Märchenhaft - Elisabeth

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»Ahhhh, stimmt. Ich weiß wieder. Der war ja eigentlich ganz schnuckelig. Aber ein Arsch. Oder?«

»Jaaaa ... War ein Arsch.«

»O mein Gott, Süße. Sag nicht, du hast dir den echt geangelt!?« Isabelle riss die Augen auf. »Der ist verheiratet!«

»Nein. Nicht mehr. Seine Frau ist vor einem halben Jahr gestorben. Das war einer der Gründe, warum er die Firma verlassen hat.«

»Oh ... Aber. Hm. Jetzt wird es spannend ... Ich glaub ja, unsere Süße ist echt verknallt ...« Isabelle blickte zunächst betroffen, grinste dann aber übermütig und gab Elisabeth einen Kuss auf die Wange.

»Ja ... Bin ich.« Elisabeth errötete. Marie hatte sich ebenfalls das zweite Glas Sekt eingeschenkt und ging in die Küche, um den Kühlschrank zu inspizieren.

»Süße, eine Flasche Casanova di Neri ... Fast leer ... Der Typ hat Geschmack ...«

»Er will ja auch was von Elisabeth, der muss Geschmack haben ...«

»Danke für die Blumen ... Die Suche nach Essen kannst du aufgeben. Außer Fingerfood habe ich heute nichts zustande bekommen. Sorry. Wir müssen gleich was kommen lassen ... Der Champagner liegt übrigens im Eisfach, hatte vergessen, ihn kaltzustellen.«

»Und ich hatte mich schon so auf deine Ravioli del Pim gefreut. Dann bestell lieber jetzt. Ich merk den Sekt schon in den Knien«, entgegnete Isabelle. Marie kam mit der Flasche zurück und setzte sich an den Tisch, um sie zu öffnen. »Champagner? Sonst doch nur zu Anlässen, oder?«

»Mir ist gerade irgendwie danach. Könnte eine entscheidungsfreudige Nacht werden, heute.«

»Elisabeth, bitte nicht schon wieder so kryptisch. Raus mit der Sprache!« Isabelle wurde ungeduldig und knabberte gespannt an den Antipasti, die Elisabeth bereitgestellt hatte.

»Oooooh, wenn wir so weitermachen, erzählt sie uns nie, was es nun mit Moritz auf sich hat. Gib mir mal das Telefon ... Danke.«

Marie wählte die Nummer der Pizzeria, die zwei Straßen entfernt war. »Hi, hier ist Marie. Alberto, ... mach uns bitte eine Familienpizza mit allem und ohne Knoblauch. Bringst du sie zu Elisabeth? ... Super. Danke. Bis gleich ... So macht man das. Fertig. Kommt in 20 Minuten.«

»Perfekt. Gut, dass wir dich haben.« Isabelle lachte Marie an und knuffte sie in die Seite. »So, jetzt aber endlich die Geschichte bitte!«

Elisabeth biss sich auf die Unterlippe. »Na gut. Sorry wegen der Ravioli übrigens, gibt es nächstes Mal wieder. Versprochen. Zurück zum Thema. Also. Moritz hat vor einem halben Jahr seine Frau verloren. Hirntumor. Er hatte zunächst ein Sabbatical beantragt, weil er für sie da sein wollte. Dann ist sie aber innerhalb von vier Wochen gestorben und er war total fertig.«

»Oh, wie traurig. So was hat keiner verdient ...« Marie war berührt. So wenig sie Moritz kannte und auch wenn Elisabeth kein gutes Haar an ihm gelassen hatte, ging ihr die Geschichte nahe.

»Aber was hat es nun mit ihm auf sich? Ein verwitweter, gutaussehender Kerl, der auch noch was auf dem Kasten hat, ist doch kein Grund für einen Kriegsrat, meine Liebe.« Isabelle witterte etwas.

»Nein. Das nicht. Moritz ist nicht nur verwitwet und gutaussehend, sondern auch ein Lügner.«

»Das sind alle Männer, Süße.« Marie verdrehte die Augen. »Los. Erzähl.«

»Moritz heißt in Wirklichkeit nicht Moritz Fürst, sondern Moritz Georg Maximilian Friedrich Prinz von Eschberg. Punkt.«

»Autsch.«

»Krass.«

»Danke. Mehr wollte ich nicht hören. Versteht ihr jetzt, warum ich mit euch reden will?«

Marie gewann als Erste die Fassung zurück. »Wow. Aber nicht der von Eschberg mit dem Schlosshotel, in dem wir neulich waren?«

»Doch. Genau der.«

»Ich fass es nicht. Aber was machte der bei dir in der Firma?«

»Er hatte sich von seiner Familie abgespalten und wollte ein eigenes Leben führen. Das hat er auch getan. Stellt euch mal vor, Danielle wusste rein gar nichts davon. Moritz hat ihr immer nur gesagt, dass er seinen Vater hasst und keinen Kontakt will. Moritz hatte seinen Namen amtlich ändern lassen, so dass es bei der Eheschließung nicht auffiel und auch sonst nicht. Kurz bevor das mit seiner Frau passiert war, hatte aber sein Bruder einen schweren Segelunfall und sein Vater bat ihn zu sich. Ihr hat er quasi erst auf dem Sterbebett die Wahrheit gesagt.«

»Krass.« Isabelle schüttelte immer noch ungläubig den Kopf.

»Das hast du schon mal gesagt. Du wiederholst dich.« Marie knuffte Isabelle.

»Ja. Weiß ich. Aber was anderes als krass fällt mir dazu nicht mehr ein. Ich hab neulich beim Friseur in der Bunten geblättert. Da stand noch was über den Bruder. Traurig ...«

»Mhm. Moritz spricht nicht gern darüber, das Verhältnis zwischen ihm und Jo war wohl nie sonderlich gut. Wobei das gerade nicht die größte Baustelle ist ... Mädels: Was mach ich nun?«

»Wie? Was für eine Frage? Heiraten und dann bist du Prinzessin und wir sonnen uns in deinem Glanz!« Isabelle strahlte Elisabeth an. Marie grinste mit ihr um die Wette.

»Oooooh, ich weiß, woran ihr gerade denkt ... Die Erste von euch, die mich Sissi nennt, stirbt vor den Augen der anderen einen gewaltsamen Tod!«

Isabelle lachte. »Du guckst zu viele Horrorfilme ...«

»Gar nicht wahr ...«

»Ich finde, wir sollten mal googeln, was der feine Herr Prinz sonst so treibt, wenn er nicht gerade unserer lieben Elisabeth den Kopf verdreht.« Marie griff zu Elisabeths Tablet, das auf dem Tisch lag.

»Nein, lass das bitte. Das ist nicht fair. Er kann mich ja auch nicht googeln.«

»Tja, dafür ist er eine Person öffentlichen Interesses, da muss er durch.«

»Bitte, Marie. Lass es.«

»Zu spät. Guck mal Isabelle, der ist ja noch schnuckliger, als ich den in Erinnerung hatte.«

»Rrrrrrr ... Also, wenn ich Marc nicht hätte, ich würde sofort zugreifen.«

»O ja. Direkt an den Hintern am besten. Gut, dass ich Single bin. Wenn Elisabeth nicht will, schnapp ich ihn mir.« Spöttisch grinste sie ihre Freundin an.

»Ihr seid so was von albern ...«

»Marie hat recht, Liebes. Was spricht dagegen? Der Typ ist eine 11 von 10, Hauptgewinn, ein Traum.«

Elisabeth zog die Stirn kraus, schmunzelte dann. »Wenn ihr es genau wissen wollt: Er ist eine 100 von 10.« In diesem Moment läutete der Pizzabote an der Tür. Die Unterbrechung war ihr mehr als willkommen. Isabelle hatte Teller und Besteck aus der Küche geholt.

»100 von 10, so, so ... Du meinst also ...?« Isabelle grinste.

»Keine weiteren Details!« Elisabeth war leicht errötet. Sie dachte an gewisse Stunden mit Moritz und es war nicht nur ihr Herz, das sich nach ihm sehnte.

Als alle drei sich über die Pizza hermachten, sah Isabelle Elisabeth nachdenklich an. »Hast du ein schlechtes Gewissen? Ich meine, Jan oder Danielle gegenüber?«

Elisabeth überlegte einen Moment, kaute die Pizza zu Ende und atmete tief durch. »Nein. Eigentlich nicht. Was heißt eigentlich? Nein.«

»Dann verstehe ich immer noch nicht, wo das Problem liegt.«

»Ich weiß nicht, ob ich das will. Moritz und ich sind beide in einem Alter, in dem man nicht mehr lange rumprobiert. Wir haben beide eine gescheiterte Ehe hinter uns, die jede auf ihre eigene tragische Weise ein Ende fand ... Damit spielt man nicht ...« Marie und Isabelle sahen sie traurig an. Elisabeth hatte es so schmerzvoll auf den Punkt gebracht. Aber das Leben ging weiter. »Außerdem habt ihr ja schon richtig angemerkt, dass er sich hin und wieder in der Öffentlichkeit bewegt. Ich weiß nicht, ob ich da auch hin möchte. Und dieses ganze Prinzessinnending stößt mich irgendwie ab.«

»Du bist bescheuert. Wenn ich das mal so sagen darf.« Marie spülte die Pizza mit dem Rest aus ihrem Champagnerglas hinunter. »Mal im Ernst. Würdest du ihn mir gönnen?«

»Ehrlich gesagt: nein.«

»Mir? Ich frag nur der Vollständigkeit halber«, ergänzte Isabelle.

»Nein.«

»So. Also hast du dich doch schon entschieden. Oder?«

»Ja. Für Moritz. Aber nicht für den ganzen Rattenschwanz, der da dran hängt ...«

»Hm ... Ich mach jetzt keine Witze über die Steilvorlage ...« Isabelle prustete los und auch Marie musste laut und heftig lachen.

»Herr, lass Hirn vom Himmel regnen. Oder Steine. Hauptsache du triffst.« Elisabeth war nicht wirklich genervt. Aber sie hatte sich ein etwas konstruktiveres Vorgehen erhofft.

Nachdem auch das letzte Stück Pizza gegessen war, brachte Elisabeth die Teller in die Küche, räumte den Geschirrspüler ein und holte aus dem Keller eine weitere Flasche Champagner. Isabelle folgte ihr und hielt ihr ihr Handy entgegen: »Da. Wir haben Moritz angerufen. Er ist dran«, rief sie laut kichernd und zog die Stupsnase kraus.

»Ooooh, du irres Etwas ...« Elisabeths Entsetzen war nur teilweise gespielt.

»Hi ...« Noch immer irritiert hatte sie das Handy ans Ohr genommen.

»Hi ... Also, wer hier irre ist, müssen wir noch klären ... Aber deine Freundin Isabelle liegt gerade ganz weit vorne.« Moritz lachte und seine Stimme war sanft und fröhlich. Elisabeth fiel ein Stein vom Herzen, sie hatte durchaus mit einer anderen Reaktion gerechnet. Wie man sich täuschen kann.

»Was hat die Irre dir denn erzählt?«

»Also, ich hab mit zwei Irren telefoniert, die sich als Isabelle und Marie vorgestellt haben, meinten, ich müsste dringend kommen und dass du mir alles Weitere erklären würdest.«

»Himmel ... Ja. So sind sie, meine Freundinnen. Was soll ich erklären? Wir haben Mädelsabend und –«

»Aber nicht mehr laaaangggeeeee!«, rief Isabelle aus dem Wohnzimmer. Marie stimmte indes einen Sprechgesang an. »Wir woll’n den Moritz sehn, wir woll’n den Moritz sehn ...«

»Mädels, etwas leiser bitte ... Sorry. Das ist mir total peinlich. Die sind sonst nicht so ...«

 

»Schon okay. Aber egal, was du ihnen gegeben hast, gib ihnen nächstes Mal entschieden mehr oder weniger davon.«

Elisabeth sah auf die Champagnerflasche in ihrer Hand und reichte sie gnädig an Marie weiter. »Ich bin gerade dabei, sie vollends abzufüllen. Damit ich heute keinen Mucks mehr höre ...«

Moritz lachte. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie Elisabeth sich wieder in Fräulein Rottenmeier verwandelte und ihre Freundinnen zu Anstand und Subordination aufrief.

»Sag mal ... Wie ernst war das mit dem Vorbeikommen gerade gemeint?«

»Hm. Ich weiß nicht. Eigentlich haben wir Mädelsabend und –«

Isabelle riss ihr das Handy aus der Hand. »Moritz, Isabelle hier. Schwing deinen Hintern hierher und hol die Spielverderberin ab. Marie und ich kommen auch allein klar. Bis gleich.« Und sie legte auf.

»Sag mal, spinnst du?«

»Süße, glaub mir. Du kriegst es sonst nicht auf die Reihe. Jetzt geh hoch, zieh dir was Hübsches an und mach dir die Haare. Wenn Moritz sofort losfährt, ist er in einer halben Stunde hier.«

»Ich fasse es nicht ...« Elisabeth stöhnte und verdrehte die Augen. »Was mach ich hier eigentlich?«

»Mach dich fertig!«, rief Marie, die immer noch mit Elisabeths Tablet beschäftigt war.

Die Ruhe im Schlafzimmer tat Elisabeth gut. Eigentlich war es ihr ganz recht, Moritz gleich zu sehen. Sie sehnte sich nach ihm, seinen Berührungen und seiner Nähe. Andererseits wusste sie, dass er beim Wiedersehen eine Entscheidung fordern würde. Damit hatte sie sich eigentlich etwas Zeit lassen wollen. Aber im Grunde hatten ihre Freundinnen recht. Sie hatte sich für Moritz entschieden. Und ihn gab es eben nur in einer Ausstattungsvariante. Mit Schloss, Hotel, Adelstitel.

Sie griff ihr Lieblingskleid aus dem Schrank, eines von Frederik Stein, dem derzeit angesagtesten Designer überhaupt. Ihr alter Schulfreund. Frederik hatte sich nach einer Schneiderlehre und Designstudium mit einer eigenen Kollektion auf den Markt gewagt, war prompt entdeckt worden und hatte nun ein kleines Modeimperium erschaffen. Mehrere Filialen in Großstädten, zwei Haupt- und zwei Nebenkollektionen im Jahr, eine Couture-Linie und jede Menge Frauen, die ihm zu Füßen lagen. Elisabeth hatte ihn erst vor kurzem beim Klassentreffen wiedergesehen und es war wie in alten Zeiten gewesen. Sie kicherten, lästerten und hatten jede Menge Spaß. Frederik hatte sie schon mehrfach nach Berlin eingeladen, bisher hatte sie es jedoch nie geschafft, seinem Wunsch zu entsprechen. Das Kleid hatte er ihr nach dem Klassentreffen geschickt, eine Hommage an sie und ihre gemeinsame Schulzeit, seit der Elisabeth ihn immer wieder inspiriert hatte. Frederik ging sogar so weit, sie als seine heimliche Muse zu bezeichnen. Elisabeth wiederum fand das völlig übertrieben. Das Kleid indes wollte sie nicht mehr hergeben und schrieb Frederik noch am selben Tag einen Dankesbrief, verbunden mit dem Versprechen, ihn nun wirklich bald besuchen zu kommen.

Es läutete. Hastig zog sie noch die Strümpfe an, riss sich eine Laufmasche in den zweiten, zog beide wieder aus und zwang sich zur Ruhe. Aus dem Schrank nahm sie ein neues Paar, ließ sich etwas mehr Zeit und horchte neugierig auf die Stimmen im Flur.

Marie hatte ihm wohl geöffnet und ihn angesprochen. »Hi, ich bin die irre Marie und das ist die oberirre Isabelle.«

»Irre, euch kennenzulernen. Ich bin Moritz.«

»So, so. Moritz. Und du meinst, du könntest dir jetzt unsere liebe Elisabeth unter den Arm klemmen, mit ihr abrauschen und sie flach–«

»Mariiiiiieeee ...«, mahnte Isabelle.

»Ähm, ja. So war der Plan. Was dagegen einzuwenden?« Moritz spielte ihr Spiel mit. Sollten Marie und Isabelle gern die »großen Schwestern« mimen, um Elisabeth sehen zu können, würde er beinahe alles tun. Ihr Beschützerinstinkt rührte ihn aber ein wenig.

Isabelle ergriff das Wort.

»Wenigstens ehrlich. Gut. Du musst zehn Fragen beantworten, bevor wir sie mit dir gehen lassen.« Sie musterte ihn. Er sah in natura noch netter aus als auf den Bildern und war wesentlich charmanter als an dem Abend im Innenhafen. Sein Anzug saß perfekt und das Hemd harmonierte mit seiner Augenfarbe. Isabelle schmunzelte, Elisabeth hatte endlich den Richtigen gefunden.

»Neiiiin, tu das nicht ...«, rief Elisabeth von oben, wohlwissend, dass Marie und Isabelle sie wieder bis auf die Knochen blamieren würden.

»Schon okay. Ich geb den beiden, was sie wollen und dann kann ich dich wenigstens unbehelligt entführen«, rief Moritz lachend zurück. »Na dann los!«, forderte er Isabelle und Marie auf.

»Erstens: Augenfarbe von Elisabeth.«

»Braun, je nach Lichteinfall zwischen Bernstein und Bambi, wobei sie den Vergleich mit Bambi hasst.«

»Gut aufgepasst. Zweitens: Ihre Eltern leben in?«

»Spanien, Festland. Murcia. Aber in ihren Augen ist das nicht weit genug weg in manchen Momenten.«

»Fein. Ich denke, wir verkürzen auf fünf Fragen. Der Mann ist gut.« Marie grinste.

»Sehr nett. Danke.« Moritz bemühte sich, ernst zu bleiben. Was für ein Hühnerhaufen.

»Nummer drei. Wie nennen Marie und ich sie, wenn sie wieder mal die Oberlehrerin raushängen lässt und uns wie Kinder behandelt?«

»Ohhh, Isabelle, das kann er nicht wissen. Das weiß Elisabeth ja selber nicht. Zumindest nicht, dass ich das wüsste.«

»Hab ich einen Joker?«

Isabelle und Marie berieten sich kurz, tuschelten und Marie ergriff das Wort.

»Eine falsche Antwort darfst du haben.«

»Okay. Ich tippe mal auf: Fräulein Rottenmeier.«

Aus Maries und Isabelles Gesicht war die Farbe gewichen, ihre Tonlagen normalisierten sich, sie wirkten plötzlich alles andere als überdreht und angeheitert.

»Das hat dir der Teufel verraten ...«, postulierte Isabelle.

»Hm. Nicht wirklich.« Moritz war ebenfalls überrascht, offenbar hatte er genau ins Schwarze getroffen. »Ich hab neulich überlegt, wie ich sie in zwei Worten charakterisieren würde. Das war aber, bevor wir zusammengekommen sind. Heute würde mir das im Traum nicht mehr einfallen.«

Marie stupste Isabelle an und nickte.

»Das reicht uns an Antworten. Ist ja fast gruselig. Ihr kennt euch doch noch nicht so lange ...«

»Mir liegt viel an ihr. Ich habe ehrliches und aufrichtiges Interesse an eurer Freundin und wäre froh, wenn ihr mir sie für den Rest des Abends freigeben würdet.«

»Kannste haben. Wir kommen ausnahmsweise ohne sie zurecht. Eliiiiisaaaaabeeeeth, der Moritz ist da, der will spielen ...!«

Mit einem Mal waren Marie und Isabelle wieder in Stimmung, aufgedreht und hühnerhaft. Beide grinsten ihn, um seine Gedanken wissend, an und leerten ihre Gläser.

Elisabeth kam indes die Treppe hinunter.

Moritz hielt für einen Moment dem Atem an. Sie sah wunderschön aus, ihr verlegenes Lächeln und der schüchterne Blick ließen sein Herz höher schlagen. Als er sie auf die Wange küsste und ihre Hand nahm, veränderte sich ihr Ausdruck, sie wurde auf einmal kühl und ernst.

»Lass uns bitte gehen, ja?«, sagte sie und löste ihre Hand sachte aus seiner.

Sie verabschiedeten sich von Isabelle und Marie, die ob des Gebarens ihrer Freundin irritiert schienen. Warum verhielt sich Elisabeth so seltsam? Sollte sie es sich anders überlegt haben?

Oder wollte sie ihren Freundinnen nur nicht zeigen, dass sie Moritz am liebsten auf der Stelle ins Schlafzimmer entführt hätte? Auch wenn sie sich seit Ewigkeiten kannten, blieb ihnen Elisabeth hin und wieder ein Rätsel.

Im Auto wirkte Elisabeth gehetzt, getrieben, gänzlich unentspannt.

»Moritz, macht es dir was aus, wenn wir zu McDonald’s fahren?«

»Du machst Witze, oder? McDonald’s?«

»Nein, ich hab zwar gerade mit den Mädels Pizza gegessen, aber noch Lust auf ein McFlurry.«

»Du bist süß ... Von mir aus gern, wenn dir in deinem Outfit nicht unwohl ist?«

»Overdressed hin oder her ... Ich wette, dass du auch schon wieder Hunger hast. Außerdem ist es nicht weit.«

»Das mit dem Hunger ist wohl wahr, beim Essen mit meinem Vater heute Mittag habe ich nicht viel hinunterbekommen. Von mir aus also McDonald’s, Eure Krassheit.« In seinem Kopf führte er den Satz noch zu Ende; nicht weit von hier bedeutet auch, dass du schnell wieder zu Hause bist, wenn du mich abserviert hast. Aber wozu dann der Umstand? Das Kleid? Moritz waren die irritierten Blicke ihrer Freundinnen nicht verborgen geblieben, er fragte sich, was in Elisabeth vorging.

Sie setzten sich in die Ecke hinter einem der Pfeiler. Für einen späten Samstagabend war es ruhig, vermutlich waren die frühen Nachtschwärmer schon weg und die späten Feierwilligen noch nicht unterwegs. Elisabeth nahm nur am Rande Notiz von ihrer Umgebung, setzte sich Moritz gegenüber und löffelte schweigend ihr Eis. Moritz hatte ein Menü geordert, nagte aber nur missmutig an den Pommes frites und sah sie an.

»Ich werde gerade nicht aus dir schlau, Liebes«, wagte er sich vorsichtig aus der Deckung, obwohl eine innere Stimme ihm riet, Elisabeth das Gespräch beginnen zu lassen. Zu spät.

»Moritz, ich war froh, dass Isabelle und Marie heute gekommen sind. Wir haben über die vergangenen Tage gesprochen und wie schwierig das für mich ist. Die beiden haben mir aber den Kopf geradegerückt. Trotzdem hätte ich einfach gern selber den Moment unseres Wiedersehens bestimmt. Wenn du verstehst, was ich meine.«

»Ja. Schon.«

»Moritz, du darfst auch ruhig essen, was du dir bestellt hast.«

»Vielen Dank für den Hinweis, Fräulein Rottenmeier. Ist dir vielleicht irgendwie in den Sinn gekommen, dass ich gerade ein bisschen überfordert bin mit der Situation?«

»Du? Inwiefern?«

»Deine Freundinnen rufen mich an, bitten mich, dich abzuholen, ich warte kurz auf dich, währenddessen ist es total lustig und ich wage, mir Hoffnungen zu machen. Dann kommst du in diesem wunderschönen Kleid runter, siehst mich an und mein Herz setzt aus. Als ich deine Hand nehme und dich küsse, wendest du dich ab. Ich weiß das gerade nicht einzuordnen.«

Verstohlen blickte Elisabeth zur Seite und senkte den Kopf.

»Bis zu dem Moment als du vor mir standst, war ich mir so absolut sicher. Sicher, dass ich mit dir gehen wollte, uns eine Chance geben würde und dass es richtig wäre.«

»Aber? Dann hast du mich gesehen und gedacht: Oh, nein danke?« Moritz wollte sich den zweiten, zynismusschwangeren Teil des Satzes eigentlich geschenkt haben. Aber was nutzte es, ein Blatt vor den Mund zu nehmen?

»Nein, im Gegenteil. Ich wollte es umso mehr. Und das macht mir Angst. Versteh mich bitte; wie sieht das denn nach außen hin aus? Wir sind seit ein paar Tagen ein Paar, ich weiß seit heute, wer du wirklich bist und erbitte mir Bedenkzeit. Nach ein paar Stunden falle ich dann schon glücklich und zufrieden in deine Arme und lasse mich voll und ganz auf das ein, was kommt?« Sie flüsterte, dennoch kippte ihre Stimme.

»Ich versteh nicht, woran du dich aufhängst. Wo der Haken sein soll? Erstens wirkt das auf keinen Fall seltsam und zweitens soll es doch egal sein, wie Außenstehende das beurteilen.«

»Moritz, jetzt mal unter uns Pastorentöchtern; wir sind hier nicht bei Grimms Märchen. Im Hotel und in der Firma wird man sich das Maul über uns und insbesondere mich zerfetzen, wie raffgierig und berechnend ich wäre, dass ich dich vorher gehasst habe und erst jetzt, wo ich deine wahre Identität kenne, eines Blickes würdige ...«

»Elisabeth, das ist Unsinn. Selbst wenn es vereinzelt solche Meinungen geben sollte, du und ich, wir kennen die Wahrheit. Und das ist das Wichtige. Wie kommst du darauf, dass du als raffgierig und berechnend dastehen könntest?«

»Was weiß ich ... Angelt sich den süßen Prinzen, setzt sich ins gemachte Nest und macht sich ein schönes Leben. So sieht es doch aus.«

»Von außen. Vielleicht. Legst du so viel Wert auf die Meinung anderer Leute?«

»Nein«, gab sie geknickt zurück und kniff die Augen zusammen.

»Wo ist die toughe, schlagfertige Elisabeth, die mehr Tiefschläge austeilt als Mike Tyson? Die auf alles eine Antwort hat. Und die Everybody’s Darling ist?«

»Gute Frage. Verreist wahrscheinlich. Feenland.«

Moritz schüttelte mit dem Kopf. »Ich werde jetzt meinen extrem kalten Burger aufessen, meine warme Coke trinken und dann ist diese Elisabeth gefälligst wieder zurück.« Es klang härter, als es gemeint war, allein sein Blick weichte die Situation auf.

 

Elisabeth stand auf. »Ich muss mal kurz wohin ...«

»Hey, aber dass mir das hier nicht ausgeht wie mit Raj und Lucy!« Moritz hatte skeptisch die Augenbraue hochgezogen.

Sie schlug sanft die Augen nieder. »Keine Sorge. Ich werde nicht aus dem Klofenster klettern und wir werden uns nicht durch einen Metallzaun küssen.«

Elisabeth wusch sich kurz die Hände und schaute gewohnheitsmäßig in ihren Nachrichteneingang. SMS von Isabelle in ihrem Gruppenchat mit Marie.

👪 Süße, wir hoffen, es geht dir gut. Schlafen heute bei dir, wenn’s okay ist. Du wirst ja dein Bett nicht brauchen 😝 Tu nichts, was wir nicht auch tun würden!

👠 Witzbolde. Läuft nicht so dolle. Lasst ein bisschen Platz zwischen euch für mich.

Die Antwort kam prompt.

👪 Was ist passiert? Was heißt, nicht so dolle?

👠 Hab ihn, fürchte ich, vergrault. Er mag meine Unsicherheit @ Prinzessinnending nicht.

👪 Dafür findet sich sicher eine Lösung. Lass den Kopf nicht hängen, Fräulein Rottenmeier.

👠 Vielen Dank, das brauchte ich jetzt.

Prompt kam eine SMS von Marie.

💅 Mäuschen, Isabelle meinte das nicht so. Aber so, wie du Moritz vorhin angeschaut hast, ist es kein Wunder, wenn er angefressen ist. Für ihn ist das sicherlich auch nicht leicht.

👠 Wessen Freundinnen seid ihr eigentlich? Meine oder seine?

💅 Deine. Vielleicht auch seine. Und wenn du tief genug in dich hinein hörst, weißt du das auch. Wundert sich Moritz nicht über die ganzen SMS?

👠 Bin auf der Toilette.

👪 Gooootttt, Kind, was ist aus dir geworden?

👠 Das hat Moritz auch gerade gefragt.

💅 Geh da raus und mach reinen Tisch, Süße. Der liebt dich über alles. Und du ihn ja wohl auch. Also los: 💑💏💞🙇🎩👑!

👠 Wie gut, dass ihr so weise seid ... Komme ggf. gleich vorbei, also seid artig ...

💅+👪 Ja, Fräulein Rottenmeier 😂😂

Hühner, dachte Elisabeth. Gackernde, alberne Hühner. Aber liebenswert und hilfsbereit. Manchmal sogar hilfreich. Sie strich das Kleid glatt und öffnete die Tür. Als sie in Richtung ihrer Sitzplätze gehen wollte, stand Moritz plötzlich dicht vor ihr.

»Ich wollte nur sichergehen –«

Weiter kam er nicht, Elisabeth hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen und küsste ihn, sehnsüchtig, innig. Als nach einem Augenblick die Überraschung verflogen war, ließ er sich nur zu gern darauf ein. Die tiefe Ohnmacht, die er in den Minuten zuvor empfunden hatte, fiel von ihm ab.

»Moritz ... Wir sollten jetzt gehen ...«

»Jetzt, wo es spannend wird?!« Er grinste sie unverhohlen an. Klar, dass auch er nichts lieber tat, als diesen Ort zu verlassen, aber konnte er sich schon sicher sein, dass sie ihn nicht doch –

Auch in diesem Gedanken unterbrach sie ihn, küsste ihn erneut und schickte diesmal vorsichtig ihre Hände auf Tuchfühlung. Moritz atmete tief ein.

Im Auto sah er sie nachdenklich an. »Was ist in den zehn Minuten passiert, die du allein da drin warst?«

»Hm. Vieles. Ich habe mir einerseits noch mal durch den Kopf gehen lassen, was du gesagt hast. Und ich habe mit Marie und Isabelle gechattet. Mea culpa, mea maxima culpa. Ich weiß, dass es jetzt so wirkt, als könnte oder würde ich keine Entscheidung allein treffen. Aber das stimmt nicht. Es ging eigentlich nur darum ... Ach egal. Lies selbst!« Prompt hielt sie ihm das Handy unter die Nase. Moritz schaute verkniffen.

»Ich soll das jetzt ernsthaft lesen?«

»Bitte.«

»Auf deine Verantwortung.«

»Mach jetzt!«

»Zu Befehl, Fräulein Rottenmeier.«

Elisabeth stöhnte verächtlich und verdrehte die Augen. Währenddessen hatte Moritz zu lesen begonnen. Als er fertig war, lachte er, bis ihm die Tränen kamen.

»Du solltest wirklich langsam eine Namensänderung beantragen!«

»Ha-ha. Sehr witzig. Am besten wohl einen Doppelnamen. Elisabeth Schmidt-Rottenmeier. Eine Bindestrich-Zicke.« Sie grollte. Teils ernsthaft, teils ironisch.

»Hm. Ich wüsste noch was Besseres ...« Moritz kugelte sich vor Lachen, der Sportwagen wackelte schon leicht.

»Achtung, jetzt kommt’s!?«

Mit einem Mal wurde Moritz still, nahm ihre Hand und küsste sie zart. In diesem Moment wurde ihr klar, welche Namensänderung er noch meinen könnte. Er sprach dann so leise, dass es beinahe geflüstert war. »Beim ersten Mal hast du deinen Namen behalten ... Diesmal wäre es schwierig ...«

»Hm.« Elisabeth dachte nach. Jans Geburtsname lautete Hilter und sie waren sich damals schnell einig, dass er ihren Namen annehmen würde. Allzu oft hatte er als Kind bösen Spott erlebt, weil andere Kinder zwei Buchstaben auf dem Namensschild vertauscht hatten oder jemand nicht genau gelesen hatte. Von seltsamen Briefsendungen ganz zu schweigen. Sie hatte es im Kollegenkreis mal erwähnt und offenbar hatte Moritz auch hier gut zugehört. »Weißt du, ich finde, Moritz Schmidt klingt ganz okay. Du darfst ruhig über deinen Schatten springen ...« Diesmal war sie es, die nicht aufhören konnte, zu lachen.

»Schon klar. Hauptsache nicht Prinzessin werden«, grinste Moritz. Der Blick, der ihn dann traf, war hämisch und gleichzeitig lüstern.

»So, wenn Prinz Eschberg dann abfahrbereit wäre, könnte die Kutsche langsam losrollen ...«

»Wie gnädige Frau wünschen.«

Immer noch grinsend fuhr Moritz los und sie waren innerhalb weniger Minuten bei Elisabeth.

Im Wohnzimmer brannte noch Licht, der Fernseher lief, aber Isabelle und Marie waren auf der Couch eingenickt. Mütterlich schaltete Elisabeth den Fernseher aus, löschte das Licht und wollte gerade nach oben gehen, um ihre Tasche zu holen, als sie sah, dass das Tablet noch leuchtete. Moritz war ihr ins Haus gefolgt und sie winkte ihn heran.

Klammheimlich hatten ihre Freundinnen Moritz’ Wikipedia-Eintrag aktualisiert. Liiert mit Elisabeth Schmidt. Wütend weckte sie die beiden, um sie zur Rede zu stellen, Moritz schien eher amüsiert als verärgert.

»Was habt ihr euch dabei gedacht? Seid ihr noch ganz bei Trost?«

»Hihi ... Ich find es lustig. Und es stimmt ja auch ...«, grinste Isabelle aus ihren schlaftrunkenen Augen.

»Und was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?«, herrschte sie Marie an.

»Bleib locker. Ich lösch es gleich wieder ...«

In diesem Moment schaltete sich Moritz ein, er nahm Elisabeth kurz zur Seite und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich hab damit keinen Stress. Von mir aus kann es so stehen bleiben. Es entspricht der Wahrheit und ich wüsste keinen Grund, das zu verheimlichen.«

Ein wenig schockiert sah sie ihn an und flüsterte zurück: »Du willst ihnen das durchgehen lassen? Ich meine, nichts gegen Fakten, aber wer weiß, was die sonst noch alles anstellen?«

»Ich verstehe deinen Wunsch nach einer erzieherischen Maßnahme, lass mich aber mal machen. Das wird sie heilen.« Verschwörerisch gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und wandte sich Isabelle und Marie zu, die immer noch mit Aufwachen beschäftigt waren.

»Meine Damen, der Spaß ist vorbei. Mein Anwalt wird sich der Sache annehmen.« Sprach es, machte auf dem Absatz kehrt, zwinkerte Elisabeth zu und signalisierte ihr, dass er gleich zurückkommen würde. Dann verließ er das Haus.

»Krass. Meint der das ernst?« Isabelle hatte ihre Sprache zurückerlangt.

»Keine Ahnung. Ich muss jetzt meine Tasche packen. Mädels, vergesst morgen früh nicht, die Tür abzuschließen. Wir hören uns.« Sprach es, machte auf dem Absatz kehrt und ging ins Schlafzimmer.

Isabelle und Marie eilten ihr hinterher und löcherten sie mit Fragen, während sie ihre Reisetasche füllte.

»Das meint der nicht so. Oder? Wir löschen das sofort! Süße, sag was!«

»Ist der auch so ein Spielverderber wie du?«

»Mädels, keine Ahnung, wie ernst er das meint. Ich weiß nur, dass ich es ernst mit ihm meine. Deswegen würde ich jetzt gern gehen.«

»Ooooh, gib mir wenigstens seine Nummer, damit wir uns entschuldigen können. Ich lösch das sofort.«

»Ach so. Bei Moritz entschuldigt ihr euch. Aber dass ihr auch meine Privatsphäre verletzt habt, tangiert euch nicht?«

»Oh. Hm.«

»Hm. Oh.«

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