REBELLION DER GEFÜHLE

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TAG FUENF

Lopez saß nach einer kurzen Nacht verschlafen am Frühstückstisch und wünschte sich selbst einen erfolgreichen Tag. Er hörte, wie sein Handy in seiner Jackentasche vibrierte. Seine Hoffnung beruhte darauf, durch die auf der Insel verteilten Fahndungsblätter endlich ein paar Hinweise zum Täter zu bekommen. Sein Wunsch wurde zerschlagen. „Pathologie“ zeigte sein Display an. Seine Kollegin musste erneut die halbe Nacht durchgearbeitet haben.

„Guten Morgen liebe Carmen. Was würde ich ohne Sie tun? Darf ich Sie nicht doch demnächst zum Abendessen einladen?“

Seine Frau, die gerade mit einem Berg schmutziger Wäsche auf dem Arm an ihm vorbeilief, warf Lopez einen nicht allzu freundlichen Blick zu.

„Rafael, die Obduktionsberichte des Ehepaars Fuchs sind erstellt, und Sie hatten recht. Beide Opfer wurden nachträglich erschlagen, und er bekam als Zusatzgeschenk noch Ton in seine Ohren und Nase geschoben. Aber jetzt halten Sie sich fest. Sie sind weder am Erschlagen gestorben, noch ist er am Ton erstickt. Sie waren beide bereits vorher tot. Bei der Untersuchung beider Opfer habe ich festgestellt, dass es sich um einen Tod durch den sogenannten Ratten-Lungenwurm handelt. Dieser ist leider zurzeit auf Mallorca häufig aktiv. Er kann und ist leider auch in diesem Fall für beide tödlich verlaufen. Sie mussten bereits ein geschwächtes Immunsystem gehabt haben. Dieser Wurm wird durch das Gericht „Caracoles“, wie Sie wissen, das traditionelle Schneckengericht übertragen. Die Infektion mit dem Parasiten kann über kontaminierte Nahrung oder Zwischenwirte, wie zum Beispiel Schnecken, in den menschlichen Körper gelangen. Diese verursachen starke Kopfschmerzen und neurologische Ausfälle.“

„Wie kommt er in die Schnecken?“ fragte Lopez irritiert.

„Er heißt so, weil die erwachsenen Weibchen in den Lungen und in Herzen von Ratten leben und dort ihre Eier ablegen. Die Larven werden dann durch den Magen-Darm-Trakt mit dem Kot ausgeschieden. Die Schnecken fressen ihn dann, und diese wiederum werden von Menschen, Vögeln oder Säugetieren gegessen. Dort suchen die Larven erneut das Gehirn und die Lungenarterien auf.“

Lopez hatte sofort das Bild des gestrigen Dinners vor Augen. Beide aßen riesige Berge von Schnecken.

„Kann der Tod innerhalb von einer Nacht einsetzen, oder dauert das länger?“

„Es dauert schon ein paar Tage. Außerdem dürften in guten Lokalen wie das, in dem Sie waren, hauptsächlich Schnecken genommen werden, die gezüchtet wurden.“

Lopez überlegte.

„Wann war der Todeszeitpunkt?“

„Anhand des Zustandes der Muskel- und Gelenkversteifungen sowie der Totenflecken, dürfte es um drei Uhr nachts gewesen sein.“

„Und Sie sind sich ganz sicher, dass beide den Ratten Lungenwurm vorher schon in ihrem Körper hatten?“

„Ja, Rafael ganz sicher. Das erneute Verspeisen allerdings hat dann wohl das Fass zum Überlaufen gebracht. Die zuletzt gegessenen Schnecken müssen ebenfalls infiziert gewesen sein und zum neurologischen Tod geführt haben.“ Lopez schwor sich in diesem Augenblick nie wieder Schnecken zu essen. Allein der Gedanke widerte ihn an.

„Was haben Sie sonst noch für Auffälligkeiten gefunden?“

„Beide wurden erschlagen, und zwar auch wieder Hinterkopf und Hals. Tötungsinstrument dürfte etwas Unebenes gewesen sein, so etwas wie eine Tonfigur, die in vielen Gärten am Pool steht. An den Schlagstellen konnten wir winzige Tonpartikel finden. Diese stammen nicht von dem Ton in der Nase und den Ohren.“

Lopez erinnerte sich an diverse hässliche Tonfiguren in der parkähnlichen Landschaft.

„Ach ja, die Opfer wurden beide zum Klavier gezogen. Ansonsten konnten wir bisher keine besonderen Auffälligkeiten feststellen. Sollte noch etwas Besonderes passieren, informiere ich Sie.“

Lopez bedankte sich überschwänglich und verließ wortlos die Wohnung. Er fuhr dieses Mal schneller als erlaubt zum Präsidium und rief die Spurensicherung an. Antonio Díaz, den er in sein Zimmer winkte, hörte zu.

„Lopez, guten Morgen, was konnten Sie herausfinden? Die Zeit drängt.“

„Buenos días. Was uns vor Ort auffiel, war, dass weit und breit kein Handy zu finden war. Der Täter muss es mitgenommen haben. Die Portemonnaies sind leer. Er hat sowohl Bargeld als auch sämtliche Karten mitgenommen. Ein benutztes Glas, das neben einer leeren, teuren Whiskyflasche stand, müsste auch von ihm gewesen sein. Er hat es sich nach der Tat wohl noch gemütlich gemacht. In diesem Glas lag der Rest einer gerauchten, sehr teuren Zigarre aus Havanna. Ich als passionierter Raucher schätze, dass diese Kostbarkeit einen Wert um vierhundert Dollar gehabt haben dürfte. Wir benötigen einen Abgleich des Speichels am Glas und der Zigarre mit dem Speichel der beiden Opfer, um sicher zu sein, dass nicht Herr oder Frau Fuchs diese Luxusgüter vor ihrem Tod konsumiert haben. Fingerabdrücke sind, wie bei den anderen beiden Taten wegen der abgenutzten Finger nicht möglich. Haare wurden erstmalig auf dem Sofa gefunden, auf dem er seinen erfolgreichen Abend beendete. Unsere Spurensicherung hat zudem die Polster des Sofas, auf dem vermutlich der Mörder saß, mit durchsichtigen Klebestreifen abgeklebt, um vor allem die Textilfasern, die sich von der Kleidung gelöst haben, zu überprüfen. In den Holzkästchen unter dem Klavier haben wir Fasern von alter Baumwolle gefunden. Diese dürften einige Jahrzehnte alt sein.“

Díaz und Lopez beschlossen erneut zum Restaurant zu fahren, um die Küche zu inspizieren. Da es auch bereits mittags gut besucht war, hatten sie die Möglichkeit, den Chefkoch und die Caracoles Köchin zu interviewen.

„Buenos días, Kommissariat Palma, Díaz und Lopez. Wir haben ein paar Fragen. Wir wissen, dass das Ehepaar Fuchs bei Ihnen gerne Caracoles isst. Vorgestern Abend waren beide hier und haben jeder eine große Portion davon genossen. Können Sie mir sagen, wann beide davor hier waren und ob sie auch Schnecken gegessen haben?“

Der Chefkoch überlegte kurz, schaute zu seiner Köchin, und beide waren sich einig, dass es so vor zehn Tagen gewesen sein dürfte.

„Meine Kollegin ist auf Caracoles spezialisiert. Sie kauft persönlich nur die besten der Insel, da darf ihr auch keiner reinreden, und zubereitet und serviert werden dürfen sie nur in ganz bestimmten Greixoneras, also Tonschalen.“

Die Köchin nickte wohlwollend.

„Das Ehepaar Fuchs ist an Caracoles gestorben, und daher müssen wir alle möglichen Wege, den Täter zu finden, auskosten.“

Beiden Köchen war das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.

„Sie glauben doch nicht etwa, dass wir etwas damit zu tun haben?“

„Wie oft wird bei Ihnen der Müll geleert?“

„Wie überall auf Mallorca, einmal pro Tag.“

Lopez machte sich trotzdem Hoffnung und ging zu den Müllcontainern. Schwarz war der allgemeine Müll, gelb die leichten Flaschen, blau das Altpapier und grün das Altglas. Er hob den Deckel der schwarzen Tonne hoch und hielt sich die Nase zu, da der Müll durch die Hitze zu stinken begann. Die Tonne war nur zu einem Fünftel voll. Die Reste von vorgestern Abend vernichtet. Er lief zurück in die Küche.

„Wo kaufen Sie die Schnecken?“

„In der Markthalle, also dem Mercat d´Olivar. Der Stand ist in der vorderen Halle und hat die Nummer siebzehn.“

Lopez und Díaz verabschiedeten sich mit dem Hinweis auf ein baldiges Wiedersehen und fuhren direkt weiter zur großen Markthalle Palmas. Eine ältere Dame wartete sichtlich gelangweilt an ihrem Stand auf Kunden.

„Buenos días, Lopez mein Name. Stimmt es, dass bei Ihnen regelmäßig die bekannte Köchin des sehr guten Klippen-Restaurants in der Nähe von Bendinat einkauft?“

„Si“, antwortete die Dame etwas stolz spontan.

„Sie kaufte die letzten Monate immer regelmäßig hier ein, da unsere Caracoles gezüchtet werden und daher keine Gefahr des derzeitigen Lungenwurms in sich bergen. Sie ist sehr nett und sehr großzügig. In der letzten Zeit allerdings wurden die Abstände, in der ich sie sah, immer größer. Schade. Ich vermute, dass sie die Schnecken vielleicht zusätzlich noch von einem anderen Züchter bezieht.“

„Muchas gracias Señora. Das reicht uns schon als Hinweis“, unterbrach Lopez die Dame und lief mit Díaz weiter durch die Halle.

Beide Kommissare waren sich sicher, dass durch die Käufe gezüchteter Schnecken keinerlei Gefahr von der Köchin ausgehen konnte. Vielleicht genossen die Opfer die Kriechtiere ab und zu auch in anderen Lokalitäten, oder ließen sich von ihrer Haushälterin gelegentlich welche zu Hause zubereiten. Die Markthalle in Palma bot alles, was man sich an kulinarischen Höhepunkten wünschte. Stände aller Art mit den frischsten Fischen, Krustentieren, Fleisch, Käse, Gemüse und Obst. Kaffee, duftende Backwaren, aber auch andere einheimische Produkte wie Korb- und Töpferwaren die zum Kauf angeboten wurden. Ein Durchgang lud in eine separate Halle ein, in der man vor Ort, umgeben von quirligem Leben seinen Hunger an Ständen mit Austern, typischen Tapas und Pinxos stillen konnte. Spanier, aber auch Touristen unterhielten sich dazu in lautem Tonfall und tranken meist nicht nur einen Champagner, sondern auch köstliche mallorquinische Weine. Beide liebten diese typisch spanische Atmosphäre, denn es war für sie Leben pur. Díaz und Lopez beschlossen sich gemeinsam drei Tapas zu teilen. Croquetas de jamon also Schinkenkroketten, Tortillas de patatas, Tortilla mit Kartoffeln und Gambas aller plancha, Garnelen vom Grill.

„Wir müssen zunächst zu Kramer. Er steht unter Tatverdacht“, sagte Lopez mit vollem Mund.

Díaz, der soeben eine Gamba in den Mund schob, nickte.

„Zusätzlich sollten wir Kontakt zur Köchin des Restaurants aufnehmen. Wir müssen versuchen, weitere Details zu erfahren.“

 

„Lassen Sie uns direkt losfahren, um ihn in seinem Büro zu erreichen.“

Dieses war allerdings nicht nötig. Lopez hielt bereits sein Feuerzeug einsatzbereit in der Hand, um sich eine Zigarette anzuzünden, als sie beide beim Herausgehen aus der Markthalle ihren Augen nicht trauten. Kramer stand zufällig mit einem älteren, gut gekleideten Herrn, vermutlich einem Interessenten vor dem Eingang eines alten Herrenhauses.

„Palma ist groß, aber irgendwie in gewissen Stadtvierteln wieder klein wie ein Dorf. Was für ein Zufall.“

Lopez steckte sein Feuerzeug abrupt zurück in seine Hosentasche. Sie sahen, wie Kramer einen Schlüssel aus seiner Aktentasche herausnahm und die große, schwere Holztüre öffnete. Es handelte sich eindeutig um einen Interessenten an der sanierten Stadtwohnung. Der Makler und sein Kunde liefen zügigen Schrittes in das Treppenhaus hinein. Lopez schaffte es im letzten Augenblick, seinen Fuß mutig zwischen die sich schließende Türe und die Mauer zu stellen. Kramer fuhr jedoch bereits mit dem alten, luxuriös aufgearbeiteten Aufzug in den vierten Stock.

„Díaz, haben Sie nach unserem Mittagessen Lust, bis in den vierten Stock zu laufen?“

Díaz schüttelte sichtlich erleichtert den Kopf.

„Rafael natürlich nicht. Wir nehmen den bequemeren Weg und rufen ebenfalls den Aufzug.“

Die luxuriös aufgearbeitete Türe der Wohnung stand offen.

„Díaz, Sie bleiben vor der Türe, falls Kramer flüchten möchte.“

Lopez lief lauten Schrittes direkt zu Kramer, der bereits einen Plan auf dem Tisch ausgebreitet hatte.

„Señor Kramer, Sie und Ihre Frau stehen unter Verdacht, das Ehepaar Fuchs ermordet zu haben. Sie werden direkt zum Verhör ins Revier gebracht, und mein Kollege und ich sammeln noch Ihre Ehefrau auf.“

Kramer versuchte aus dem Raum zu fliehen, lief Díaz aber wie geplant direkt in die Arme.

„Sie wissen ja, Flucht ist ein Zeichen der Schuld, denn nur der, der flieht, hat etwas zu verbergen.“

„So ein Quatsch“, schrie Kramer durch das Treppenhaus.

Lopez orderte einen Streifenwagen, um ihn offiziell abführen zu lassen.

„Wir sehen uns später auf dem Revier, aber jetzt sagen Sie uns noch, wo können wir Ihre Frau finden?“

„Mein Schatz hat gerade Töpferstunde. Sie liebt es, mit ihren Fingern etwas zu erzeugen. Deshalb spielt sie auch Klavier. Im Gegensatz zu Frau Fuchs, deren alter Flügel nur ein Kunstwerk im Raum darstellte. Keiner von beiden hatte jemals Klavierunterricht.“

„Wo ist die Töpferstunde? In Palma?“

„Nein, in Portol auf dem freien Gelände einer alten Töpferei. Sie töpfern in der Natur, gebrannt wird dann ohne sie, und sie können ihre Kunstwerke anschließend einen Tag später abholen. Das ist jedes Mal wie Weihnachten für sie.“

„Wie rührend“ antwortete Lopez sichtbar entnervt und lief mit Díaz Richtung Tiefgarage.

Portol war fünfundzwanzig Minuten von Palma Richtung Norden ins Landesinnere entfernt. Es war ein alter Töpferort, in dem auch heute noch Krüge, Kannen, Schalen, Schüsseln, Töpfe und vieles mehr hergestellt wurden. Der Ort erwies sich aufgrund der Nähe zum Tramuntana Gebirge auch als hervorragender Ausgangspunkt für Wanderungen oder Mountainbike Touren.

Bereits beim Erreichen der Ortseinfahrt konnte man in der Ferne erkennen, wie eine Gruppe von vier Personen in der Natur an Tischen saß. Lopez fuhr so nah wie möglich an die mit einigen verstreuten Olivenbäumen versehene Wiese heran. Beide Kommissare liefen die noch verbliebenen zweihundert Meter zu den Tischen.

„Hola, buenos días, Kriminalkommissariat Palma. Wir bitten Sie, Frau Kramer, mit uns zum Präsidium zu kommen. Ihr Mann wartet schon auf Sie.“

Der Lehrmeister des Kurses, ein seit Generationen alteingesessener Einwohner aus Portol, stand entsetzt auf. Mit seinem alten Strohhut, der verspiegelten Sonnenbrille und seinem Vollbart sah er älter aus, als er vermutlich war.

„Unseren Töpferkurs gibt es nun schon seit zehn Jahren, und noch nie musste einer das Erschaffen seiner göttlichen Kunstwerke verlassen.“

Díaz reichte es, er zog Frau Kramer von der Holzbank.

„Möchten Sie mit oder ohne Handschellen mitkommen?“

„Handschellen? Warum?“

„Investor Fuchs, den Sie gut zu kennen schienen, wurde gestern am Morgen, tot mit seiner Frau in seinem Haus in Bendinat gefunden. Da Sie zuletzt mit ihm im Restaurant gesehen wurden, hätten wir ein paar Fragen.“

Der Töpferlehrer setzte sich mit erschrockener Mine aus Versehen auf das von Frau Kramer gefertigte Kunstwerk.

„Mord? Investor Fuchs? Den kennt fast jeder auf der Insel, da er so viel Gutes für Mallorca und insbesondere Palma getan hat. Seitdem er hier ansässig ist, sieht Palma durch seine Sanierungen wie ein Juwel aus. Schade.“

„Vielen Dank, dass Sie mein Kunstwerk zerstört haben“, schrie Frau Kramer ihren Lehrer an. „Das war so zu sagen mein Meisterwerk, ein altes mallorquinisches Herrenhaus.“

Lopez drehte sich lachend zur Seite. Er durfte das Kunstwerk vor seiner Zerstörung noch kurz sehen und fragte sich, ob der Kasten ein altes einfaches Fischerhaus am Strand darstellen sollte. Aber dieses Elend blieb der Welt nun erspart.

Den Weg ins Präsidium nutzten beide, um Frau Kramer Fragen zu stellen.

„Wie oft haben Sie Fuchs gesehen?“

„Manchmal täglich. Aufgrund unserer gemeinsamen Zusammenarbeit natürlich. Privat hatten wir dann nicht allzu viel miteinander zu tun. Wenn man sich geschäftlich oft sieht, möchte man den Menschen nicht auch noch abends laufend begegnen“.

Lopez und Díaz warfen sich einen Blick zu und nickten verständnisvoll.

„Die Nachricht über ihren Tod nimmt mich sehr mit. Ich werde zudem meine nächste Aussage erst im Präsidium gemeinsam mit meinem Mann tätigen.“

Es war bereits kurz vor fünf, als Frau Kramer mit ihrem Mann zum Verhör das Zimmer betreten durfte. Lopez räusperte sich und fing gezielt an.

„Beide Opfer sind an einer bereits länger in sich tragenden Ratten-Lungenwurm Infektion durch Caracoles gestorben. Ihnen wird diese Todesursache nicht angehängt. Allerdings wurden beide nach ihrem Tod durch eine Amphore erschlagen, und zwei unter dem Klavier versteckte Holzkästchen wurden aufgebrochen und die mit Sicherheit wertvollen Inhalte entwendet. In dem einen Kästchen lag eine Siurell in Form eines umschlungenen Ehepaars. Da Sie zuletzt mit dem Ehepaar Fuchs Kontakt hatten und mit ihnen zusammen in die Limousine gestiegen sind, liegt der Verdacht nahe, dass Sie es gewesen sein könnten.“

Kramer schaute irritiert seine Frau an und beide schüttelten wortlos den Kopf.

„Sie glauben doch nicht, dass wir unseren Auftraggeber, von dem wir uns ein gutes Leben leisten können, ermorden. Sie halten uns wohl für absolute niveaulose Tiefflieger. Sicher ist man nicht immer einer Meinung, aber deswegen bringe ich doch keinen um. Zudem hat uns der Chauffeur nach dem Restaurantbesuch direkt bei uns zu Hause abgesetzt. Wir waren nicht mehr bei Fuchs in der Villa.“

„Haben Sie Zeugen?“ „Selbstverständlich. Wenn Sie nachdenken würden, würde natürlich erst mal der Chauffeur selbst infrage kommen, und dann unsere Haushaltshilfe, die bei uns in der Einliegerwohnung wohnt.“

Lopez erteilte Díaz den Auftrag, beide Personen telefonisch zu kontaktieren, um ihnen die Frage zu stellen, wann das Ehepaar Kramer zu Hause war.

„Hat Ihnen Fuchs jemals etwas über das alte, wunderschöne Klavier erzählt, oder sogar über die beiden Holzkästchen?“

„Der Flügel stand irgendwann vor Kurzem plötzlich in seiner Wohnung. Keiner von den beiden konnte wie gesagt spielen, das war für sie ein reines Kunstobjekt.“

Lopez bat um die Handys des Ehepaars.

„Ich gebe sie an meinen Kollegen von der KTU weiter. Sie sollen Ihre Geräte auf verdächtige Hinweise checken. Besonders interessieren wird uns dabei, ob Sie nach dem Absetzen an ihrer Villa noch einmal Kontakt zu Fuchs hatten. Sollte sich Ihre Unschuld bestätigen, erhalten Sie Ihre Handys unverzüglich zurück. Das kann allerdings einige Tage dauern.“

Kramer schlug auf den Tisch und schrie.

„Ich benötige mein Handy. Dort sind alle Geschäftstermine drauf.“

„Eben drum“, antwortete Lopez lächelnd.

Díaz trat in das Zimmer ein und bestätigte, dass Herr und Frau Kramer nach dem Restaurantbesuch direkt, ohne Umweg nach Hause gebracht wurden. Sie hatten damit ein eindeutiges Alibi.

„Sie sind im Moment frei, da Ihnen bisher keine verdächtigen Handlungen nachgewiesen werden können. Es ist allerdings noch nicht alles bis ins kleinste Detail untersucht, so dass noch weitere Recherchen erfolgen werden. Sie müssen bis auf Weiteres jederzeit zu Hause auf Ihrem Festnetz erreichbar sein. Sobald unsere Auswertungen der Handys vorliegen und gegen Sie auch weiterhin nichts Belastendes verwendet werden kann, sind Sie endgültig frei. Verstanden? Ach ja, eine Bitte noch. Ich werde mit meinem Kollegen in der nächsten Zeit Ihr aktuelles Bauprojekt anschauen. Wir kontaktieren Sie dann zu Hause. Zwei Kollegen bringen Sie jetzt zurück in Ihre Villa.“

Lopez öffnete die Türe und kniff Díaz ein Auge. Erst als er sah, dass alle Personen in den Aufzug gingen, schloss er leicht seufzend die Türe.

„Antonio sind Sie bereit für neue Taten, oder müssen Sie sich weiter Ihren anderen Fällen widmen?“

„Rafael, keiner kennt das Wort „delegieren“ so gut wie Sie? Ich gebe viele Aufgaben sehr gerne an meine jungen Kollegen weiter. Sie sind dankbar, etwas zu lernen, ohne zu wissen, was ihnen noch an Arbeit bevorstehen wird. Ihr Fall beginnt interessant zu werden, und ich würde Ihnen gerne weiterhin helfen, da Ihre Kreativität der eines Eichhörnchens entspricht. Sie suchen Nüsse, Nüsse und Nüsse. Dabei kann auch einmal etwas anderes gefunden werden. Wir ergänzen uns bekannterweise hervorragend, und warum sollten wir diese Konstellation zunächst nicht weiterführen?“

Lopez war erleichtert und freute sich innerlich auf die weitere gemeinsame Arbeit.

Der Chauffeur wohnte in einer nur für ihn angemieteten zwei Zimmer Wohnung in einem Apartmenthaus. Díaz stoppte den Wagen mit seinem unverkennbaren kurzen Bremsweg vor dem größeren Gebäude. Sie hatten Glück. Dem Drücken auf den gestylten Klingelknopf folgte ein leichtes Surren der Türe. Lopez, der die mit Glas versetzte, und veredelte Aluminiumhaustüre durch seinen eigenen Körpereinsatz schneller öffnen wollte, flog durch das rasche automatische Öffnen derselben zunächst in den Hausflur hinein.

„Beeindruckender Auftritt Herr Kollege.“

Kramers Chauffeur, dessen Wohnung im Erdgeschoss lag und die Situation beobachten durfte, drehte sich sichtlich amüsiert um. Er bat beide mit dem Gesicht zur Wohnung gewandt, diese zu betreten und sich auf das lichtgraue Loungesofa zu setzen. Díaz, der mit seiner Körpergröße von einem Meter sechzig für das Sofa mit einer Sitztiefe von fünfundsiebzig Zentimetern eindeutig zu klein war, lag zum größten Teil auf demselben.

„Machen Sie es sich bequem“, sagte der Chauffeur neutral. „Kommissar, ich glaube, dass Sie es sich bereits zu bequem gemacht haben. Setzen Sie sich lieber ganz vorne auf den Rand des Sofas, das demonstriert, dass wir hier nicht privat, sondern geschäftlich sind.“

Díaz schob sich mit beiden Armen nach vorne und nahm eine sichtlich geradere Sitzposition ein.

„Danke, dass Sie uns hereingelassen haben. Wie Sie sich denken können haben wir einige Fragen. Zusätzlich benötigen wir Ihr Handy. Ihr Bewegungsprofil in der Tatnacht werden wir selbstverständlich auch überprüfen müssen.“

Lopez zog eine kleine Plastiktüte aus seiner Hosentasche und steckte das Handy hinein.

„Widerrede hat keinen Erfolg. In Fuchs Haus wurde nach der Ermordung etwas entwendet, das von größerem Wert zu sein schien. Versteckt in zwei Kästchen unter dem Klavier. Als Chauffeur bekommen Sie durch persönliche Gespräche, Telefonate und Fahrten von Personen im Wagen sehr viel mit. Ist Ihnen in den letzten Tagen etwas aufgefallen, was nicht dem Alltag entsprach, und wissen Sie, woher Fuchs den Klavierflügel hatte?“

„Bisher durfte keiner wissen, dass er seine Villa verkaufen wollte. Ansprüche wachsen im Laufe der Zeit, und das Beste ist dann nicht mehr gut genug. So auch bei meinem Ex-Chef. Vor einigen Tagen gab es einen Interessenten für die Villa. Ich sollte ihn kontaktieren und abholen. Allerdings hatte ich nur seine Telefonnummer, die beim zweiten Anruf schon nicht mehr funktionierte. Der Kaufinteressent wies darauf hin, dass er vorher noch geschäftlich etwas zu erledigen habe und ich ihn vor einem Restaurant im Villenviertel von Arenal abholen könnte. Bei der Ankunft bei Fuchs interessierte er sich zunächst auffällig für die Alarmanlagen, was ich schon sehr merkwürdig fand. Er erzählte mir, dass er ein internationales Unternehmen für Alarmanlagen habe und sich bei jedem Hausbesuch darüber informiere. Die Erklärung kam mir in diesem Augenblick aber nicht verdächtig vor.“

 

„Wie sah er aus?“, fragten beide Kommissare zeitgleich.

Stirnrunzeln avisierte den Denkprozess.

„Er war so groß wie ich. Circa einen Meter siebzig.“

Díaz schaute ihn und auch Lopez neidvoll an.

„Unverkennbar waren seine schwarzen Haare. Er dürfte etwas jünger als ich gewesen sein, so Ende fünfzig. Eigentlich machte er keinen sonderlich reichen Eindruck, aber in diesen Kreisen stehen ja einige auch auf Understatement. Und er war von der Sprache her eindeutig ein Spanier, wahrscheinlich sogar Mallorquiner.“

„Und sonst?“

„Sie müssen bedenken, dass zwischen dem Gast und mir eine Scheibe ist und ich meine Kunden nicht die ganze Zeit analysiere. Im Gegenteil, Seriosität ist hier eher angebracht.“

„Sie haben uns noch nicht die Frage nach der Herkunft des Flügels beantwortet.“

„Señor Lopez, ich bin der Chauffeur von Herrn Fuchs und nicht seine Haushälterin. Meine Aufenthaltsorte sind die Limousine oder mein Zuhause. Durch Gespräche während einer Fahrt habe ich nichts mitbekommen. Ehrlich gesagt, hätte ich ohne Ihre Frage nie gewusst, dass er überhaupt ein Klavier besitzt.“

Es war bereits spät, aber Lopez und Díaz beschlossen nach Übergabe des Handys an die KTU, noch ein kurzes Brainstorming zu machen.

„Was haben Ihnen die Hinweise von unserem Besuch vermittelt, Lopez?“

„Die Merkmale des Mannes stimmen zumindest mit denen des Täters von Kapitän Sturm und Dreschke überein. Auch wenn sie nicht allzu ergiebig waren.“

Lopez nahm seine Jacke vom Stuhl, legte sie über seinen Arm und verabschiedete sich.

„Buenas noches Antonio, warum haben Sie fast immer das letzte Wort? Das Fazit Ihrer Hilfe ist, dass ich morgen nicht wie ursprünglich geplant allein zum Klavierhändler fahren werde, sondern natürlich in Ihrer Begleitung. Aber jetzt rauche ich draußen erst mal eine richtig gute Zigarette.“

„Welche Überraschung Kollege.“

Lopez haute Díaz kurz auf seine schmale Schulter, winkte, und verließ pfeifend den Raum.

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