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Satan und Ischariot II

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Ich untersuchte zunächst die Kleidungsstücke, welche er trug, doch vergeblich, dann die Taschen der andern Sachen, welche er in der Nähe seines Lagers hängen hatte, ebenso ohne Erfolg. Die Hauptsache hob ich mir mit Absicht bis zuletzt auf und begab mich zunächst in die andern Räume. Da, wo die Wellers sich aufgehalten hatten, war ebensowenig etwas zu finden. In der Stube Judiths und in derjenigen der beiden Indianerinnen gab es Speisevorräte, welche uns zu statten kamen. Als ich unverrichteter Sache zu Melton zurückkehrte, fragte er spottend:

»Jetzt bringt Ihr wohl Euren Fund, Master? Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß der berühmte Old Shatterhand stets auf das, was er sucht, sofort mit der Nase fällt!«

»Das ist so richtig, Sir, daß ich mir gar keine Mühe gebe, weiter nachzuforschen. Mein junger Begleiter mag das an meiner Stelle tun und ein wenig an die Wände klopfen. Vielleicht finden wir eine hohlklingende Stelle. Leute Eures Schlages pflegen dergleichen Verstecke zu haben.«

»Laßt ihn solange klopfen, wie Euch beliebt; mir wird es nur Spaß machen.«

Ich war überzeugt, daß er die erwähnten Schriftstücke und auch noch andere ihn gravierende Dinge mit- mitgebracht hatte; es galt nur, sie zu finden. Das Suchen überließ ich jetzt dem Mimbrenjo, um Melton scharf beobachten zu können. Jeder Kriminalbeamte weiß, daß bei einer Haussuchung der Gesichtsausdruck und die Augen des Betreffenden als beinahe sichere Wegweiser dienen. Mit einigen leisen Worten instruierte ich den Indianerknaben, nach hohlen Stellen der Wände und des Fußbodens zu suchen und dabei, falls ich mich räuspern sollte, sogleich von dem betreffenden Punkte abzulassen, um aber bald wieder zu demselben zurückzukehren. Er folgte der Anweisung. Ich hat so, als ob ich meine ganze Aufmerksamkeit ausschließlich auf seine Bewegungen richtete, behielt aber Melton fest im Auge. Damit er dies nicht bemerken solle, stellte ich mich so, daß mein Gesicht im Schatten lag.

Er beobachtete den Mimbrenjo mit sehr zuversichtlichen Blicken; aber diese Zuversicht schien desto geringer zu werden, je näher der Rote dem Lager kam. Als er dasselbe erreicht hatte, hustete ich leise. Er wendete sich ab, und sogleich nahmen die Züge Meltons den Ausdruck der Befriedigung an. Da dies sich einige Male wiederholte, war ich überzeugt, daß das Versteck in dem Lager oder in der Nähe desselben zu suchen sei. Darum räusperte ich mich nun nicht, als der Rote wieder zu demselben kam. Er nahm es auseinander und untersuchte die Decken. Ich sah, daß Melton besorgt geworden war und sich dann freute, als der Knabe nichts fand und also weiter ging.

Ich nahm mit Sicherheit an, daß ich nur im Boden unter dem Lager zu suchen brauchte, um das Gewünschte zu finden, und ließ nun nicht weiterforschen, denn ich hatte Gründe, zu wünschen, daß er das glückliche Resultat unserer Nachforschung nicht erfahren möge. Als er sah, daß der Mimbrenjo seine Bemühungen aufgab, begann er von neuem, uns zu verhöhnen; ich nahm mir aber nicht die Mühe, ihm Antwort zu geben, ließ ihn und seine beiden Alten unter der Bewachung des Knaben zurück und stieg hinauf ins Freie zu den zehn Männern, welche dort auf uns warteten. Einer von ihnen genügte, auf die roten Wächter aufzupassen; die andern mußten mir nach unten folgen, um Lebensmittel heraufzubringen. Wir brauchten dieselben unterwegs, da ich nur soviel mitgenommen hatte, wie für mich und den Mimbrenjo nötig war. Dann schafften wir die Wächter einen nach dem andern hinunter in die Stube der beiden Indianerinnen, worauf die zehn die Weisung erhielten, mit dem Proviante zur Höhle zurückzukehren, aber mit solcher Vorsicht, daß sie dieselbe unbemerkt erreichen würden. Ich schickte sie fort, weil Melton sie jetzt noch nicht sehen sollte.

Als dies geschehen war, trug ich die zwei alten Weiber zu den Wächtern und Melton in die Stube Judiths. Er mußte aus seinem Zimmer fort, um nicht zu sehen, daß wir in demselben weiter suchten, und allein tat ich ihn, daß er von den Wächtern nicht erfahren solle, daß ich Weiße bei mir gehabt hatte, von denen sie überrumpelt worden waren.

Nun ging es an die Untersuchung des unter dem Lager befindlichen Fußbodens. Er bestand aus festgetretener oder gestampfter Erde. Ich klopfte und hörte bald einen hohlen Ton. Als ich die Erde an dieser Stelle mit dem Messer entfernte, stieß ich bald auf einen platten Stein, den ich aufhob. Er war nicht groß und bedeckte ein Loch, in welchem ich fand, was ich suchte, nämlich eine lederne Brieftasche, welche zum Schutze gegen die Feuchtigkeit wieder in ein Stück Leder eingeschlagen war. Ich öffnete sie, um einen flüchtigen Blick hineinzuwerfen, da ich zur eingehenden Betrachtung mir nicht die Zeit nehmen wollte. Sie enthielt neben mehreren Briefen eine bedeutende Anzahl zusammengefalteter Papiere, die Kontrakte meiner Landsleute und den Kaufvertrag über die Hazienda. In einem besondern Fache steckte ein Paket Legal-Tendernoten, deren Betrag ein sehr ansehnlicher zu sein schien. Ich schob das Portefeuille in meine Tasche, machte das Loch wieder so zu, wie es vorher gewesen war, und breitete das Lager darüber. Hierauf trugen wir die Waffen Meltons ins Freie und gingen dann daran, ihn selbst auch hinaufzuschaffen. Er erhielt, um nicht laut werden zu können, einen tüchtigen Knebel in den Mund. Als er sich dem Transporte trotz seiner Fesseln widersetzte, banden wir ihn an einen Lasso, an welchem er hinaufgezogen wurde. Wir zogen auch die Leiter hinauf und machten sie mit Hilfe unserer Messer unbrauchbar. Dies geschah, um Zeit zu gewinnen. Wenn die Yumas mit Tagesanbruch das Fehlen der Wächter bemerkten, konnten sie nun nicht in den Schacht. Zwar konnten sie sich mit Lassos hinablassen, freilich nur bis zum Göpel; aber um ihnen das zu erschweren, ließen wir die Trümmer der Leiter so in das Mundloch fallen, daß sie sich in demselben einklemmten und die Passage hinderten. Die Leiterstücke mußten mühsam herausgeschafft werden, wodurch wir genug Zeit gewannen, uns soweit von Almaden zu entfernen, daß eine Verfolgung resultatlos sein mußte.

Nachdem wir Meltons Waffen zu uns genommen hatten, wollten wir mit ihm den Berg hinab und gaben ihm deshalb die Füße frei. Er weigerte sich, von denselben Gebrauch zu machen, doch brachten ihn einige tüchtige Kolbenstöße zu besserer Einsicht, und er ging mit uns bis hinab zur Felsenecke, an welcher ich die »listige Schlange« mit Judith belauscht hatte. Hier fesselten wir ihn wieder und banden ihn an einen Stein so fest, daß er sich nicht rühren konnte. Ich wollte ihn nämlich hier liegen lassen, da er die geretteten Arbeiter und auch den von ihm betrogenen Häuptling noch nicht sehen sollte.

In der Höhle brannten die Lichter; ich fand die Landsleute beim Essen. Sie hatten Hunger gelitten und sich nach der Rückkehr der zehn sofort über die von diesen mitgebrachten Vorräte hergemacht. Ich sagte ihnen, daß es hohe Zeit sei, Almaden zu verlassen, da wir, wenn es Tag würde, schon weit entfernt sein müßten, und sie freuten sich darüber.

Zunächst wurden die Pferde herausgeschafft; sie waren bestimmt, abwechselnd einstweilen die schwächsten Leute zu tragen. Der Mimbrenjo sollte als Führer vorangehen, und ich wollte in einiger Entfernung mit Melton folgen. Der »listigen Schlange« wurden die Arme auf den Rücken gebunden. Zwar schenkte ich dem Roten genug Vertrauen, um überzeugt zu sein, daß er keinen Fluchtversuch machen werde, doch war es auf alle Fälle besser, vorsichtig zu sein. Er wurde von den Deutschen in die Mitte genommen.

Natürlich schütteten wir, ehe wir aufbrachen, den Eingang zur Höhle zu. Als der Zug sich entfernt hatte, ging ich zu Melton, um auch ihn zu holen. Ich band ihn los, gab ihm die Füße frei, und da er die Kolbenstöße noch nicht vergessen hatte, so ging er ohne Widerstreben mit. Der Dunkelheit wegen schlang ich noch einen Extrariemen um seinen Arm, den ich mit dem andern Ende an den meinigen befestigte.

Ich hielt genau denselben Weg ein, den wir gekommen waren, ging also zunächst südwärts. Ich wußte, daß der Mimbrenjo sich ebenso sicher wie ich auf demselben halten und sich nicht verirren werde.

Während wir langsam dahinschritten, verging die Nacht, und der Tag begann zu grauen. Als es so hell geworden war, daß wir weit genug blicken konnten, war der Fels von Almaden längst nicht mehr zu sehen. Auch meine Kameraden vor uns sahen wir nicht. Ich war absichtlich so langsam gegangen, damit sie einen genügenden Vorsprung gewinnen sollten, denn Melton sollte durch ihren Anblick möglichst stark überrascht werden. Als wir noch über eine halbe Stunde bis zu dem Punkte zu gehen hatten, an welchem unser Weg sich westlich wendete, schlug ich diese Richtung schon jetzt ein und trieb den Gefangenen zu schnellerem Gehen an, weil ich den Gefährten vorauskommen wollte, damit er sie nicht vor sich sehen könne. Dies gelang mir ganz gut, weil die in dem Schachte an ihren Kräften heruntergekommenen Arbeiter nur langsam gehen konnten. Als wir die Ecke abgeschnitten hatten und unsere Route wieder erreichten, sah ich hinter uns eine lange, dunkle Linie mit zwei mehr hervortretenden Punkten. Diese Linie waren die Fußgänger, die beiden Punkte die Pferde mit ihren Reitern. Melton hielt die Augen vorwärts gerichtet und hatte sie also nicht bemerkt. Er war mir bis jetzt gefolgt, ohne ein Wort zu sagen; nun aber schien ihn das rasche Gehen anzustrengen, und er sagte:

»Wohin wollt Ihr mich denn eigentlich mit solcher Geschwindigkeit schleppen, Sir? Ich vermute, nach der Hazienda del Arroyo?«

»Allerdings, wertester Master,« antwortete ich.

»Zu Fuße! Wann denkt Ihr wohl, daß wir da ankommen werden, zumal Ihr einen ganz falschen Weg einschlagt?«

»Es ist genau derselbe Weg, auf dem ich gekommen bin, und ich meine, daß es der richtige ist.«

»Nein, es ist ein Umweg. Wenn wir auf den geraden und richtigen kommen wollen, müssen wir uns viel weiter nördlich halten. So ein erfahrener Prärieläufer, wie Ihr seid, sollte das wissen!«

 

»Der gerade Weg würde für mich der falsche sein; das wißt Ihr ganz genau, und darum wollt Ihr mich verleiten, ihn einzuschlagen. Da oben im Norden halten Eure Yumas; dort geht ihre Postenlinie nach der Hazienda, und dort würden wir auch auf Weller treffen, weicher, und zwar jedenfalls nicht allein, sondern mit Indianerbegleitung, ausgeritten ist, um auszukundschaften, wo ich mich mit Winnetou befinde. Ihr seht, daß der Vogel nicht so dumm ist, auf Euren Leim zu gehen.«

Er sah sich durchschaut, ärgerte sich darüber und machte diesem Aerger durch den höhnischen Ausruf Luft:

»Also fürchtet sich Old Shatterhand, der sich sonst doch für einen so großen Helden ausgibt!«

Vorsicht ist noch lange nicht Furchtsamkeit, Master, und für einen Helden habe ich mich noch nie gehalten und auch noch nie ausgegeben. Ich gestehe Euch aufrichtig und unumwunden, daß ich zum Beispiel bei meinem gegenwärtigen Unternehmen ein Glück gehabt habe wie noch nie in meinem ganzen Leben. Ihr kennt den Umfang desselben noch gar nicht.«

»Ah,« lachte er grimmig auf, »ich kenne ihn doch! Zwei Menschen dringen trotz der Bewachung von soviel Indianern in Almaden ein und holen mich heraus! Das ist allerdings ein ganz unbeschreibliches Glück. Ihr habt aber dabei doch auch Unglück gehabt, denn die Deutschen habt Ihr nicht gefunden und auch nicht das, was Ihr da oben in meiner Stube suchtet. Und noch viel weniger

Glück werdet Ihr von jetzt an haben. Weller wird nicht eher ruhen, als bis er seinen Sohn befreit hat, und dann mit den Yumas über Euch herfallen. Ich rate Euch also an, es nicht mit mir zu verderben, denn Ihr geratet ganz gewiß in unsere Hände, und dann werde ich Euch genau mit demselben Maße messen, mit welchem Ihr mich jetzt behandelt.«

»Das mag Euch unbenommen bleiben, Sir. Ich gestehe Euch aber, daß Ihr mich mit Weller nicht ängstlich machen könnt. Seinen Sohn kann er nicht befreien, denn dieser ist von dem Herkules erwürgt worden, und wenn wir den Alten ergreifen, was ich mit Sicherheit erwarte, so werden wir wegen Mordversuches sehr kurzen Prozeß mit ihm machen. Hat er Euch erzählt, daß sein Sohn in unsere Hände geraten ist, so wird er Euch wohl auch gesagt haben, daß er mit ihm den Herkules ermorden wollte. Da dieser aber einen äußerst harten Schädel besitzt, ist ihm der Kolbenhieb ganz gut bekommen und er wartet mit Schmerzen darauf, mit dem Alten ebenso abrechnen zu können, wie er mit dem jungen abgerechnet hat.«

Melton sah mich eine ganze Weile betroffen an und rief dann aus:

»Der kleine Weller tot! Ihr wollt mir damit doch wohl nur einen krassen Bären aufbinden?«

»Ganz und gar nicht. Ich versichere Euch mit meinem heiligen Worte, daß er zwischen den gewaltigen Fäusten des Athleten entschlafen ist, und der Alte wird demselben Schicksale wohl schwerlich entgehen. Wenigstens befürchte ich nicht, daß er mit den Yumas über uns herfallen wird. Diese vortrefflichen Menschen werden wohl, wenn es nicht bereits geschehen ist, sehr bald zu der Einsicht gelangen, daß Eure Freundschaft eine verräterische und sehr gefährliche ist.«

»Möchte den Grund wissen!« spottete er.

»Dieser Grund heißt »listige Schlange«.«

»Inwiefern? Er ist mein treuester Verbündeter und wird Weller alle seine Krieger gegen Euch zur Verfügung stellen.«

»Ihr meint, daß Weller dies von ihm verlangen wird?«

»Ja, sobald er mein Verschwinden erfährt.«

»So, so! Ich denke, daß im Indianerlager nicht nur von Eurem Verschwinden, sondern auch von demjenigen der »listigen Schlange« die Rede sein wird. Oder solltet Ihr noch nicht wissen, daß der Häuptling ganz plötzlich verschwunden ist?«

»Ich weiß kein Wort. Verschwunden? Wohin denn?«

»Hinunter in den Schacht!«

Er wendete mir bei diesen Worten sein Gesicht mit einem so scharfen Rucke zu, als ob er einen Schlag an den Kopf erhalten habe, sah mich mit großen, starren Augen und weit offenem Munde an und rief dann aus:

»In den Schacht? Wie meint Ihr das?«

»O, gar nicht anders, als wie es in Wirklichkeit geschehen ist. Er ist im Schachte unten eingesperrt und zwar von derselben Person, welche auch die schöne Judith unten eingeriegelt hat.«

»Judith?« fragte er wie abwesend.

»Freilich, Judith. Sie verzichtete auf das Gold, die edlen Steine, den Palast und das Schloß, auch auf die schönen Kleider, welche ihr versprochen worden waren, weil ihr in Beziehung auf ihren Vater nicht Wort gehalten wurde und weil der Häuptling ihr das alles auch geben wollte. Da wurde sie in den Schacht gelockt und dort eingesperrt von einem gewissen Melton.«

»Mensch, seid Ihr bei Sinnen?!«

»Sogar sehr! Sie wurde eingesperrt, obgleich sie gedroht hatte, daß der Häuptling nach ihr suchen und sie von Euch fordern würde. Sie hatte sich nämlich am Abende vorher mit dem Häuptlinge verlobt und diesen auf Eure Absichten aufmerksam gemacht. Als die Jüdin verschwunden war, kam der Häuptling, um sich bei Euch nach ihr zu erkundigen. Er wurde überwältigt und auch in den Schacht geschafft.«

»Mann, Ihr redet da einen Roman, der geradezu unmöglich ist!«

»Es klingt allerdings wie ein Roman, wie eine phantastische Erfindung, wenn ich sage, daß er in dasselbe Loch gesperrt wurde, in welchem Judith steckte.«

»Ihr tut ja, als ob Ihr allwissend wäret!«

»Der Mensch braucht nicht allwissend zu sein, um von dem, was er gesehen und gehört hat, reden zu können.«

»Wie? Was?« fragte er, indem seine Stimme einen angstvollen Ausdruck annahm und seine Augen aus ihren Höhlen treten wollten. »Ihr wollt das gesehen und gehört haben?«

»Ich will nicht nur, ich behaupte es nicht bloß, sondern es ist in Wirklichkeit so.«

»Dann müßtet Ihr doch unten im Schachte gewesen sein!«

»Das ist allerdings der Fall.«

Er blieb stehen, starrte mich abermals wie im Traume an und fragte:

»Wie wollt Ihr denn wieder heraufgekommen sein?«

Da es nicht meine Absicht war, ihm die Wahrheit zu sagen, antwortete ich:

»Kann ich nicht an der Kette des Förderkastens heraufgeturnt sein?«

»Nein, denn ich habe dann den Kasten ganz aufgewunden.«

»Ah, jetzt kommt‘s! Ihr sagt, daß Ihr den Kasten dann aufgewunden habt. Mit diesen Worten habt Ihr Euch soeben vergessen, ein Geständnis abzulegen!«

»Nun zum Henker, ja! Mag es meinetwegen ein Geständnis sein! Ich habe es nur zu Euch gesagt, werde es zu keinem andern wiederholen, und was Ihr behauptet, wird man nicht glauben. Uebrigens werdet Ihr gar nicht zu einer solchen Behauptung kommen, denn Weller wird bald dafür sorgen, daß Euch die Lunge den giftigen Atem versagt. Ihr scheint mit dem Satan im Bunde zu stehen, denn nur dieser kann es sein, der Euch hinunter in den Schacht geführt hat. Aber verlaßt Euch nicht zu sehr auf ihn! Der Teufel ist ein schlechter Freund und läßt einen gerade dann im Stiche, wenn man seine Hilfe am nötigsten hat!«

»Ja, das habt Ihr wohl genügsam an Euch selbst erfahren, und gerade jetzt fühlt Ihr Euch ganz und gar von ihm verlassen,« antwortete ich, indem ich mich von ihm abwendete, denn ich möchte behaupten, daß der Anblick seines Gesichtes mir geradezu körperliche Schmerzen verursachte. Die Regelmäßigkeit und männliche Schönheit seiner Züge war mit einem Male verschwunden; er sah häßlich, diabolisch häßlich aus.

»Ich mich verlassen fühlen!« fuhr der Widerwärtige fort. »Da irrt Ihr Euch gewaltig! Ich bin Euch nicht so widerstandslos preisgegeben, wie Ihr denkt. Was wollt Ihr tun, wenn ich mich hier niedersetze und nicht von der Stelle zu bringen bin?«

Er warf sich bei diesen Worten auf die Erde nieder.

»Ihr habt den Kolben schon einmal gefühlt,« antwortete ich. »Er wird Euch auch dieses Mal zum Gehorsam bewegen.«

»Versucht es doch! Stoßt mich, schlagt mich! Ich bleibe hier und laß mich lieber zu schanden schlagen, als daß ich weiter gehe. Wir sind noch nicht zu weit von Almaden und von meinen Yumas. Sie werden nach mir suchen; sie werden unsere Fährte finden und uns folgen; dann werden sie Euch erwischen und mich befreien.«

»Denkt Euch das letztere nicht gar so leicht! Daß dies so ist, werde ich Euch beweisen, indem ich Euch nicht zum Weitergehen zwinge. Wir werden also hier bleiben und die Ankunft Eurer Yumas erwarten. Es wird sich dann zeigen, ob sie sich um Euertwillen an mich wagen. Ich werde sogar darauf verzichten, Euch die Füße wieder zusammenzubinden, damit Ihr, wenn sie kommen, versuchen könnt, ihnen entgegenzulaufen.«

Ich setzte mich neben ihm nieder; er legte sich ganz hin, spuckte vor mir aus und wendete sich dann um, damit er mich nicht anzusehen brauche. Das war mir lieb, denn in dieser Stellung sah er die Nahenden nicht, welche, wie ich jetzt bemerkte, nun in der Ferne erschienen. Bald waren sie uns so nahe, daß ich ihre Gesichter erkennen konnte. Der Mimbrenjo schritt voran. Er hatte uns gesehen, ging aber ruhig weiter, ohne Vorsichtsmaßregeln zu treffen, denn sein scharfes Auge hatte mich erkannt. Melton hatte ihn bei mir gesehen, und so wunderte ich mich darüber, daß es ihm nicht eingefallen war, nach ihm zu fragen. Daß der Indianer sich nicht bei mir befand, hätte doch seine Aufmerksamkeit erregen müssen, da die Abwesenheit desselben einen Grund haben mußte.

Nun waren sie uns so nahe, daß wir ihre Schritte hörten.

Melton horchte auf, richtete sich dann rasch empor, so daß er zu sitzen kam, und drehte sich um. Im nächsten Augenblicke sprang er ganz auf, starrte die Nahenden an, als ob sie Gespenster seien, und rief aus:

»Alle Wetter, was sehe ich; wer kommt da!«

»Eure Yumas, die Euch befreien werden,« antwortete ich. »Hoffentlich freut Ihr Euch, daß Eure Erwartung sich so schön und so bald erfüllt.«

»Verwünschter Kerl! Du stehst wirklich mit dem Teufel im Bunde!«

Indem er mir diese Worte entgegenzischte, versetzte er mir einen Fußtritt und rannte so schnell davon, wie es ihm mit gebundenen Händen möglich war. Der Fluchtversuch war lächerlich; ich stand ruhig auf und tat keinen Schritt, ihn zu verfolgen. Selbst wenn ich ihm hätte nachlaufen wollen, wäre dies gar nicht nötig gewesen, denn als die Befreiten, welche sich uns bis auf vierzig oder fünfzig Schritte genähert hatten, ihn erkannten und davonlaufen sahen, erhoben sie ein lautes Geschrei und rannten hinter ihm her, Männer, Frauen und Kinder; nur der Mimbrenjo blieb stehen und rief mir lachend zu:

»Der Vogel wird nicht weit kommen, denn die Flügel sind ihm gebunden.«

Den Verfolgern voran waren Judith und die »listige Schlange«. Die erstere war nicht eingekerkert gewesen, hatte keine Not gelitten und besaß also mehr Kräfte wie die andern. Ganz dasselbe war mit dem Häuptlinge der Fall. Zwar waren auch ihm die Hände gebunden, doch half der Grimm, welcher sich seiner beim Anblicke Meltons bemächtigte, ihm diesen Umstand überwinden. Er flog ihm förmlich nach und kam ihm näher und näher, bis er ihn erreicht hatte; dann eilte er absichtlich einige Schritte über ihn hinaus, machte eine Wendung und rannte dann mit solcher Kraft gegen ihn, daß Melton zu Boden stürzte und sich zweimal überschlug. Er kam gar nicht zu dem Versuche, sich aufzurichten, denn der Häupt- Häuptling lag schon auf ihm und hielt ihn trotz seiner gefesselten Hände bei der Kehle. Sie rangen miteinander und wälzten sich dabei einigemal um und um, bis Judith kam und dem Roten half. Die Jüdin befand sich in einer Aufregung, welche allerdings nicht weiblich war. Sie schrie in einem fort und schlug dabei mit geballten Händen auf Melton ein, bis die andern kamen, denen sie Platz machen mußte. Nun gab es einen Knäuel von schreienden Menschen, welche Melton in der Mitte hatten. Ich fürchtete für sein Leben und eilte darum hin, um den Mißhandlungen Einhalt zu tun. Als ich mir durch die Leute Bahn gebrochen hatte, sah ich Melton an der Erde liegen; mehrere hielten ihn fest, und Judith bearbeitete mit Fäusten und Nägeln sein Gesicht in einer Weise, daß ich sie, empört über dieses mehr als häßliche Verhalten, wegriß und ihr zornig zurief:

»Was fällt Ihnen ein! Ueberlassen Sie den Menschen uns Männern! Sie sind ja gerade zur Furie geworden.«

»Der Halunke hat es verdient, daß ich ihm die Augen auskratze!« keuchte sie atemlos. »Er hat mich betrogen, mich eingesperrt. Ich sollte da unten im Schachte verderben und sterben!«

Sie wollte wieder zu ihm hin; ich schleuderte sie aber fort und sagte, mich zu den andern wendend:

»Daß keiner von euch sich weiter an ihm vergreift! Er gehört jetzt mir und wird seiner Bestrafung nicht entgehen. Wer nicht gehorcht, bekommt es mit mir zu tun!«

Sie wichen zurück, und ich richtete Melton vom Boden auf. Von seinem äußeren Aussehen nicht zu sprechen, befand er sich in einem Seelenzustande, der ihn fast nicht mehr als Mensch erscheinen ließ. Er schrie wie ein Tier; seine Augen waren mit Blut unterlaufen, und seine geifernden Lippen brachten die Flüche und Verwünschungen, welche er mir entgegenwarf, nur undeutlich hervor. Es war das Lallen der größten Wut, des Grimmes in seinem höchsten Grade. Ich machte diesem Wüten dadurch ein Ende, daß ich ihm einen Knebel in den Mund stecken ließ. Er drohte zwar, zu ersticken, doch brachte die Angst, die ihm dies verursachte, ihn bald zur Ruhe.

 

Die »listige Schlange« hatte Melton niedergeworfen und festgehalten, bis die andern hinzugekommen waren; dann hatte er von ihm gelassen. Sein Stolz ließ ihm nicht zu, sich an den Mißhandlungen zu beteiligen; aber in seinen dunkeln Augen glühte das Feuer der Rache und des unversöhnlichen Hasses. Er wendete sich, da rundum Ruhe eingetreten war, mit der Frage an mich:

»Was gedenkt Old Shatterhand mit diesem verräterischen und gefährlichen Bleichgesicht zu tun?«

»Das kann ich jetzt noch nicht sagen, denn ich muß es mit Winnetou beraten.«

»Das ist nicht nötig, denn der Häuptling der Apatschen wird alles gutheißen, was Old Shatterhand bestimmt. Beide sind wie einer, und was der eine will, das will stets auch der andere.«

»Zu welchem Zwecke spricht die »listige Schlange« diese Worte?«

»Eines Vorschlages wegen, den ich meinem weißen Bruder machen möchte. Old Shatterhand mag mit auf die Seite kommen, da ich mit ihm allein sprechen will.«

Ich tat ihm den Willen und entfernte mich mit ihm so weit, daß Melton uns nicht hören konnte, auf welchen es abgesehen war, da die Deutschen den Indianer doch nicht verstehen konnten. Dieser begann seinen Vorschlag mit der Frage:

»Wird Old Shatterhand mir aufrichtig sagen, ob er mich für einen Lügner hält?«

»Warum nicht? Der Name meines roten Bruders könnte Mißtrauen erwecken; dennoch glaube ich, daß »listige Schlange« die Wahrheit liebt und viel zu stolz und tapfer ist, sich eine Treulosigkeit zu schulden kommen zu lassen.«

»Mein Bruder hat recht; ich danke ihm. Ich will ihm mitteilen, daß ich Frieden mit ihm schließen möchte, nicht nur für mich selbst, sondern auch für meine Krieger.«

»Was wird euer Oberhäuptling, der »große Mund«, dazu sagen?«

»Er wird beistimmen.«

»Das bezweifle ich, denn er hat eine Blutrache gegen mich, weil ich seinen Sohn, den »kleinen Mund«, getötet habe.«

»Old Shatterhand ist ein Freund der roten Männer; er tötet keinen von ihnen, außer wenn er dazu gezwungen ist.«

»Das ist zwar sehr richtig, wird aber für den »großen Mund« kein Grund sein, seine Rache in Verzeihung, seine Feindschaft in Freundschaft umzuwandeln.«

»So mag er für sich allein handeln; ich habe mit seiner Rache nichts zu tun. Als wir den Zug nach Almaden unternahmen, haben wir ihn zu unserem Anführer gemacht; wir können den, welchen wir wählen, auch wieder absetzen, denn wir brauchen ihm nur so lange zu gehorchen, wie es uns beliebt. Die Yumas zerfallen in viele Stämme; er ist der Häuptling des seinigen, und ich bin der Häuptling des meinigen. Er ist nicht mehr, als ich bin. Er hat mir Kampf geboten, ich aber erkenne jetzt, daß Frieden besser ist. Darum bin ich bereit, mit Old Shatterhand im Namen meines Stammes, wenn auch nicht im Namen aller Yumas, die Friedenspfeife zu rauchen.«

»Wenn aber der »große Mund« dann dagegen ist?«

»So bin ich der Freund und Bruder von Old Shatterhand und werde ihn mit allen meinen Kriegern gegen den »großen Mund« verteidigen. Will mein weißer Bruder mir das glauben?«

»Ich glaube es. Mein roter Bruder wird den Frieden nur unter gewissen Bedingungen schließen wollen. Er mag mir diese mitteilen!«

»Es sind nur zwei. Mein erster Wunsch ist der, daß Old Shatterhand nicht dagegen ist, daß ich die weiße Blume, welche Judith heißt, zu meiner Squaw mache.«

»ich habe gar nichts dagegen, sondern bin im Gegenteile sehr überzeugt, daß kein Weißer für die Blume so gut paßt, wie mein roter Bruder. Darüber sind wir also einig. Welches ist nun der zweite Wunsch?«

»Ich will Melton haben!«

»Das dachte ich mir. Die »Listige Schlange« ist also der Ansicht, daß ich über die Person dieses Mannes verfügen kann?«

»Ja. Nach den Gesetzen der Bleichgesichter hat er ihn vielleicht abzuliefern, nach den Gesetzen der roten Männer aber gehört er ihm, und er kann mit ihm machen, was er will. Wir befinden uns hier auf dem Gebiete der roten Stämme, also kann, wenn Old Shatterhand nach unsern Regeln handelt, kein Bleichgesicht ihm darüber Vorwürfe machen.«

»O doch! Es befinden sich sogar schon weiße Polizisten in der Nähe, welche Melton fangen wollen; aber ich brauche nicht nach ihnen und ihren Absichten zu fragen; ich tue, was ich will, auch wenn es gegen die Gesetze dieser Leute ist. Mein roter Bruder kann also, wenn es mir beliebt, Melton bekommen. Hat er aber daran gedacht, daß auch ich Bedingungen machen werde?«

»Ja. Ich möchte sie hören.«

»Ich fordere zunächst Frieden zwischen deinem Stamme und allen Bleichgesichtern, welche sich hier bei uns befinden.«

»«Listige Schlange« ist einverstanden.«

»Sodann verlange ich, daß sich der Friede auf alle Mimbrenjos erstreckt, welche meine Freunde sind.«

»Dies zuzugestehen, ist viel schwieriger. Ich weiß, daß du Mimbrenjos bei dir hast; sie sind unsere Feinde; ich brauche nur zu befehlen, so fallen meine dreihundert Krieger über sie her, um sie zu töten. Wenn du verlangst, daß wir sie schonen, muß ich außer meinen zwei Bedingungen noch einige andere stellen.«

»Behalte sie für dich! Wie die Sachen stehen, können meine Mimbrenjos dir viel eher Vorschriften machen, als du ihnen; du hast vergessen, daß Winnetou ihr Anführer ist und daß auch ich bei ihnen bin. Wir haben deine dreihundert nicht gefürchtet und werden sie jetzt, da du mein Gefangener bist, erst recht nicht fürchten. Was hindert uns, nach Norden zu reiten und eure Pferde wegzunehmen?«

»Wißt ihr denn, wo diese sind?« fragte er erschrocken.

»Wenn wir es nicht schon wüßten, würde Winnetou sie sicher finden. Uebrigens bist du nicht der einzige, der in unsere Hände geraten ist. Wir haben alle vierzig Yumas gefangen, welche zwischen hier und der Hazienda postiert waren; der »schnelle Fisch« ist auch dabei. Sobald ihr uns bedroht, werden sie erschossen.«

Solche Nachrichten hatte er nicht erwartet. Er blickte eine Weile sinnend vor sich nieder und sagte dann:

»Was Old Shatterhand spricht, kann man glauben; folglich ist es wahr, daß du unsere Brüder gefangen hast. Das konnte nur dir und Winnetou gelingen!«

»Also wirst du wohl einsehen, daß wir gar nicht nötig haben, uns Bedingungen des Friedens vorschreiben zu lassen. Ihr könntet euch übrigens hier gar nicht halten, denn die Wagen, welche ihr aus Ures erwartet, sind mit allem Proviant und der sonstigen Fracht auch von uns weggenommen worden.«

»Uff! So gibt es hier nichts zu essen. Wir haben nur noch auf zwei Tage Vorrat; ist dieser zu Ende, müssen wir, wenn die Wagen nicht kommen, entweder hungern oder die Gegend verlassen, in der es kein Wild gibt!«

»Ja, ihr seid hilfloser, als du bis jetzt gedacht hast. Ich bleibe also bei meiner Forderung, daß der Friede, welchen wir schließen werden, sich auch auf die Mimbrenjos erstreckt.«

»Und wenn ich mich weigere?«

»So wird das, was wir begonnen haben, seinen Verlauf nehmen. Wir haben nur noch Weller zu fangen; dann nehmen wir euch die Pferde weg, warten, bis der »starke Büffel« mit mehreren hundert Mimbrenjos kommt, und vernichten deinen ganzen Stamm. Du selbst aber wirst, da du der Mitschuldige Meltons bist, mit ihm und Weller dem Richter überliefert. Deine Strafe wird im günstigsten Falle darin bestehen, daß man dich auf viele Jahre in das Gefängnis sperrt.«

Ein freier Indianer, und jahrelang eingesperrt! Entsetzlicheres kann es gar nicht geben! Der Schreck fuhr ihm in alle Glieder, und die Folge davon war, daß er sich schnell entschied: