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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Sir, Ihr gebt doch wohl zu, daß Ihr darauf ausgegangen seid – – »

»Euch eine Lektion zu erteilen?« unterbrach ich ihn. »ja, das wollte ich allerdings.«

»Nun gut! Es ist geschehen. Dabei soll und muß es aber nun sein Bewenden haben! Wir machen nicht mehr mit!«

»Ich auch nicht! Ist überhaupt gar nicht nötig! Wir werden ja gleich fertig sein!«

»Noch nicht ganz. Denn auf dieses Pferd kommt Ihr nicht!«

Er ging von vorn auf den Hengst zu, um ihn am Zügel zu fassen; ich aber war schneller als er. Das Pferd, welches ihn kommen sah, dachte, er wolle in den Sattel. Es wendete ihm Kopf und Brust zu und schnaubte ihm drohend entgegen. Das benutzte ich. Mit einigen schnellen Schritten kam ich von hinten – – ein kräftiger Ansatz, ein Sprung, ein Schwung, und ich saß oben. Nun aber schnell in die Bügel und an die Zügel! Da ging der Schimmel auch schon mit allen Vieren in die Luft. Der Peon war gezwungen, auf die Seite zu springen, um nicht von den Hufen getroffen zu werden.

»Hund!« brüllte er mich an. »Das sollst du mir büßen!« Und zu seinen Kameraden gewendet, fügte er hinzu: »Kommt schnell hinein in den Hof! Die Abmachung darf nichts gelten! Er muß sie alle wieder herausgeben, sie alle!«

Er rannte mit ihnen fort. Da ich nun einmal auf dem Pferd saß, konnten sie mich nicht mehr daran hindern, nun auch den letzten Sprung noch auszuführen. Es galt also nur noch, mich um den wohlverdienten Ertrag meiner Mühe zu bringen. Darum beeilten sie sich, mir womöglich noch vorauszukommen. Sie waren nämlich überzeugt, daß dieses letzte Pferd mir nicht so willig gehorchen werde wie die beiden vorangehenden. Aber da irrten sie sich. Nun ich einmal fest im Sattel saß, unternahm es keinen Versuch, mich abzuwerfen. Das war die Wirkung der indianischen Kleidungsstücke. Aber es hatte mich trotz derselben doch wiedererkannt. Es wußte, daß ich kein Roter, sondern ein Weißer sei, und darum zögerte es. Ich hütete mich, es durch die Sporen zu zwingen. Ich gab vielmehr gute Worte. Weil ich der Ansicht war, daß es einer Dakotakreuzung entstamme, versuchte ich es erst in dieser Sprache, und zwar mit den bei den Dakotastämmen gebräuchlichen Anfeuerungsworten für Pferde:

»Schuktanka waschteh, waschteh! Tokiya, tokiya – sei gut, sei gut, liebes Pferd! Lauf, lauf; geh weiter!«

Diese Aufforderung war ohne allen Erfolg. Ich setzte den Versuch also im Apatsche fort:

»Yato, yato! Tatischah, tatischah – – sei lieb; sei gut! Lauf, lauf!«

Es spitzte die Ohren und wehte mit dem Schwanz. Es kannte als diese Worte, die aber noch nicht die richtigen waren. Darum probierte ich es nun mit dem Komantsche:

»Ena, ena! Galak – – geh weiter; geh —

Ich hielt mitten in diesem Zuruf inne. Ich hatte nicht nötig, ihn zu vollenden, denn der Hengst stieß einen tiefen Ton der Freude aus und begann sofort, mit allen Hufen zu spielen. Und da kam mir eine Idee, die eigentlich weit hergeholt erschien, sich aber dann später als wahr erwies. Es fiel mir nämlich der edle, dunkle Rotschimmel ein, den mein Freund Apanatschka, damals noch Häuptling der Naiini-Komantschen, mit großer Vorliebe geritten hatte. Ich habe dieses Pferd in »Old Surehand« Band 3 Seite 51 erwähnt und beschrieben. Und ich wußte, daß sowohl Apanatschka als auch Old Surehand sich große Mühe gegeben hatten, diesen schönen Komantschenschlag mit Winnetous Lieblingen und besten Dakotatrabern zu vereinen, um Pferde zu ziehen, in denen die Vorzüge dieser drei Rassen zusammenflossen. Dieses Vorhaben war gelungen. Sie besaßen nun Beide mehrere große Züchtereien, deren bedeutendste drüben am Bijou-Creek liegt, der ein Nebenfluß des südlichen Platte ist. Dort hatte Old Surehand sich zu den Wirtschaftsgebäuden ein Wohnhaus bauen lassen, in dem er einige Monate des Jahres zuzubringen pflegte. Dieser mit sehr gutem Geschmack eingerichtete Landsitz war gemeint, als er mir in seiner Mitteilung schrieb: »Betrachte mein Haus als das Deinige, auch wenn wir nicht daheim sind.« Sollten die drei Fliegenschimmel von dorther kommen? Vielleicht auch die Maultiere? Sollten die sechs sogenannten »Künstler« samt ihren Peonen Pferdediebe sein? Unmöglich war das keineswegs. Trinidad ist seines Pferdehandels wegen weithin bekannt und für derartiges Gesindel ein ebenso bequemer wie gesuchter Ort, die geraubte Ware an den Mann zu bringen.

Das alles fuhr mir jetzt blitzschnell durch den Kopf, ohne daß ich aber Zeit hatte, den Gedanken festzuhalten und weiterzubewegen. Der Fliegenschimmel begann, wie bereits gesagt, mit allen vier Hufen zu tänzeln und zu spielen. Seine beiden Freunde und Verwandten waren fort. Er wollte ihnen nach, wollte zu ihnen. ich nahm ihn fest zusammen und legte ihn dann in Galopp, aber nur bis an die Mauer. Da blieb ich halten. Er bat in tiefknurrenden Tönen, ihn doch hinüber zu lassen. Das hatte ich hören wollen. Er war nicht stumm; er sprach! Nun erfüllte ich seinen Wunsch. Die Mauer wurde, wie der Reiter vorn Fach sich auszudrücken pflegt, von dem Hengst »mit höchster Eleganz genommen«.

»Gewonnen, gewonnen! Die Pferde sind sein, sind sein!« ertönte ein vielstimmiger Ruf.

Pappermann war schleunigst hinter mir hergerannt. Ich übergab ihm das Pferd, um es zu den anderen in den Hof zu schaffen.

»Halt! Dableiben!« rief Howe ihm befehlshaberisch zu. »Der Hengst gehört uns, und die anderen alle auch. Sie müssen wieder herein, hierher, zu uns!«

Er griff nach den Zügeln. Da trat ich zu ihm heran und antwortete:

»Hand ab vom Gaul! Ich zähle bis drei: Eins – – zwei – – drei – —! »

Er ließ nicht los. Darum stieg ich ihm bei »drei« die Faust in die Seite, daß er mitten unter seine Kameraden hineinflog und dann zur Erde stürzte. Er wollte sich augenblicklich aufraffen, um mir diesen Stoß schleunigst zu vergelten brachte dies aber nicht fertig. Er konnte sich nur langsam wieder erheben, und ehe dies geschah, hatte sich schon ein Anderer seiner Sache angenommen, nämlich der Peon, von dem ich ein »Hund« genannt worden war. Er kam mit geballten Fäusten auf mich zu und schrie:

»Schlagen, schlagen willst du auch? Das soll dir wohl nicht gut – – —«

Er kam nicht weiter. Er wurde von dem neuen Wirt unterbrochen, welcher soeben in den »Garten« trat, gefolgt von einigen robusten, muskelstarken Männern, die er sich schnell zusammengewinkt hatte, um grad im entscheidenden Augenblick mit ihnen dazwischen zu treten.

»Still, still! Haltet den Schnabel!« überschrie er den Peon. »Hier kommt das Essen! Die Suppe! Macht eure Sache aus, wenn gegessen worden ist! In meinem Hotel ist es nicht erlaubt, sofort mit allen Fäusten dreinzuschlagen! Sondern hier heißt es, erst die Henne und dann das Geschäft!«

Der Mann war pfiffig. Um den Peon zu beruhigen, warf er die Schuld zunächst auf mich, winkte mir dabei aber mit den Augen die Bitte zu, mir das »sofort mit allen Fäusten dreinschlagen« nicht etwa zu Herzen zu nehmen. Während die anderen hinter ihm die Teller und Bestecke brachten, trug er die Terrine mit der Hühnersuppe. Er griff während seiner Worte hinein, zog die alte, ausgekochte Henne an einem Beine heraus und hob sie so hoch empor, daß jedermann sie sehen könnte. Was er so klug berechnet hatte, das geschah. Aus den anliegenden Höfen und »Gärten« scholl ein lautes Gelächter zu uns herüber, und eine Menge von lustigen Stimmen rief durcheinander:

»Ganz richtig! Ganz richtig! Erst die Henne und dann das Geschäft! Vivat die Henne! Sie lebe hoch!«

Das wirkte.

»Well!« rief der Peon. »Es sei! Erst die Henne und dann die Pferde! Setzt euch! Wir essen! Dieser Mr. Burton kann warten, bis wir fertig sind!«

»Nein! Er soll nicht warten!« entgegnete Howe, der nach seinem Stuhl hinkte, um sich zu setzen. »Er soll uns Musik machen! Tafelmusik! Er bläst die Ziehharmonika, und Mrs. Burton spielt Gitarre!«

»Ja, das soll er, das soll er!« stimmte der Peon ihm bei, indem er mir gebieterisch winkte. »Her mit der Ziehharmonika! Und her mit der Gitarre!«

»Sogleich!« antwortete ich. »Sogleich!«

Ich trat zum Herzle, nahm die zwei Revolver aus den beiden Außentaschen des vorhin abgelegten Rockes und fragte sie:

»Kannst du dir denken, was jetzt kommen muß?«

»Ja«, antwortete sie.

»Und hast du Mut?«

»Ich denke es!«

»So komm!«

Ich spannte beide Revolver und gab ihr den einen in die Hand. Bis jetzt hatte ich so gestanden, daß man die Waffen nicht sehen konnte. Nun aber drehte ich mich um und ging auf die Tafel zu, das Herzle folgte mir sogleich. Die rechte Hand mit dem Revolver hebend, sagte ich:

»Hier meine Ziehharmonika!«

»Hier meine Gitarre!« drohte das Herzle.

»Das Spiel beginnt!« fuhr ich fort. »Wer von euch etwa auch nach der Waffe greift, bekommt auf der Stelle eine Kugel! War unser Essen vorhin für euch, so ist das eure nun für uns! Bitte, Mr. Pappermann, greift zu! Hinüber zu uns mit dem Tafeltuch! Hinüber mit Besteck und Geschirr! Und hinüber mit der Henne!«

Einige Augenblicke lang herrschte rundum tiefes Schweigen. Ich sah, daß der Revolver in der Hand meines Herzle leise bebte. Sie griff mit der anderen Hand nach meinem Arm, um fest zu sein. Aber die Drohung wirkte. Keiner der »Künstler« und Peone wagte, sich zu rühren. Und nun brach rundum ein jubelnder Beifall los.

»Hinüber auch mit der Henne!« rief, schrie, lachte und spottete Alles, was eine Stimme besaß. »Hinüber, hinüber! Mit der Henne, mit der Henne!«

Pappermann griff zu, meine Weisung auszufahren, und Niemand hinderte ihn, es zu tun. Da entstand ein Gedränge draußen im Hof. Es wollte jemand von dort heraus in den »Garten«.

»Der Corregidor kommt!« hörte ich sagen. »Der Corregidor!«

Also der Herr Bürgermeister selbst! Und hinter ihm die drei Polizisten. Also unsere Zeugen. Aber sie kamen nicht nur als Zeugen, sondern aus einem noch ganz anderen, viel gefährlicheren Grund. Der Corregidor wendete sich, als er uns erreichte, zunächst an mich:

 

»Steckt die Revolver ein, Mr. Burton! Sie haben ihren Dienst getan und sind nun, da ich mich der Angelegenheit selbst annehme, nicht mehr nötig. Die Pferde und Maultiere sind Euer. Kein Mensch kann sie Euch nehmen. Und auch Euer Geld gehört Euch wieder!«

»Oho!« rief der schon wiederholt erwähnte Peon, der unsere Waffen nicht mehr auf sich gerichtet sah. »Dazu gehören wir wohl auch!«

»Allerdings gehört Ihr auch dazu! Gerad Ihr! Besonders Ihr! Es verlangt mich sehr, Euern Namen zu erfahren! Aber nicht etwa einen falschen, sondern nur den richtigen!«

»Meinen Namen!« fragte der Peon. »Warum? Wozu? Falsche Namen führe ich überhaupt nicht!«

»Ich kenne wenigstens zehn bis elf, die Ihr bisher brauchtet, um Euch zu verstecken. Euer wirklicher Name ist Corner. Unter dem letzten falschen Namen wurdet Ihr wegen Raub und Pferdediebstahl unten in Springfield verurteilt, seid aber ausgerissen!«

»Das ist nicht wahr! Das ist eine Lüge! Das ist eine Schändlichkeit! Ich bin ein ehrlicher Mann und habe niemals einen anderen Menschen auch nur um den Wert eines Cent gebracht!«

»Wirklich? – Wollt Ihr eine Person sehen, welche das Gegenteil nicht nur behauptet, sondern dasselbe auch beweist?«

»Bringt sie mir!«

»Da ist sie!«

Der Beamte tat bei diesen Worten einen Schritt zur Seite, damit der bisher hinter ihm stehende Polizist zu sehen sei. Dieser nickte dem Peon ironisch zu und sagte:

»Ihr kennt mich wohl, Mr. Corner? Ich war es, der Euch in Springfield arretierte, und wiederhole das nun heute mit großem Vergnügen. Bin inzwischen hier in Trinidad angestellt worden!«

Kaum hatte der Peon diesen Polizisten gesehen und seine Worte gehört, so rief er aus:

»Dieser Schurke ist hier, dieser Schurke! Hole Euch alle der Teufel – der Teufel! Kommt, kommt!«

Indem er diese letzte Aufforderung an seine Kumpane richtete, tat er einen Sprung, der ihn aus unserer Nähe brachte, und rannte spornstreichs davon, aus dem Garten auf das Ödland hinaus und nach der Stelle zu, auf welcher die Pferde standen.

»Ihm nach, ihm nach! Er will fliehen!« befahl der Corregidor, indem er gleich in eigener Person hinter ihm herrannte. Aber der Peon floh nicht allein. Seine sämtlichen Komplizen waren aufgesprungen und folgten seinem Beispiel mit einer Schnelligkeit und Gewandtheit, aus welcher zu sehen war, daß sie in Beziehung auf derartige Vorkommnisse bedeutende Uebung besaßen. Auch ich bin gewohnt, sehr schnell zu handeln, wenn es einmal zu handeln gilt. Ich griff also so rasch wie möglich zu, aber es gelang mir nur, gerad den letzten von ihnen noch zu erwischen und festzuhalten. Er wollte sich zwar wehren und losreißen, aber Pappermann, der überaus kräftig war, nahm ihn mir aus den Händen, warf ihn zu Boden und kniete ihm derart auf die Brust, daß er sich nicht mehr rühren konnte.

Nun sah man sie laufen, alle, alle. Voran die Fliehenden, hinter ihnen her ihre Verfolger. Die Ersteren erreichten ihre Pferde, schwangen sich auf und jagten davon, indem sie das vierte Maultier und auch das Pferd ihres von uns überwältigten Kameraden mitnahmen.

»Schurken!« rief dieser zornig aus, als er das sah. »Was wird nun aus mir!«

»Das kommt auf dich an«, antwortete ich.

»Wieso?« fragte er.

»Warte!«

Meine Aufmerksamkeit wurde nämlich durch die fast drollige Szene, die sich jetzt da draußen entwickelte, angezogen. Es hatten sich nicht etwa nur einige, sondern alle Anwesenden an der Verfolgung beteiligt. Ausgenommen waren nur Pappermann, der Wirt mit seinen Leuten, der Indianer, meine Frau und ich. Auch die Nachbarn mit ihren Zaun- oder vielmehr Mauergästen waren herübergesprungen und den Flüchtlingen nachgerannt. Es fiel ihnen jetzt, da diese davonritten, gar nicht etwa ein, stehenzubleiben oder gar umzukehren, sondern wir hörten den Corregidor rufen:

»Schnell nach den Corrals! Und dann hinter ihnen her!«

Corrals sind umzäunte, freie Plätze, in denen man die Pferde unterbringt. Solcher Plätze gab es für die Bewohner von Trinidad mehrere. Ihnen eilte man jetzt zu, um sich schleunigst auch beritten zu machen und dann den Spuren der so schnell Verschwundenen zu folgen. Nun waren wir allein, und ich wendete mich an den Gefangenen, der von Pappermann noch immer festgehalten wurde:

»Steh auf, Bursche! Und höre, was ich dir sage!«

Da ließ Pappermann ihn halb los, so daß er sich erheben konnte. Ich fuhr fort: »Wenn du mir meine Fragen aufrichtig und wahr beantwortest, geben wir dich frei.«

»So daß ich fort kann, wohin ich will?« fragte er schnell.

»Ja.«

Er sah mich prüfend an; dann sagte er:

»Ihr seht nicht wie ein Lügner aus. Ich hoffe, daß ihr Wort halten werdet. Also gebt mir an, was Ihr wissen wollt!«

»Von wem sind die drei Fliegenschimmelhengste!«

»Von der Farm eines gewissen Old Surehand.«

»Und die Maultiere?«

»Von eben daher.«

»Gestohlen?«

»Nein, eigentlich nicht. Es war nur Betrug, ein kleiner, allerliebster Betrug. Corner hatte erfahren, daß die besten Pferde und Maultiere Old Surehands für einen Deutschen bereitgestellt waren, der mit seiner Frau erwartet wurde. Auch erwartete man einige junge Maler und Bildhauer, die ausgerüstet werden sollten – – —« »Ausgerüstet? Wozu?« unterbrach ich ihn.

»In das Apatschenland zu einer großen Schaustellung zu reiten. Der junge Surehand hatte sie dazu eingeladen, war aber, ebenso wie sein Vater, längst vorangereist. Da stellten wir uns ein. Es gab eine Art von Maskerade, von Fastnachtsspiel. Der Verwalter glaubte uns und gab alles, was wir verlangten, her.

»Ah! Darum seid Ihr auch jetzt noch Bildhauer und Maler!«

»So ist es!« lachte er. »Fragt weiter!«

»Ich bin fertig. Wenn ich weiter in Eure Geheimnisse eindringen würde es mir wohl sehr schwer oder gar unmöglich sein, Euch mein Wort halten zu können. Ich mag also weiter nichts wissen.«

»Und ich darf fort?«

»Ja.«

»Ich danke! Ihr seid ein Ehrenmann, Sir! Aber ich bin ohne Pferd!«

»Da kann ich Euch nicht helfen.«

»Könnt Ihr mir nicht wenigstens eines der Maultiere geben?«

»Gestohlenes Gut ? – Nein!«

»Aber, nun Ihr wißt, daß die Tiere eigentlich gar nicht unser sind, dürft auch Ihr sie nicht behalten!«

»Will ich auch nicht. Ich kenne Old und auch Young Surehand. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß er wiederbekommt, um was er von Euch bestohlen worden ist, wenigstens so viel, wie ich retten konnte. Auch das Zelt behalte ich.«

»Well! Mir egal! Aber ohne Pferd kann ich nicht fort. Ihr werdet heut erfahren, daß hier irgendwo und irgendwem eines abhanden gekommen ist. Wird das Euer Gewissen nicht beschweren?«

»Nicht im geringsten. Denn es fällt mir gar nicht ein, es für das, was Andere tun, mit herzugeben. Also geht!«

»Gut! Fertig! Lebt wohl!«

Er wendete sich, zu gehen. Da sagte der Wirt, welcher zugehört hatte, zu ihm:

»Wenn Ihr partout ein fremdes Gewissen zu Rate ziehen wollt, so stelle ich Euch das meinige zur Verfügung. Ich werde sofort dafür sorgen, daß heute und hier kein Pferd abhanden kommt! Nicht irgendwo und auch nicht irgendwem! In zehn Minuten wird die ganze Stadt es wissen, daß Ihr uns ausgerissen seid und Pferde stehlen wollt. Fort mit Euch!«

Schon wollte der Mensch dieser Weisung Folge leisten, da nahm Pappermann ihn noch einmal beim Arm und sprach:

»Noch auf ein Wort! Diese beiden Gentlemen, die Euch laufen lassen wollen, haben die Hauptsache vergessen. Ihr habt doch Geld?«

»Soviel, wie ich brauche, ja.«

»Wo?«

»Hier in der Tasche.«

Er zog einen wohlgefüllten Beutel. heraus, um ihn uns prahlerisch zu zeigen, und fügte hinzu: »Warum fragt Ihr nach meinem Geld?«

»Der Zeche wegen!« antwortete Pappermann, indem er ihm in das Gesicht lachte. »Ich heiße nämlich Maksch Pappermann und lasse mich von solchen Kerls, wie Ihr seid, nicht an der Nase führen, Ihr werdet die Zeche zahlen, für Euch und Eure Genossen!«

»Für mich, meinetwegen! Aber auch für die anderen, fällt mir gar nicht ein!«

»Das wird Euch gar wohl einfallen! Her mit dem Beutel 1

Er riß ihn ihm aus der Hand, gab ihn mir schnell und sagte:

»Habt Ihr die Güte, zu bezahlen, Sir! Ich halte den Halunken einstweilen fest.«

Wie gesagt, so getan. Der neue Wirt machte die Rechnung; ich bezahlte sie und gab dem Mann dann den Beutel mit dem übrigen Geld zurück. Hierauf verschwand er, zwar fluchend und wetternd, aber doch so schnell wie möglich. – – —

Drittes Kapitel. Am Ohr des Manitou

Nachdem der Pferdedieb sich entfernt hatte, gab ich den Häuptlingsschmuck und die Revolver in den Koffer zurück. Dann konnten wir endlich, endlich essen. Der »junge Adler« hatte wieder Lebensfarbe bekommen. Es war ihm sichtlich höchst unangenehm, daß wir Zeugen seiner Schwäche gewesen waren. Es lag ihm daran, von uns geachtet zu werden. Darum teilte er uns mit, daß ihm vor nun fast vier Tagen unten am Carriso-Creek sein Pferd gestohlen worden sei, und zwar mit dem ganzen Inhalt der Satteltaschen. Unterwegs gab es zu seiner Nahrung nur einige eßbare Wurzeln oder Beeren, weiter nichts. Er hatte sein schweres Paket nun selbst zu tragen, und so war es kein Wunder, daß er in so großer Übermüdung hier eingetroffen war. Er erfuhr, daß sein Lederanzug unangetastet bereit für ihn liege. jetzt nun aß er mit uns, langsam und in der Weise eines Mannes, der sich in gebildeten Kreisen bewegt. Das Herzle sieht es außerordentlich gern, daß es ihren Gästen schmeckt. Ihr Gesicht strahlte jetzt vor Vergnügen.

Ich hatte so meine eigenen Gedanken über ihn, sagte aber nichts. Auch Pappermann hätte wohl gar zu gern etwas Näheres über ihn erfahren; aber der Indianer machte trotz seiner Jugend einen derartigen Eindruck auf ihn, daß er es nicht wagte, ihn mit Fragen zu belästigen. Aber meine Frau, meine Frau! Der ist jede Unklarheit zuwider! Die muß in allen Dingen genau wissen, woran sie ist. Von indianischer Geduld und Zurückhaltung ist sie äußerst wenig entzückt. Sie beobachtete den »jungen Adler«. Ich sah es ihr an, daß er ihr außerordentlich gefiel. Und wehe dem, der ihr gefällt! Sie klopft ihm an das Herz, und was da drin ist, muß heraus, er mag wollen oder nicht. Nicht etwa, daß sie neugierig oder gar zudringlich ist; nicht im geringsten. Aber wenn sie jemand in Verlegenheit sieht und ihm helfen will, so hat sie eine ganz eigene Art, zu erfahren, in welcher Art und Weise das am besten zu geschehen vermag. So auch hier! Wir waren der alten Henne, die man uns auch mit vorgesetzt hatte, noch nicht bis auf das Gerippe gekommen, so hatte der »Junge Adler« ihr schon gesagt, und zwar scheinbar ganz von selbst, daß ihm seine Waffen mit gestohlen worden seien, daß er kein Geld mehr habe und daß er nach dem Süden wolle; wohin, das gab er aber doch nicht an. Hierauf warf sie mir einen Blick zu, den ich verstand. Ich sollte ihn einladen, mit uns zu reiten. Und das war ja gerad der Grund gewesen, weshalb ich drei Pferde und nicht nur zwei hatte haben wollen. Ich legte ihm die betreffende Frage vor. Da ging ein frohes Leuchten über sein Gesicht. Er sprang auf, setzte sich aber sogleich wieder nieder, denn ein Indianer soll weder Freude noch Schmerz so offen zeigen. An diesem Aufleuchten seines Gesichtes sah ich, daß er, obwohl er mich nie gesehen hatte, doch vermutete, wer ich war.

»Ich bin Apatsche«, antwortete er. »Ich wollte zunächst nach dem Nugget-tsil.«

Während er dies sagte, sah er mich nicht an, sondern er schaute vor sich nieder; aber ich fühlte förmlich, wie gespannt er darauf lauschte, was ich hierauf antworten werde.

»Wir auch«, erwiderte ich so ganz unbefangen, als ob ich gar nicht daran denke, ihn zu beobachten und zu durchschauen. Und mich an Pappermann wendend, fragte ich ihn: »Kennt Ihr vielleicht die Devils pulpit, die hier in der Nähe liegen soll?«

»Ja«, antwortete er. »Und der Junge Adler kennt sie auch, denn er sagte mir damals vor vier Jahren, daß er von da oben heruntergekommen sei. Wollt Ihr hin?«

»Ja.«

»Soll ich Euch führen?«

»Wenn Ihr wollt?«

»Welche Frage! Ob ich will! Ich habe nur eine Bedingung, eine, einzige.«

»Welche?«

»Ich getraue mich kaum, sie Euch zu sagen.«

»Nur heraus damit! Alte Kameraden dürfen aufrichtig miteinander sein!«

»Auch wenn sie Pappermann heißen? Maksch Pappermann? Verteufelt unglückseliger Name! Sprecht ihn doch einmal englisch aus! Da klingt er noch viel schlimmer! Alle Welt lacht über ihn!«

»Heißt, wie Ihr wollt, doch redet von der Leber weg!«

»Well! So sei es gewagt! Also, ich führe Euch nach der Devils pulpit, wenn Ihr mir erlaubt, dann noch weiter mit Euch zu reiten!«

Da fiel das Herzle schnell ein:

»Er erlaubt es – er erlaubt es!«

 

»Oho, oho!« warf ich in strengem, widerstrebendem Ton ein.

»Oho, oho!« lachte sie. »Laßt Euch ja nicht abschrecken, Mr. Pappermann! Er hat Euch gern, sehr gern, und ich auch. Und er hat drei Pferde und drei Maultiere, also mehr, als wir brauchen. Und vor allen Dingen, wenn er Euch nicht mitnehmen will, so muß er allein reiten, denn ich bleibe hier sitzen und weiche und wanke nicht von Eurer Seite!«

Da wurden die Augen des alten, guten Menschen feucht. Er reichte ihr seine Hand hinüber und sagte:

»Gott segne Euch, Mrs. Burton! Wie dankbar bin ich Euch! Er muß mich nun schon deshalb mitnehmen, weil ich mich verpflichtet fühle, für Euch durch jedes Wasser und jedes Feuer zu gehen!«

»Aber Euer Hotel hier – Euer Hotel?« fragte ich.

»Geht mich nichts mehr an! Habe weder etwas darunterliegen, noch etwas daraufstehen. Bin überhaupt abgebrannt, vollständig abgebrannt. Bin ärmer als eine Kirchenmaus. Und nun so alt, so alt! ja, wenn ich anders hieße! Nicht Pappermann! Das ist ja der Grund, der einzige Grund, daß ich stets nur durch Pech und Elend waten mußte! Nehmt mich mit, bitte ich, nehmt mich mit! Noch bin ich nicht ganz unbrauchbar geworden, und meine letzte Kraft und mein letztes bißchen Leben soll Euch gehören, Mr. Shatterhand – – —«

Er hatte sich von seinem Herzenswunsch fortreißen lassen; er war zu weit gegangen; er hielt erschrocken inne. Da ging ein liebes, sonniges und dabei doch gerührtes Lächeln über das Gesicht des jungen Indianers, und er sagte:

»Nicht erschrecken, nicht erschrecken! Es ist kein Verrat. Ich wußte es. Und ich hätte es nicht verschwiegen, daß der Bruder unseres großen Winnetou und der beste Freund meines Volkes von mir erkannt worden ist. Ich war verpflichtet, ihm dies zu sagen.«

Da schlug das Herzle die Hände hoch zusammen und rief aus.

»So wird es ja, wie ich wünsche! Sie dürfen beide mit, beide?«

»Ja«, antwortete ich. »,Der junge Adler‘ wird den dritten Schwarzschimmel reiten. Unser Pappermann bekommt die drei Maultiere mit dem Zelt. Er wird unser Majordomo. Er führt die Aufsicht über die Hauswirtschaft und natürlich auch über die Frau!«

Wie glücklich der alte Westmann war! Er erging sich in allen möglichen Ausdrücken der Dankbarkeit. Der Indianer aber war still, ganz still, um so tiefer aber grub sich das Glück in sein Inneres ein.

Nach dem Essen sorgten wir zunächst dafür, daß das Zelt wieder abgebrochen, zusammengeschnallt und mit allen dazugehörenden Utensilien von dem freien Platz herein in das Haus geschafft wurde; da war es mir sicherer als draußen. Während dies geschah, zeigte Pappermann hinaus nach dem erwähnten Platz und sagte:

»Schaut da hinaus! Was kommt dort gelaufen?«

»Das Maultier, das vierte Maultier!« antwortete meine Frau.

»Ja! Es ist den Spitzbuben entkommen! Es ist obstinat geworden! Es hat sich losgerissen! Es wollte zu seinen Kameraden zurück! Ich hole es herein, sogleich – sogleich!«

Hierdurch gewannen wir eine Kraft zum Tragen des Gepäcks mehr, und die Zahl der Tiere, welche man Old Surehand gestohlen hatte, war nun wieder voll.

Später ging ich noch einmal in die Stadt, um für den »jungen Adler« ein Gewehr und einen Revolver zu kaufen; sein Messer hatte er noch. Dann diktierte ich dem guten Pappermann einen Brief, den ich nicht gern selbst schreiben wollte. Er war an Hariman F. Enters gerichtet und lautete:

»Habe Wort gehalten und mich hier eingestellt. Lernte hier Eure Freunde Corner und Howe kennen. Bin darum weit eher fort, als ich eigentlich wollte. Trotzdem bleibt, was ich versprach. Wenn Ihr ehrlich seid, werde ich wieder zu Euch stoßen und Euch nach den beiden Orten führen, die ihr sehen wollt. Aber nur eben dann, wenn Ihr ehrlich seid!

Burton.«

Es war keine Kleinigkeit für Pappermann, diesen Brief zu schreiben. Er schwitzte dabei wie ein Holzhacker. Gegen drei Stunden dauerte es, ehe er fertig war, denn er mußte wegen Fehlern, Fettflecken und Klecksen, die er machte, so oft wieder neu anfangen, daß er schließlich wütend ausrief:

»Ist das eine Plage! Und ist das eine Qual! Einmal und nie wieder! Lieber sterben und verderben, als weißes Papier mit Tinte so schwarz machen müssen, daß man es dann lesen kann! Ich bin wahrhaftig zu allem bereit für Euch und für Eure Frau, für solche Marter aber nicht; nehmt es mir nicht übel!«

Daß ich mich unter den jetzt gegebenen Umständen nicht nach Trinidad setzte, um die Ankunft der Brüder Enters abzuwarten, verstand sich ganz von selbst. Wir hatten Besseres und Wichtigeres zu tun. Wie mein Name verschwiegen worden war, so sagten wir auch keinem Menschen, wohin wir von hier aus gingen. Auch der Wirt erfuhr es nicht.

Am Abend kehrten die Verfolger der Pferdediebe heim; sie hatten keinen einzigen von ihnen erwischt. Und der, welchen wir freigelassen hatten, schien doch nicht gleich wieder zum Dieb geworden zu sein, denn wir hörten davon, daß irgend jemandem ein Pferd weggekommen sei, nichts. Schon am nächsten Morgen verließen wir die Stadt, um in westlicher Richtung zunächst hinauf nach dem sogenannten Parkplateau zu kommen. Nicht einmal einen ganzen Tag waren wir in Trinidad gewesen. Und doch, so kurz dieser Aufenthalt, so bedeutend waren seine Folgen für uns. Das Wenigste davon war, daß wir nun zu Vieren anstatt zu Zweien ritten und daß wir nun infolge des Zeltes und seiner Ausstattung imstande waren, uns die Reise bequemer zu machen, als dies uns vorher als möglich erschienen war. Die Verteilung der Tiere war so, wie ich schon angegeben habe. Meine Frau, ich und der »junge Adler« hatten die Rappschimmell während Pappermann das beste der Maultiere ritt und die drei anderen zum Tragen des Zeltes und des Lederpaketes des Indianers verwendete. Was für Dinge oder was für einen Gegenstand dieses Paket enthielt, das wußten wir nicht. Wir fragten auch nicht danach. Dem Gewicht nach schien es Eisen zu sein, aber kein gewöhnliches, sondern sehr wertvolles Eisen. Das schlossen wir aus der Sorgfalt, welche der Eigentümer während des Auf – und Abladens auf das Paket verwendete.

Es ist mir für das, was ich zu erzählen habe, leider nur der Raum eines einzigen Bandes gestattet, während ich mit diesen Ereignissen doch recht gut vier oder auch fünf Bände füllen könnte, ohne meine Leser zu ermüden. Darum muß ich so kurz wie möglich sein und so manches auslassen, was ich nur sehr ungern übergehe. Dahin gehört vor allen Dingen die ausführliche Beschreibung des Weges, den wir nahmen. Ich muß mich darauf beschränken, zu sagen, daß es hinauf nach dem Ratongebirge ging, hinter dem das herrliche Tal des Purgatorio sich niedersenkt, um es von den gigantischen Massen des »spanischen Pik« zu trennen.

Es war ein großes, ein herrliches Gebirgspanorama, dem wir entgegenritten. Wir kamen ihm von Stunde zu Stunde näher, bis wir es erreicht hatten und uns dann immerfort inmitten von landschaftlichen Schönheiten befanden, die kein Ende nehmen wollten, sondern sich im Gegenteil stetig vermehrten und vergrößerten. Meine Frau, die jetzt zum ersten Mal mit da drüben war und stets gelächelt hatte, wenn ich der Meinung gewesen war, daß die Schönheiten des Harzes, des Schwarzwaldes, ja sogar der Schweiz sich unmöglich mit den landschaftlichen Wundern der Vereinigten Staaten vergleichen könnten, sah sich jetzt gezwungen, diese Zweifel fallenzulassen. Sie wurde still, ganz still. Und wenn sie das wird, so störe ich sie nicht, denn ich weiß, daß diese Wortlosigkeit bei ihr die Stille der Anbetung ist.

Es war um die Mittagszeit des dritten Tages, als wir an einem klar fließenden Wasser haltgemacht hatten. Da sprach ich mit ihr über die Unterschiede der landschaftlichen Schönheiten der Ebene und der Berge. Der »junge Adler« hörte nach seiner Gewohnheit bescheiden schweigsam zu. Pappermann gab zuweilen ein treffendes Wort dazu, denn er hatte sehr viel gehört und sehr viel nachgedacht und war trotz der Niedrigkeit seines Lebensweges keineswegs unbegabt. Jetzt sagte er:

»Diesen Unterschied werdet Ihr morgen in einem sehr sprechenden Beispiel vor Augen haben. Da kommen wir an einen ,See der Ebene‘, der aber zwischen himmelhohen Bergen liegt.«