Vampire Island - Die dunkle Seite des Mondes (Band 1)

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Kapitel 7

Cassandra war froh, endlich allein zu sein. Sie hatte bei ihrer Schwester durchsetzen können, getrennte Zimmer zu beziehen. Auch wenn sie erst einen Tag hier waren, ging Samantha ihr schon ziemlich auf den Geist und sie freute sich auf ihr Bett und Ruhe. Außerdem war sie auch müde vom langen Flug. Für morgen hatte Samantha Karten für das Ambrosia gekauft. Dort fand samstags eine Show statt, die sie sich unbedingt ansehen wollten. Zum Glück hatte Samantha auch wegen ihres verletzten Knöchels endlich Ruhe gegeben. So stark waren die Schmerzen nicht, und außerdem hatte Cassandra einfach keine Lust, ewig wie ein kleiner Trottel behandelt zu werden.

Ihr Handy klingelte. Cassandras Herz schlug schneller, doch als sie auf das Display sah, folgte abgrundtiefe Enttäuschung. Außerdem hatte der sexy Kerl ja gar nicht ihre Telefonnummer. Cassandra nahm das Gespräch an und straffte sich unwillkürlich. Mit einem aufgesetzten Lächeln flötete sie ins Telefon: »Hallo, Steve.« In Amerika war es gerade morgens.

»Oh mein armer Darling. Wie geht es dir?«

Innerlich schickte sie ihre Schwester zum Teufel. »Blendend. Wir haben tolles Wetter, das Essen ist traumhaft und unsere Zimmer äußerst großzügig geschnitten …«

»Lass den Unsinn, Darling. Das hört sich an, als wolltest du mir eine Ansichtskarte vorlesen. Was macht dein Fuß?«

»Frag doch Samantha.« Cassandra wackelte mit den Zehen. Sie hatte vergessen, sie zu lackieren. Steves Anruf weckte nichts in ihr. Keine Freude, ihn zu hören, keine Aufregung, ob seiner Stimme, kein Gefühl des Vermissens. Sie hörte, wie Steve laut einatmete. Wahrscheinlich hatte ihn ihre Aussage getroffen. Und wenn schon.

»Deine Schwester war besorgt und du hättest mich ja nicht angerufen.« Er klang ein bisschen beleidigt. Noch so ein Punkt. Steve verhielt sich manchmal wie ein Weichei, nicht wie ein Mann. Nicht wie einer mit funkelnden hellen Augen, mit Lippen, die zum Küssen einluden, mit schwarzen Locken, die …

»Ich wollte dich anrufen, aber dann dachte ich mir, so schlimm ist es ja nicht und ich wollte dir nicht auf die Nerven gehen. Jetzt bei deinem neuen Job. Wie geht es dir da? Wie waren die ersten Tage?«, plapperte sie drauflos, um ihre Gedanken zu verscheuchen. Cassandra schloss die Augen und massierte ihre Schläfen. Als ob das etwas brächte. Der Kerl von heute war einfach zu tief in ihrem Kopf verankert.

»Alles ganz wunderbar«, erzählte Steve bereitwillig. »Wir hatten gestern unser Kick-Off für die neuen Mitarbeiter. Ein Tag lang gefüllt mit Informationen zur neuen Firma, Leitspruch und die Kernprodukte, die angeboten werden. Abends waren wir noch im Seafood-Grill und haben …«

Cassandra hörte nur noch mit halbem Ohr zu. Sie dachte an die stählerne Brust, über die sie gerne gestreichelt hätte. Sie dachte an die Spannung, die zwischen ihnen gelegen hatte. Wie konnte sie ihn wiedersehen? Welche Möglichkeiten hatte sie, ihn zu finden?

»Hörst du, Cassy?«

»Ja, das hört sich wunderbar an, Steve.«

»Wir sind eingeladen beim Boss. Barbecue. Einige meiner Kollegen haben erzählt, dass er dafür immer richtig viel Geld springen lässt. Den Samstag, wenn du zurückkommst.«

»Sehr schön. Ich freue mich drauf. Steve, pass auf …« Ich habe mich in einen völlig wildfremden Typen verknallt, weil du es einfach nicht bringst. »Ich bin ziemlich müde. Lass uns doch morgen nochmal telefonieren.«

»Ja natürlich. Entschuldige bitte. Schlaf gut, Darling. Bis morgen. Ich liebe dich.«

»Dich auch.«

Sobald sie aufgelegt hatte, stieg das Verlangen wieder in Cassandra auf. Sie streckte sich auf dem Bett aus. Wie er sie fest im Arm gehalten und aus dem Wasser getragen hatte. Wie er halbnackt vor ihr gekniet hatte, mit diesem rätselhaften Ausdruck in den Augen. Spannung, die man beinahe greifen konnte. Und dann war er plötzlich verschwunden gewesen.

Sag es.

Ich liebe Steve nicht.

Nochmal.

Da ist noch etwas.

Ich kann ihn nicht heiraten.

Und?

Ich will diesen Kerl.

Zwei Minuten später war sie eingeschlafen.

Kapitel 8

Gordon Hadidas hasste das Nichtstun. Und noch mehr hasste er es, zu warten. Vor allem, wenn es darum ging, auf ein Lebenszeichen der Frau zu warten, die ihn schier verrückt machte. Er konnte nicht stillsitzen. Die Arbeit im Club interessierte ihn nicht. Die Tänzerinnen kamen und gingen, der Beat wurde lauter. Vor seinem geistigen Auge erschien ihm das wunderhübsche Gesicht der Frau von heute Mittag. Das durfte nicht sein. Er hatte im Moment ganz andere Sorgen. Vom Strand aus, wo Patriz noch mit dem Entfernen der Beweise beschäftigt war, war er direkt in sein Büro im Club gefahren. Er hatte überlegt, ob er die Frau aufspüren sollte. Für ihn stellte dies normalerweise keine Herausforderung dar. Jeder Mensch zog eine unsichtbare Geruchsmarke hinter sich her, der Vampire problemlos meilenweit folgen konnten. Aber was würde er dann tun? Sie sich einfach nehmen? Um sich zu beweisen, dass es nur Verlangen war, was er spürte? Nicht mehr?

Gordon Hadidas hatte immer getan, was er wollte. Und er hatte seine Interessen nicht selten auch rücksichtslos durchgesetzt. Eine Ablenkung. Das war es, was er brauchte. Er musste sich ablenken. Suchend blickte er sich in der VIP-Lounge um. Sein Blick fiel auf eine schwarzhaarige Tänzerin, die an ihrem Getränk nippte. Sie trug schwarze, enge Shorts und eine eng geschnürte Korsage. Sie war drall, unheimlich sexy und sah nun auch zu ihm hinüber. Er konnte beobachten, wie sie rot wurde, spüren, wie ihr Herz schneller schlug, hören, wie das Blut in ihren Adern pulsierte. Er nickte ihr zu und sie kam zu ihm rüber. Genau das, was er wollte, und als sie angekommen war und den Mund öffnete, um etwas zu sagen, stand er auf, nahm sie an der Hand und verließ die Lounge über die Plexiglasbrücke zu seinen privaten Räumen. Dabei sah er weder nach links noch nach rechts, folgte den Gängen, bis er angekommen war. In seinem Büro stand eine schwarze Ledercouch einladend in einer Ecke.

»Da geht aber einer zur Sache«, gickelte das Mädchen, während Gordon sie an sich zog, seine Hand in ihren Nacken legte und ihren Mund mit seinem verschloss. Sie schmeckte nach Gummibärchen und kaltem Rauch. Normalerweise ekelte ihn das an, aber er war verzweifelt genug, um darüber hinwegzusehen. Er musste diesen süßen, weichen Schmollmund vergessen. Diese weichen, wohlgeformten Brüste …

Seine Finger fummelten am Verschluss der Korsage, die sich schnell öffnen ließ. Er schob die Hände darunter und massierte den prallen Busen. Unecht.

Er versuchte, seine Leidenschaft in Gang zu bringen, legte die Arme um sie, presste sie an sich, versuchte, in dem wilden, ungezügelten Kuss zu versinken. Doch es gelang ihm nicht. Auch wenn sein Schwanz bereits steinhart war, sein Kopf war woanders. Seine wahre Erfüllung stand nicht vor ihm. Dennoch riss er die Hose nach unten und führte seine Finger in ihre Mitte, die bereits heiß und feucht auf ihn wartete. Nur Sex. Mehr nicht. Mit wenigen Handgriffen zog er sich seine Hose aus, warf das Mädchen auf die Couch und drehte sie um. Er wollte ihr nicht ins Gesicht sehen. Hart und erbarmungslos drang er in sie ein, knurrte vor Leidenschaft und suchte ihren Hals. Er strich ihre Haare beiseite, beugte den Kopf und biss zu. Ihr Blut sprudelte sofort hervor. Sein Speichel enthielt ein Gift, das sie vergessen ließ, was hier passiert war. Schrie sie? Er wusste es nicht. Geben und nehmen. Sie würde sogar vergessen, mit ihm geschlafen zu haben. Nur wenige Minuten brauchte Gordon, bis er sich zuckend in ihr ergoss. Die Wunde verschloss er mit seinem eigenen Blut. Nur wenige Sekunden danach war nichts mehr zu sehen. Er zog sie wieder an, drehte sie um und kreuzte ihre Beine übereinander. Dann floh er hinter seinen Schreibtisch.

»Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wenn Sie noch Fragen haben, können Sie gerne auf mich und mein Team zukommen«, murmelte er heiser.

»Ich, äh … ja.« Sie war verwirrt, aber sie würde niemals zugeben, dass sie überhaupt nicht wusste, was Gordon ihr erzählt hatte.

»Alles in Ordnung?«, fragte er.

»Ja. Es ist nichts. Alles ok. Danke. Ich gehe wieder arbeiten. Danke sehr.«

Sie stand auf und stakste in ihren High Heels aus dem Büro. Gordon stützte seinen Kopf in seinen Händen und seufzte. Die Ablenkung und die Stärkung hatten ihm nichts gebracht. Noch immer war da diese Frau in seinem Kopf. Verflucht!

Kapitel 9

»Es ist alles ok, Selma. Mach dir keine Sorgen.«

»Ich soll mir keine Sorgen machen, Victor?« Aufgebracht stand seine Frau vor ihm. Ihre Wangen waren erhitzt, ihre Lippen bebten. »Victor. Es wurde eine Regel verletzt. Der Mond hat sich verfärbt. Wenn auch nur für Sekunden, wie du sagst. Du weißt, wer die Regeln aufgestellt hat.« Ihre Augen glühten, die schwarzen Locken wippten, während sie gestikulierte.

»Ja, ich weiß, Liebling. Und deshalb mache ich mir auch noch keine Sorgen. Wir haben das immer mal wieder. Nie ist etwas passiert. Das bedeutet nichts.«

»Es hat keinen Blutmond mehr gegeben, seit wir hier auf der Insel sind. Ach Victor. Ich habe doch nur Angst.« Er kam auf sie zu, strich ihr über die Wange, küsste ihren wunderschönen, vollen Mund. »Mi vida. Ich liebe dich und ich werde dich beschützen. Es wird nichts passieren«, flüsterte er auf ihren Lippen. Sie war so wunderschön. Voll Temperament. Seine Selma. Nur für sie war er nach Ibiza gegangen. Nur für sie hatte er die russische Wildnis verlassen. Damals, vor mehr als tausend Jahren. Er liebte sie so abgöttisch, er würde sie mit seinem Leben beschützen.

 

»Sollten wir mit Don sprechen?« Mit einem Schlag war dieser Moment wie weggeblasen.

»Warum? Würde er mit uns sprechen wollen?«

Victor dachte über Patriz‘ und Gordons Worte nach. Dass hier eindeutig nicht nur eine Regel gebrochen worden war, dass es sich nicht um einen bedauerlichen Einzelfall handelte, wollte er seiner Frau nicht sagen. »Ach, Victor. Sei doch nicht immer so stur …«

Victor ließ von ihr ab. »Ich bin stur? Soll das ein Witz sein?« Er verschränkte die Arme und blickte nach draußen. Der Tag neigte sich dem Ende zu. Eigentlich hatten sie für den Abend ein schönes Essen auswärts geplant, aber Selma wollte nicht. Sie sei nicht in Stimmung, hatte sie gesagt.

Victor dachte darüber nach, wie in ihr die Liebe zu gutem Essen und schönen Restaurants erwacht war. Früher hatte sie, wie viele ihrer Art, komplett auf feste Nahrung verzichtet – bis er sie auf den Geschmack gebracht hatte.

»Ich bin nicht stur, Selma. Dein Bruder ist stur.« Sie kam näher, umarmte ihn von hinten und legte ihren Kopf auf seinen Rücken. »Mag sein. Aber du kennst doch das Sprichwort: Der Klügere gibt nach.«

»Pah«, schnaubte er und drehte sich um. »Ich will nicht der Klügere sein.« Ein sanftes Lächeln zog sich über ihre Lippen.

»Das bist du wahrlich nicht, Victor.« Sie machte ihn wahnsinnig mit der teuren, weißen Spitze auf ihrer samtigen braunen Haut. »Ich liebe dich«, hauchte sie, stellte sich auf die Zehenspitzen und kam seinem Mund näher.

»Ich liebe dich«, murmelte er auf ihre Lippen, küsste sie, hob sie auf und legte sie aufs Bett. Was sollte er ihr bloß sagen?

Kapitel 10

Sie verbrachten den ganzen kommenden Tag am Ses Salines im Jockey Club und ließen es sich gut gehen. Dazu hatten sie eine der weißen, luxuriösen Liegen gemietet und ließen sich die Köstlichkeiten aus der Küche an den Strand bringen.

Samantha nippte an ihrer weißen Sangria, fischte eine Traube raus und steckte sie sich in den Mund, während Cassandra in einem Buch las.

»Ach, es ist einfach herrlich hier.«

»Mhmmm«, murmelte Cassandra. Sie hatte jetzt überhaupt keine Lust auf Konversation.

»Nun erzähl doch mal. Wann wollt ihr heiraten?«

»Ich lese gerade, Samantha.«

»Das sehe ich. Und ich habe dir eine Frage gestellt.«

Wie sie diese kleine Welt hasste, in der ihre Schwester lebte. Ja, man konnte sich immer auf sie verlassen und ja, Cassandra liebte sie. Aber außer Samanthas Meinung existierte keine andere, und wie gerne sie sich auch gegen ihre Schwester aufgelehnt hätte, sie wusste, am Ende, würde sie verlieren. Wie so oft.

Cassandra legte das Buch auf das kleine Holztischchen neben sich. »Wir haben noch keinen festen Termin. Ich schätze, irgendwann im Winter.«

»Wisst ihr schon, wo? Wer wird euer Wedding Planer? Willst du etwas Romantisches oder eher nüchtern? Also, meine Arbeitskollegin, du weißt schon, Sandy aus dem Verkauf, die hat ja kürzlich ihren Brad geheiratet, und die hatten so einen Wedding Planer aus Santa Monica, ein ganz reizender schwuler Typ, und der hat gesagt, bloß keine weißen Tauben, weiße Tauben sind total out …« Wie immer bekam Cassandra Kopfschmerzen von ihrem Redefluss.

»Ich sagte doch, dass ich es noch nicht weiß. Immerhin hat Steve mir den Antrag erst vor dem Urlaub gemacht.«

Prüfend blickte ihre Schwester sie an. Mit ihrem breitem Gesicht und den nah beieinanderliegenden Augen war sie wahrlich keine Schönheit. Samantha trug einen albernen weißen Strohhut und ein Strandkleid. Dabei hatte sie eine recht gute Figur. Sie war sportlich und groß und hatte an den richtigen Stellen Rundungen. Allerdings war sie einfach immer viel zu besserwisserisch. Ihre dominante Art war nicht gerade beliebt bei den Männern, deshalb war sie auch noch immer Single. Aber selbst dafür hatte Samantha eine Ausrede.

»Wenige Männer können mit einer starken Frau zusammenleben«, pflegte sie immer zu sagen.

»Nun ja. Wie auch immer. Du solltest dir langsam Gedanken machen, Liebes. Eine Hochzeit plant man nicht eben in wenigen Wochen.« Sie trank ihre Sangria aus, faltete das Handtuch und legte es in den Strandkorb.

»Lass uns gehen. Mir wird es hier langsam zu laut.«

Jetzt, wo sie darauf aufmerksam gemacht wurde, empfand auch Cassandra die Geräuschkulisse als störend. Die Musik aus dem Beachclub war lauter geworden. Viele Gäste tanzten im Sand und unterhielten sich laut und ausgelassen. Auch der Club war gut besucht.

»Ja, in Ordnung. Außerdem habe ich Hunger.«

Sie packten ihre Strandsachen zusammen und nahmen ein Taxi nach Santa Gertrudes, wo ihr Hotel lag.

Eine Stunde später saßen sie in einer Bodega im Freien und ließen es sich mit Serrano-Schinken und verschiedenen Tapas gut gehen. Es war mittlerweile dunkel geworden. Der Wein stieg Cassandra zu Kopf, hob ihre Laune und machte sie beschwingt. Außerdem freute sie sich auf die Show heute Abend.

Es wurde Zeit. Ein weiteres Taxi brachte sie ins Ambrosia. Mit ihren Tickets durften sie an der langen Warteschlange vorbei und nahmen ein Begrüßungsgetränk in Empfang.

Wie leichtbekleidet die Frauen hier waren. Wenn sie sich umdrehten, konnte Cassandra die Pobacken unter ihren engen Hosen erkennen. Aufgeregt trank sie das Glas Sekt in einem Zug leer und beeilte sich, auf die Tanzfläche zu kommen. Ihr war egal, was ihre Schwester gerade machte. Sie wollte Spaß haben. Es war ihr Urlaub, und bald - wenn sie nicht noch eine Ausrede fand - würde sie mit dem Langweiler Steve verheiratet sein.

Der Club war aufgeteilt in mehrere Stockwerke. Eine Stahltreppe führte nach oben in einen abgesperrten Bereich. Vermutlich nur für VIPs bestimmt. Der Boden des oberen Stockwerks war aus dickem Glas. Sie legte den Kopf in den Nacken, spürte den Bass in ihrem Bauch - und blickte plötzlich in zwei stahlblaue Augen, die hinter einem Vorhang schwarzer Locken vom VIP Bereich aus zu ihr hinab starrten. Für einen Moment blieb ihr das Herz stehen. Da war er. Einfach so. Schwindel erfasste sie und sie wagte nicht zu blinzeln, aus Angst, er könnte wieder verschwinden. Er sah unglaublich sexy aus. Er trug ein weißes, perfekt sitzendes Hemd, dessen oberste Knöpfe geöffnet waren. Seine schlanken Beine steckten in einer schwarzen Hose. Ob es Leder war, konnte sie aus der Ferne nicht erkennen, aber sie schmiegte sich an seinen Körper, ohne unerotisch zu wirken. Vermutlich war Cassandra die einzige Frau, die enge Hosen an Männern nicht sexy fand. Dieser Mann umschmeichelte sie mit seinen Blicken, und doch lag ein grimmiger Ausdruck auf seinem Gesicht. So, als wollte er nicht, dass sie hier war. Selbst auf diese Entfernung konnte sie das Knistern zwischen ihnen spüren. Wie war das möglich?

Ein stechender Schmerz durchzog ihren Knöchel. Jemand hatte mit seinem Fuß unsanft den ihren gestreift. Cassandra gab einen Schmerzlaut von sich.

»Sorry«, nuschelte der Typ.

»Ja, schon gut.«

»Ich hab dir wehgetan, oder?« Alkoholgetränkter Atem umwehte ihre Nase. Cassandra blickte wieder hoch zu der Galerie, doch der Kerl war nicht mehr da. Verflucht.

»Ich habe doch gesagt, ist schon gut.«

»Darf ich dich aufn Drink einladen? So als Wiedergutmachung?«

Cassandra besah sich den Typen genauer. Er trug ein schwarzes Achselshirt und sah stark nach Engländer aus.

»Nein danke. Ich bin mit meiner Schwester hier, weißt du …« Der Kerl umfasste plötzlich ihren Oberarm. Cassandra erschrak. Es tat zwar nicht weh, aber dennoch war sie es nicht gewohnt, von wildfremden Männern angefasst zu werden.

»Ach komm schon. Ein Drink. Ich will ja nicht mehr …« Plötzlich kippte der Typ zur Seite, stolperte ein paar Schritte rückwärts und starrte verdattert an ihr vorbei. Cassandra drehte den Kopf.

»Lass sie in Ruhe. Sie gehört zu mir.« Der Engländer überlegte kurz, kam dann aber einen Schritt näher.

»Ja und? Sie wird sich ja wohl aussuchen dürfen, mit wem sie einen Drink nimmt. Vielleicht wollte sie einfach nur mal jemand anderes als dich, du … Schaubudenarbeiter.«

»Ich warne dich. Besser, du hältst dich von ihr fern, oder ich lasse dich entfernen.«

»Pfff, als ob du mir was befehlen könntest.«

Entweder der Typ war wirklich strohdumm oder betrunken oder voller Drogen. Oder alles zusammen.

Cassandra holte Luft. »Hey, alles in Ordnung. Was wäre, wenn die Frau gar nichts trinken möchte, weder mit Ihnen«, damit zeigte sie wehmütig auf den sexy Kerl und wandte ihren Blick zu dem Engländer, »noch mit dir.« Damit wollte Cassandra eigentlich die Tanzfläche verlassen und zu ihrer Schwester an den Tisch, aber der Engländer hielt sie erneut fest.

»Moment mal, Süße. Wir sind doch noch gar nicht fertig, oder?« So schnell konnte sie nicht hinsehen, wie ihr sexy Kerl den Engländer im Würgegriff hatte und von der Tanzfläche zog. Sie folgte den beiden mit den Augen und sah zu, wie er den Engländer an zwei Türsteher übergab. Mit einem gezwungenen Lächeln drehte er sich zu ihr und kam mit schwingenden Hüften auf sie zu. Ihre Knie zitterten und wurden weich. Gott, war dieser Typ heiß.

»Es tut mir leid. Normalerweise schreckt der Eintrittspreis solche Typen ab.«

»Äh, ja, schon gut. Danke«, stammelte sie und hätte sich ohrfeigen können. Konnte sie nicht was Cooleres sagen? Wie zum Beispiel: »Ich will dich. Lass uns den Club verlassen und zu dir gehen«, oder »Küss mich und hör nie mehr auf.« So etwas Ähnliches zumindest. Sie standen mitten auf der Tanzfläche und die Gäste rempelten sie an.

»Kommen Sie. Ich spendiere Ihnen und Ihrer Freundin einen Drink aufs Haus.« Er nahm sanft ihren Arm, und alleine die Berührung schickte tausend Blitze durch ihren Körper.

»Schon gut, ich kann alleine gehen.« Mutiger als sie war, befreite sie sich von seiner Hand und begleitete ihn zum Tisch, wo ihre Schwester ihnen bereits mit großen Augen entgegen sah. Sie setzte sich neben sie in einen gemütlichen Ledersessel und starrte in die Kerze, die vor ihr stand.

»Was kann ich Ihnen bringen lassen? Champagner?«

»Wer sind Sie überhaupt? Arbeiten Sie hier?« Samantha ging sofort in Angriffsstellung. Ihr war vermutlich nicht entgangen, wie gut er aussah, und sie meinte, ihre kleine Schwester beschützen zu müssen. Cassandra schämte sich trotzdem. »Samantha, der Mann hat mich …«

»Mir gehört der Laden. Ihre Freundin hatte gerade ein kleines Problem auf der Tanzfläche.«

»Was für ein Problem?«

»Nichts, was wir nicht bereits in den Griff bekommen haben, stimmt’s …?«

»Cassandra«, murmelte sie und wagte nicht, ihn anzusehen. Er stand immer noch neben ihnen am Tisch.

»Gestatten. Mein Name ist Gordon Hadidas.«

»Samantha. Und das ist meine Schwester, nicht meine Freundin.«

»Tatsächlich«, stellte Gordon fest, ohne unhöflich zu wirken. Cassandra musste grinsen.

»Ich … also ich nehme ein Glas Champagner, vielen Dank«, stotterte sie. Cassandra liebte diesen Moment. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie Zeugin, dass ihre Schwester verdattert war. Köstlich. Der Abend konnte nur gut werden, denn sie hatte zufällig diesen heißen Kerl wiedergetroffen.

»Ja dann nehme ich auch einen.« Gordon sprach in ein kleines Mikrofon, das an einer Schnur um seinen Hals baumelte.

»Dann wünsche ich den Damen noch einen schönen Abend und genießen Sie die Show.« Er war im Begriff zu gehen, doch das konnte sie nicht zulassen. Sie wollte den Abend mit ihm verbringen. Ihn bei sich haben. Und sie wusste, tief in ihrem Inneren, dass auch er sich danach sehnte. Sie hatte es in seinen Augen gesehen. Wie er sie beobachtet hatte. Wenn das wirklich sein Laden war, hätte er einfach die Bodyguards schicken können. Wozu der Aufwand, von seiner Empore hinabzusteigen zu den gewöhnlichen Gästen? Sie wusste, er wollte sie.

»Gordon. Bleiben Sie doch noch ein bisschen bei uns und erzählen Sie uns von Ibizas Geheimnissen«, bat Cassandra und versuchte, so unverfänglich wie möglich zu klingen. Er warf ihrer Schwester einen abweisenden Blick zu, rieb sich über den Mund und schob den dritten Sessel vom Tisch, um sich hinzusetzen.

»Wenn Ihnen an meiner Gesellschaft so viel liegt, gerne. Cassandra.« Er sah sie an und es war ein Blick, der sie erhitzte und erröten ließ. Für einen kurzen Moment schien er verwirrt, doch dann lächelte er plötzlich.

***

 

Das durfte nicht sein. Gordon hatte schleunigst verschwinden wollen, und nun saß er hier, ihr gegenüber. Er versuchte, sie mit seinen Blicken zu beeinflussen, doch sie reagierte nicht darauf. Vielmehr spürte er die Hitze, die von ihr ausging. Wie ein Feuer, das jetzt erst seine volle Kraft entwickelt hatte. Warum funktionierte es nicht? Die paralysierende Kraft, die von seinem Volk ausging, schlug bei ihr nicht an. Sie wirkte auf ihn, wie ein Mädchen wirken musste, wenn sie das wahre Begehren spürte. Und das war neu für Gordon. Auch wenn er eine magische Ausstrahlung auf Frauen hatte, nutzte er doch immer seine hypnotischen Kräfte, um sie vollends zu brechen. Die Frauen. Doch Cassandra war anders. Und dieses Andere faszinierte ihn.

Eine seiner Mitarbeiterinnen brachte den Champagner und sah ihn fragend an. Gordon schüttelte den Kopf, ließ seinen Blick nicht von Cassandra. Die Schwester hatte er völlig ausgeblendet, obwohl sie direkt neben ihm saß.

»Was möchten Sie gerne wissen?«, fragte er und beobachtete, wie sie das Glas hob, einen Schluck nahm und sich mit der Zunge über die Lippen strich. In seiner Hose regte es sich. Verdammt nochmal. Er war doch kein Teenager mehr.

»Was meinen Sie, Gordon?« Cassandra sah ihn verwirrt an.

»Du wolltest etwas über die Geheimnisse von Ibiza erfahren«, mischte sich die Schwester ein.

»Oh ja. Natürlich. Entschuldigung. Das ist wohl die Hitze hier. Kann man hier kurz mal an die frische Luft gehen?« Gordon nickte, stand auf und nahm ihre Hand. »Ich begleite Sie, damit Sie nicht wieder Ärger bekommen«, grinste er.

»Oh vielen Dank.« Ohne Widerrede folgte sie nach draußen. Auf bequemen Lounge-Möbeln lümmelten sich nur einige wenige Gäste. Die meisten waren im Club und warteten auf die Show.

»Möchten Sie ein Wasser?«

»Nein danke, ich … möchte lieber noch ein bisschen Ihre Gesellschaft.« Ihr Herz raste, er konnte es hören. Es klang wie Musik in seinen Ohren. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen.

»Sehr gerne, Cassandra. Sie brauchen aber keine Angst zu haben. In meiner Nähe sind Sie in Sicherheit.« Ja, das war sie.

»Ich habe keine Angst. Komisch, aber ich habe keine Angst, obwohl Sie eine … fast hypnotische Wirkung auf mich haben.« Sie legte die Hand auf den Mund. »Oh Gott. Habe ich das laut gesagt?« Gordon schmunzelte und nickte. »Ja, haben Sie.«

»Das ist mir unendlich peinlich. Verzeihen Sie bitte.«

»Das muss Ihnen doch nicht peinlich sein.« Er bugsierte sie in eine stille Ecke, ließ sie sich zuerst setzen und nahm anschließend direkt neben ihr Platz. Sie schien sich überhaupt nicht unwohl zu fühlen, nur ihr Herz klopfte bedenklich schnell. Ob das doch an ihm lag? Oder an dem betrunkenen Engländer? Sie war so zart. So unschuldig. Wie sie neben ihm saß, ihn nicht ansah, sondern einen kleinen Kaktus fixierte, der als Deko auf dem Tisch stand. Er betrachtete ihre weiche Haut. Sie war nicht so gekleidet und gerundet wie seine Tänzerinnen, aber sie war etwas Besonderes. Alleine wegen der Tatsache, dass ihr seine Fähigkeiten offensichtlich nichts anhaben konnten.

»Ich begehre Sie.« Die Worte sprudelten aus ihm heraus, sie hingegen sah so aus, als bräuchte sie Zeit, um den Sinn zu verstehen. Mit großen Augen sah sie ihn an, die Lippen leicht geöffnet.

»Entschuldigung, was …«

Unverwandt schaute er sie an. »Ich will Sie.«

»Aber das … geht doch nicht.«

»Und ob es geht.«

»Wir kennen uns nicht mal«, hauchte sie. Sie schien mit sich zu kämpfen. Er rückte näher, bis sich ihre Knie berührten. Schließlich beugte Gordon sich zu ihr. Dass sie nicht zurückwich, war ihm Einladung genug. Er hob die Hand, fuhr durch ihr seidiges Haar und zog ihren Kopf zu sich. Ganz langsam küsste er sie, hielt sein Verlangen im Zaum. Kein Zungenkuss, nur seine Lippen auf ihren, die viel wärmer und weicher waren, als er sie sich vorgestellt hatte. Dann öffnete er seine Lippen ein wenig und intensivierte den Kuss. Schon spürte er ihre Zunge, die mit seiner spielte. Sie schmeckte wundervoll. Nicht nach Gummibärchen oder kaltem Rauch. Ihre Lippen waren für ihn geschaffen, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte. Sie passten so perfekt zusammen, dass er sich für einen Moment in seiner Lust verlor und sich nahm, wonach er sich, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, gesehnt hatte: einen tiefen, leidenschaftlichen, nicht enden wollenden Kuss.

In dem Moment klingelte sein Handy. Mit einem Ruck war er wieder in der realen Welt. Vor ihm saß diese wunderschöne Frau, und er hatte eine Erektion, die schmerzte.

»Ich bin … das war«, flüsterte sie dicht an seiner Haut, und wieder erschauderte er.

»Cassandra …«

»Mmh?«

»Bitte, wir müssen damit aufhören.« Das Klingeln war verstummt, nur um wenige Sekunden danach erneut zu stören.

Wieder küsste er sie, doch dieses Mal hart und rücksichtslos. Und dann stand er hastig auf, griff nach seinem Handy und schaute sie nicht einmal mehr an. Dieser Kuss. Diese Frau. Was war bloß los mit ihm? Musste er erst tausend Jahre alt werden, um den größten Fehler seines Lebens zu begehen?

Gordon nahm das Gespräch entgegen, lauschte und schwankte entsetzt.

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?