Märchenhaft - Elisabeth

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Montag, 11.06.

»Guten Morgen, Liebes ...« Moritz hatte seinen Wecker ausgestellt, Elisabeths Haar aus dem Nacken gestrichen und sie auf diese kleine, empfindliche Stelle hinter dem Ohr geküsst. Sie schmiegte sich an ihn, nahm seine Hand und murmelte: »Noch fünf Minuten kuscheln ... Ich träum gerade so schön ... Wobei, wenn ich es recht überlege ...«

»Dann?«

»Doch kein Traum ... Du bist ja hier ...«

»Ich muss aber gleich los ...«

»Ich weiß. Ich ja auch. Du Badezimmer, ich Frühstück?«

»Hmmmm ... Lieber wir beide Badezimmer und Frühstück fällt aus?« Er biss ihr neckisch in den Hals und lachte.

Eine halbe Stunde später fiel die Haustür ins Schloss und erneut fühlte Elisabeth einen Schatten der Einsamkeit nahen, der sich schwer auf ihre Schultern legte. Für den Abend hatten sie sich wieder verabredet, Moritz wollte nach der Arbeit zu ihr kommen, konnte aber nicht über Nacht bleiben. Sie trank ihren Kaffee aus, packte den Inhalt ihrer Handtasche in eine andere um, die besser zum Tagesoutfit passte, und machte sich auf den Weg ins Büro. Es gab viel zu tun an diesem Montagmorgen und sie wollte lieber früher als später damit anfangen. Was Dr. Bruckmann wohl sagen würde?

Sie traf ihn bereits auf dem Parkplatz, er sah sie kommen und wartete neben ihrer Parkbucht.

»Guten Morgen ...« Er hatte ihre Autotür geöffnet und grinste sie breit an.

»Einen wunderschönen guten Morgen, liebster Chef ...« Beide kicherten. Elisabeth nahm ihre Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus. Markus Bruckmann musterte sie, sie sah erholt und glücklich aus, so wie seit ewigen Zeiten nicht. Im Geiste beglückwünschte er Moritz zu seiner Eroberung und lief grinsend neben Elisabeth her.

»Müssen wir über irgendetwas reden?«, fragte sie mit einem gewissen ironischen Unterton.

»Über den Montana-Fall, aber das hat Zeit bis nach dem ersten Kaffee.« Er zwinkerte ihr zu und beiden war klar, dass es keiner weiteren Worte bedurfte, zumindest nicht über Moritz.

In den wenigen Pausen, die dieser Tag ihr ließ, sah Elisabeth immer wieder auf ihr Handy; keine Nachricht von Moritz. Ein ungutes Gefühl beschlich sie und ihr Magen zog sich zusammen. Was war passiert? War etwas passiert? Er musste sicherlich nur wahnsinnig viel arbeiten. Vielleicht hatte er sein Handy irgendwo liegen lassen. Aber dann hätte er ja eine Mail schreiben können. Ihre Mailadresse war nicht schwer zu merken. Und ihre Handynummer wusste er auswendig. War das eins dieser klassischen Spielchen? Sich nicht zu melden, um zu testen, wann sie Sehnsucht bekam? Das war nicht Moritz’ Art. Oder doch? Vielleicht war wirklich etwas passiert? Oder wollte er sie damit wissen lassen, dass sein Interesse erloschen war? Sie fasste sich ein Herz und schrieb ihn an.

👠 Hey, hoffe es geht dir gut. Haben gar nicht besprochen, ob wir was zusammen essen!? Lass es mich einfach wissen. 💋

So klang es wenigstens nicht so verzweifelt, wie es sich an diesem frühen Nachmittag anfühlte. Zugestellt. Immerhin, dachte sie sich und machte sich wieder an die Arbeit.

Als sie um 16.30 Uhr den Computer ausschaltete, winkte Dr. Bruckmann gerade zum Abschied durch die Tür.

»Liebe Grüße!«, grinste er.

»Ja, richte ich aus«, seufzte sie. Wenn ich ihn sehe.

Um halb zehn am Abend öffnete sie den Gruppenchat mit Isabelle und Marie.

👠 Mausis, was macht ihr Schönes?

💅 Huhu! Ich leg mich jetzt in die Wanne und geh dann ins Bett. Hab Muskelkater vom Yoga ... Und du?

👠 Häng hier rum. War eigentlich verabredet, aber irgendwie ist er nicht aufgetaucht.

💅 Oh. Dein Märchenprinz vom Wochenende?

👪 Mädels, hab miesen Empfang hier ... Muss immer aus dem Bungalow gehen, um zu schreiben. Ihr kriegt das ohne mich hin?

💅 Ich hoffe. Schönen Urlaub!

👠 Muss dann wohl 😉 Viel Spaß euch Dreien!

Sie wechselten in die Einzelunterhaltung.

👠 Ja ... Der, dessentwegen ich dich angerufen habe. Das Wochenende war wahnsinnig schön und ich hatte gedacht, dass er es auch genossen hätte. Aber seit er heute Morgen losgefahren ist, hab ich nichts von ihm gehört. Dabei wollte er nach der Arbeit rumkommen.

💅 Blöd. Habt ihr ... 😍?

👠 Du bist gemein 😩 Ja. Haben wir 💖

💅 Und???

👠 Eine Lady genießt und schweigt. 😈

💅 Okay ... Und jetzt meldet das Arschloch sich nicht?

👠 Jap. Und ich sitz hier und zermartere mir das Hirn, warum. Weißt du, ich hab solche Schreckensszenarien im Kopf. Dass er einen Unfall hatte. Oder die Story mit der Ehefrau gelogen war, sie sich bester Gesundheit erfreut und ich nur ein Abenteuer bin. Oder dass ich Gegenstand einer Wette war ... 😢

💅 Ach Mausi, lass den Kopf nicht hängen. Vielleicht ist es ganz harmlos und er konnte nur nicht schreiben.

👠 Du hast gut reden. Wahrscheinlich sitzt er gerade mit einem Freund beim Bier und lacht sich schlapp ...

💅 Also meinst du, dass es wieder mal ein Frosch war?

👠 Eher eine Kröte. Frösche verwandeln sich wenigstens hin und wieder in Prinzen. Kröten sind einfach nur dazu da, dass man ihnen über die Straße hilft ...

Sie schrieben nicht mehr viel an diesem Abend, Elisabeth ging zu Bett und fand nur schwer in den Schlaf. Ihr Magen rebellierte, sie hatte den ganzen Tag kaum etwas zu sich genommen und jetzt nahm er es ihr übel.

Dienstag, 12.06.

Moritz wachte auf und blickte in ein bekanntes Gesicht, das er dennoch nicht erwartet hatte. Sein Kopf schmerzte und sein Blick war getrübt, sein Gegenüber lächelte ihn an und tätschelte seinen Arm.

»Moritz, schön, dass du wieder unter uns bist. Du hast enormes Glück gehabt ...«

In diesem Moment bemerkte Moritz, dass nicht nur sein Kopf schmerzte, vielmehr war es sein ganzer Körper.

»Verdammt. Mir tut alles weh. Professor Altenbach, was ist passiert?«

»Mein Lieber, du hattest einen Unfall und –«

»Wo ist mein Handy?«

»Ganz ruhig, Moritz. Deine persönlichen Sachen sind bei deinem Vater. Er war bis vor einer Stunde hier, hat die ganze Zeit an deinem Krankenbett gewacht. Ich habe ihn nach Hause geschickt. Ich werde ihn gleich anrufen und darüber informieren, dass du wieder bei Bewusstsein bist. Keine Sorge.«

»Ja, aber –«

»Kein Aber, Moritz. Ruh dich aus. Du bist ja immer noch so schlimm wie als kleiner Junge. Weißt du noch, wie du dir den Arm gebrochen hast und nach zwei Tagen zu mir gekommen bist, dass ich den Gips abmachen soll?«

»Ja. Weiß ich. Er war blau und die Schwester hat mir einen Ritter darauf gemalt. Aber ich –«

»Schön. Dein Kopf funktioniert also noch. Das CT war unauffällig, abgesehen von der Gehirnerschütterung. Morgen Mittag machen wir aber sicherheitshalber ein MRT.«

»Von mir aus ... Aber was ist passiert? Und – ich muss dringend telefonieren!«

»Moritz, entspann dich bitte. Telefonieren kannst du morgen früh, es ist halb eins in der Nacht. Du hattest heute Morgen einen Unfall mit dem Auto. Ein LKW ist in die linke Spur gezogen und hat dich nicht gesehen. Du warst sehr schnell unterwegs, die Polizei schätzt circa 210 km/h, dein Wagen hat sich überschlagen und ist durch die Leitplanke auf einen Acker geschleudert worden. Dem LKW-Fahrer ist, außer einem Schock, nichts passiert. Gut, dass es so früh war, bei voller Autobahn wäre das anders ausgegangen.«

»Professor Altenbach, ich muss meine Freundin anrufen. Sie sorgt sich bestimmt.«

»Morgen Moritz. Jetzt schlaf dich aus.«

*

»Guten Abend. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.«

»Nein Hermann, hast du nicht. Was gibt es? Ist Moritz wach?«

»Ja. Und es geht ihm gut. Er erinnert sich zwar nicht an den Unfall, aber an den gebrochenen Arm und den Ritter auf seinem Gips.«

»Herrlich. Das ist mein Sohn ... Ich danke dir.«

»Na ja, ich bin nur der Überbringer der guten Nachricht. Allerdings musste ich Moritz gerade bremsen, ich glaube, er wäre am liebsten direkt zurück zur Arbeit. Und er wollte seine Freundin sprechen. Ich wusste gar nicht, dass er eine hat. Muss ich mir Sorgen machen?«

»Typisch Moritz ... Nein, die Freundin ist keine Halluzination. Er hat mir Samstag von ihr erzählt. Alles noch ganz frisch ... Deswegen wäre es schön, wenn er es ihr selber sagen könnte ...«

»Ich verstehe. Lass das meine Sorge sein. Wie heißt sie?«

»Elisabeth Schmidt.«

»Gut, mein Lieber. Ruh dich aus, ich schätze, wir sehen uns morgen?«

»In alter Frische.«

*

»Dr. Bruckmann?«

»Frau Schmidt, so früh?« Es war halb sieben, als Markus Bruckmann aus der Dusche kam und einen Anruf entgegennahm.

»Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Ihnen nur früh genug Bescheid geben. Ich werde heute nicht zur Arbeit erscheinen, mein Kreislauf spielt verrückt ...«

»O je, Sie Arme. Gute Besserung!«

»Danke. Ich melde mich wieder.«

Er überlegte. War sie jemals krank gewesen, seit sie für ihn arbeitete? Nicht, dass er sich erinnern könnte. Hatte sie etwa der Stress eingeholt? Markus Bruckmann hoffte, dass es nicht so wäre, für sie nicht, für Moritz nicht und auch nicht für den Montana-Fall, der ohne Elisabeths Hilfe noch undurchsichtiger würde. Aber was war schon ein Tag? Wenn sie morgen wieder käme, wäre alles gut. Kreislauf? Haben Frauen ja manchmal, dachte er, trocknete seine Haare und überlegte, welche Krawatte er heute tragen wollte.

 

*

»Dies ist die Mailbox von Elisabeth Schmidt. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«

Es war halb zehn, Markus Bruckmann hatte sie jetzt zum dritten Mal nicht auf dem Handy erreicht. Er wählte das Festnetz an, mit Kreislaufstörungen würde sie ja nicht unbedingt aus dem Haus gehen. Inzwischen hatte er aber eine Ahnung, woher diese rühren könnten.

»Schmidt ...«

»Markus Bruckmann. Gut, dass ich Sie zu Hause erreiche ...«

»Oh ... Ja. Mein Handy ist aus. Ich wollte etwas Ruhe ...«

»Kein Ding. Ich glaube, ich habe etwas gegen Ihre Beschwerden ...«

»Sie sind Dr. jur., ein Rechtswissenschaftler, kein Humanmediziner. Was bitte haben Sie, das mir helfen soll?«

»Sehr amüsant. Ja. Ich rufe indirekt in Moritz’ Auftrag an.«

Elisabeths Herz blieb stehen. Schlussmachen per SMS hatte sie schon gehört, aber über den Freund, der Chef der Freundin war?

»Es geht also um Moritz ... Bitte!«

»Erschrecken Sie nicht. Er liegt im Virchow-Krankenhaus, in Eschberg, gestern Morgen hatte er einen schweren Unfall, ist aber zum Glück wohlauf. Moritz möchte Sie sehr gern sehen, hat aber sein Handy abgenommen bekommen und konnte sich nicht melden.«

»O mein ...« Ihr fehlten die Worte, sie rang nach Luft.

»Beruhigen Sie sich, bis auf ein paar Prellungen und eine Gehirnerschütterung geht es ihm hervorragend. Machen Sie sich in aller Ruhe fertig und besuchen Sie ihn. Station 2, Zimmer AB 42.«

»Danke ... Ich glaub, mein Kreislauf fährt jetzt erst recht Achterbahn, aber ... Egal. Ich melde mich später.«

»Passen Sie gut auf sich auf!«

👠 Mausi, ich nehm alles zurück. Moritz ist im Krankenhaus. Autounfall. Aber wohl alles okay. Melde mich später.

💅 Und ich sag immer: Frauen sind die besseren Autofahrer ... Drück dich!

*

»Frau Schmidt, nehmen Sie doch gern hier im Warteraum Platz, Herr Fürst ist noch beim MRT, wenn er zurück ist, sage ich Ihnen Bescheid.« Die Schwester lächelte milde, ein wenig so, als spräche sie mit einem kleinen Kind. Elisabeth kam sich komisch vor. Da sie völlig übermüdet war, war sie froh, einen Kaffeeautomaten vorzufinden. In ihrem Portemonnaie kramte sie nach Kleingeld und setzte sich an einen der Tische. Sie war allein in dem Raum und es war herrlich still. Aus der Tasche nahm sie ihr Notizbuch, in dem sie gern Gedanken notierte, malte und kritzelte. Der Füller glitt in geschwungenen Bahnen dahin und brachte den Anfang eines Briefs an ihren Vater zu Papier.

Ein älterer Herr kam in den Warteraum und sie grüßten einander freundlich. Er hantierte etwas unbeholfen mit dem Kaffeeautomaten, bis Elisabeth aufstand und ihm ihre Hilfe anbot.

»Die Tücken der Technik ...«, seufzte er und ließ sie an den Automaten. Er hatte zwar Geld eingeworfen und eine Taste gedrückt, aber der Becher stand schief und der Kaffee lief in die Abtropfschale. Elisabeth warf Kleingeld nach, zog einen neuen Kaffee und reichte ihn ihm.

»Vielen Dank für den Kaffee.« Er sah sich um und blickte auf den Tisch, an dem Elisabeth gesessen hatte.

»Keine Ursache. Nehmen Sie gern hier Platz, wenn Sie mögen.« Elisabeth deutete auf den freien Stuhl an ihrem Tisch. Der ältere Herr war ihr sympathisch, er strahlte eine besondere Ruhe aus, nachdem die kleine Ungeschicklichkeit am Kaffeeautomaten vorbei war. Er setzte sich ihr gegenüber und rührte Zucker in seinen Kaffee.

»Ein sehr hübsches Notizbuch, das sie da haben.«

»Ein Geschenk meines Vaters, ich bekomme jedes Jahr zu Weihnachten eines. Diesmal ist es Mozarts Jagdmusik gewesen.«

»Und Sie schreiben mit Füller, das sieht man heute auch sehr selten.«

»Ich kann meine eigene Schrift sonst nicht lesen ... Und es übt die Hand, ich könnte natürlich auch alles mit dem Handy aufnehmen oder darin notieren, aber da bin ich leider altmodisch.«

Er lachte herzlich und zwinkerte ihr zu, väterlich, freundlich.

»Bezaubernd. Mögen Sie Mozart?«

»Ja, schon seit ich ein kleines Mädchen war. Mein Vater hat mich diesbezüglich sehr geprägt.«

»So? Wie das?«

»Er war Rundfunkmoderator. Vielleicht kennen Sie Schmidts Klassik?«

»Sie sind tatsächlich die Tochter von Artur Schmidt? Ich habe seine Sendung geliebt, jeden Samstag vor dem Radio gesessen ... Er ist meines Erachtens viel zu früh in Pension gegangen, wie geht es ihm?«

»Ja, das bin ich wohl.« Sie lächelte stolz. »Meinem Vater geht es sehr gut. Er lebt mit meiner Mutter inzwischen in Spanien. Sie haben sich ihren Traum erfüllt und sind wegen des Klimas dorthin gezogen. Leider sehe ich ihn selten und wir kommen nur gelegentlich dazu, gemeinsam etwas zu unternehmen.«

»Sehr schade ... Aber wenn Sie das Musikverständnis Ihres Vaters haben, gehen Sie sicher wohl auch gern in die Oper?«

»Ooooh, ich bin bei weitem nicht so belesen auf dem Gebiet wie er. Aber mit der Oper haben sie recht. Ich habe leider nur selten Gelegenheit. Mein Vater und mein Onkel sind die einzigen, die mich begleiten und beide haben gut gefüllte Terminkalender ...«

»So ist das bei uns älteren Herren, wir sind begehrt ...« Beide mussten lachen. »Aber mal etwas völlig anderes, was macht eine nette, junge Dame wie Sie an einem Tag wie diesem im Krankenhaus?«

»Mein Freund hatte gestern einen Autounfall und ich habe gerade erst davon erfahren. Er ist wohl noch zu einer Untersuchung. Die Schwester bat mich, hier zu warten.«

»Natürlich steckt ein Mann dahinter ...« Er zwinkerte ihr zu und grinste.

»Ja, so ist das mit uns jungen Frauen. Wir sind begehrt ...« Beide schmunzelten. »Was führt Sie hierher, wenn ich fragen darf?«

»Dürfen Sie ... Der Chefarzt ist ein alter Freund von mir, den ich hin und wieder besuche. Wir wollten gemeinsam essen gehen, aber er hat noch Visite. Ich komme nicht gern ins Krankenhaus. Meine Frau verstarb hier und ...« Er seufzte.

»Das tut mir sehr leid.«

»Ach wissen Sie, das ist eine Ewigkeit her, aber hin und wieder berührt es mich noch sehr.«

Elisabeth bot ihm ein Taschentuch.

»Danke ...«

In diesem Moment erschien die Krankenschwester und blickte argwöhnisch auf Elisabeth, dann auf den älteren Herrn.

»Frau Schmidt, sie können jetzt zu Herrn Fürst.«

»Danke. Ich werde gleich kommen.«

Sie wartete, was ihr Gesprächspartner noch erzählen mochte.

»Gehen Sie zu Ihrem Freund, ich werde meinen Kaffee austrinken und wohl auch nicht mehr lang warten müssen.«

»Na gut.« Sie zwinkerte.

»Ich danke Ihnen für unsere kleine Konversation. Und den Kaffee!«

»Gern geschehen.« Elisabeth zückte eine ihrer Visitenkarten und notierte ihre private Handynummer darauf. »Rufen Sie mich gern an, wenn Ihnen der Sinn nach Oper steht!«

»Vielen Dank.« Er las den Namen auf der Karte. »Elisabeth. Ich ziehe es gern in Erwägung. Passen Sie gut auf sich auf!«

»Und Sie auf sich, Herr –« Ihr fiel auf, dass sie seinen Namen nicht kannte, sie hatten sich nicht vorgestellt.

»Nennen Sie mich einfach Georg.«

»Gut, dann auf Wiedersehen, Georg und viel Vergnügen gleich beim Essen!«

»Danke sehr!«

Sie winkte noch kurz, als sie den Raum verließ und ging den Gang hinunter zu Moritz’ Zimmer. Die drei Schwestern, denen sie begegnete beäugten sie kritisch. Elisabeth sah an sich hinunter. Hatte sie eine Laufmasche? Einen Fleck auf dem Rock? Nein. Nichts dergleichen. Sie fühlte sich seltsam beobachtet. Schulterzuckend klopfte sie an.

»Ja, bitte!?«

Sie steckte den Kopf zur Tür hinein und sah Moritz, wie er in Jeans und T-Shirt auf einer kleinen Couch herumlümmelte. Ein Bluterguss zierte sein linkes Jochbein, sonst schien er wohlauf.

»Hey ...« Er stand auf und lief ihr entgegen, umarmte sie stürmisch und küsste sie. »Du hast mir so gefehlt ...«

»Nicht so hastig ... nach allem, was ich weiß, sollst du dich schonen!?«

»Professor Altenbach sagt, dass mein Kopf heile geblieben ist. Und der Rest wächst auch schnell wieder zusammen.«

»Na immerhin. Wäre ja auch schlimm, wenn du plötzlich ein Gedächtnis wie wir Normalsterblichen hättest und auch mal Sachen vergessen würdest.«

»Ha, ha. Komm her, du freches Etwas ...« Er schloss sie in die Arme und sie versanken in einem erleichterten Kuss. Ohne, dass es vorher geklopft hätte, ging die Tür auf und eine Schwester kam herein. Sie sah Moritz irritiert an.

»Oh. Ich wusste nicht, dass Sie Besuch haben. Ich muss Ihren Blutdruck messen.«

»Na dann.« Moritz grinste, setzte sich und streckte ihr den Arm entgegen. Die Schwester lächelte ihn an, legte die Manschette um und steckte das Stethoskop in die Ohren.

»Fein. 120 zu 80, wie im Bilderbuch.«

»Haben Sie etwas anderes erwartet, Schwester Sandra?«

»Nicht von Ihnen.« Sie notierte den Wert, nahm die Manschette wieder ab und ging mit schwingenden Hüften aus dem Zimmer.

»Auf Wiedersehen!«, sagte Elisabeth mit Blick zur Tür und wandte sich Moritz zu.

»Eifersüchtig?« Er blickte sie unterwürfig an.

»Ein bisschen ... Vielleicht«, kokettierte sie.

»Kein Grund. Mein Herz vergebe ich nur einmal. Und wie du wissen solltest, gehört es dir ...« Er küsste sie sanft, entschuldigend.

»Du bist süß ...« Sie schmunzelte. »Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Was ist passiert?«

Sie setzten sich und Moritz erzählte ihr, was er bereits erfahren hatte. Die Polizei war am frühen Morgen da gewesen und hatte ihn vernommen. Er hatte an den Unfallhergang keine Erinnerung; dass er so schnell unterwegs war, konnte er nur vermutend bestätigen. Auf diesem Autobahnabschnitt gab es keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Nur der Gurt und die Airbags hätten ihm das Leben gerettet. Und die Tatsache, dass er im Landrover viel Aufprallschutz um sich herum hatte.

»O je. Und ich dachte schon, du hättest es dir mit mir anders überlegt!« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange.

»Ja, jetzt wo du es schon ansprichst ...«, grinste er, »die Schwestern hier sind äußerst nett und zuvorkommend. Ich fürchte ...«

»Und da ist er wieder: Moritz Machoman Fürst ...« Sie zürnte ihm ein wenig. Ihr war klar, dass er sie aufziehen wollte, aber nach diesem turbulenten Morgen stand ihr gerade nicht der Sinn danach.

»Hey ... Nicht schmollen. Das war Spaß.« Aufmunternd sah er sie an. Elisabeth streckte ihm die Zunge raus. »Bäh, fieser Spaß.«

»Zunge raus, das tut man nicht, denn das heißt, ich liebe dich ...« Moritz grinste und Elisabeth zog die Nase kraus.

»Püh ... Dann eben nicht.«

In seinen Arm gelehnt saß sie neben ihm auf dem Sofa. »Gibt es schon eine Info, wie lange du bleiben musst?«

»Hm. Nicht wirklich. Privatpatienten lässt man ja gern länger liegen. Ich schätze aber, dass ich spätestens Freitag gehen darf.«

»Klingt jetzt weder lang noch kurz. Aber wieso bleiben, wenn du eigentlich fit bist?«

»Das Schmerzmittel darf nur unter Aufsicht gegeben werden und der Arzt meint, ich sollte lieber noch ein paar Tage kürzer treten. Ich fürchte, dass er mich zu gut kennt.«

»Tut er das?«

»Ja, irgendwie. Ich bin hier aufgewachsen. Jede Prellung, beide Armbrüche und alle drei Gehirnerschütterungen, die ich hatte, sind hier behandelt worden. Professor Altenbach war damals noch Assistenzarzt und kennt mich quasi von klein auf.«

»Na, du warst aber ein wildes Kind ...«

»Hm. Im Nachhinein ... Sagen wir, dass es 50 % Unfälle waren und 50 % getarnte Unfälle, denen eigentlich eine Keilerei zwischen meinem Bruder und mir zugrunde lag.«

»Das wird ja immer besser ...«

»Ähm, ja. Mein Bruder war übrigens öfter in der Notaufnahme als ich.«

Sie kicherte. »Hervorragend. Ich habe also einen Schläger zum Freund.«

»Sagen wir so: Ich hab mit zwölf angefangen zu boxen und steige auch heute noch ganz gern in den Ring oder vermöble den Boxsack auf dem Dachboden. Ein Schläger bin ich aber nicht. Nicht wirklich.«

»Und was hat die Einschränkung zu bedeuten?« Elisabeth sah ihn durchdringend an.

»Für dich würde ich mich auf jeden Fall prügeln ...« Er küsste sie, fordernd, sehnsüchtig. Zaghaft erwiderte Elisabeth seinen Kuss, ihr war nicht wohl dabei, dass jederzeit unangekündigt jemand hereinkommen könnte. Moritz schien das zu bemerken und strich ihr über die Wange. Nach einem Kuss auf die Nasenspitze legte er wieder seinen Arm um sie und sah sie an.

»Ich bin froh, dass du da bist ...«

 

»Deinetwegen habe ich mich das erste Mal in meinem Leben krankgemeldet. Dr. Bruckmann war echt irritiert heute Morgen. Heute Vormittag rief er mich dann an, um mir zu sagen, was los ist. Ich schätze, er zählt jetzt eins und eins zusammen ...«

»Inwiefern?«

»Ich habe mir Sorgen gemacht und kaum geschlafen, weil ich nicht wusste, warum du dich nicht gemeldet hast. Mir ging es total mies heute früh und ich war völlig neben der Spur. Als ich dann an den Montana-Fall gedacht habe, hab ich rasende Kopfschmerzen bekommen und da mir eh schon schwindlig war, bin ich lieber zu Hause geblieben.«

»O je ... Es tut mir leid, dass du nicht eher informiert wurdest. Ich war bis heute Nacht bewusstlos und erst heute früh hat man mir erlaubt zu telefonieren. Dein Handy war aus und deine Festnetznummer kannte ich nicht. Im Telefonbuch stehst du nicht ...«

»Schon gut. Das war kein Angriff. Ich bin ja froh, dass Dr. Bruckmann so nett war.«

»Mach dir keine Sorgen. Das wird kein Nachspiel haben. Wieso seid ihr eigentlich immer noch an der Fusion dran?«

»Das sind Firmeninterna ...« Elisabeth grinste. Moritz hatte damals die Risikoanalyse erstellt und kannte den Vorgang. »Aber bevor du Dr. Bruckmann fragst ... Potthoff hat fleißig das Personalkarussell gedreht und immer wieder sind neue Leute mit anderen Aufgaben betraut worden. Ein Fass ohne Boden. Wir sind froh, wenn wir die Fusion in diesem Quartal unter Dach und Fach bringen.«

»O je ... Sag mal ...«

»Hm?«

»Kannst du nicht spontan Überstunden nehmen und mir Gesellschaft leisten? Ich langweil mich hier zu Tode und du fehlst mir so ...«

»Moritz, das geht wohl kaum.«

»Hm. Dann ruf ich Markus an und sag, er muss dir freigeben.«

»Das wird er nicht tun. Morgen ist Vorstandssitzung und ich muss mal wieder Mädchen für alles spielen ...«

»Mennoooo ... Einen Versuch ist es wert.« Er griff zu ihrem Handy.

»Moritz, Markus wird wohl kaum Victoria bitten, die Vorstandssitzung deinetwegen zu verlegen ...«

»Markuuuuuuss ...«

Elisabeth hörte zwar, dass Dr. Bruckmann sprach, aber nicht, was er sagte.

»Elisabeth braucht dringend den Rest der Woche frei ... Nein, kein Scherz ... Ab morgen Nachmittag. So, so. Hm. Und Donnerstag frei geht? ... Freitag nicht. Du bist aber kleinlich ... Na gut. Mach mal fertig den Urlaubsschein ... Bis neulich.«

»Ähm, hab ich vielleicht auch ein Wörtchen mitzureden?«

Moritz grinste unverschämt. »Ausnahmsweise nicht ...«

»Du glaubst, weil du Aua hast, kannst du dir alles erlauben?« Tadelnd wackelte sie mit dem Finger.

»Großes Aua ...«

»Na dann frag mal eine der netten Schwestern nach Schmerzmitteln ...«

»Eifersüchtiges Etwas ... Ich würde viel lieber die Doktorspiele von Samstag fortsetzen ...«

»Ob das hilft?«

Elisabeth verbrachte den ganzen Tag bei Moritz im Krankenhaus. Zwischendurch war er eingeschlafen, eine Nebenwirkung des Medikaments. In dieser Zeit hatte sie sich bei Marie und Dr. Bruckmann gemeldet und ihren Autohändler angerufen, der neben Jaguar auch Mercedes und Landrover führte und ihr für den nächsten Tag Prospekte in den Briefkasten werfen ließ. Sie war schockiert beim Anblick der Bilder, die Moritz von der Polizei bekommen hatte. Der Notarzt vor Ort musste sich wohl laut gewundert haben, dass die Feuerwehrleute Moritz nahezu unversehrt aus dem Wrack hatten retten können. Der Wagen war Schrott, es war nicht mehr zu erkennen, um welches Fabrikat, geschweige denn welches Modell es sich handelte.

Am späten Abend verabschiedete sie sich schweren Herzens. Weniger wegen der immer noch sehr fürsorglichen Schwestern, sondern eher wegen des bevorstehenden Arbeitstages. Der Dienstag würde ihr definitiv fehlen für die Vorbereitung. Aber da musste sie nun durch.