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Winnetou 3

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Alle sahen zurück, und Hoblyn rief:

»Der Capitano mit Conchez!«

»Wahrhaftig, er ist‘s! Schnell in den Wald hinein, und die Spuren verwischt!«

In zwei Minuten war dies geschehen. Alle wichen zurück, und nur ich blieb mit Winnetou an einer etwas weiter vorgeschobenen Stelle, in welcher es uns möglich war, die Nahenden zu beobachten, ohne von ihnen bemerkt zu werden.

Schon waren sie sehr nahe, und sicher wären sie um die Biegung geritten, wenn nicht grad jetzt die Comanchen ein Kampfgeschrei erhoben hätten, welches wie ein Geheul von wilden Tieren klang. Sie stutzten, lugten sorgfältig um die Ecke und führten dann ihre Pferde auf dieselbe Stelle, wo die unserigen gestanden hatten. Wir wichen zu unsern Gefährten zurück.

Hart hinter den Ankömmlingen standen zwei Ahornbäume eng beisammen; es gelang mir, mich bis zu ihnen anzuschleichen, um ihre halblaute Unterhaltung zu belauschen. Ich hatte dabei den Tomahawk für unvorhergesehene Fälle in der Hand.

»Es sind Comanchen,« meinte der Capitano. »Wir haben also nichts von ihnen zu befürchten. Nur müssen wir zuvor wissen, wer die beiden Weißen sind.«

»Es ist zu weit; man kann sie nicht erkennen.«

»Man könnte sich nach der Kleidung richten. Den Vorderen kenne ich nicht, und der Andere wird von den Häuptlingen verdeckt.«

»Capitano, seht Euch einmal von den vier Pferden den Goldfuchs an! Er hat einen Stutz, was in der Savanne und auf den Bergen eine Seltenheit ist. Was meint Ihr dazu?«

»Carajo, das ist der Fuchs des Leutnant!«

»Denke es auch! Dann wird der zweite Weiße kein Anderer sein als er.«

»Richtig! Jetzt beugt er sich vor. Siehst du die bunte Serape? Er ist es! Was ist zu tun?«

»Ja, wenn ich nur wüßte, was Ihr eigentlich mit ihm vorhabt, dann ließe sich vielleicht über die Sache sprechen.«

»Jetzt wird es allerdings notwendig, daß ich es dir sage. Ich habe nämlich das Beste von unsern Schätzen hier in dieser Gegend vergraben, weil ich es nicht im Hide-spot aufbewahren wollte, da es Einige unter uns gibt, denen ich nicht trauen kann. Den Ort, an welchem die Sachen liegen, kennt niemand, als ich und der Leutnant. Er hat seinen Vater erwartet und ihn – statt in unser Lager – hieher an den Rio Pecos bestellt; dies machte meinen Verdacht rege, und da er nach seinem letzten Ritt durch den Estaccado direkt hierherging, ohne mich erst aufzusuchen, so hatte ich die Überzeugung, daß er sich vorgenommen hat, uns den Schatz zu rauben. Mit den Indsmen ist er nur zufälligerweise zusammengekommen. Nun fragt es sich, ob wir gleich jetzt zu ihnen gehen und ihn bestrafen, oder ob wir ihm folgen und ihn auf der Tat ertappen.«

»Das letztere ist jedenfalls das Beste. Suchen wir ihn da unten auf, so ist es gar nicht möglich, ihm eine böse Absicht zu beweisen. Er wird ganz einfach sagen, daß er nur hergekommen sei, um seinen Vater zu holen, und wer weiß, was ihm dann noch für Wege offen bleiben, zum Ziele zu gelangen. Wir sind zu Zweien, er mit seinem Vater auch, und auf die Indsmen ist nie ein sicherer Verlaß.«

Conchez gab sich sichtlich Mühe, seinen Hauptmann von dem ersten Punkte abzubringen; es mußte ihm natürlich daran liegen, das Versteck kennen zu lernen.

»Recht hast du. Die Racurroh befinden sich auf einem Kriegszuge und werden sich nur einige Viertelstunden hier aufhalten; dann bricht Patrik sicherlich sofort auf. Er hat noch eine ziemliche Strecke zu reiten, ehe er zur Seite einbiegen kann, auf welcher sich der Ort befindet; ich aber weiß einen näheren Weg, auf dem wir vor ihm hingelangen. Er soll sicherlich nichts bekommen, wenn – wenn der Schatz überhaupt noch da ist.«

»Noch da ist? Wer sollte ihn denn weggenommen haben, da nur ihr Beide ihn kennt!«

»Hm, Sans-ear und Old Shatterhand, denen wir unsere letzte große Schlappe verdanken.«

»Die? Wie sollten denn diese Beiden hinter das Geheimnis gekommen sein?«

»Auf eine sehr einfache Weise. Ich wollte Hoblyn dem Leutnant nachschicken und war so unvorsichtig, ihm schon die nötigen Instruktionen zu geben. Er ist spurlos verschwunden, und ich kann den Gedanken nicht los werden, daß er gemeinschaftliche Sache mit den Jägern gemacht hat, um sich das Leben zu retten.«

»Hm, dann wäre es vielleicht am besten, wenn – —«

»Nun, wenn – —?«

»Wenn wir uns an die Comanchen wendeten.«

»Und ihnen unser Geheimnis mitteilten, so daß sie uns den Schatz abnehmen? Nein. Übrigens haben wir Zeit, uns die Sache noch zu überlegen, denn wie ich sehe, ziehen die Roten ihre Proviantsäcke hervor. Auch wir können einen Bissen essen. Hole das Fleisch!«

Wenn Conchez aufstand, um zu den Pferden zu gehen, mußte er mich unbedingt sehen; ich kroch also so schnell wie möglich zurück und kam auch wirklich kaum eine Sekunde zu früh aus dem Bereiche seiner Augen.

Bei den Gefährten angekommen, teilte ich ihnen das Ergebnis meines Lauschens mit.

»Von den drei Voyageurs, die mit dem Leutnant den Kaufleuten nachritten, haben sie zum Beispiel nichts gesagt?« fragte Sam. »Es müßte doch wohl einer davon bei Patrik sein!«

»Nichts. Vielleicht hat er diesen Einen ermordet, um freie Hand zu haben. Was aber tun wir mit diesen Beiden da?«

»Ruhig gehen lassen, Charley.«

Winnetou schüttelte den Kopf.

»Meine weißen Brüder mögen bedenken, daß sie nur einen einzigen Skalp haben!«

»Wer wollte uns ihn nehmen?« entgegnete Sam.

»Die Schlangen von Racurroh.«

»Wird ihnen nicht gelingen. Sie werden sich überhaupt bald davonmachen, denn sie befinden sich auf dem Kriegspfade.«

»Mein weißer Bruder ist ein kluger Jäger und tapferer Krieger, doch kennt er nicht die Wege der Comanchen. Diese roten Männer weiden in die Berge gehen zum Grabe ihres Häuptlings Tschu-ga-chat, wie sie es jedes Jahr tun an dem Tage, an welchem er getötet wurde von Winnetou, dem Häuptling der Apachen.«

Jetzt war es auf einmal erklärt, warum er diesen Trupp Comanchen verfolgte.

»Das ist ganz dasselbe,« meinte Sam. »Wenn sie auf einem solchen Wege gehen, werden sie sich zum Beispiel den Kuckuck um uns und die Stakemen kümmern.«

»Auch ich möchte mich nicht unnötigerweise mit Blut beflecken,« stimmte ich bei.

»Meine weißen Brüder mögen tun, was ihnen beliebt,« sprach der Apache. »Sie schonen den Feind, der ein Räuber und Mörder ist, und werden dafür ihr eigenes Blut geben. Der Apache hat gesprochen. Howgh!«

Es tat mir eigentlich leid, ihm entgegentreten zu müssen; aber es war heute bereits das Blut eines Menschen geflossen, und es widerstrebte meinen innersten Gefühlen, selbst gegen Mörder die Waffe zu richten, wenn dies nicht von erlaubter Notwehr geboten war.

Noch hing ich diesen Gedanken nach, als vom Lagerplatz der Comanchen her Rufe erschollen, welche auf ein plötzlich eingetretenes, unvorhergesehenes Ereignis schließen ließen. Wir bemerkten, daß auch der Capitano mit seinem Begleiter höchst aufmerksam wurde, und so pürschte ich mich in einem Bogen an den Waldessaurn, um die Ursache zu erfahren.

Als ich einen Punkt erreicht hatte, der mir einen sicheren Durchblick bot, sah ich die Comanchen dicht gedrängt am Ufer des Flusses stehen und einen Gegenstand betrachten, den ich nicht erkennen konnte. Dieser wurde nach einiger Zeit wieder in den Fluß gestoßen, und sämtliche Krieger bildeten einen Kreis um die zwei Häuptlinge und die beiden Weißen. Dann saßen alle plötzlich auf und setzten ihren Weg fort. Ich kehrte zurück.

»Was war es?« fragte Bernard.

»Sie haben etwas im Flusse gefunden, vielleicht gar Holferts Leiche.«

Winnetou horchte auf. Dann wäre unsere Anwesenheit ja verraten gewesen!

»Glaubt mein weißer Bruder, daß ein toter Mann so weit zu schwimmen vermag?«

»Unter Umständen, ja. Der Fluß ist hier tief und reißend und hat glatte Ufer, so daß sich nicht leicht etwas ansetzen kann.«

Ohne weiter ein Wort zu sagen, erhob er sich und verschwand nach links hinauf zwischen den Bäumen. Ich wußte, was er tun wollte. Er ging jedenfalls im Schutze des Waldes so weit stromauf, bis er nicht mehr gesehen werden konnte, und begab sich dann in das Wasser, um an Ort und Stelle zu schwimmen und sich zu überzeugen, welcher Gegenstand den Comanchen aufgefallen war.

Obgleich er der vortrefflichste Schwimmer war, den ich kannte, mußte ich mir doch sagen, daß dieses Unternehmen kein ungefährliches sei. Erstens konnte der Capitano mit Conchez aufbrechen und, von derselben Wißbegierde getrieben, an den Fluß gehen; zweitens konnten, was als sehr wahrscheinlich anzunehmen war, die Comanchen Verdacht geschöpft haben und schließen, daß, wo eine frische Leiche mit Schußwunde vorhanden ist, auch jemand da sein muß, der diese Wunde verursacht hat. In diesem Falle war anzunehmen, daß ihre Entfernung nur eine scheinbare wäre, und sie zurückkommen würden, um sich Gewißheit zu holen. Wenn es während eines Feldzuges bestimmte Regel ist, keine Festung unerobert oder wenigstens zerniert hinter sich zu lassen, so ist es im ›wilden Westen‹ ebenso gefährlich, nicht genau zu wissen, wen man im Rücken hat.

Die Strecke, welche Winnetou erst stromab und dann wieder aufwärts zu durchschwimmen hatte, mochte eine halbe Meile lang sein; er als guter Schwimmer konnte höchstens eine halbe Stunde brauchen, um diese Strecke zurückzulegen; zehn Minuten für den zu durchlaufenden Landweg dazu gerechnet. Noch aber war er keine Viertelstunde fort, so brach der Capitano mit seinem Begleiter auf. Wir konnten sie nicht zurückhalten.

Was ich vermutet hatte, geschah: sie ritten bis zum Rastplatz der Comanchen und wandten sich dann nach dem Flusse. Jetzt galt es, Winnetou, welcher jedenfalls da, wo er in das Wasser gegangen war, seine Kleider und Waffen abgelegt und höchstens nur das Messer bei sich hatte, zu beschützen; natürlich ohne mich dabei sehen zu lassen. Ich ergriff meine Büchse.

»Bleibt hier!«

Bei diesen Worten verließ ich unser Versteck und eilte, so schnell es mir der Wald gestattete, innerhalb des Saumes desselben abwärts, bis ich eine Stelle erreichte, von welcher aus ich den Ort bestreichen konnte, wo der fragliche Gegenstand wieder in das Wasser geworfen worden war. Noch aber hatte ich diesen Platz nicht eingenommen, als der Capitano seine Büchse erhob und in das Wasser feuerte. Er hatte nicht getroffen. Ich kannte die Behendigkeit Winnetous im Tauchen. Keine fünf Sekunden nach dem Schusse sah ich ihn wie einen Fisch emporschnellen, das Ufer erreichen und sich auf den Capitano stürzen. Da erhob Conchez den Karabiner. Ich konnte nicht anders, schießen mußte ich; aber sein Leben mußte ich schonen. Mit einer blitzschnellen Bewegung wandte sich Winnetou von dem Capitano ab, warf sich zu Conchez hinüber und schlug diesem in dem Augenblick, als er abdrücken wollte, den Lauf des Karabiners in die Höhe. Der Schuß ging in die Luft. Winnetou entriß ihm das Gewehr, nahm es beim Laufe, um es als Keule zu gebrauchen, und tat gerad zur rechten Zeit einen gewaltigen Seitensprung, denn der Capitano hatte bereits ausgeholt, um ihm von hinten einen Kolbenschlag zu versetzen.

 

Eben stand er im Begriffe, sich gegen Beide zugleich zu wenden, als von abwärts her ein lautes Geheul erscholl. Auch in Betreff des zweiten Punktes bestätigte sich meine Vermutung: die Comanchen waren nicht allzuweit fortgeritten und hatten daher den Schuß des Capitano vernommen; sie kamen im Galopp zurück.

Kaum hatte Winnetou sie bemerkt, so schlug er dem Capitano die Büchse, welche zum Glück nur einläufig gewesen war, aus der Hand, schleuderte den Karabiner weit in das Wasser hinüber und sprang in Sätzen, welche denen eines gehetzten Panthers glichen, stromaufwärts.

Ich wußte, daß er in dieser Weise volle zehn Minuten lang mit dem schnellsten Renner um die Wette zu laufen vermochte; er hatte mich diese Sprünge gelehrt, bei denen man, nicht laufend, sondern sich in weiten Sätzen durch die Luft werfend, den Schwerpunkt immer nur auf das eine Bein legt, welches gleichsam als Spannfeder dient, und dann, wenn dieses müde wird und zu zittern beginnt, auf das andere überwechselt. Er brauchte keine zehn Minuten, um zu seinen Kleidern zu gelangen, und dann war er sicherlich so klug, noch eine Strecke weiter zu fliehen, ehe er sich in den Wald wandte und unter dem Schutze desselben zu uns zurückkehrte.

Ich rannte so schnell wie möglich nach unserem Versteck.

»Rasch auf! Wir müssen fliehen!«

»All devils! Wohin zum Beispiel?« fragte Sam. »Dort kommen die Comanchen; die beiden Weißen sind auch dabei!«

»Das ist ein Glück! Sie werden an uns vorüberjagen und da oben genug zu tun haben, um die Fährte Winnetous zu finden. Schnell, die Pferde an den Rand! Sobald sie vorüber sind, jagt ihr aus allen Kräften flußab, und zwar auf ihrer eigenen Spur, daß sie später die eurige nicht zu unterscheiden vermögen. Ich bleibe zurück, um den Rückzug zu decken und den Apachen zu erwarten.«

»Du allein?« fragte Sam.

»Natürlich,« antwortete ich mit einem erklärenden Seitenblick auf Hoblyn, dem doch immerhin nicht zu trauen war. »Die Anderen sind nicht erfahren genug; ich muß sie dir übergeben!«

»Well, dann vorwärts; sie sind vorüber!«

Wirklich sprengte eben jetzt der letzte Comanche an uns vorbei; und nun befand sich die Waldecke zwischen uns und ihnen, so daß wir von ihnen nicht gesehen werden konnten. Während Sam mit den Andern davonritt, vertilgte ich unsere Spuren, so gut es sich tun ließ. Eben war ich damit fertig, als es im Unterholze raschelte. Winnetou stand vor mir.

»Uff! Die Schakals der Comanchen suchen die Spur des Apachen. Wo sind die Gefährten meines weißen Bruders?«

»Sie sind vorangeritten.«

»Die Gedanken meines Bruders sind stets klug. Die Bleichgesichter sollen nicht lange auf uns warten!«

Er legte eiligt seine Kleider an, die er bisher in der Hand getragen hatte, und zog dann sein Pferd in das Freie. Ein Blick nach aufwärts belehrte mich, daß wir vor den Comanchen jetzt noch sicher waren, und darum fragte ich:

»Was hat mein roter Bruder im Flusse gefunden?«

»Die Leiche des Bleichgesichtes. Winnetou hat heut zweimal gehandelt wie ein Knabe, der keine Gedanken hat; aber er fürchtet sich nicht, und seine weißen Brüder werden ihm verzeihen!«

Das war ein Eingeständnis, welches der stolze Apache sicher keinem Anderen als nur mir allein gemacht hätte. Ich antwortete nicht darauf, denn er brauste auf seinem Renner bereits wie ein Sturmwind dahin, so daß ihm mein Mustang kaum zu folgen vermochte.

Da, wo unser Weg rechtsab in die Berge führte und also von der Fährte der Comanchen abzweigte, hielten die Unsrigen. Sam war abgestiegen, um unter Mithilfe der übrigen die Füße der Pferde zu umwickeln. Es mußten zu diesem Zwecke einige aus dem Hide-spot der Stakemen mitgenommene Decken zerschnitten werden. Dann ging es vorwärts, in die Schlucht hinein, Winnetou hinterher zu Fuße, um die ja noch entstehenden Spuren zu verwischen.

Als wir die erste Krümmung der Schlucht hinter uns hatten, blieb ich halten.

»Bernard, nehmt mein Pferd beim Zügel, bis ich nachkomme!«

»Was willst du tun, Charley?« fragte Sam.

»Hier bleiben, um abzuwarten, was die Roten anfangen werden.«

»Well, das ist gut! So werden wir ja erfahren, ob sie hinter unsere Schliche kommen.«

Die Gefährten ritten weiter, während ich in die Büsche kroch. Ich hatte noch nicht lange dagelegen, so vernahm ich schon Hufschlag. Die Comanchen kamen zurück, aber es war nicht der ganze Trupp, sondern nur die Hälfte. Wo waren die Andern? Ich sah auch die beiden Morgans; der Capitano und Conchez fehlten. Die Indsmen kamen sehr langsam geritten und hielten den Blick auf den Boden gerichtet. Da, wo wir abgestiegen waren, um die Hufe zu umwickeln, hielten sie an, Der eine Häuptling, welcher sich bei ihnen befand, sprang plötzlich vom Pferde, bückte sich nieder und nahm einen Gegenstand von der Erde auf, den ich nicht erkennen konnte. Er zeigte ihn vor; der Boden wurde genauer untersucht. Man hielt eine Beratung, und dann trennten sich die beiden Weißen und der Häuptling von dem Trupp, um zu Fuß in die Schlucht einzudringen.

Mit scharfen Augen selbst das scheinbar Bedeutungslose untersuchend kamen sie näher; es waren gefährliche Augenblicke für mich. Doch, dank unserer Vorsicht, bemerkten sie nicht das geringste Zeichen von unserer Anwesenheit. Im Vorübergehen erblickte ich den fraglichen Gegenstand in der Hand des Häuptlings. Es war ein wollener Faden, der beim Zerschneiden der Decken von einem der Unsrigen achtlos zur Erde geworfen worden war; es hing also hier ganz wörtlich unser aller Leben nur an einem Faden.

Sie schritten noch ein Stück in die Schlucht hinein, dann kehrten sie um. Sie hatten die Überzeugung gewonnen, daß hier kein Mensch geritten oder gegangen sei, und hielten also ein Schweigen nicht mehr für unbedingt geboten.

»Hier war niemand,« hörte ich Fred Morgan sagen; »die Pferdespuren waren also unsere eigenen.«

»Aber wer war die Rothaut, und wer waren die beiden Weißen, die wir noch nicht gefunden haben?« fragte sein Sohn.

»Das werden wir bald erfahren, denn entgehen können sie uns unmöglich. Der Rote war nackt, drum konnte man nicht erkennen, zu welchem Stamme er gehört.«

»Er hat uns keinen schlechten Dienst erwiesen, wenn die Leiche wirklich dieser Holfert war, von dem du mir erzählt hast.«

»Er war‘s. Aber wie kam der Indianer an die Stelle, wo wir so lange lagerten? War er bereits vorher dort, oder kam er später hin? Ich glaube – – —«

Mehr konnte ich nicht hören, denn sie waren nun wieder an mir vorüber. Aus dem Gehörten aber konnte ich entnehmen, daß wir uns zunächst in Sicherheit befanden, und daß der Capitano es vorgezogen hatte, sich den Comanchen nicht zu zeigen. Dies geschah jedenfalls aus dem Grunde, weil es nur in diesem Falle ihm möglich war, den Leutnant auf der Tat zu ertappen. Freilich schien es mir sehr fraglich, ob es ihm und Conchez gelingen werde, den scharfen Augen der Comanchen zu entgehen.

Jetzt erreichten die drei Späher ihren Trupp wieder, welcher auf einen kurzen Befehl des Häuptlings umschwenkte und hinter den Bäumen verschwand. Ich hatte somit meine Absicht erreicht und eilte den Gefährten nach, welche bereits eine solche Strecke zurückgelegt hatten, daß ich erst nach einer halben Stunde zu ihnen stieß. Winnetou sah mich fragend an, und ich berichtete, was ich gesehen hatte.

»Well,« meinte Sam, »so ist es uns zum Beispiel gelungen, ihnen ein Schnippchen zu schlagen.«

»Die Söhne der Comanchen haben Augen und sehen nicht, und ihre Ohren sind verstopft, daß die Schritte ihrer Feinde sie nicht hören. Meine weißen Brüder mögen den Pferden ihre Mokassins abnehmen!«

Dieser Mahnung Winnetous wurde gern Folge geleistet, da es den Tieren außerordentlich hart ankam, mit den umwickelten Hufen die Beschwerden des Weges zu überwinden.

Es war ein böser Ritt, eine ungebahnte, von Felstrümmern übersähte Schlucht entlang, worin Bäume lagen, welche das Alter oder der Sturm von beiden Seiten herabgestürzt hatte. Je weiter wir kamen, desto wilder ward die Gegend, bis wir gegen Abend die Höhe des Gebirgzuges erreichten, welcher sich parallel mit der Sierra von Nord nach Süd erstreckt. Wir ritten jenseits desselben hinab und erreichten, als die Sonne sank, einen vortrefflichen Lagerplatz.

Der Abend und die Nacht verflossen in ungestörter Ruhe, und ein kurzer Rekognitionsritt, welchen ich am Morgen nach rückwärts unternahm, bestärkte mich in der Überzeugung, daß wir unverfolgt geblieben seien.

Jetzt ging es weiter, und zwar auf einer Bodengestaltung, wie ich sie früher am Colorado getroffen hatte. Der Wald hörte nach und nach auf, da es an Wasser zu mangeln begann. Es gab eine Menge trockener Flußbetten. Alle waren gewaltig tief eingeschnitten und gaben von der Gewalt der Wasser, die früher hier geflossen waren, ein redendes Zeugnis. Sobald man sich einem dieser netzförmig unter sich verbundenen Flußbetten näherte, gewahrte man das gegenüberliegende Ufer als eine Abschattung desjenigen Bodens, auf welchem man sich befand. Je weiter man kam, desto deutlicher trat der vorher bemerkte Strich hervor, bis man beinahe urplötzlich vor einem tiefen Abgrunde stand, dessen Furchtbarkeit zwar dadurch gemildert wurde, daß es auf seiner Sohle ebenso wie oben tageshell war, der aber vermöge der Steilheit seiner Wände den Reisenden ein sehr schwer zu überwindendes Hindernis bot.

Betrachtet man diese Täler genauer, so findet man, daß während der Regenzeit ihre ganze Breite mit Wasser angefüllt sein muß; denn zu beiden Seiten ist der Wasserstand unverkennbar in verschiedenen Höhen markiert. Hier sieht man prachtvoll übereinander gelagerte Felsen mit so malerischen oder grotesken Umrissen, daß man den Bleistift gar nicht aus der Hand legen möchte. Es türmen sich Pyramiden und kubische Massen, es bauen sich gewaltige Säulen und Bogen auf- und übereinander, und das Wasser hat stellenweise so eigentümliche Rundungen ausgehöhlt, so wunderbare Konturen, man möchte sagen Verzierungen, ausgewaschen, daß man sich kaum des Gedankens erwehren kann, dieselben seien von Menschenhänden gemacht.

Der Boden dieser Flußbetten muldet sich nach der Mitte zu nur sehr wenig aus, und nur selten ist es möglich, von dem hohen Ufer hinabzugelangen, man müßte denn ein sehr guter Kletterer sein. Aber das Hochland ist nach allen Richtungen hin so durchfurcht, daß man, an dem Ufer eines solchen trockenen Flußbettes fortgehend, sehr bald zu einem Seitentale gelangt, durch welches man in das Hauptbett zu kommen vermag. Da sich nun dasselbe gewöhnlich in einer bestimmten Richtung fortzieht, so kann es recht gut als Straße dienen und bietet vermöge seiner tiefen Lage dem Reisenden den Vorteil, daß er von keinem anderen Punkte als nur vom Ufer aus bemerkt werden kann. Natürlich ist damit zugleich der Nachteil verbunden, daß auch er einen Feind nicht eher bemerkt, als bis er ihn unmittelbar vor sich hat.

Wir folgten einem solchen Tale in stets westlicher Richtung. Je weiter wir darin vorwärts kamen, desto mehr verlor es seine ursprüngliche Tiefe, desto weniger mündeten Seitentäler ein, und endlich sahen wir vor uns die bewaldeten Höhen der Sierra Rianca aufsteigen.

Am Fuße des Gebirges trafen wir wieder auf zahlreiche Wasserläufe, welche alle dem Rio Pecos zuströmten, und unter ihnen befand sich auch der, der in dem von uns gesuchten Tale seinen Ursprung nahm.

Am späten Nachmittag erreichten wir dieses Tal. Es hatte die Länge von ungefähr anderthalb englischen Meilen und die durchschnittliche Breite von einer halben Stunde. Rings war es von waldbesetzten Höhen eingefaßt und zeigte längs des Wassers auf seiner Sohle eine saftig grüne Trift. Leider durften wir unsere Tiere hier nicht weiden lassen, sonst wäre unsere Anwesenheit sofort verraten gewesen.

 

»Ist dieses Tal auch ganz sicher das gesuchte?« fragte ich Hoblyn, da ein Irrtum sehr leicht möglich war.

»Ich bin meiner Sache sicher, Sir. Da oben unter jener Wintereiche habe ich mit dem Capitano mein erstes Nachtlager gehalten.«

»Ich schlage vor, eines der nächsten Täler aufzusuchen, um unsere Pferde dort weiden zu lassen; es könnte eine Wache bei ihnen zurückbleiben, und wir hätten hier freie Hand.«

»Klingt ganz gut,« meinte Sam; »aber kann nicht der Fall eintreten, daß wir unsere Tiere plötzlich brauchen? Ich gebe meine Tony nicht so weit weg!«

»Well, so müssen wir im Walde nach einem versteckten Plätzchen suchen. Ich will mit Bob diese Seite absuchen, während Winnetou die andere Seite begeht. Ihr Übrigen wartet, bis wir zurückkommen.«

Ich stieg ab, nahm meine Büchse und schritt mit dem Neger in den Wald hinein. Dieser stieg ziemlich steil an der Seite des Tales empor, und es war wegen der umgestürzten Bäume und der zahlreich zerstreuten Felsblöcke nicht leicht, die Pferde hier heraufzubringen. Wir gingen nicht nahe, sondern in einiger Entfernung parallel miteinander fort und hatten wohl die zurückzulegende Strecke bereits halb hinter uns, als ich plötzlich Bob einen lauten Schrei ausstoßen hörte.

»Massa, oh, ah, Massa kommen schnell, schnell!«

Ich wandte mich zu ihm und sah, wie er zum Stamm einer niedrigen Blutbuche sprang, den untersten Ast derselben erfaßte und sich emporschwang.

»Was gibt‘s, Bob?«

»Massa kommen schnell, helfen Nigger Bob! O nein, nicht kommen, sondern laufen und holen all, viel‘ ganz‘ Leute, um machen tot das Ungetüm!«

Ich brauchte nicht zu fragen, welches Ungetüm er meinte. denn ich sah es eben jetzt durch das Unterholz brechen. Es war ein grauer Bär, einer von der liebenswürdigen Sorte, welche der Jäger Grizzly nennt.

Ich habe den Löwen in der Wildnis jene Laute ausstoßen hören, welche der Araber mit dem Worte ›Rad‹, d. i. Donner, bezeichnet; ich habe den bengalischen Tiger brüllen hören, und das Herz ist mir, wenn auch die Hand nicht zittern durfte, dabei unruhig geworden; aber das tiefe, heisere, heimtückische, dämonische Brummen des grauen Bären schneidet durch Mark und Bein und verursacht selbst dem Beherzten ein Gefühl, als wenn ihm die Zähne ›eilig‹ würden, nur daß einem diese Empfindung nicht bloß durch die Zähne, sondern durch den ganzen Körper läuft.

Vielleicht noch acht Schritte von mir entfernt, richtete er sich auf den Hinterfüßen empor und riß den Rachen auf. Er oder ich – einer mußte sterben. Ich zielte auf das Auge und drückte ab, hielt in demselben Augenblick auf das Herz und gab den zweiten Schuß. Die Büchse wegwerfend, zog ich das Messer und sprang zur Seite, um so besser stoßen zu können. Das riesige Tier schritt kerzengrad auf mich zu, als seien beide Kugeln an ihm vorübergegangen – zwei, drei, fünf, sechs Schritte, und eben holte ich zum Stoße aus, als er die erhobenen Vordertatzen sinken ließ, ein beinahe heulendes Grunzen ausstieß, wohl eine Minute lang stehen blieb und dann wie unter einem gewaltigen Keulenschlage zusammenbrach. Die eine Kugel war ihm in das Gehirn und die andere in das Herz, also beide mitten in das Leben hineingedrungen. Ein Panther oder Jaguar wäre unter gleichen Verhältnissen wie eine Katze zusammengezuckt. Mein Grizzly war ruhig weitergegangen – nur noch zwei Schritte, und ich wäre verloren gewesen.

»Oh, ah, gut, schön!« rief Bob vom Baume herunter. »Bär richtig tot sein, Massa?«

»Ja; komm herunter!«

»Aber auch gewiß tot sein, Massa? Nicht fressen Nigger Bob?«

»Er ist ganz tot.«

So schnell, wie er hinaufgekommen war, kam Bob wieder herab; doch als er näher trat, zögerte sein Fuß. Ich selbst beugte mich mit aller Vorsicht zu dem Tiere nieder und stieß ihm mein Messer wiederholt zwischen die bekannte zweite und dritte Rippe.

»Oh, ah, groß Bär, sein mehr groß als ganz Bob! Kann Bob essen Bär?«

»Ja; die Tatzen und die Schinken sind delikat.«

»Oh, Massa geben Bob auch Tatzen und Schinken, denn Nigger Bob sein sehr ganz viel gern delikat.«

»Bekommst dein Teil wie jeder Andere. Doch warte hier; ich komme gleich wieder!«

»Bob warten hier? Oh, wenn nun Bär bekommen wieder Leben!«

»Dann springst du wieder auf den Baum!«

»Wenn Massa gehen, dann Bob lieber gleich springen auf Baum!«

Wirklich saß er einen Augenblick später abermals oben auf dem Aste. Der gute Bob war kein Hasenfuß; er hielt menschlichen Feinden gegenüber recht wacker Stand; einem Grizzly aber war er noch nicht begegnet, und so konnte ich ihm seine weise Vorsicht auch nicht übel deuten.

Ich suchte zunächst die Umgebung ab, um zu sehen, ob ich es nur mit einem einzelnen Bären, oder mit einer Familie zu tun hatte. Ich fand die Spuren nur dieses einen Tieres und konnte also ruhig sein. Übrigens blieben Bob und ich nicht lange allein. Man hatte natürlich meine Schüsse gehört und war, da man nicht wußte, wen ich gegen mich hatte, dem Orte zugeeilt, an welchem sie gefallen waren.

Alle erklärten das Tier für eines der größten, die man bisher gesehen hatte, und Winnetou bog sich nieder, um seinen Medizinbeutel in das Blut desselben zu tauchen.

»Mein weißer Bruder hat gut getroffen; die Seele des Bären wird ihm danken, denn sie ist nicht gemartert, sondern schnell erlöst worden und darf nun gehen in die ewigen Jagdgründe ihrer Väter!«

Die Indianer glauben nämlich, daß in jedem grauen Bären die Seele eines berühmten Jägers wohne, die hier eine Läuterung, eine Art Fegfeuer zu erleiden habe. Er half mir, das Tier aus dem Felle zu bringen und die wertvollsten Fleischteile desselben abzulösen. Das Übrige wurde so mit Zweigen, Steinen, Moos und Erde bedeckt, daß wir hoffen konnten, es werde kein Geier angezogen werden, der uns sehr leicht verraten konnte.

Der Apache hatte drüben auf der andern Seite des Tales bereits ein für uns und unsere Pferde geeignetes Versteck entdeckt, welches wir jetzt aufsuchten. Da es noch heller Tag war, so konnten wir es wagen, ein Feuer anzumachen und an demselben die saftigen Bärentatzen zu braten. Trefflich war denn auch die Mahlzeit.

Als es dunkel wurde, wickelten wir uns in unsere Decken und suchten, nachdem die Wachordnung bestimmt war, die Ruhe. Diese erlitt keine Störung, und selbst der größte Teil des nächsten Vormittags verging, ohne daß unsere Aufmerksamkeit durch irgend etwas Besonderes in Anspruch genommen ward.

Wir hatten am Eingange des Tales einen Posten aufgestellt; um die angegebene Zeit war Sam damit betraut. Er hatte noch nicht lange seinen Vordermann abgelöst, als er wieder zurückkehrte.

»Sie kommen!« meldete er.

»Wer?« fragte ich.

»Ja, das kann ich zum Beispiel noch nicht genau sagen, weil sie erst näher kommen müssen.«

»Wie viele sind es?«

»Zwei, zu Pferde.«

»Laß sehen!«

Ich eilte der bezeichneten Stelle zu und erkannte mit Hilfe meines Fernrohres die beiden Morgans, welche allerdings noch eine Viertelstunde zu reiten hatten, bis sie das Tal erreichten. Alle Spuren unserer Anwesenheit waren bereits sorgfältig vertilgt worden, und da wir ihnen außerdem an der Zahl überlegen waren, so konnten wir ihre Ankunft in aller Gemütsruhe erwarten.

Eben wollte ich mit Sam zurückkehren, als ich es über uns in den Büschen krachen hörte. War es vielleicht wieder ein Bär? Ein sorgfältigeres Horchen überzeugte uns, daß es zwei Wesen sein mußten, die sich bergabwärts uns näherten.

»All devils, Charley, wer mag das sein?«

»Werden es gleich sehen. Schnell zwischen die Sträucher!«

Wir verbargen uns, so daß uns die Zweige zwar vollständig deckten, wir aber sofort wehrfertig waren, wenn es sich ja um wilde Tiere handeln sollte. Einige Minuten später erkannten wir, daß wir es mit keinem Wild, sondern mit zwei Männern zu tun hatten, welche ihre Pferde nach sich zogen. Und diese zwei waren – der Capitano und Conchez. Ihre Tiere sahen außerordentlich mitgenommen aus, und auch die Reiter zeigten in ihrem ganzen Äußern, daß sie eine schlimme Reise hinter sich haben mochten.