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Satan und Ischariot II

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Wenn ich alles, was ich erfahren hatte, summierte und überlegte, welche Vorteile ich daraus ziehen konnte, so brachte ich jetzt einen viel größeren Nutzen mit, als ich bei dem Ausgange beabsichtigt hatte. Die Kenntnis des Weges konnte ich mir später auch holen; heute brauchte ich sie noch nicht; aber was ich gehört hatte, mußte, falls ich es richtig verwertete, mir ungeahnten Nutzen bringen. Wir konnten dadurch zum Ziele gelangen, ohne auf noch mehr Mimbrenjos warten zu müssen, um die Yumas zu besiegen. ja, wenn ich länger darüber nachdachte, so erschien mir etwas als sehr möglich, was ich vorher für eine absolute Unmöglichkeit gehalten hätte, nämlich, daß es mir gelingen werde, allein und ohne die Hilfe Winnetous und unserer Begleitung unsern Zweck zu erreichen, und zwar ohne jeden Kampf, auf friedlichem Wege.

Was war diese Judith für ein Geschöpf! Wie gelassen hatte sie die Nachricht von dem Tode ihres früheren Bräutigams aufgenommen! Mit einem Fingerschnippsen hatte sie die Kunde beantwortet, daß er von den Geiern aufgefressen worden sei! Armer Herkules! Freilich wurde ich mit diesem Leichtsinne einigermaßen dadurch versöhnt, daß ich mich in Bezug auf ihren Vater in ihr geirrt hatte. Er war nicht so ganz gefühllos von ihr verlassen worden, sondern sie glaubte ihn in einer erträglichen Lage. Das Benehmen der »listigen Schlange« hatte mir eine ge- gewisse Achtung abgewonnen; er war ein Charakter und jedenfalls ein besserer Mensch, als sein Name vermuten ließ. Man konnte mit Zuversicht wagen, mit ihm in Unterhandlung zu treten. Er liebte die Jüdin, die für mich jetzt eine wichtige Person, ein wertvolles Tauschobjekt geworden war. Ich gestehe nämlich aufrichtig, daß ich entschlossen war, etwas ganz Verdammenswertes zu treiben – ein wenig Menschenhandel! Ich wollte Judith festnehmen, um durch sie Macht über die »falsche Schlange« und seine Yumas zu bekommen. Ich hätte mich ihrer gleich vorhin, nach seiner Entfernung, bemächtigt, wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, daß er sich noch in der Nähe befand, und wenn ich auch über andere Dinge genügsam unterrichtet gewesen wäre.

Als ich in der Höhle ankam, wagte der Mimbrenjo nicht, mich zu fragen, und ich hielt es nicht für nötig, ihn über meine Erfolge zu unterrichten. Ich sagte ihm nur, daß wir jetzt schlafen würden, um schon bei Tagesgrauen aufzustehen; dann legte ich mich auf meine Decke und schlief nach dem anstrengenden und heißen Tage bis zur angegebenen Zeit, ohne ein einziges Mal aufzuwachen. Der Mimbrenjo war wohl noch ermüdeter gewesen, als ich, hatte es sich aber nicht anmerken lassen, denn ich mußte ihn wecken und brachte ihn nicht gleich aus dem Schlafe.

Es handelte sich jetzt darum, den Gang zu untersuchen. Nachdem wir die Pferde versorgt hatten, machten wir uns ans Werk. Draußen auf dem Geröll angelangt, war es zunächst unsere Sorge, dasselbe wieder vor dem Eingange so aufzuhäufen, daß derselbe verdeckt war. Der Zufall konnte doch einen Yuma herführen.

Dann stiegen wir hinab, um an der andern Seite des Felsblockes wieder emporzuklettern. Wir konnten

von hier aus das Indianerlager sehen. Es zeigte sich noch keine Spur von Leben in demselben. Dennoch waren wir so vorsichtig, uns kriechend zu bewegen. Wir fanden die Windungen, von denen der Herkules gesprochen hatte, und hielten bei der von ihm bezeichneten an. Er war der Meinung gewesen, daß ich die Stelle sofort erkennen würde, und hatte recht gehabt. Er war in solchen Dingen ungeübt und hatte das Loch so zugedeckt, daß ein erfahrenes Auge sich gar nicht täuschen konnte. Der Ort war von dem Indianerlager aus nicht zu sehen; darum durften wir uns frei bewegen.

Wir räumten das Gestein vorsichtig weg; dadurch entstand eine Oeffnung, in welche selbst ein starker Mann steigen konnte, so weit war sie. Wir sahen die Steine liegen, aus denen der Herkules Stufen gebildet hatte, und stiegen hinab. Sie waren behauen, was mich vermuten ließ, daß der Gang oder Stollen seinen Ursprung nicht Indianern zu verdanken hatte. Er lief nicht waagrecht, sondern geneigt in das Innere des Berges.

Zunächst untersuchten wir ihn nach rechts, also aufwärts. Das dazu nötige Licht hatten wir uns natürlich mitgebracht. Schon nach wenigen Schritten kamen wir an den Abgrund, jenseits dessen unsere Höhle lag. Die Pferde erkannten unsere Stimmen und kamen drüben herbei. Sie hatten die Nacht in der Höhle zugebracht und fürchteten sich nicht mehr, doch wollte ich sie nicht so nahe an dem Abgrunde haben und trieb sie durch Zurufe zurück. Als ich dann meinem Hatatitla befahl: »Iteschkosch – lege dich!« gehorchte er, und Winnetous Pferd legte sich sogleich auch nieder. Ich war sicher, daß sie vor unserer Rückkehr nicht aufstehen würden.

Wir fanden an dem Rande des Spaltes vier mit den gestern gefundenen übereinstimmende Löcher; es war früher also wirklich ein künstlicher Uebergang vorhanden gewesen. Dann wendeten wir uns zurück, um dem Gange abwärts, nach innen, zu folgen.

Er war ein wenig über mannshoch, so daß ich mich nicht zu bücken brauchte, und ungefähr drei Fuß breit. Die Wände zeigten Spuren des Spitzeisens oder der Spitzhacke und zuweilen auch Teile der Rundungen von Bohrlöchern. Man hatte die festeren Teile des Gesteins mit Pulver gesprengt; der Gang war also gewiß von Weißen angelegt worden. Er führte meist durch Fels. Wo er auf Spalten oder Klüftungen gestoßen war, hatte man behauene Steine angewendet.

Wir schritten tiefer hinein, ohne daß uns ein Hindernis entgegengestoßen wäre. Die Luft war wider alles Erwarten ganz erträglich. Dieser Umstand machte mich auf unsere brennende Fackel aufmerksam; die Flamme brannte nicht grad aufwärts, sondern wehte, wenn auch nur ganz leise und kaum bemerklich, in den Gang hinein, Es war also eine Zirkulation der Luft vorhanden. Die frische Luft kam hinter uns her und folgte dem Gange. Da sie sich bewegte, mußte sie irgend einen Abfluß haben. Sollte dieser Stollen mit dem Schachte in Verbindung stehen? Das war leicht möglich, da sein Lauf ostwärts gerichtet war, nach der Mitte des Felsens, wo sich, wie ich wußte, der Schacht befand.

Wir waren schon über dreihundert Schritte gegangen, als der Mimbrenio auf einen eingemauerten Stein zeigte.

»Eine Schrift!« sagte er. »Aber es ist keine Indianerschrift.«

Als ich die Stelle mit der Fackel beleuchtete, konnte ich ganz deutlich lesen: Alonso Vargas of. en min. y comp. A. D. MDCXI Ich ergänzte mir die Abkürzungen zu »Alonso Vargas, oficial en minas y compañeros, Anno

Domini MDCXI« oder zu deutsch: »Alonso Vargas, Bergsteiger, und Genossen, im Jahre des Herrn Eintausendsechshundertundelf.« Es waren also bis heut mehr als zweihundertfünfzig Jahre vergangen, seit dieser spanische Bergmann den Stollen angelegt hatte. Ich notierte mir die Inschrift, denn es war mir neu, daß die Spanier damals soweit in die entlegenen Gegenden von Mexiko, welches sie Neuspanien nannten, vorgedrungen waren.

Dann ging es weiter, immer weiter, bis der Gang zu Ende war. Er wurde, so breit und hoch er war, durch eine aus Hausteinen errichtete Mauer verschlossen. Dennoch wehte die Flamme der Fackel nach vorwärts, nach dieser Mauer hin, obgleich keine Oeffnung zu sehen war. Als ich die Wand daraufhin untersuchte, fand ich, daß sie eine Art Sieb bildete. Der Mörtel, welcher die Steine verband, war da, wo die Ecken derselben zusammentrafen, weggelassen worden, wodurch Löcher entstanden oder vielmehr geblieben waren, welche man nur dann bemerkte, wenn man, durch den Luftzug auf sie aufmerksam gemacht, nach ihnen suchte. Dabei bemerkte ich auf einem der Steine die mit einem spitzen Werkzeuge flüchtig eingegrabene Inschrift E. L. 1821. Das E. L. waren jedenfalls die Anfangsbuchstaben eines Namens; die Zahl sagte, daß der Gang im Jahre 1821 durch die Mauer verschlossen worden war, aus welchen Gründen, das konnte mir gleichgültig sein. Jedenfalls hatte man da auch die über den Abgrund führende Brücke weggenommen und den Eingang der Höhle, welcher zugleich auch Eingang des Stollens war, mit dem Geröll verschüttet. Die Löcher waren in der Mauer gelassen worden, damit die Luft fortzirkulieren könne und, falls das Bergwerk später wieder in Bau genommen werden solle, beim Eindringen der Arbeiter das Leben derselben nicht durch tödliche Gase gefährdet sei.

Was nun tun? Wir lauschten. Hinter der Mauer machte sich kein Leben bemerkbar. Ich wagte zu klopfen, und erhielt keine Antwort. Dennoch pochte mein Herz vor Freude, denn ich war überzeugt, daß jenseits dieser Mauer meine Landsleute zu finden seien. Wenn ich mich in dieser Voraussetzung nicht täuschte, konnte ich sie wahrscheinlich ohne alle Gefahr für mich und sie befreien. Es galt also, durch die Mauer zu kommen. Wir mußten Steine aus derselben brechen. Aber womit? Wir hatten keine andern Werkzeuge als unsere Messer. Die Löcher bildeten gute Ansatzpunkte für dieselben; aber der Mörtel war eisenhart, und nach einem kurzen Probieren kamen wir zu der Ueberzeugung, daß wir wahrscheinlich den ganzen Tag zu arbeiten hätten, um nur einen Stein aus den Fugen zu lösen. Dennoch machten wir uns an die Arbeit; wir hatten ja nichts weiter zu tun, da wir am hellen Tage draußen nichts vornehmen konnten.

Wir arbeiteten, bis die beiden Fackeln, welche wir mitgenommen hatten, verbrannt waren, und dann noch einige Zeit im Finstern. Als wir von der Anstrengung so ermüdet waren, daß wir der Ruhe bedurften, kehrten wir nach der Höhle zurück, in welcher die Pferde noch genau so lagen, wie sie sich auf meinen Befehl hingelegt hatten. Sie durften aufstehen und bekamen eine kleine Portion zu fressen. Wir aßen auch und kehrten dann in den Stollen zurück, nachdem wir uns mit einigen Fackeln und mehreren Lichtern versehen hatten. Auch die Gewehre nahmen wir mit, weil wir sie als Hebel oder Brechstangen zu brauchen meinten.

Den Mörtel zwischen zwei Steinen herauszukratzen, scheint gar nicht schwer und anstrengend zu sein; wir mußten aber doch oft innehalten, um einige Minuten auszuruhen. Endlich – meine Uhr zeigte sieben Uhr nachmittags – hatten wir den ersten Stein los. Ich blickte durch das dadurch entstandene Loch. Jenseits der Mauer herrschte tiefes Dunkel und ebenso tiefe Stille. Der zweite Stein machte uns weniger Mühe; er folgte dem ersten schon nach zwei Stunden; nach wieder einer Stunde hatten wir den dritten los. Es war zehn Uhr. Um Mitternacht waren sieben Steine ausgewuchtet, und um ein Uhr konnten wir durch die Oeffnung kriechen, was natürlich mit der größten Vorsicht und ohne Licht geschah. Wir hatten unsere Fackeln sogar ausgelöscht, da der Schein durch die Oeffnung hinüberfiel.

 

Als sich nun nichts Verdächtiges regte, wagten wir es, eine Kerze anzubrennen und mit hinüberzunehmen. Da sahen wir denn zunächst, daß die Mauer auf dieser Seite, die kleinen Löchelchen abgerechnet, mit einem so gefärbten Mörtel überzogen worden war, daß man sie von dem angrenzenden Felsen nicht unterscheiden konnte.

Wir befanden uns in einem breiten und ziemlich hohen Gange, welcher von natürlichen Säulen, stehengelassenen Steinblöcken, getragen wurde. Er war abgebaut und gab also keinen Ertrag mehr. Daher die Stille, welche hier herrschte. Der Luftzug wollte uns nach rechts führen, dennoch wendeten wir uns erst nach links, um zu wissen, was wir hinter uns hatten. Wir kamen nicht weit, denn schon nach wenigen Schritten war der Gang zusammengestürzt. Die Schuttmassen geboten uns Halt; darum kehrten wir zurück, um dem Gange nach rechts zu folgen.

Da sahen wird denn bald eine Menge Werkzeuge längs der Wände liegen. Wir kamen, wie es schien, in eine begangene Gegend. Der Luftzug wurde auch wahrnehmbarer. Dann kamen wir an eine Erweiterung des Ganges, eine viereckige Kammer, in deren Mitte wir einen starken Holzkasten erblickten, welcher aus dem Boden und drei Wänden bestand. An seinen vier Ecken waren starke, aus Riemen zusammengedrehte Seile befestigt, welche mit den andern Enden an einer Kette hingen, die nach oben führte. Dort hinauf gab es eine Oeffnung, welche einen etwas größeren Durchmesser als der Kasten hatte. Die Oeffnung war jedenfalls der Schacht, denn die Luft stieg hier nach oben. Der Kasten bildete den Förderstuhl, welcher an der wandlosen Seite beladen wurde. Es lagen da herum noch verschiedene Gegenstände, denen ich jetzt keine Beachtung schenkte, weil meine Aufmerksamkeit von zwei Türen gefesselt wurde, welche aus schwerem, sehr roh bearbeitetem Holze bestanden und durch starke Riegel verschlossen waren. Die eine lag dem Gange gegenüber, aus welchem wir kamen, die andere uns zur rechten Hand. Wahrscheinlich führten sie nach dem jetzt in Abbau begriffenen Teile des Bergwerkes, da es sonst keinen Gang oder Stollen gab.

Wir wendeten uns zunächst nach der rechts von uns liegenden Tür und schoben die beiden Riegel zurück. Der Mimbrenjo hielt die Fackel. In dem Augenblicke, in welchem die Tür offen war, stürzte aus derselben eine weibliche Gestalt auf mich zu, krallte mir die zehn Fingernägel in den Hals und kreischte in deutscher Sprache:

»Elender Bösewicht! Bist du schon wieder da! Laß mich hinauf, oder ich erwürge dich!«

Die Begrüßung war keine sehr freundliche; ich nahm sie aber nicht Uebel, da sie jedenfalls an eine andere Adresse gerichtet war, schob die Arme des wütenden Wesens, in welchem ich zu meiner Ueberraschung die Jüdin erkannte, von mir ab, hielt sie fest, um den Nägeln nicht Gelegenheit zu geben, meinen Hals abermals einer so eindringlichen Lokalinspektion zu unterwerfen, und antwortete:

»Bitte, Fräulein, wollen Sie bemerken, daß Sie sich in der Person irren! Ich komme nicht in der Absicht, von zarter Hand zu sterben.«

Der Mimbrenjo leuchtete mir ins Gesicht. Sie erkannte mich und rief aus:

»Sie sind es, Sie? Gott sei Dank! Sie werden mich nicht hier stecken lassen!«

»Nein. Ich werde Sie in die Freiheit führen. Wer hat Sie denn hier eingesperrt?«

»Melton, dieses Scheusal, dieser Teufel in Menschengestalt.«

»Wie hat er Sie denn hier heruntergebracht? Es kann doch nicht leicht sein, jemand, der sich wehrt, in die Tiefe zu schaffen.«

»Durch List. Ich bin ihm freiwillig gefolgt. Wir fuhren im Förderkasten herab.«

»So hat er Ihnen etwas weisgemacht, Ihnen vielleicht gesagt, daß er Ihnen Ihren Vater zeigen will?«

»Ja, das hat er gesagt; ich sollte meinen Vater heraufholen. Sie wissen, daß er hier eingesperrt ist?«

»Das weiß ich. Ich weiß überhaupt mehr, als Sie denken. So weiß ich zum Beispiele, daß die listige Schlange, der junge Häuptling der Yumas, gestern mit einer Dame redete, die ihn so in Entzücken versetzt hat, daß er ihr Edelsteine, Gold, ein Schloß, einen Palast, schöne Kleider und viele Diener zur Verfügung stellen wird.«

Sie errötete nicht, wie es sicher bei einem andern Mädchen der Fall gewesen wäre. Sie antwortete vielmehr ganz unbefangen:

»Haben Sie mit ihm gesprochen?«

»Nein.«

»War er bei Melton?«

»Das weiß ich nicht. Es steht aber zu erwarten, daß er noch zu ihm gehen wird, wenn er noch nicht bei ihm gewesen ist.«

»Ich warte auf ihn und dachte, als ich Sie erkannte, er hätte Sie geschickt, um mich herauszuholen. Erst hielt ich Sie für Melton, diesen Schurken.«

»Und doch haben Sie zu ihm gehalten!«

»Weil er mir große Versprechungen machte.«

»Ja, Gold und Geschmeide, ein Schloß und einen Palast. Haben Sie denn das wirklich glauben können? Der Umstand, daß er Ihre Landsleute hierher lockte, um sie einzusperren und für sich arbeiten zu lassen, mußte Ihnen doch unbedingt sagen, daß bei ihm von Ehrlichkeit keine Rede sein kann. Wie haben Sie sich die Zukunft der armen Menschen denn eigentlich gedacht?«

»Gar nicht schlimm. Sie sollten hier unten solange arbeiten, bis sie eine gewisse Anzahl von Zentnern Quecksilber zu Tage gefördert hatten; das hätte gar nicht lange gedauert; er wäre dadurch ein steinreicher Mann geworden, hätte sie dann freigelassen und jedem soviel Geld gegeben, daß auch sie nun ohne Arbeit hätten leben können.«

»Das haben Sie ihm geglaubt?«

»Ja.«

»Hm, dazu gehört sehr viel. Ich will Ihnen sagen, wie es gekommen wäre. Durch die hier unten herrschende Luft, die schlechte Nahrung und die eingeatmeten Quecksilberdämpfe wäre der Körper jedes Arbeiters in kurzer Zeit zerstört worden, und nach zwei oder drei Jahren hätte keiner mehr gelebt. Das wäre der entsetzlichste Massenmord gewesen, der sich denken läßt, und Sie wären dabei seine Mitschuldige geworden.«

»Zwei oder drei Jahre? Solange sollte es nicht dauern; es ist nur von einigen Monaten die Rede gewesen.«

»In so kurzer Zeit wird man nicht so reich, daß man so vielen Menschen soviel geben kann, daß sie ohne Arbeit leben können. War es denn Ihr Ernst, seine Frau zu werden?«

»Warum nicht?«

»Und nun wollen Sie die listige Schlange heiraten?«

»Ja, Melton zur Strafe!«

»Und Ihr einstiger Verlobter, der Ihnen so treu ergeben ist!«

»Was geht er mich noch an? Uebrigens ist er jetzt tot.«

»Ja, von den Geiern aufgefressen! Sie scheinen fast ebensowenig Gewissen zu haben wie Melton, und fast hätte ich Lust, Sie wieder einzusperren und Ihrem Schicksale zu überlassen.«

Ich hatte ihre Arme längst losgelassen, so daß sie sich frei bewegen konnte. Sie stand noch zwischen mir und der Tür, drängte sich jetzt aber rasch an mir vorüber und rief aus:

»Das werden Sie nicht tun! Kein Mensch bringt mich wieder in dieses Loch!«

»Nun, es fällt mir auch nicht ein, meine Worte wahr zu machen. Sie werden frei sein.«

»Das würde ich auch, wenn Sie mich wieder einsperrten, denn der Häuptling käme ganz gewiß, um mich wieder herauszulassen.«

»Wenn er kann!«

»Meinen Sie, daß er verhindert werden könnte?«

»Ja, von Melton.«

»Der kann ihm nichts tun; er hat ihn in der Hand.«

»Das hat der Häuptling Ihnen gestern allerdings gesagt, aber es ist sehr möglich, daß Melton ihn viel eher in seine Hände nimmt. Und wenn dies geschieht, so tragen Sie die Schuld.«

»Wieso?«

»Das kann ich erst dann sagen, wenn ich weiß, was Sie mit Melton gesprochen haben. Die listige Schlange riet Ihnen, ihn auf die Probe zu stellen. Wie haben Sie das angefangen?«

»Sagen Sie mir erst, woher Sie alles so genau wissen! Sie behaupten, nicht mit dem Häuptling gesprochen zu haben, und können das, was Sie wissen, doch nur von ihm erfahren haben.«

»Ich lag hinter dem Steine, auf dem Sie mit ihm saßen, und belauschte Sie.«

»Das haben Sie gewagt, das? Wenn der Häuptling Sie bemerkt hätte, wären Sie von ihm erschossen oder erstochen worden.«

»Das geschieht nicht so schnell und leicht, wie Sie anzunehmen scheinen. Hätte er mich bemerkt, so wäre dies jedenfalls für ihn gefährlicher gewesen, als für mich. Nun sagen Sie mir, wie Sie es angefangen haben, Meltons Ehrlichkeit auf die Probe zu stellen.«

»So, wie der Häuptling mir geraten hat. Da Sie uns belauscht haben, müssen Sie es doch wissen.»

»Sie haben also Ihren Vater zu sehen verlangt?«

»Ja. Er antwortete, daß ich noch warten Solle, weil mein Vater notwendig hier unten gebraucht werde; ich ließ mich aber nicht damit von ihm abspeisen, sondern bestand auf meinem Verlangen und drohte schließlich, daß ich ihn verlassen würde.«

»Was antwortete er?«

»Er lachte und sagte, daß ich ohne den Vater doch gar nicht fortkäme. Dann drohte ich ihm mit dem Häuptlinge.«

»Ah, habe es mir doch gedacht! Damit haben Sie doch verraten, daß Sie mit dem Indianer im Einvernehmen stehen.«

»Was schadet das? Er mußte wissen, daß ich auch ohne den Vater nicht so sehr, wie er dachte, ohne allen Schutz und alle Hilfe dastehe.«

»Sie werden aber doch gleich einsehen, daß Sie damit keineswegs sehr pfiffig gehandelt haben. Ich vermute, daß Sie nicht nur den Namen des Roten als denjenigen Ihres Beschützers genannt, sondern noch mehr ausgeplaudert haben.«

»Warum sollte ich nicht antworten, wenn er mich danach fragte!«

»Aus Klugheit. Haben Sie ihm etwa gesagt, daß die rote Schlange Ihnen einen Antrag gemacht und Ihnen ganz dasselbe Glück und Wohlleben versprochen hatte, wie vorher Melton?«

»Ja.«

»Und daß er Melton packen will, falls dieser Ihnen irgend eine Gewalt antun würde?«

»Gerade das mußte ich besonders erwähnen.«

»Dann danken Sie Gott, daß ich gekommen bin! Denn die listige Schlange hätte Sie nicht aus diesem Schacht geholt.«

»O, er wäre ganz gewiß gekommen.«

»Er kann es nicht. Nachdem Sie so unvorsichtig gewesen sind, Melton alles mitzuteilen, weiß dieser, woran er mit dem Roten ist. Er kennt in demselben nun nicht nur einen Nebenbuhler, sondern weiß auch, daß er ihm mißtraut und jede an Ihnen etwa begangene Strenge rächen will.«

»Das schadet nichts, denn ich weiß, daß er sich in der Gewalt der Yumas befindet und sich vor Ihrem Häuptlinge fürchten muß.«

»Und ich weiß, daß es ihm ganz im Gegenteile gar nicht einfällt, sich zu fürchten. Sie selbst sind der Beweis dafür. Er hat Sie trotz allem, was Sie gesagt und womit Sie gedroht haben, eingesperrt. Das beweist doch, daß er sich vor dem Indianer nicht fürchtet.«

»Er wird sehr bald einsehen, daß er sich irrt, denn ich habe ihm gesagt, daß die listige Schlange mich heute erwartet und nach mir forschen wird, wenn ich nicht komme.«

»Ah, das meinen Sie, klug angefangen zu haben und doch ist‘s das Törichtste, was Sie tun konnten, denn Melton ist nun vorbereitet und wird sich auf den Empfang Ihres roten Beschützers eingerichtet haben. Es steht zu erwarten, daß dieser nun selbst des Schutzes wenigstens ebenso bedarf wie Sie.«

»Denken Sie etwa, daß er sich an ihm vergriffen hat? Das brächte ihm doch den ganzen Stamm der Yumas auf den Hals, die sich an ihm rächen würden!«

»Glauben Sie doch das nicht! Melton, den Sie selbst einen Teufel in Menschengestalt nennen, ist nicht so dumm, das, was er tut und vielleicht schon getan hat, sie wissen zu lassen. Er kann den Häuptling unschädlich machen und beiseite schaffen, ohne daß sie es jemals erfahren. Sie haben, davon können Sie überzeugt sein, Ihren roten Anbeter durch Ihre Schwatzhaftigkeit in die größte Gefahr gebracht.«

»Wenn das wirklich der Fall sein sollte, so hoffe ich, daß Sie ihn aus derselben erretten werden! Unter den obwaltenden Umständen steht sehr zu erwarten, daß Melton gleich zu dem schlimmsten Mittel greift.«

»Wissen Sie übrigens, wo sich Ihre Landsleute befinden? Sie müssen doch mit Melton darüber gesprochen haben.«

»Wir haben oft von ihnen geredet, aber nicht so ausführlich.«

»Die Leute müssen doch essen und trinken. Wer versorgt sie mit Speise und Trank?«

»Melton sagte, daß Wasser unten sei; gefüttert werden sie einstweilen von zwei Indianern.«

»Was bekommen sie zu essen?«

 

»Nichts als Maiskuchen, die ich mit den Indianerinnen gebacken habe.«

»Da die Arbeiter nicht freiwillig hier sind, muß man sie gefangen halten und die notwendigen Maßregeln getroffen haben, daß sie nicht entfliehen und sich an denen, die sie zu versorgen haben, vergreifen können. Was für Vorkehrungen hat man da getroffen?«

»Sie haben Hand- und Fußschellen.«

»Wie hat Melton hier in dieser Wildnis zu solchen Marterwerkzeugen kommen können?«

»Er hat sie mitgebracht. Die Indianer, welche uns transportierten, hatten alle notwendigen Gegenstände auf ihre Packpferde geladen.«

»Können die Bedauernswerten denn in ihren Fesseln arbeiten?«

»Wahrscheinlich; aber jetzt arbeiten sie noch nicht. Die Arbeit wird erst beginnen, wenn noch einige Weiße angekommen sind, auf welche Melton wartet. Diese sind teils Aufseher und teils Sachverständige.«

»Hat man sie einzeln eingesteckt, oder befinden sie sich beisammen?«

»Soviel ich weiß, stecken sie beisammen.«

»Sie werden jetzt von zwei Indianern versorgt.

Diesen können sie doch trotz der Hand- und Fußschellen gefährlich werden!«

»Nein, denn es ist stets eine starke Tür dazwischen. Hoffentlich werden Sie dieselbe öffnen können?«

»Auf alle Fälle.«

»Dann lassen Sie die Gefangenen heraus?«

»Natürlich.«

»Und was geschieht mit Melton? Wollen Sie den vielleicht laufen lassen?«

»Den lasse ich nicht laufen, sondern hängen!«

»Ich will Ihnen sagen, wie Sie das anzufangen haben. Draußen im Freien dürfen Sie ihn nicht angreifen, denn er würde Sie niederschießen.«

»Das befürchte ich nicht.«

»O doch, denn er ist stets mit zwei Revolvern bewaffnet. Die legt er aber ab, sobald er sich daheim befindet. Sie müssen ihn also in seiner Wohnung aufsuchen.«

»Das beabsichtige ich allerdings, obgleich ich mich vor seinen Revolvern nicht fürchte.«

»Kennen Sie denn seine Wohnung?«

»Nein. Ich weiß nur, daß man in den Schacht steigen muß, um zu ihr zu gelangen; ich denke aber, daß Sie mir eine Beschreibung von ihr geben werden.«

»Das kann ich, denn ich kenne sie genau. Sie ist von einem gewissen Eusebio Lopez gebaut worden.«

»Eusebio Lopez? Ich habe vorhin die beiden Buchstaben E. L. gesehen; das werden die Anfangsbuchstaben dieses Namens sein. Die Wohnung ist zugleich ein Versteck, kann also wohl nicht sehr geräumig sein.«

»O, sie ist groß genug. Es hat oben auf dem Felsen eine Rinne gegeben, welche Lopez einfach zugemacht hat; dadurch ist ein verdeckter Gang entstanden, welcher im

Schacht beginnt und nach der Wohnung führt. Die Rinne ist an ihrem Ende, an der Felsenwand, sehr breit gewesen, und Lopez hat sie durch Mauern abgeteilt, wodurch mehrere Stuben entstanden sind, die wir bewohnen. Die äußere Wand sieht gerade wie der Felsen aus, weshalb man von unten nicht bemerken kann, daß da oben eine Wohnung ist. Die Fenster sind Mauerlöcher, die in der Entfernung gar nicht auffallen können.«

»Wie tief steigt man in den Schacht, um in den Gang zu kommen?«

»Vielleicht zwanzig Stufen eine Leiter hinab.«

»Ich sehe aber hier einen Förderkasten, welcher an einer Kette hängt; da ist doch anzunehmen, daß es oben eine Welle, einen Göpel gibt, durch welchen man den Kasten in die Höhe zieht?«

»Ein solcher Göpel ist allerdings da.«

»So ist die Leiter eigentlich überflüssig.«

»Sie führt auch nicht bis ganz herab, sondern nur bis in den Gang. Wer von da aus herunter will, muß in den Kasten steigen.«

»Gut. Und nun die Wohnung!«

»Die besteht aus vier Stuben. Zwei liegen am Ende des Ganges und zwei an den Seiten desselben.«

»In welcher ist Melton zu finden?«

»Wenn Sie dem Gange folgen, so liegt rechts der Raum, in welchem die alten Indianerinnen wohnen; links wohnte ich. Dann haben Sie zwei Türen vor sich, die hart nebeneinander liegen. Rechts wohnen die Weller, und links befindet sich Melton.«

»Was für Schlösser haben die Türen?«

»Sie können keine haben, denn sie sind nicht von Holz, sondern bestehen aus Matten, welche von oben herabhängen.«

»Wie ist das Lager Meltons beschaffen?«

»Er schläft auf Decken in der ersten Ecke links.«

»Wer bewegt den Göpel, wenn der Förderkasten auf- und niedersteigen soll?«

»Die Indianer, welche im Förderhause wachen. Das sind – horch!«

Sie wendete sich, indem sie sich unterbrach, in die Richtung des Schachtes. Dort klirrte die Kette, an welcher der Kasten hing; er bewegte sich; wir sahen, daß er aufgezogen wurde.

»Man ist oben noch wach,« sagte ich. »Warum will man den Kasten oben haben? Ob jemand herunter will?«

»Jedenfalls,« antwortete sie. »Sie werden jetzt erfahren, daß Sie vorhin unrecht hatten, denn der Häuptling wird jetzt kommen.«

»Das glauben Sie ja nicht! Wenn jemand kommt, so wird es entweder Melton oder der alte Weller sein.«

»Weller ist heute gar nicht da.«

»Wo befindet er sich?«

»Er ist mit mehreren Indianern fort, um Sie zu beobachten und es Melton zu sagen, wenn Sie kommen. Er scheint Sie nicht gesehen zu haben, sonst wäre er wieder zurück.«

»So ist er es also nicht, den wir jetzt hier unten zu erwarten haben. Melton wird es sein.«

»So haben Sie die beste Gelegenheit, ihn zu ergreifen!«

»Ob ich das tue, kommt auf die Umstände an. Man muß vorsichtig sein. Weller kann auch zurückgekehrt sein und mitkommen. Wir werden also abzuwarten haben, was geschieht. Darum muß ich Sie bitten, sich einstweilen wieder einriegeln zu lassen.«

»Einriegeln?« fragte sie erschrocken. »Das werde ich nicht. Ich bin tausendfroh, daß ich heraus bin.«

»Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich Sie sicher wieder herauslasse. Ich will wissen, wer da kommt und warum er kommt; er muß darum hier alles in Ordnung finden und darf nicht vermuten, daß jemand bei Ihnen gewesen ist.«

Sie wollte nicht, fügte sich aber endlich doch, wenn auch mit großem Widerstreben. Ich verriegelte hinter ihr die Tür, und dann kroch ich mit dem Mimbrenjo hinter einen Haufen von Hölzern, welche dort, wo der alte, verlassene Gang begann, aufgeschichtet waren. Natürlich hatten wir unser Licht ausgelöscht.

Ich hätte keine Minute länger mit der sich weigernden Jüdin verhandeln dürfen, denn wir hatten uns kaum versteckt, so kam von oben ein Geräusch, aus welchem wir entnahmen, daß der Kasten wieder nach unten unterwegs sei. Das Geräusch näherte sich; ein Lichtschein fiel von oben; der Kasten wurde sichtbar und erreichte den Boden. Melton stand darin; er hatte eine Laterne im Gürtel hängen. Er stieg aus, bückte sich in den Kasten zurück und zog aus demselben einen Gegenstand, in welchem ich, obgleich wir ziemlich entfernt steckten, einen gefesselten Menschen erkannte. Hier unten verstärkte sich der Schall an den engen Mauern; darum hörte ich ganz deutlich jedes Wort, als Melton zu dem Gefesselten in höhnischem Tone sagte:

»Du hattest solche Sehnsucht nach deiner weißen Blume. Darum habe ich dich hierher gebracht, um sie dir zu zeigen. Paß auf!«

Er trat zu der Tür, hinter welcher die Jüdin steckte, öffnete dieselbe und rief hinein:

»Kommen Sie heraus, Fräulein; haben Sie die Güte! Es steht Ihnen eine freudige Ueberraschung bevor.«

Sie kam heraus. Er führte sie zu dem auf dem Boden liegenden Indianer und fragte:

»Kennen Sie diesen? Hoffentlich erinnern Sie sich noch, wer er ist!«

»Die »listige Schlange«!« rief sie betroffen aus. »Sie haben ihn überwältigt!«

»Ja, das habe ich! Sie sehen da, was für ein Held Ihr neuester Liebhaber ist. Er kam, um mich zur Rechenschaft zu ziehen und Sie zu befreien, und befindet sich nun selbst hierunter. Er wird die Sonne niemals zu sehen bekommen. Sie haben mir zu viel von ihm erzählt, als daß ich ihm das Leben schenken könnte.«

»Sie wollen ihn ermorden?« fragte sie schaudernd.

»Ermorden! Welch ein Ausdruck! Muß man es denn geradezu einen Mord nennen, wenn ich ihn ein wenig unter die Erde grabe und ihm eine so hübsche Decke gebe, daß er rasch einschläft? Wenn er dann nicht wieder aufwacht, so ist das seine Sache.«