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Satan und Ischariot II

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Ich hörte es ihm an, daß er sich in die Zunge gebissen hatte; mein Hieb hatte ihm den unteren Kiefer gegen den oberen getrieben, und die Zunge war zwischen die Zähne gekommen.

»Redensart!« antwortete ich. »Ich möchte wissen, auf welche Art und Weise Ihr mir schaden könntet. Steht auf, und kommt mit mir!«

»Fällt mir nicht ein! Ich bleibe hier liegen, bis Ihr mich losgebt!«

»Diesen Wunsch könnte ich Euch ganz gut erfüllen. Ich brauchte Euch nur auch noch die Beine zusammenzubinden und Euch liegen zu lassen, bis Ihr verschmachtet oder bei lebendigem Leibe von den Geiern zerrissen werdet. Ich will aber menschlicher an Euch handeln, wenn es auch gegen Euren Willen ist. Also auf vom Boden, sonst helfe ich nach!«

Er blieb dennoch liegen; als ihm aber der Mimbrenjo den Kolben zwischen die Rippen stieß, sprang er fluchend auf und folgte uns, die wir die drei Pferde an den Zügeln führten. Als wir ihn zum Platze brachten, machte es mir große Mühe, die ihm zugedachten Mißhandlungen von ihm abzuwenden.

Wir banden ihm die Füße und legten ihn nieder, doch nicht neben Melton, damit sich beide nicht durch Worte verständigen möchten.

Die Yumas waren aus nächster Nähe Zuschauer des ganzen Vorganges gewesen. Daß ich mich den Kugeln Wellers ausgesetzt hatte, übergingen sie mit Schweigen; zu dem kleinen Mimbrenjo aber sagte die »listige Schlange«

»Mein junger Bruder wird ein tüchtiger Krieger werden. Es freut mich, mit ihm Frieden schließen zu können und mich aus seinem Feinde in seinen Freund zu verwandeln.«

Damit war die Beratung eingeleitet, welche nun beginnen konnte. Sie währte über zwei Stunden lang und führte zu einem Ergebnisse, welches mich vollständig befriedigen konnte. ich hatte Melton der »listigen Schlange« auszuliefern und nichts dagegen zu tun, daß Judith das Weib des Roten wurde. Dafür erhielt ich alle Zugeständnisse, auf welche ich angetragen hatte. Einen solchen Erfolg hätte ich, als ich mit dem kleinen Mimbrenjo hier ankam, für geradezu unmöglich gehalten. Natürlich wurde die Vereinbarung durch die Pfeife des Friedens beraucht, und als wir damit fertig waren, brachen wir nach dem Lager der Yumas auf, damit aus Rücksicht auf meine Sicherheit jeder der dort anwesenden Roten auch einen Zug aus der Pfeife tun sollte. War das geschehen, so konnte ich überzeugt sein, daß alle Punkte unseres Abkommens von ihnen mit größter Treue gehalten werden würden. Erst als auch das vorüber war, konnten wir an weiteres denken.

»Was wünscht nun mein weißer Bruder, was jetzt geschehen soll?« fragte die listige Schlange. »Wird der Häuptling der Apatschen mit denen, die bei ihm sind, zu uns kommen, oder werden wir zu ihm gehen?«

»Das letztere ist wahrscheinlicher. Ich muß erst mit meinen weißen Brüdern reden.«

Bevor ich dies tat, untersuchte ich die Brieftasche und die Börse Wellers. In der ersteren befanden sich fünftausend Dollars in denselben Papieren, welche auch Melton gehabt hatte, und in der letzteren nicht ganz fünfhundert Dollars in Goldstücken. Dann versammelte ich diejenigen männlichen Personen meiner Landsleute um mich, welche über das, was ich ihnen vorschlagen wollte, zu bestimmen hatten, nämlich die Familienväter und andern selbständigen Personen. Die übrigen sollten nicht hören, was ich vorzubringen hatte; wenigstens brauchten sie über den Geldpunkt nichts zu erfahren, denn dieser Punkt war ein für mich heikler, obgleich ich überzeugt war, das, was ich beabsichtigte, vor meinem Gewissen vollständig verantworten zu können. Natürlich durften auch Melton und Weller nichts davon hören.

Während sich diese Personen zusammenfanden, nahm ich Judith und ihren Vater auf die Seite und fragte die erstere:

»Ich weiß, was Sie da drüben an der Felsenecke mit dem Häuptlinge besprochen haben. Haben Sie Ihrem Vater etwas davon gesagt?«

»Ja,« antwortete er an ihrer Stelle. »Die Tochter meines Herzens hat mir erzählt von der Ehre, welche ihr zu teil wird sein, zu werden die Häuptlingin und Herrscherin eines großen roten Volkes von der Nation der Indianer.«

»Sind Sie denn damit einverstanden?«

»Warum sollte ich nicht? Ist doch dabei zu machen ein großer Gewinn für sie und auch für meine Person, denn wir werden sein angesehene und bedeutende Leute in Mexiko und Amerika.«

»Sie scheinen sich nicht ganz die richtige Vorstellung von der politischen Bedeutung eines Indianerstammes und der sozialen Stellung eines Häuptlings zu machen. Ich habe die Pflicht, Ihnen zu sagen, daß —«

»Sagen Sie nichts, sagen Sie gar nichts!« unterbrach er mich. »Ich bin der treue Vater meiner Judith und habe zu horchen nur auf das, was sie sagt und was sie will. Wir werden beherrschen einen Indianerstamm und meine Tochter kleiden können in Samt und Seide. Oder glauben Sie, daß der Häuptling sie mit dem Golde und den Edelsteinen belogen hat?«

»Nein. Es gibt hier zu Lande verborgene Schätze, welche die Nachkommen der alten Mexikaner mit ebenso großerTreue wie Verschwiegenheit hüten. Warum sollte der Häuptling nicht ein solches Geheimnis kennen? Er ist kein Lügner und wird sein Versprechen halten. Nur müssen Sie den richtigen Maßstab an dasselbe legen. Er ist ein Wilder und weiß wohl nicht recht genau, was er sich unter einem Schlosse oder einem Palaste vorzustellen hat. Wenn er von einer Elle redet, müssen Sie immer nur einen Zoll nehmen. Auch mangelt ihm diejenige

Bildung, welche allein Ihrer Tochter die Sicherheit gewährt, daß – —«

»Bildung, Bildung! Was ist Bildung!« unterbrach er mich wieder. »Warum soll er nicht haben Bildung, wenn er besitzt Geheimnisse über Gold und Edelsteine? Ist ein neues, seidenes Kleid keine Bildung? Hat derjenige, welcher einen Palast oder gar ein Schloß besitzt, nicht einen großartigen Verstand? Was steckt in einem Seminare, in einem Gymnasium, in einer Universität? Hölzerne Bänke zum Sitzen mit Tintenfässern zum Schreiben. Was ist das gegen die Möbel von Rokoko oder Renaissance, welche man in einem Schlosse findet? Nein, nein, der Häuptling besitzt eine Bildung, mit welcher ich als Schwiegervater außerordentlich zufrieden sein kann!«

»Wenn Sie so denken, will ich schweigen, zumal ich ihm versprochen habe, nicht gegen seine Absichten zu reden oder gar zu handeln. Ich wünsche Ihnen, daß Sie nicht enttäuscht werden. Was aber gedenken Sie vorerst zu tun? Ich stehe im Begriff, Ihren Gefährten den Vorschlag zu machen, die Sonora und überhaupt Mexiko zu verlassen.«

»Sie meinen, daß sie das tun werden?«

»Wenn sie klug sind, ja.«

»Warum wollen sie nicht bleiben? Soll ich mit Judith sein ganz allein unter den Indianern?«

»Was sollen die Leute bei den Yumas anfangen? Sollen sie verwildern? Es kann doch nicht jede die Frau und jeder der Schwiegervater eines Häuptlings werden! Sie haben gesehen, was sich dem deutschen Arbeiter hier bietet. Ich werde die Leute also über die Grenze nach den Vereinigten Staaten führen, und der Häuptling wird es nicht zugeben, daß Sie mitziehen.«

»Das ist ihm auch nicht zu verdenken. Wenn er hat

Gold und Silber hier im Lande und kann haben dazu eine junge, schöne Frau von reizender Tournüre und einen Schwiegervater, den er kann achten mit aufrichtiger Verehrung, was soll er sie da lassen fort oder gar selbst ziehen mit über die Grenze, wo nicht zu finden ist das Gold, welches liegt in seiner Gegend.«

»So werden Sie also bei den Yumas bleiben; das wollte ich wissen. Wie ich erfahren habe, sind Ihre Gefährten alle arm und mittellos herübergekommen, allein den Herkules und Sie ausgenommen. Ich hörte, daß Sie eine Geldsumme mitgebracht haben. Ist das wahr?«

»Freilich ist es wahr,« antwortete er eifrig. »Es war schönes, feines, echtes Geld in runden, schönklingenden Goldstücken, aufbewahrt in einer Börse, welche mir hat aus Seide gefertigt Judith, die Tochter meines Herzens.«

»Wie hoch war die Summe?«

»Vierhundertachtzig Dollars, um welche ich bin gekommen unterirdisch auf grausige Weise. Weller ist der Dieb, welcher ist Vater von Weller dem Sohne. Jetzt haben Sie den Dieb gefangen mit großer Tapferkeit; nun werden Sie haben die Güte, ihm abzuverlangen den Raub, durch welchen er mich hat gemacht elend in der Finsternis des Schachtes.«

»Ist dies die Börse?« fragte ich, indem ich sie aus der Tasche zog und ihm hinhielt.

»Sie ist‘s, sie ist‘s!« rief er jubelnd aus, indem er sie mir aus der Hand riß. »Ja, sie ist‘s! Ich werde sofort zählen das Geld, um zu sehen, ob ich bin worden bestohlen um eins oder einige von den goldenen Stücken.«

»Schreien Sie nicht so! Weller weiß noch nicht, daß ich ihm das Geld abgenommen habe, und braucht dies auch nicht sofort zu erfahren.«

Er ging, ohne mir ein Wort des Dankes zu sagen, mit seiner Tochter zur Seite und kauerte sich dort mit ihr nieder, wo sie zu zählen begannen; ich aber wendete mich um zu den andern. Ich hielt ihnen eine kurze Rede des Inhaltes, daß sie nichts Besseres tun könnten, als so schnell wie möglich die Gegend verlassen, und fuhr dann fort:

»Ich werde mit Winnetou von hier aus nach dem Rio Peso gehen, also nach Texas. Dort gibt es zwar traurige Gegenden, aber auch gutes Land in Menge und ein gesundes Klima dazu. Ich erbiete mich, Sie mitzunehmen. Beraten Sie sich, und sagen Sie mir dann Ihren Entschluß.«

Ich entfernte mich für einige Zeit, damit sie sich über meinen Vorschlag bereden möchten. Als ich zu ihnen zurückkam, sagte derjenige, den sie zum Sprecher ernannt hatten:

»Ihr Vorschlag ist ganz gut, und wir würden ihn gern befolgen, aber das ist nicht möglich. Zunächst können wir nicht fort, weil gegen Melton und Weller ein langwieriger Strafprozeß entstehen wird, bei welchem wir doch jedenfalls als Zeugen dienen müssen.«

»Ist nicht nötig. Melton liefere ich an die Yumas aus; sie werden ihm den Prozeß auch ohne Zeugen machen. Was Weller betrifft, so weiß man nicht, was noch passiert. Ich habe ihm mit meiner Kugel die Hand und den Vorderarm zerschmettert, was in diesem Klima für einen Weißen stets gefährlich ist. Außerdem bringe ich Polizei und einen Oberbeamten aus Ures mit, welche auf uns warten. Wenn Sie vor diesen Leuten Ihr Zeugnis abgelegt haben, werden Sie nicht mehr gebraucht. Welche Hindernisse gibt es noch?«

 

»Die wilde Gegend, durch welche wir wahrscheinlich müßten. Halten unsere Frauen und Kinder eine solche Wanderung aus?«

»Gewiß, wenn sie sich nur erst von den hiesigen Leiden erholt haben. Es ist nicht so schlimm, wie Sie denken. Der Marsch wird nicht schneller gehen, als sie vertragen können. Pferde verschaffe ich Ihnen von den Indianern. Außerdem habe ich mehrere Wagen mit Proviant und andern nützlichen Dingen bei mir. Sie werden keinen Hunger leiden.«

»Das läßt sich freilich hören; nun aber bin ich neugierig, was Sie zu dem Hauptpunkte sagen werden. Dieser lautet nämlich: Geld und wieder Geld!«

»Das ist das wenigste; das macht ganz und gar keine Schwierigkeiten.«

Noch nie im Leben hatte ich in Beziehung auf diesen Punkt mit solchem Gleichmute und solcher Befriedigung reden können, und es tat mir ordentlich wohl, auch einmal die Miene eines reichen Erdensohnes annehmen zu können. Aller Augen richteten sich erstaunt auf mich, und der Sprecher rief verwundert aus:

»Ganz und gar keine Schwierigkeiten? Ihnen vielleicht nicht, uns aber desto mehr. So aus dem Vollen heraus, wie Sie, können wir nicht reden. Wir haben nichts, und müßten doch gleich heute schon Geld brauchen.«

»Heute? Wieso?«

»Nun, Sie reden von Wagen voller Lebensmittel. Die müßten wir doch kaufen, und niemand würde sie uns schenken.«

»O, ich schenke sie Ihnen!«

»Wirklich? Das ist freilich etwas anderes. Wie aber steht es mit den Pferden, welche wir reiten sollen? Die bekommen wir doch nicht so leicht geschenkt wie den Proviant!«

»Allerdings nicht. Aber wir borgen sie. Gegen eine kleine Entschädigung, einige Geschenke, bekommen wir sie von unsern roten Freunden gern geliehen.«

»Wer zahlt die Entschädigung, wer kauft die Geschenke?«

»Ich.«

»Wetter noch einmal! Sie sind plötzlich reich geworden! Und als Sie zu uns auf das Schiff kamen, sahen Sie ärmer aus als wir.«

»Ich verstellte mich bloß. Ueberhaupt kann man reich sein, ohne Geld zu besitzen; es gibt verschiedene Arten von Reichtum. Doch weiter! Noch ein anderes Hindernis?«

»Es kommt nun das größte. Wieder Geld für das Land, von dem Sie sprachen. Das müssen wir doch kaufen?«

»Allerdings. Sie werden von mir Geld dafür bekommen.«

»Sind Sie etwa ein heimlicher Rothschild?«

»Ausnahmsweise heute einmal.«

»Dann sind wir freilich aller Sorgen los. Wir gehen mit Ihnen; Sie geben uns das Geld zur Ansiedelung; wir arbeiten tüchtig, zahlen die Zinsen pünktlich und werden dann mit der Zeit wohl auch das Kapital zurückgeben können.«

»Zinsen? Kapital zurückgeben! Sie befinden sich auf dem Holzwege. Ich mag keine Zinsen haben, und von der Zurückgabe des Kapitals will ich erst recht nichts wissen!«

Der Mann sah mich erstaunt an, blickte im Kreise herum, richtete das Auge dann wieder auf mich und fragte:

»Ja, habe ich denn richtig gehört?«

»Wahrscheinlich.«

»Das ist doch undenkbar! – Das wäre ja nichts anderes, als ein Geschenk!«

»Das soll es auch sein; ich schenke Ihnen das Geld und verlange es nicht zurück.«

»Aber sind Sie denn wirklich so sehr reich, daß Sie soviel entbehren können?«

»Ich bin im Gegenteile so arm, daß ich gar nichts entbehre, wenn ich so ein halbes Hunderttausend Thaler oder anderthalb Hunderttausend Mark verschenke, befinde mich aber glücklicherweise in der Lage, gegen fünfzigtausend Thaler unter Sie verteilen zu können.«

»Fünfzigtausend Thaler! Himmel, welch ein vieles Geld! Wo haben Sie das denn so plötzlich her?«

»Das sollen Sie später erfahren, vorher aber einige Fragen

Sie sind alle arm gewesen, haben aber doch wenigstens ein kleines Eigentum gehabt. Nicht wahr?«

»Ja. Einige hatten ein kleines Häuschen, wenn es auch nicht viel wert war; die andern besaßen wenigstens soviel, wie zu einer Arbeiterwirtschaft gehört, Betten, einige Möbel, Kleider und so weiter.«

»Das haben sie natürlich, weil man Sie fortlockte, verkauft. Wieviel haben Sie dafür bekommen?«

»Fast gar nichts. Wenn die Leute wissen, daß man fort muß und doch nichts mitnehmen kann, bieten sie nichts. Und was wir drüben für unsere Habseligkeiten bekamen, ist unterwegs vollständig draufgegangen.«

»Sie sind also nicht nur um Ihre Heimat, sondern auch um Ihre Habe gebracht worden. Hier hat man Sie unter falschen Vorspiegelungen ins Land gelockt und in ein Bergwerk gebracht, in welchem Sie ohne Lohn arbeiten, hungern, dürsten und krank werden sollten und nach kurzer Zeit elend gestorben oder vielmehr wie die Tiere verendet wären. Fühlen Sie sich für Ihre Leiden und Entbehrungen entschädigt, wenn Melton und Weller ins Strafgefängnis kommen? Bekommen Sie dadurch Ihre Heimat, Ihr Eigentum zurück?«

»Freilich nicht!«

»Ja, kein Gericht wird Sie entschädigen, Ihnen Schmerzens- oder Angstgeld zahlen. Was würde wohl geschehen, wenn ich mich Ihrer nicht annähme?«

»Wir müßten hier sterben und verderben. Für die Hazienda sind wir engagiert; dort gibt es aber keine Arbeit; an andern Orten finden wir auch keine; betteln würden wir nicht, und —«

»Würden Sie nicht?« fiel ich ihm in die Rede. »Sie müßten wohl, wenn Sie keine Arbeit hätten, denn Hunger tut weh; Sie würden aber nichts bekommen. Hier gibt es andere Verhältnisse und andere Menschen als drüben in der Heimat, wo man für die Armen sorgt und es überall tausend Menschen gibt, welche dem Bittenden eine Gabe reichen oder die hilfsbereite Hand entgegenstrecken. Ja, Sie würden hier sterben und verderben, und da ich selbst nichts übrig habe, ist mir die Hilfe für Sie nur dadurch möglich geworden, daß ich Dieb und Räuber geworden bin. Sie brauchen aber nicht vor mir zurückzuschrecken, denn ich habe nur Melton und Weller für Sie bestohlen, welche Sie in das Unglück gelockt haben. Nach dem Gesetze, welches ich in meinem Innern fühle, sind die beiden Menschen Ihnen volle Entschädigung und wohl auch noch mehr schuldig; sie hatten Geld bei sich; ich habe sie gefangen und müßte sie und ihr Geld nach den hier herrschenden Gesetzen dem Richter übergeben. Was würde die Folge sein? Das Geld würde verschwinden und die Schufte wahrscheinlich auch, um an andrem Orte wieder aufzutauchen und neuen Unfug zu treiben; Sie aber würden keinen Heller bekommen und hätten nichts, womit Sie Ihre Blöße bedecken und Ihren Hunger stillen könnten. Da ist mir denn das Gesetz in meinem Innern weit gerechter vorgekommen, als das andere, und ich habe nach den Paragraphen desselben die Sache für Sie in die Hand genommen, oder mit andern Worten, ich habe das Geld Meltons und Wellers in die Hand genommen, um Ihnen mit Hilfe desselben zu der Gerechtigkeit zu verhelfen, zu welcher ein anderer Richter Ihnen nicht verhelfen würde. Halten Sie das für unrecht?«

»Nein, nein, nein!« antwortete es im Kreise.

»Gut! Melton und Weller wissen jetzt noch nicht, daß ich ihr Geld habe. Der erstere hatte es vergraben und wird im Leben nicht erfahren, daß es fort ist. Hätte ich es nicht gefunden, so würde es noch nach hundert Jahren dort liegen. Ich werde beide Summen unter Sie verteilen.«

»Wieviel ist‘s, wieviel ist‘s?« hörte ich fragen.

»Weller hatte fünftausend und Melton eine Wenigkeit über dreißigtausend Dollars. Das ist etwas über neunundvierzigtausend Thaler oder hundertsiebenundvierzigtausend Mark.«

Rundum so tiefes Schweigen, daß man den Atem gehen hörte; dann wollte man in Freude aufjubeln; ich winkte aber energisch ab und sagte:

»Still! Kein Mensch außer Ihnen soll hören, was hier besprochen wird. Unsere Angelegenheit ist eine gerechte; aber andere würden sie wohl von einer Seite betrachten, in welcher sie in einem nicht so günstigen Licht erscheint. Auch der Jude braucht nichts davon zu erfahren. Er ist nicht so arm wie Sie; er hat sein Geld und wird bei den Yumas bleiben.«

»Er hat sein Geld?« fragte der Sprecher. »Weller hat es ihm doch genommen!«

»Ich nahm es ihm wieder ab und habe es an Jakob

Silberberg zurückgegeben. Sie sehen auch daraus, daß Weller das Geld raubte, daß das Eigentum dieser beiden Menschen sehr wahrscheinlich aus unlauteren Quellen stammt und wir uns keine Skrupel darüber zu machen brauchen, wenn Sie sich durch dasselbe entschädigen. Leider wird auf den Mann nicht soviel entfallen, wie Sie wohl denken werden und im stillen vielleicht schon ausgerechnet haben.«

»O, daran habe ich schon gedacht, und jeder von uns wird darüber ebenso denken, wie ich, daß Sie einen tüchtigen Anteil vorweg zu bekommen haben.«

»Ich? Dadurch wird die Summe um keinen Heller kleiner. Ich nehme nichts. Das wäre Diebstahl. Nein, es gibt andere Personen, welche wir auch bedenken müssen.«

»Andere? – Wer wäre das?«

»Der Haziendero. Er ist schwer geschädigt worden.«

»Er hat aber doch den Kaufpreis erhalten!«

»Einen lächerlich billigen Preis!«

»Und wird die Hazienda wiederbekommen, wenn er beweisen kann, daß der Käufer sie ihm niederbrennen ließ. Den Kaufpreis kann er dann als Entschädigung behalten. Ist das nicht genug für Ihn?«

»Wahrscheinlich. Es steht überhaupt noch nicht fest, daß ich ihm etwas geben werde; es kommt das ganz auf sein Verhalten an, welches mir bisher gar nicht gefallen hat. Dafür aber sind die andern Ansprüche, an welche ich denke, desto berechtigter. Melton hat nämlich bei einem Kaufmanne in Ures Waren bestellt, welche sich auf den von mir erwähnten Wagen befinden und von uns mitgenommen werden. Es ist bei der Ablieferung noch der Rest des Kaufpreises zu zahlen, und das werde ich tun, denn ich habe den Fuhrleuten versprochen, daß ihnen durch uns kein Schaden erwachsen soll; ich muß unbedingt Wort halten. Was noch übrig ist, das wird unter Sie verteilt.«

»Aber nach welchen Verhältnissen?«

»Wie ich denke, bilden Sie gegen dreißig verschiedene Parteien, von denen die eine zwar nur einen Kopf zählt, während die andere aus einer ganzen Familie besteht. Ein junger, alleinstehender Bursche kann unmöglich soviel beanspruchen, wie ein Familienvater mit Frau und mehreren Kindern. Wie gesagt, besprechen Sie sich darüber, und machen Sie mir dann Ihre Vorschläge. Aber behalten Sie diese Angelegenheit solange unter sich, bis wir diese Gegend, die Yumas und Mimbrenjos verlassen haben und uns in Chihuahua unter den Apatschen befinden. Wenn Sie nicht verschwiegen sind, kann uns leicht ein dicker Strich durch diese schöne Rechnung gemacht werden. Denken Sie, daß sehr wahrscheinlich jeder von Ihnen soviel bekommt, daß er sich drüben ankaufen und wohl auch, wenigstens für die erste Zeit, einrichten kann!«

Da trat der Sprecher zu mir heran, drückte mir herzlich die Hand und sagte:

»Was Sie da an uns tun, kommt uns so überraschend, daß wir Zeit brauchen werden, uns daran zu gewöhnen. Wie sollen wir Ihnen dafür danken!«

»Dadurch, daß Sie drüben fleißig arbeiten und Ihrer deutschen Abstammung Ehre machen. Ich habe keinen Dank zu erwarten, denn daß ich das Geld gefunden habe, hat der Zufall gefügt.«

Auch die andern reichten mir die Hände; von jetzt an gab es lebensfrohere Gesichter bei ihnen als bisher. Ich kehrte nun zu dem Häuptlinge zurück, welcher auf das Ende der Verhandlung gewartet hatte. Er wollte wissen, ob zu Winnetou geritten oder dieser geholt werden solle.

»Ich werde mit meinen Bleichgesichtern nach Chihuahua gehen,« sagte ich ihm. »Kann mein roter Bruder mir Pferde für sie geben?«

»Soviel Old Shatterhand braucht. Wir haben viele Pferde mit, welche als Packtiere gingen.«

»Und werden wir unbeschadet durch des Gebiet der Yumas kommen?«

»Meine Krieger werden euch gegen die andern Stämme beschützen, wenn diese dem Vertrage, welchen ich mit dir geschlossen habe, nicht beitreten sollten. Aber es wird schwer sein, den Transport der Bleichgesichter ohne langen Aufenthalt auszuführen, weil es an Speise fehlen wird.«

»Ich sorge für Proviant. Ich habe dir ja gesagt, daß die Wagen in meine Hände geraten sind. Wie steht es mit dem »großen Munde«? Erwartest du ihn hier?«

»Er wollte kommen, wenn die Herden von der Hazienda in Sicherheit gebracht worden sind.«

»So haben wir ihn heute und morgen noch nicht zu erwarten und können zu dem Häuptling der Apatschen reiten.«

»Meine Krieger haben ihre Pferde nicht hier.«

»Das ist auch nicht nötig, da nur du allein mich und den Mimbrenjo begleiten sollst.«

»Der Mimbrenjo soll auch mit? So vertraust du deine Bleichgesichter und die beiden Gefangenen ganz meinen Kriegern an?«

»Ja, du siehst, wie starken Glauben ich dir schenke. Gibt es hier kein Pferd für dich?«

 

»Außer dem, von welchem du vorhin Weller gerissen hast, befinden sich hier zwei, welche für Melton und mich bestimmt waren. Sie sind bei einem Wasserpfuhle an der Ostseite des Felsens versteckt.«

»So sende hin, um dir das schnellste holen zu lassen, da wir baldigst aufbrechen müssen, wenn wir Winnetous Lager noch vor Nacht erreichen wollen. Auf dem anderen Rosse kannst du einen Boten zu den Kriegern senden, welche Eure Pferde bewachen, damit sie erfahren, was geschehen ist und was sie zu tun haben. Sie müssen morgen abend mit sämtlichen Tieren hier sein, weil ich übermorgen früh den Ritt nach Chihuahua beginnen werde.«

Er war einverstanden, und bald wurde ihm das Pferd gebracht. Ich erklärte den Deutschen, wie sie sich während meiner Abwesenheit gegen ihre früheren Feinde und jetzigen Freunde zu verhalten hatten; der Häuptling tat dasselbe seinen Leuten gegenüber und gebot ihnen besonders, die Gefangenen nicht aus den Augen zu lassen. Dann ritten wir fort, begleitet von den Abschiedsrufen unserer Leute.