Aufgespürt

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Aufgespürt
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Aufgespürt

Copyright: © 2014 Katrin Fölck

Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN: 978-3-8442-7984-9

Titelbild: © Anna-Mari West/Shutterstock.com

1

Ich werde munter und finde mich auf einer Futon-Matratze wieder, die auf dem blanken Boden liegt. Ich setze mich erstmal auf. Und muss mich gleich auf ihr abstützen.

Die Wände schwanken. Ganz sacht.

Ich sehe genauer hin.

Erst in die eine Richtung und dann g a n z l a n g s a m in die andere.

Ein Erdbeben?, schießt es mir in den Kopf.

Wo bin ich eigentlich?

Japan?

L.A.?

Ich habe keine Ahnung.

Die Wände scheinen auf mich zuzukommen.

Alle gleichzeitig.

Wie in Zeitlupe.

Nach Einsturz sieht das aber irgendwie nicht aus, denke ich.

Eher, als hätten sie zu einem Eigenleben gefunden und sich entschlossen, mich zu erdrücken.

Gerade, als ich schützend meine Hände über den Kopf verschränke und den Rücken krümme, damit ich kleiner bin, rücken sie wieder weg von mir.

Wie paranoid ist das denn?

Mit weit aufgerissenen Augen sitze ich da und starre ungläubig vor mich hin. Plötzlich fängt alles um mich herum an zu drehen.

Der Raum erscheint mir jetzt rund. Alles kommt mir vor, wie in einer Seifenblase. Und ich mittendrin.

Das ist so absurd, dass ich lachen muss.

Ich lache und lache, bis es mir die Tränen in die Augen treibt.

Jetzt höre ich eine Stimme, glockenklar, die lockend meinen Namen wispert.

Und wieder ruft sie flüsternd nach mir.

Ich will wissen, wer das ist.

Ich drehe mich um.

Vor mir steht eine elfenhafte Gestalt mit langen lockigen blonden Haaren und dem Gesicht eines Engels.

Ein Engel!

Er lächelt mich an und streckt mir die Arme einladend entgegen. Ich gehe ihm entgegen.

Doch plötzlich erscheinen weitere Wesen neben ihm. Einer gleicht dem anderen bis aufs Haar.

Wie soll ich denn jetzt meinen Engel wieder finden?

Als ich davon überzeugt bin, ihn entdeckt zu haben, berühre ich ihn ganz zart. Das wunderschöne Antlitz verwandelt sich in eine schreckliche Fratze, die kurz darauf in Staub zerfällt. Und alle anderen mit ihm.

Nein! Geh nicht!

Ich höre jemanden schreien.

Ist noch jemand hier?

Ich sehe mich um. Ich bin alleine. Es ist niemand außer mir in diesem Raum.

Dann muss ich das wohl sein, der schreit…

2

Die Atmosphäre ist aufgeheizt, spannungsgeladen.

Voller Energie.

Jetzt würde ein einziger Funke genügen und die Massen würden ausflippen.

Ich habe es in der Hand, in welche Richtung das ganze geht.

Ich habe die Macht dazu. Mir folgen sie.

Noch zwei Minuten, dann ist der Song zu Ende.

Was würde passieren?

Die Lichter gehen aus.

Ich stehe im Dunkeln.

Die Leute beginnen zu toben.

Tosender Applaus beherrscht die Szenerie, der noch weiter anzuschwellen scheint, je länger ich in völlige Dunkelheit getaucht bin.

Während der Beifall sich mit Jubel, Pfiffen und hysterischem Kreischen vermischt, stehe ich reglos und total erschöpft, aber auch in völliger Euphorie da. Ins Unendliche hochgepusht.

Adrenalin jagt mir durch meine Adern.

Es ist viel zu warm und stickig.

Ich atme schnell und gehetzt.

Die Lichter gehen wieder an. Alle gleichzeitig.

Ich bin wie blind, denn die vielen Spots mit ihrem grellen weißen Licht sind genau auf mich ausgerichtet und blenden mich so stark, dass ich noch Minuten später, als sie längst wieder erloschen sind, nichts sehen kann. Außerdem läuft mir der Schweiß die Stirn herab in meine Augen, die davon anfangen zu brennen.

Mein Hemd klebt mir am Rücken, ich habe mich total verausgabt.

Aber es hat sich gelohnt. Das alles war es wert, meinen ganzen Einsatz einzufordern und zu bekommen.

Ich bin wie ausgeknockt, weiß überhaupt nicht, wo ich gerade bin. Ein kurzer Augenblick bleibt mir noch Zeit, um mich wiederzufinden, bevor das Licht ein weiteres Mal angeht.

„Danke Leute“, sage ich nur, „Ihr wart großartig. Kommt gut nach Hause!“

Mir ist immer noch nicht eingefallen, wo wir uns gerade befinden, wo wir sind. Aber das ist ja nun wirklich nicht verwunderlich, ständig auf Achse, immer in anderen Hotels, Städten, Ländern.

Erst durch Tyler, dem wir den Spitznamen Edward verpasst haben, seiner Frisur und seiner Ähnlichkeit zum Hauptdarsteller im Film „Edward mit den Scherenhänden“ wegen, der mir anerkennend seine Hand auf die Schulter haut, werde ich zurück in die Gegenwart versetzt.

„Du warst wieder einsame Spitze, Jo-Jo! Du hast die Massen richtig gepackt. Sie fressen dir aus der Hand. Ich frag mich echt, wie du das machst?“ Ich kann den unverhohlenen Neid aus seiner Stimme heraus hören.

Fast im selben Moment kommt Dexter von der Seite hinzu und stößt mir kurz, aber heftig, seine Faust in die Rippen, so dass es weh tut. „Klasse Gig, Mann!“

Und als ich darauf nicht reagiere, kommt ein: „Eh, träumst du noch? Du siehst aus, als wärst du völlig weggetreten! Hast du etwa was genommen?“ von ihm hinterher.

Ich schüttele den Kopf. Ich hatte noch genug vom letzten Mal.

Außerdem werden mir schlagartig einige der Momente bewusst, als ich neuerliche Texthänger nur durch meine Coolness und die Einlage einiger neuer Dancemoves überspielen kann und sie deswegen niemandem auffallen. Niemandem eben, außer mir.

Aber ich kann sie nicht länger ignorieren. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, weiß ich längst, dass das gar nicht gut ist. Wie lange würde das Kartenhaus noch halten, bevor es über mir zusammenbricht?

Ferner weiß ich bereits, dass dies Auswirkungen unseres intensiven Alkohol- oder sogar des Drogenkonsums sind. Die kurzzeitigen Aussetzer sind erste Anzeichen dessen, dass ich bereits dabei bin, einen Teil meines Gehirns unwiederbringlich zu schädigen. Doch, solange ich dies verbergen kann, ist doch alles okay, rede ich mir ein. Oder etwa nicht?

Ich habe richtiggehend Angst davor, es irgendwann nicht mehr im Griff zu haben, weil ich nicht weiß, was dann passiert. Ich kann mir mein Leben nicht mehr anders vorstellen, als so wie es ist.

Ich bin süchtig nach Anerkennung und Erfolg.

Ich brauche den Jubel und den Beifall wie die Luft zum Atmen. Dies treibt mich immer wieder neu an.

„Guck mal, die kleine Blonde da vorne, die neben der Schwarzhaarigen, die hat nur Augen für dich, Jo-Jo. Ich glaub, die steht total auf dich...“ schreit mir Bubble ins Ohr.

Ich rücke ab von ihm. Heute ist mir irgendwie alles zu laut.

Er zwinkert mir zu: „Willst du nicht mal hin gehen...? Aber sag Bescheid; wenn du die nicht willst, mach ich sie klar…“ und schon lässt er wieder eine seiner Kaugummiblasen platzen.

„Leute, vergesst nicht, in `ner Stunde steigt unsere kleine Privatparty, um wieder runterzukommen?!“ Stick, unser Schlagzeuger, sieht in die Runde und überzeugt sich davon, dass es auch wirklich jeder von uns gehört hat.

Erst als wir ihm unsere Zustimmung durch Nicken kundtun, ist er zufrieden und haut als erster ins Hotel ab, im Schlepptau eine Hammerbraut mit roten Lederstiefeln.

3

Dass ich am nächsten Morgen mit zwei Mädels im Bett aufwache, wundert mich nicht, erlebe ich das ja nicht zum ersten Mal. Nur die Tatsache, dass ich so gar nicht mehr weiß, wo und wie ich sie aufgegabelt habe, gibt mir zu denken. Hatte ich sie angesprochen oder waren sie von sich aus mitgekommen? Ich kann mich nicht die Bohne erinnern, was ich mit ihnen veranstaltet habe. Oder doch wohl eher sie mit mir?

Ich blinzle zu ihnen hinüber. Sie sehen genauso fertig aus, wie ich mich fühle.

Ich habe einen Filmriss. Einen totalen.

Wie schon so oft in letzter Zeit.

Das Telefon stört. Es klingelt bereits eine ganze Weile. Dadurch bin ich auch erst munter geworden.

Ich habe Kopfschmerzen und verziehe missmutig mein Gesicht.

Ich suche das Zimmer mit einem Blick ab, um zu sehen, wo das nervende Teil steht. Vom Bett aus ist es nicht zu erreichen. Also muss ich aufstehen, um

den Hörer abzunehmen.

Ich stoße mir an der Tischkante das Knie. „Scheiße, verdammt!“

Es klingelt permanent weiter, während ich mir solange mein Knie reibe, bis der Schmerz endlich nachlässt.

Am anderen Ende ist Edward.

Er klingt irgendwie aufgebracht. „He, Jo-Jo, sag mal, wo bleibt ihr denn alle? Seid ihr bald da? Ich warte hier schon `ne halbe Ewigkeit.“

Ich gucke wie `ne Kuh, wenn`s blitzt. Weiß überhaupt nicht, was los ist, warum er anruft und was er mir versucht, zu sagen.

„He, was meinst du denn?“

„Sag nicht, du hast es vergessen?“

„Was denn, Ed? Mach doch endlich mal `ne Ansage!“, entgegne ich ihm jetzt mürrisch.

„Du hast es vergessen!“

Ich höre förmlich seine Enttäuschung.

„… ich glaub das einfach nicht! Wir sollen um zwei Uhr im Studio sein!“

Verschlafen frage ich: „Wieso, wie spät ist es denn?“

Und vernehme nur ein „Mist!“ vom anderen Ende.

„Also, wie spät?“

„Halb zwei.“

„Das wird knapp…“

„Jo-Jo, komm in die Puschen!

Du weißt, dass Tripple M ausflippt, wenn wir wieder zu spät zu den Aufnahmen ins Studio kommen. Er hat uns das letzte Mal eine Geldstrafe angedroht… Und dieses Mal sind wir dran. Ganz sicher. Oder er schmeißt uns gleich raus…“

 

Ich räuspere mich, weil ich so einen trockenen Hals habe und weil ich die Blicke der beiden Mädels auf mir spüre. Ich brumme nur ein „Hm.“

Doch Edward hält mich immer noch an der Strippe fest: „Sag mal, weißt du eigentlich, wo Dexter ist? Kannst du mal nachsehen, ob er mittlerweile aufgetaucht ist und bring ihn am besten gleich mit!“

Ich vernehme noch ein „Beeil dich einfach, Mann.“, bevor die Leitung tot ist und ich den Hörer auflege.

Mit einem: „Tut mir wirklich leid, Mädels, aber ich muss jetzt arbeiten.“, raffe ich die Klamotten der Mädels zusammen und lasse sie draußen im Gang vor der Tür meines Hotelzimmers fallen. Dann gehe ich zurück und sammle ihre Schuhe ein und mach es mit ihnen genauso.

„Los, raus hier!“

Nicht gerade gentlemanlike, aber das ist mir in diesem Moment völlig egal. Als sie schnallen, dass ich sie loswerden will, kreischen sie auf wie zwei wild gewordene Gänse.

Ich schiebe sie mit den Worten: „Bis zum nächsten Mal...“ vor mir her zur Tür und schließe sie hinter ihnen mit lautem Knall.

Während sie sich draußen anziehen, stehe ich schon unter der Dusche.

Ein Wohlgefühl durchströmt mich. Das warme Wasser, das auf meinen Körper prasselt, ist richtig angenehm und bringt meine Lebensgeister zurück. Ich würde liebend gerne noch unter dem Wasserstrahl zubringen, aber ich habe keine Zeit.

Schnell trockne ich mich ab, ziehe mir frische Klamotten an und besehe mich kurz im Spiegel.

Ich nehme etwas Haargel und verteile es in meinen Haaren und lasse so meine Mähne wieder auferstehen. So, das sah schon besser aus.

Musste ja nicht jeder gleich sehen, dass ich einen Absturz hatte.

Und wenn doch. Was soll`s? Das kam in den aller besten Familien vor.

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Wir haben es fast verkackt. Wir kommen ganze vierzig Minuten zu spät ins Studio.

Eddies Gesicht spricht Bände. Hatte er doch die ganze Zeit über die Witze, Sprüche und Flüche von „Mister Money Maker“, kurz Triple M, wie wir den Studioboss heimlich nennen, aushalten und ihn so lange bei Laune halten müssen, bis wir endlich alle da sind.

Stick und Bubble waren noch vor mir und Dexter eingetroffen.

Ich hatte Dexter fast nicht munter bekommen, so weggetreten war er.

Erst, nachdem ich ihn unter die Dusche gestellt, ihm ausgiebig ins Gewissen geredet und ihm die Konsequenzen unseres Handelns aufgezeigt habe, reißt er sich zusammen. Doch eigentlich spielt er so sowieso am besten.

Den Studioboss können wir durch unsere Leistung zufrieden stellen. Mit zunehmender Zeit wird sein Grinsen immer breiter. Jeder von uns gibt sein absolut Bestes. Und wir sind schneller mit den Aufnahmen fertig, wie geplant.

Wir machen mit unserem Talent und unserer Professionalität den Rückstand an verlorener Zeit wieder wett. Und er spart somit bares Geld.

Außerdem ist uns allen klar, was für uns auf dem Spiel steht.

Ich hasse diese Art von Musik. Ja, sie ist tanzbar und geht ins Ohr, Jeder kann sie mitsingen. Doch sie ist nicht meine. Zu seicht, zu oberflächlich. Nur der Anderen wegen ordne ich mich unter. Doch wenn M&M sich das zehnte Mal hintereinander wieder selbst dafür lobt, welch tolle Nummer er da komponiert hat, und wie die Mädels wieder darauf abfahren würden und dass wir ihm ewig dafür dankbar sein müssen, dass wir seine Songs aufnehmen und performen dürfen und nur durch ihn berühmt und reich werden, weiß ich wirklich nicht, wie lange ich das noch aushalte.

4

Nach getaner Arbeit lassen wir den Tag in unserem Lieblingsklub ausklingen.

Ich spüre meine Blase schon eine geraume Weile. Ihr Völlegefühl kann ich nicht mehr lange ignorieren. Alle Anderen scheinen mehr zu vertragen als ich oder hatten sich wahrscheinlich schon vor mir erleichtert.

Ich erhebe mich. Stick blickt mich fragend an. „Ich muss pinkeln.“

Ich schaue kurz in die Runde.

Mir fällt auf, dass Dexter schon eine ganze Weile verschwunden ist, und ich mache mich auf den Weg zu den Toiletten.

Im schummrigen Licht des Klubs sehe ich, wie einige mit dem Finger auf mich zeigen und höre sie hinter mir noch tuscheln. „Ist das nicht…?“ Doch das ist nichts Ungewöhnliches.

Als ich endlich bei den Toiletten angekommen bin, stelle ich mich ans Pissbecken und knöpfe mir meine Jeans auf.

Ich empfinde Erleichterung, als der warme Strahl sich ins Becken ergießt und lausche dem Plätschern nach.

Als ich mir die Hände wasche und im Spiegel die Haare richte, vernehme ich ein Wimmern.

Und dann ein Schluchzen, wieder gefolgt von einem Wimmern.

Wo kommt das her?

Ich blicke hinüber zu den Toiletten. Eine der Türen ist nicht geschlossen und ich kann halb hinein sehen. Ich sehe einen Schuh an einem Fuß an einer Jeans. Da scheint jemand auf dem Boden zu sitzen oder zu liegen.

Ich gehe näher und versuche, die Tür aufzustoßen, sie bewegt sich, aber nur bis zu dem Bein. An dem bekommt sie neuen Schwung und kommt wieder zurück.

Ich höre mich sagen: „Hallo? Ist alles in Ordnung da drin?“

Nichts passiert.

„Brauchen Sie vielleicht Hilfe?“

Keine Antwort.

Ich schiebe die Tür wieder einen Spalt auf und blicke um die Ecke.

Ich hatte weder vor, nach Dexter zu suchen, geschweige denn erwartet, ihn jetzt hier auf dieser Toilette vorzufinden und ganz und gar nicht in diesem Mitleid erregenden Zustand.

Ich brauche einen Moment, um die Situation zu erfassen.

Was ich sehe, verschlägt mir den Atem.

Dexter kauert zusammengesunken auf dem Fliesenboden und heult wie ein Schlosshund. Seine Augen sind rot. Unaufhörlich rinnen Tränen aus ihnen, und Rotz läuft ihm aus der Nase.

Ich bin völlig überfordert, weiß nicht, was ich sagen soll.

Er scheint so verloren. Wirkt unheimlich hilflos. So verletzlich.

Es ist ein Anblick des Jammers.

Ich stehe einfach da und starre ihn an.

Was war der Grund für seinen Zusammenbruch? Hatte er Liebeskummer? Schulden? Wieso war er so fertig?

In dem Moment wird mir klar, dass ich so gar nichts von ihm oder über ihn weiß. Wie kann ich ihm dann helfen?

Das schockiert mich.

Seit wann bin ich so oberflächlich? So gleichgültig? Wann bin ich so geworden? Wann habe ich mich verändert?

Auf einmal scheint Leben in ihn zu fahren, er rafft sich auf und beugt sich übers Klobecken, bevor er sich in einem Schwall in selbiges übergibt.

Ich weiche einen Schritt zurück. Mir ist nicht klar, ob es des Geruchs oder der Erkenntnis wegen ist, dass ich gerade seine Privatsphäre verletze.

Als er mich bemerkt, sagt er in völlig gleich bleibendem Ton, ohne auch nur eine einzige Silbe zu betonen: „Mir ist bloß schlecht. Hab wohl zu viel getrunken…“

Das ist alles.

Kein Geständnis. Kein weiterer Kommentar. Keine Erklärung für seinen Zusammenbruch.

Unschlüssig warte ich noch eine Weile, bis er von selbst rauskommt.

„Geht’s wieder?“, frage ich.

„ Ja. Komm gleich. Nur noch etwas frisch machen“, nuschelt er mir zu.

„Geh schon mal vor zu den anderen, nicht dass die sich noch Gedanken machen…“

„Geht klar.“, sage ich, schiebe meine Fäuste in die Hosentaschen und versuche, total cool zu wirken, während ich zurück an unseren Tisch schlendere, so, als wäre nichts gewesen.

Und dann weiß ich, was es ist, was mich so beunruhigt. Nicht, dass er sich heimlich an diesen Ort zurückgezogen hatte, um zu heulen. Nein, diese eigenartige Kälte in seiner Stimme und diese unheimliche Leere in seinen Augen. Das war es, was mir richtig Angst machte.

Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, dass er Hilfe gebraucht hätte. Von einem Freund. Vielleicht sogar meine.

Ich habe ihn später nie wieder so gesehen und mir schön geredet, was ich an diesem Abend in unserem Klub zu sehen bekam, war wirklich nur dem vielen Alkohol geschuldet.

Jeder hatte schließlich mal ein Tief.

Andererseits kann ich mich der Tatsache nicht verschließen, dass er in letzter Zeit ziemlich viel an Gewicht verloren hat und immer irgendwie zu blass ist. Im Gegensatz dazu ist er jedoch stets aufgekratzt oder wie aufgezogen.

Manchmal, wenn er sich unbeobachtet wähnt, ist es, als komme einen kleinen Moment sein wahres Ich zum Vorschein. Dann scheint er der Welt unendlich fern, entrückt, in sich selbst gefangen. Sein Lachen aufgesetzt.

Ich habe dabei oft das Gefühl, er hat keinen Spaß mehr daran, mit uns Musik zu machen.

Demgegenüber sind wir alle irgendwann mal müde, erschöpft, ausgebrannt, was ja kein Wunder ist bei dem Stress.

Auch aus diesem Grund gehe ich dem nicht weiter nach.

Wir machen weiter wie bisher.

Unser Leben kann nicht besser sein.

Wir werden umschwärmt: Unsere Downloads und CD-Verkäufe laufen prächtig.

Radio- und Fernsehstationen wollen uns interviewen, die Hochglanzmagazine verlangen Homestories von uns über die verrückten Sachen, die wir angeblich so machen.

Die Mädels liegen uns zu Füßen.

Wir verdienen viel Geld, fliegen um die Welt, geben Konzerte.

Und immer wieder Alkohol, Drogen, Partys.

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