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Kunstprojekt (Mumin-)Buch

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Das Buch als Ort der Selbstreflexion ist für das hier gewählte Genre naheliegend, da darin die Grundstruktur der Argumentation von Pappans Gedanken widergegeben wird. Sie ist somit ebenfalls Ausdruck einer intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst und dem eigenen Denken und für Pappan gar unabdingbarer Bestandteil der Lösungsfindung. Felix Steiner äussert sich hierzu wie folgt:

Denkprozessen wie Überlegen und Begründen liegen[…] Formen des „Mitsichredens“ zugrunde, das heisst: Der Überlegende bezieht, indem er „mitsichredet“, seine Perspektive auf die Perspektive eines generalisierten Partners und geht in dieser Weise „mit sich zurate“.8

b) Operative Bildhaftigkeit

Pappans Zeichnung wurde bereits angesprochen.1 Sie ist zweigeteilt. Einerseits ist ein Querschnitt des Gumpens zu sehen. Darauf deutlich zu erkennen ein Tunnel, der das Meer und den Gumpen verbindet. An einem Ende eingezeichnet das Seeungeheuer, welches für die Bewegung des Wassers verantwortlich sein soll. Ebenfalls eingezeichnet der Kanister, eines von Pappans Fundstücken. Die zentralen Elemente sind mit Buchstaben markiert, deren Bedeutung in einer Legende erläutert wird. Schliesslich ist auch Pappan selbst auf dem Bild zu sehen, deutlich erkennbar am Hut. Er befindet sich in einem Boot auf dem Wasser. Andererseits sieht man auf der unteren Hälfte den Gumpen aus der Vogelperspektive.

Hinzugefügt sind Angaben über die Wassertiefe, dargestellt mit unterschiedlichen Schraffierungen beziehungsweise Punkten. Deren Bedeutung wird ebenfalls in einer Legende entschlüsselt. Die genaue Bedeutung der Zahlen, die auf dem Bild auch zu sehen sind, wird hingegen nicht aufgelöst. Hinzugefügt wurden ausserdem Details wie das Skelett und die Whiskyflaschen. Gegenstände, die klassischerweise in Karten von Abenteuerromanen zu finden sind. Ihnen kommt in der Erzählung eine Bedeutung zu. Die Darstellung entspricht naturwissenschaftlichen Traditionen, wie auch Elina Druker betont: „The texts are embedded in the image, following literary and pictorial conventions relating to instructive and encyclopaedic texts and images.“2 Dieter Mersch bezeichnet die Zeichnung gar als „Kernbestand epistemischer Bildpraktiken“ sowohl in der Kunst, wie auch in den Wissenschaften:

Was ein Ding ist und es zu einem bestimmbaren und damit auch be-zeichenbaren (und zeichnenbaren) macht, ist seine Form, die es zugleich als dieses ausweist. So übernimmt die Form, die sichtbare Gestalt, in der Zeichnung die Funktion des Als im Sinn einer Bestimmung von Etwas als etwas […].3

In diesem Sinne ist Pappans Zeichnung eine typische Methode des wissenschaftlichen Arbeitens zum Erkenntnisgewinn. Sybille Krämer untersucht Graphen als eine Form von Schriftbildlichkeit. Graphen, Diagramme oder Karten sammelt sie unter dem Begriff „operative Bilder“ und grenzt sie so von den Bildern der Kunst ab. Operative Bilder entstehen, so Krämer, durch das „Zusammenspiel von Punkt, Linie und Fläche.“4 Sichtbar werde in derartigen Darstellungen eine Dimension von Schrift, die nur bedingt verlautierbar ist, ähnlich etwa wie die Formelsprache in der Mathematik. Dabei nennt Krämer „die Bewusstwerdung der künstlerischen und wissenschaftlichen Funktionen von Schriften“ eine der vermutlich „aufregendsten Entdeckungen geisteswissenschaftlicher Forschung im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts.“ So kommen Schriften „als Instrumente zum Einsatz, mit denen ein Zusammenspiel von Auge, Hand und Geist schöpferische Akte ausprobiert und realisiert werden können, seien sie nun künstlerischer oder wissenschaftlicher Natur.“5 Oberstes Ziel dabei ist ein Erkenntnisgewinn, wie auch Christina Ljungberg betont:

Diagrams are spatial embodiments of knowledge with a peculiar potential to stimulate new cognitive engagements.[…] Given that these activities all have to do with projection and imagination, with disruptions and efficacies, they are also intimately connected with the way we produce and process texts.6

Zeichentheoretisch entspricht dies der Vorstellung „einer symbolischen Erkenntnis, die dem Ideal folgt, dass Erkenntnisgegenstände stets in Gestalt sinnlich sichtbarer wie auch handhabbarer Zeichen gegeben sind.“7 Entsprechend ist etwa die Linie nicht nur als „Spur einer Geste“, sondern vor allem auch als „eigenständiger Entwurf einer Welt“ zu betrachten.8 In Pappans Fall ist die Darstellung der Versuch einer Definition der Ordnung des Meeres. Mersch bezieht sich auf die Lehre des Disegnio, wenn er postuliert, dass laut dieses Konzepts durch die Linie der „Prozess des visuellen Denkens zwischen Vorstellung und Gestaltung“ bezeichnet wird.9 Dies offenbart sich in Pappans Skizze ebenfalls deutlich.

3.3.3. Zusammenfassung

In Pappan och havet entspringt der Wunsch zum Schreiben einer tiefen Verzweiflung. Das Schreibprojekt, eine Abhandlung über das Meer, soll endlich Antworten liefern auf Pappans zahlreiche Fragen. Ziel ist die Materialisierung einer neuen Ordnung, die zwar nicht nur auf dem Papier konzipiert wird, sondern sich dort schliesslich in Wort und Schrift zu einem wissenschaftlichen Werk formiert. Als Wissenschaftler unterliegt Pappan nicht geisteswissenschaftlichen Paradigmen, sondern ist naturwissenschaftlichen Gesetzmässigkeiten verpflichtet. Es entsteht ein Buch, das sowohl dem Verfasser wie auch dem potenziellen Leser in erster Line dem Erkenntnisgewinn dienen soll. Der eigentliche Schreibprozess vollzieht sich im Verborgenen, äussert sich jedoch auf einer performativ-materiellen Ebene durch dessen Feldforschungen, die ausführlich beschrieben werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind es, welche den Inhalt der geplanten Abhandlung speisen. Entsprechend ausführlich wird Pappans Suche nach Material geschildert. Schliesslich wird das wissenschaftliche Schreiben ebenfalls als eine Form des literarischen Schreibens dargestellt.

Pappan als Autor trifft mehrmals auf den Leuchtturmwärter als Autor, der sich in Form von Schriftzeichen an der Wand zeigt. Die Figur des Leuchtturmwärters ist einerseits als Pappans Antipode konstruiert, weil er über Fähigkeiten verfügt, die dieser gerne hätte (das Licht des Leuchtturms entfachen). Bei genauerer Betrachtung zeigt er sich andererseits insofern auch als eine Art Doppelgängerfigur, als dass die beiden durch die Affinität zum Schreiben stark verbunden sind. Überdeutlich wird dies, wenn sich die beiden Autorfiguren denselben Schriftträger teilen, das Heft, welches Pappan im Leuchtturm findet. Sowohl in Pappans persönlichem Schreibprojekt wie auch in der Interaktion mit dem Leuchtturmwärter agiert das Buch in besonderem Masse „medial“ im Sinne von „vermittelnd“.

Die im Kapitel analysierten Schreib- und Leseszenen zeigen eine profilierte Reflexion zu unterschiedlichsten Aspekten der Produktion und Rezeption verschiedener Literaturgattungen. „Hon byter genre, berättarperspektiv och tematiserar författandet som process, minne och självkaraktäristik“ „Sie wechselt Genre, Erzählperspektive und thematisiert Autorschaft als Prozess, Erinnerung und Selbstcharakterisierung“, resümiert Westin Tove Janssons Attitude diesbezüglich.1 Daraus ergibt sich ebenfalls eine facettenreiche Auseinandersetzung mit der Materialität des Schreibens als kreativer Schaffensakt. In einem stofflichen Sinne äussert sich dies anhand der Bedeutung, die den Schreibwerkzeugen zugesprochen wird. Wiederholt werden Stift und Papier erwähnt. Sie sind gar bei den Abbildungen Pappans als Autor als zentrale Attribute dabei. In Farlig midsommar, wo Geschriebens aufgeführt wird, also ein Medienwechsel stattfindet, wurde das physische Erscheinungsbild des Theaters prominent verhandelt. Dabei ist Materialität etwas, das überwunden werden muss in dem Sinne, als dass sie als Blendwerk erscheinen kann und somit Begriffe wie „Realität“ und „Fiktion“ problematisiert. In Pappan och havet wird, wie oben erwähnt, die Suche nach dem Material inszeniert, das für das geplante Werk benötigt wird.

Die Suche nach Material wird jedoch nicht nur in einem stofflichen Sinn wie in Pappan och havet gezeigt, sondern ebenfalls auf einer poetologischer Ebene. Zu den Begriffen „Realität“ und „Fiktion“ beziehungsweise zu seinem Material (seiner Lebensgeschichte) muss sich Pappan in Muminpappans memoarer als Autobiograf verhalten, im Spannungsfeld von Künstlertum und Kommerzialisierung. In Farlig midsommer ist der Stoff seines Werks ein Drama nach antikem Vorbild, mit dem sich Pappan auseinandersetzen muss. Die geschilderten Schreibprozesse reflektieren so die Rolle des Schriftstellers sowie die Literatur als Kunstform. Die untersuchten Muminbücher sind somit weit mehr als Genreparodien, als die sie so häufig gelesen werden, sie sind auch die Erzählungen ihrer eigenen Entstehung.

4. Das Buch als Artefakt

Die Beschäftigung mit dem Buch als Objekt beziehungsweise Artefakt impliziert auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, was ein Buch als solches konstituiert, also mit der Problematik seiner Definition. Ursula Rautenberg und Dirk Wetzel verstehen darunter ein „materielles Objekt der Alltagskultur […], das aus einer Anzahl von zweiseitig bedruckten Blättern meist aus Papier besteht, die durch Bindung, Heftung oder Klebung mit einem Einband oder Umschlag verbunden sind.“1 Jedoch, nicht jeder für die Öffentlichkeit verfasste Text könne als Buch deklariert werden, wird weiter postuliert. Ein wichtiges Kriterium dafür sei etwa der Umfang.2 Um zu bestimmen, was ein Buch ist, ist also eine Unterscheidung zwischen den Begriffen „Buch“ und „Text“ unerlässlich. Jürgen Nelles sieht jedoch folgende Schwierigkeit in diesem anspruchsvollen Unterfangen:

 

Das Problem, die Einheit des Buches und vor allem seine Grenzen zu fixieren und zu definieren, resultiert vor allem aus der Schwierigkeit, Kriterien für das anzuführen, was ein Buch in seiner Materialität ausmacht, und dem, was man seinen immateriellen Gehalt nennen könnte.3

Die Frage „Wann ist ein Buch ein Buch?“ beantwortet Gérard Genette mit dem Konzept des Paratexts. Der Paratext, so Genette, ermögliche dem Text die Gestalt eines Buchs.4 Dieser Argumentation folgend, müsste der korrekte Untertitel für Genettes Werk Paratext, das Buch vom Beiwerk des Buches laut Nelles das Buch vom Beiwerk des Textes lauten.5 Doch auch Genette bietet mit dem Paratext kein Instrumentarium, mit dessen Hilfe eine klare Grenze zwischen Buch und Text gezogen werden könnte. Vielmehr wird der Paratext als „Schwelle“ bezeichnet, als Ort der „Transaktion“ im Sinne von „Vermittlung“. Entsprechend rekurriert Genette damit nicht auf die Gegenständlichkeit des Buchs, sondern auf „Diskurse“.6 Hervorgehoben wird demnach die Funktion der Selbstdarstellung, die Selbstreferenzialität, welche der Paratext inne hat, und die im hiesigen Kontext ebenfalls besonders fruchtbar erscheint. Herbert Kalthoff et al. verdeutlichen dies wie folgt:

[…] Was Objekte jeweils sind, was sie darstellen und was sie leisten können, ergibt sich aus ihren materiellen und immateriellen Rahmungen. Somit stehen Objekte im Spannungsfeld verschiedener Rahmungsdynamiken, die ihren Handlungssinn mit erzeugen und ihre praktische Wirkkraft mit hervorbringen.7

Der Paratext stellt einen solchen Rahmen dar. Die Frage, welche im folgenden Kapitel untersucht werden soll, wird somit zur Frage nach der Art der Inszenierung des Kunstwerks als Buch. Laut Bill Brown soll ein Kunstwerk nicht lediglich ein Objekt darstellen, sondern zu diesem Objekt werden:

[…] to imagine the work of art as a different mode of mimesis – not one that serves to represent a thing, but one that seeks to attain the status of a thing – is a fundamental strain of modernism […]. The question of things becomes a question about whether the literary object should be understood as the object that literature represents or the object that literature has as its aim, the object that literature is.8

Für die nachfolgende Untersuchung bestätigt das Zitat: Der Paratext hat, wie erwähnt, als Ort der Transaktion massgeblichen Einfluss auf die Wahrnehmung des Kunstwerks. Im vorliegenden Fall auf die Wahrnehmung des Kunstwerks als Buch. Erika Fischer-Lichte verfolgt ähnliche Überlegungen wie Brown wenn sie feststellt:

In der Selbstreferentialität fallen Materialität, Signifikant und Signifikat zusammen. Die Materialität fungiert nicht als ein Signifikant, dem dies oder jenes Signifikat zugeordnet werden kann. Vielmehr ist die Materialität zugleich als das Signifikat zu begreifen, das mit der Materialität für das wahrgenommene Subjekt, das sie als solche wahrnimmt, immer schon gegeben ist. Die Materialität des Dings nimmt, tautologisch gesprochen, in der Wahrnehmung des Subjekts die Bedeutung seiner Materialität an, das heisst seines phänomenalen Seins. Das Objekt, das als etwas wahrgenommen wird, bedeutet das, als was es wahrgenommen wird.9

Der Paratext besteht einerseits aus dem Peritext, andererseits aus dem Epitext. Der Peritext ist im unmittelbaren Umfeld des Texts angesiedelt und beinhaltet Kategorien wie: Titel, Widmungen, Kapitelüberschriften, Prologe, Epiloge, Fussnoten und Klappentexte. Der Epitext hingegen konstituiert sich beispielsweise aus Interviews, Tagebüchern oder Briefen.10 Christoph Jürgensen weist auf das Fehlen einer umfassenden literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Paratext hin. Vielmehr widmete man sich lediglich einzelnen Elementen. Dabei sei bis anhin vor allem die Kategorie des Titels bevorzugt behandelt worden.11 Auch im Bereich der Kinderliteratur allgemein wurden die Paratexte, vor allem in ihrer Gesamtheit betrachtet, bis anhin eher stiefmütterlich behandelt. Ausnahmen diesbezüglich bilden etwa Ulla Rhedin und Maria Nikolajeva und Carole Scott. Rhedin beleuchtet in ihrer Arbeit Bilderboken, på väg mot en teori (2001) „Das Bilderbuch, auf dem Weg zu einer Theorie“ paratextuelle Elemente wie auch Nikolajeva und Scott in ihrem Grundlagenwerk How picturebooks work (2006).

Nachfolgend werden nicht nur einzelne paratextuelle Elemente betrachtet, sondern der Blick wird bewusst auf den paratextuellen Rahmungsapparat als Ganzes gerichtet. Vor dem Hintergrund der oben erwähnten Frage wird eruiert, welche paratextuellen Rahmungselemente Jansson verwendet, wie diese inhaltlich konzipiert sind und welche Effekte damit erzielt werden. Diese Fragen werden anhand des genetteschen Fragekatalogs beantwortet, den er wie folgt beschreibt:

Definiert wird ein Paratextelement durch die Bestimmung seiner Stellung (Frage wo?), seiner verbalen oder nichtverbalen Existenzweise (wie?), der Eigenschaften seiner Kommunikationsinstanz, Adressant und Adressat (von wem? an wen?), und der Funktionen, die hinter seiner Botschaft stecken: wozu?12

Schliesslich soll sich die Untersuchung ebenfalls erhellend auf die Frage nach den Muminbüchern als Gesamtkunstwerk auswirken. Untersuchungsmaterial sind die jüngsten Versionen der Muminbücher. In der Analyse wird in der Reihenfolge vorgegangen, wie die einzelnen Paratexte im Buch anzutreffen sind.

4.1. Titel

Als wohl prominentestes und auch optisch präsentestes paratextuelles Rahmungselement soll der Titel in erster Linie Interesse wecken und den potenziellen Leser zum Kauf animieren. Beim behandelten Korpus findet sich der Titel viermal. Auf dem Cover, dem Schmutztitel, dem Titelblatt und dem Buchrücken. „Sieht man vom Buchdeckel ab, stellt der Titel die äussere Grenze des Werkes dar, weil er den Eigennamen des Buches mit dem Autornamen assoziiert […]“, konstatiert Uwe Wirth.1 Und auch laut Genette ist die Identifikation in der Praxis die wichtigste Funktion des Titels.2 Der Titel als paratextuelles Rahmungselement steht ausserdem in besonderem Masse im Spannungsfeld unterschiedlicher Akteure, die am Produktionsprozess beteiligt sind. Auch Gérard Genette beschreibt den Titel als ein Artefakt, das aus dem Zusammenspiel unterschiedlichster Aktanten entsteht.3 Den Titel Muminpappans memoarer schlug Jansson bereits für die erste Version vor, wurde vom Verlag jedoch nicht akzeptiert mit der Begründung, das Vokabular sei für Kinder zu avanciert, weiss Erik Kruskopf.4

Mögen sich die verschiedenen Parteien im Prozess der Titelfindung auch nicht immer einig sein, so ist die zentrale Bedeutung des Titels unbestritten. Dabei bietet der Titel ein schier endloses Spektrum an kreativen Möglichkeiten, um das Potenzial dieses Rahmungselements voll auszuschöpfen. Die Unterteilung der Titel orientiert sich an Gérard Genettes Unterscheidung zwischen thematischen und rhematischen Titeln. Es handelt sich dabei um eine Differenzierung „zwischen dem Thema (worüber man spricht) und dem Rhema (was man darüber sagt) […]“.5 Dabei soll jedoch nicht verkannt werden, dass diese Grenze nicht immer scharf gezogen werden kann beziehungsweise dass es zu Überschneidungen kommt.

a) Thematische Titel

Thematische Titel sind laut Genette „Titel, die, auf welche Weise auch immer, den ,Inhalt‘ des Textes angeben […].“1 Diese Definition impliziert, dass ein Titel auf sehr unterschiedliche Weise thematisch sein kann.

Kometen kommer (Der Komet kommt)2 fasst die Thematik dieser Erzählung quasi proleptisch kurz und knapp zusammen: Ein Komet von grösster Zerstörungskraft droht auf das Mumintal zu treffen. Dabei wird unmittelbar eine enorme Spannung aufgebaut und mit der Hoffnung auf ein gutes Ende verbunden. Thematische Titel sind daher in besonderem Masse „l’hors-d’œuvre de l’œuvre.“3 Thematische Titel anderer Art sind Titel, welche einzelne Gegenstände betonen, die für die Erzählung zentral sind, so etwa Trollkarlens hatt (Der Hut des Zauberers). Der Hut ist ein Katalysator für das gesamte Narrativ, indem er stetig Situationen generiert, die die Handlung vorantreiben. Anstatt einen konkreten Hinweis auf die Handlung zu geben, provoziert dieser Titel vielmehr Fragen, weckt die Neugierde.

Weiter finden sich im Korpus thematische Titel, die eine einzelne Figur hervorheben: Muminpappans memoarer (Muminpappans Memoiren) und Pappan och havet (Pappan und das Meer). Muminpappan ist die einzige Figur, welche im Titel vorkommt. Muminpappans memoarer ist in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben, da hier der Titel des Buchs im Buch gleichzeitig auch der Titel der extradiegetischen Erzählung ist. Pappans Werk wird durch den Titel quasi in die Reihe der Muminbücher integriert. Der Titel Pappan och havet lenkt den Fokus ebenfalls auf Pappan. Betreffend den Protagonisten scheint es aufgrund des Titels keine Zweifel zu geben. Arnold Rothe betont diesbezüglich die Kongruenz zwischen Titel und Text: „Aufgrund der Konvention kann der Leser damit rechnen, dass der im Titel genannte Stoff von zentraler Bedeutung für den Text, der Titelheld also beispielsweise auch dessen Hauptperson ist.“4 Bei der Lektüre zeigt sich hingegen, dass Pappans Stellung als Hauptfigur keineswegs so deutlich ist. Eine derartige Leseweise vernachlässigt andere Figuren und ist so gesehen eine krasse Simplifizierung des Inhalts.

Bei all diesen Titeln ist die Intention erkennbar, das „Konzentrat des Textes“5 widerzugeben, weshalb die Analyse der Titel auch Aufschluss gibt über die Setzung der Schwerpunkte durch die Titelgeber.

b) Rhematische Titel

Die Gegenüberstellung der zwei Typen sei „keine Opposition zwischen zwei Funktionen“, hält Genette fest. Sowohl thematische wie auch rhematische Titel „[…] beschreiben den Text durch eines seiner Kennzeichen, sei es nun ein thematisches (dieses Buch spricht von…) oder ein rhematisches (dieses Buch ist…).“1 Rhematische Titel unterscheiden sich also von thematischen Titeln durch die Art und Weise, wie Bezüge zum Inhalt hergestellt werden. Geschieht dies bei thematischen Titeln auf ganz konkrete Weise, funktionieren rhematische Titel auf einer abstrakten, emotionalen Ebene. Folgende Titel werden hier als rhematisch betrachtet: Farlig midsommar, Trollvinter und Sent i november. Die Gemeinsamkeit der in der Überschrift erwähnten Buchtitel offenbart sich bei einer Gegenüberstellung unmittelbar: Alle enthalten sie konkrete Verweise auf ganz spezifische Zeitpunkte und Feierlichkeiten im Jahreszyklus. Jahreszeiten evozieren sowohl eine bestimmte Stimmung wie auch Spannung, konstatiert Vivi Edström und verweist dabei in ihrer Arbeit auf oben genannte Titel Janssons.2 Farlig midsommar (Gefährliches Mittsommer) erinnert als Titel einerseits unmittelbar an William Shakespeare und A Midsummer Night’s Dream, andererseits an das wichtigste Fest im skandinavischen Sommer, welches grundsätzlich durch und durch positiv besetzt ist. Aufgrund der Bekanntheit und der Beliebtheit des Mittsommerfests kann in diesem Zusammenhang von gesellschaftlich etablierten Konnotationen ausgegangen werden, die damit verbunden sind. Durch den Titel wird dieses Fest mit einem negativen Attribut besetzt. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld, welches eine aus den Fugen geratene Ordnung suggeriert.

Jahreszeiten im Titel, meint Arnold Rothe, begegnet man ansonsten vor allem in Gedichten.3 Titel dieser Art sind insofern stark poetisch, als dass mit ihrer Hilfe Impulse gesetzt werden, um gewisse Gefühle zu evozieren. Hierbei treten Effekte in den Vordergrund, welche sich nach Gérard Genette als konnotativ bezeichnen lassen, „weil sie damit zusammenhängen, auf welche Weise der thematische oder rhematische Titel seine Denotation vornimmt.“4 Es herrscht eigentlich immer Sommer im Mumintal, so als böte die Sonne den Bewohnern die Kraft, sämtlichen Herausforderungen couragiert und geistreich zu begegnen. Vor diesem Hintergrund lassen Titel wie Trollvinter (Trollwinter) und Sent i november (Spät im November) den Glauben an ein Mumintal, in dem das Gute immer siegt, schwinden und zerstören Lesererwartungen jäh, ja brechen gar mit etablierten Prämissen der Muminwelt. Sie unterstreichen aber auch die Dramatik dieser Erzählungen und deuten den enormen Wandel an, der sich darin inhaltlich vollzieht. Die erwähnten Titel liefern, anders als diejenigen der ersten Gruppe, keine Hinweise zu Einzelheiten der Erzählung, locken vielmehr auf einer abstrakten, emotionalen Ebene. Ein Titel ist daher ebenfalls „[…] eine Synekdoche oder auch Abstraktion des Texts, seine Metapher oder Metonymie, er symbolisiert den Text.“5, ist also bereits eine erste Interpretation des Inhalts.

 

Während die Titel der ersten Gruppe ein zentrales Element der Handlung, einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Figur inszenieren, operieren die Titel der zweiten Gruppe auf einer abstrakteren Ebene. Dabei werden oft Begriffe aus der Natur verwendet. Sie geben vor der Lektüre jedoch keine Informationen zum Inhalt. Sämtliche Titel zielen darauf ab, zum Lesen zu animieren. Entweder wird bewusst die Neugierde geweckt oder die Titel verführen auf einer emotionalen Ebene, indem sie gezielt Gefühle provozieren. Die vorgenommene Aufteilung macht einen mehr oder weniger kontinuierlich wachsenden Abstraktionsgrad in der Titelei sichtbar. Die Diversität der Titel erstaunt in Anbetracht der Herausgabe der Muminbücher als Reihe. In ihrer Vielfalt sind sie Ausdruck der Eigenständigkeit jedes einzelnen Muminbuchs. Spannenderweise sind die Worte „Mumin“ oder „Troll“ in den Titeln äusserst spärlich vertreten, ganz im Gegensatz etwa zu den deutschsprachigen Ausgaben, wo der Begriff „Mumin“ oder „Mumintal“ in jedem Titel vorkommt.