bei solchen Erlebnissen so vieles zu bedenken und zu berücksichtigen, wovon ein Laie keine Ahnung hat.

Wir jagten also eine tüchtige Strecke über die Sehweite eines scharfen Auges südwärts und wendeten uns dann wieder gerade nach Osten. Nach einer Stunde erblickten wir in der Ferne den Wald und hielten auf denselben zu. Dabei fragte ich den Player:

»Sind wir denn von unserer eigentlichen Marschrichtung weit genug entfernt, sodaß die Yumas uns nicht sehen können?«

»Ja. Seht dort die dunkle Bergkuppe, welche hinter dem Walde aufsteigt! Sie dient mir als Marke. Ich weiß genau, wo wir uns befinden. Ihr habt vom Anschleichen gesprochen. Was thun wir während der Zeit mit den Pferden?«

»Die lassen wir an einer sichern Stelle zurück. Es fragt sich nur, wie lange wir noch im Sattel bleiben dürfen.«

»Wenn wir den Yumas so nahe gekommen sind, daß ich befürchten muß, zu Pferde gesehen zu werden, dann sage ich es Euch.«

Wir kamen bald an den Wald und ritten nun nordwärts. Dabei stießen wir auf die Fährte eines einzelnen Reiters, welche so frisch war, daß ich annehmen mußte, ihn ganz nahe vor uns zu haben. Und richtig, als wir um eine Biegung des Gebüsches kamen, sahen wir ihn reiten. Es war ein Indianer, welcher ein erlegtes Wild hinter sich aufgebunden hatte. Er ritt im langsamen Schritte, hielt aber dabei den Kopf in so eigentümlicher Weise zur Seite, daß ich annahm, er halte seine ganze Aufmerksamkeit nach rückwärts gerichtet. Der Mann mußte uns gesehen haben, stellte sich aber unbefangen, um abzuwarten, wie wir uns verhalten würden. An Feindseligkeit dachte er wohl schwerlich. Meine Indianer hielt er sehr wahrscheinlich für Yumas und uns zwei Weiße für Verbündete Meltons. Daß er nicht anhielt, um uns zu erwarten, hatte wohl keinen besondern Zweck, sondern lag einfach in der eigenen Art und Weise, in welcher die Roten zu handeln pflegen. Ich durfte ihn nicht weiterreiten lassen, mußte aber auch dafür sorgen, daß er nicht zu früh entdeckte, daß die vermeintlichen Yumas feindliche Mimbrenjos seien. Darum mußten meine Begleiter eine langsame Gangart annehmen, und ich jagte ihm allein in voller Carriere nach.

 

Da hielt er an, wendete sich um, griff nach seinem Bogen und legte einen Pfeil auf mich an. Ich parierte mein Pferd bei dieser Drohung nicht, sondern winkte nur abwehrend und rief dabei die beiden, ihm sehr wohlbekannten Namen Melton und »großer Mund« zu. Der erstere war nach unsern Begriffen sein jetziger Arbeitgeber und der letztere sein oberster Häuptling; er mußte mich für einen Freund oder wenigstens für einen guten Bekannten derselben halten und senkte Bogen und Pfeil. Ich begrüßte ihn indianisch, indem ich mein Pferd im vollen jagen drei Schritte vor ihm parierte und ihn dann fragte:

»Hat mein Bruder eine gute Jagd gemacht? Die vier Yumakrieger, zu denen er will, werden Hunger haben.«

»Die Jagd war ergiebig, wie mein weißer Bruder sieht,« antwortete er. »Wird er mir sagen, woher er kommt?«

»Von der Hazienda del Arroyo. Ich habe dich von dem »schnellen Fisch« zu grüßen, welcher mit seinen Kriegern an der Quelle des Felsens liegt. Ist der Posten, zu welchem du gehörst, vollzählig vorhanden?«

»Ja.«

»Und wie steht es droben in Almaden? Befinden sich deine dreihundert Brüder dort wohl?«

»Wir haben nicht gehört, daß etwas Unerwünschtes dort geschehen ist. Wenn mein weißer Bruder von der Hazienda kommt, so wird er wissen, daß sich ein Bleichgesicht, welches Player heißt, dort befindet und Winnetou, den Häuptling der Apatschen gesehen haben will. War der Apatsche wirklich dort?«

»Ja.«

»Er wird wieder fort sein, um Old Shatterhand zu befreien, den der »große Mund« gefangen hat?«

»Old Shatterhand hat sich ohne seine Hilfe befreit.«

»Uff! Und haben diese beiden Krieger sich getroffen?«

»Ja.«

»Uff, uff! So steht zu erwarten, daß sie zu uns kommen. Das muß sogleich nach Almaden gemeldet werden. Es muß einer von uns fortreiten!«

»Das ist nicht nötig, da ich die Botschaft selbst nach Almaden bringen werde.«

»Das ist gut; aber wird mein weißer Bruder so schnell reiten, wie es nötig ist, wenn die Kunde von – – —«

Er hielt plötzlich inne und die weit offenen Augen auf meine Gefährten gerichtet, welche nun soweit herangekommen waren, daß er ihre Gesichter erkennen konnte. Dann fuhr er, mißtrauisch mit der Hand nach seinem Messer fahrend, fort-

»Was sehe ich! Ich habe mit gegen die Mimbrenjos gekämpft und dabei den »starken Büffel« und seine Söhne gesehen. Wenn ich nicht blind bin, so sind diese es, welche sich bei meinem weißen Bruder befinden. Was soll ich davon denken?«

»Denke, daß du verloren bist, wenn du nur einen

Schritt von dieser Stelle weichst!« antwortete ich, indem ich mit einem schnellen Griffe meinen Stutzen vornahm und auf ihn anlegte. »Ich bin Old Shatterhand und verbiete dir, dich zu bewegen!«

Ich sah trotz der dunklen Farbe seines Gesichtes, daß er erbleichte. Er ließ vor Schreck die Zügel fallen und zog die Hand vom Messer zurück, indem er stammelte:

»Old Shat – ter – hand! Und – das – ist – das – – Zau – – bergewehr!«

Er sah die auffällige und eigenartige Konstruktion des Schlosses an meinem Stutzen, über welchen unter den Indianern so viele Sagen verbreitet waren, und glaubte infolgedessen sofort meinen Worten.

»Ja, das ist meine Zauberflinte, aus deren Lauf du sofort zehn Kugeln in den Kopf und Leib bekommen wirst, wenn du nicht ganz genau das thust, was ich dir befehle!«

Ohne in seiner Verwirrung auf diese Drohung zu antworten, fragte er wie abwesend:

»Old Shatterhand ist da, Old Shatterhand! Wo ist da Winnetou?«

»Er wird auch gleich kommen und bringt die Krieger der Mimbrenjos mit. Steig vom Pferde!«

Meine Begleiter waren indessen herangekommen und umringten ihn. Man sah ihm an, daß er noch immer nicht ganz wieder bei sich war. Er stieg wie im Traume vom Pferde und sah schweigend zu, daß man einige an seinem Sattel befestigte Reserveriemen losmachte und ihn mit denselben band. Hierauf machte mir der Player die Bemerkung, daß wir nun dem Posten nahe genug gekommen und also zur Vorsicht angehalten seien. Es wurde also abgestiegen; zwei Mimbrenjos bekamen die Pferde und den Yuma zur Bewachung, und wir andern setzten unsern Weg zu Fuße fort.

Natürlich hielten wir uns dabei nicht im Freien, sondern unter den Bäumen. Als wir ungefähr zehn Minuten gegangen waren, sagte der Player:

»Nun nur noch ein kurze Strecke, Master, so kommen wir an einen kleinen Teich, an welchem die Yumas liegen müssen.«

»Gut! Ich will Euch zeigen, daß ich Euch Vertrauen schenke. Eigentlich müßte ich Euch hier zurücklassen, da Ihr auf den Gedanken kommen könntet, uns das Spiel zu verderben; aber ich will Euch mitnehmen, sage Euch jedoch: Gelingt es uns nicht, den Posten aufzuheben und Ihr seid schuld daran, so ist‘s mit Euch zu Ende!«

»Keine Sorge! Es fällt mir gar nicht ein, so mit offenen Augen in mein Verderben zu rennen.«

Wir schlichen nun langsam und höchst vorsichtig weiter. Dabei gab ich dem Yumatöter einen nur von ihm bemerkten Wink, den Player ja nicht aus dem Auge zu lassen, denn dieser konnte, während wir uns auf die Yumas warfen, versuchen, uns zu echappieren. Dann sahen wir zwischen den Bäumen vor uns den Spiegel des Teiches glänzen. Vier Rote lagen faullenzend an demselben. Ihre Pferde hatten sich zerstreut, denn wir bemerkten von unserm Standorte aus nur zwei derselben.

Von Baum zu Baum huschend, näherten wir uns noch mehr und fielen dann über die vor Schreck sich gar nicht Wehrenden her. Der Player stand mit gebundenen Händen dabei und machte ein Gesicht, als ob er sich über den so gelungenen Ueberfall seiner bisherigen Verbündeten herzlich freue.

Als wir fertig waren, ging einer der Mimbrenjos fort, um seine zwei Kameraden mit den Pferden und dem fünften Yuma herbeizuholen, und da sahen wir auch schon unsern Zug von Westen her über die offene Ebene kommen.

Er hielt an dem Teiche an, da wir die Nacht hier zubringen wollten.

Am nächsten Morgen ging es weiter. Der Player machte den Führer und war ehrlich gegen uns. Gegen Abend führte er uns zu dem nächsten Posten, welcher in ähnlicher Weise wie die vorigen überrumpelt wurde. Wir hatten nun nur noch einen vor uns und also noch zwei Tageritte nach Almaden.

Am darauffolgenden Morgen kamen wir durch ein breites, nach Osten streichendes Thal, in welches ein aus Süden kommendes mündete. An der Stelle, wo beide sich vereinten, war das Gras auf eine weite Strecke zerstampft oder abgefressen, und wir sahen Wagenspuren und zwei schwarzgebrannte Feuerstätten.

»Habe ich es Euch nicht gesagt?« meinte der Player. »Das sind die Proviantwagen gewesen, und meine Rechnung war also ganz richtig. Sie haben gestern abend hier gehalten. Hier ist die Stelle, an welcher die beiden Wege zusammenstoßen.«

Ich zählte die Geleise und fand, daß wir wirklich fünf Wagen vor uns hatten. Aus wieviel Mann die Yumaeskorte bestand, konnten wir nicht sehen, da die zahlreichen Stapfen nicht auseinanderzulesen waren.

Jetzt brauchten wir nur den Geleisen zu folgen. Sie waren dem weichen Boden deutlich eingeprägt, und nun sahen wir auch, daß sich sechs Reiter dabei befanden.

»Melton hat also sechs Führer geschickt,« sagte ich zum Player; »eigentlich eine mir unerklärliche Berechnung. Sechs Führer sind entschieden nicht nötig, und als Eskorte, um die Wagen zu beschützen, sind sie zu wenig.«

»Das mag sein,« antwortete er. »Aber Rote sind es jedenfalls nur fünf.«

»Wer ist da der sechste?«

»Entweder der Kaufmann selbst, bei dem die Sachen in Ures gekauft worden sind, oder ein Vertreter desselben. Melton hat nämlich nur die Hälfte des Preises bezahlt und will die andere Hälfte erst nach glücklich erfolgter Ablieferung entrichten; also mußte jemand mitkommen, der das Geld in Empfang zu nehmen hat.«

»Die Frischheit der Geleise zeigt, daß wir die Wagen nicht weit vor uns haben. Es handelt sich nun darum, daß wir sie auf einem Terrain erreichen, wo wir die roten Begleiter festnehmen können, ohne daß einer entkommt. Wo giebt es eine solche Stelle?«