Eiserner Wille

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Einer der Gründe für meinen Eifer war mein Wissen, dass Cus mich hundertprozentig unterstützte. Cus war so hart und kalt, wenn es um Rassismus in diesem Land ging, als wäre er ein verbitterter Schwarzer. Er sah sich selbst als „Nigga“, als ein italienisches Kind, das mit vielen Vorurteilen aufwuchs, die ihm die Iren in der Bronx entgegenbrachten. Cus war diesbezüglich besonders empfindlich. Er sagte immer, selbst Sklaven hätten einen bestimmten Wert gehabt, aber „ein Italiener war keinen Pfennig wert. Die Sklaven hatten wenigstens was zu essen. Die Italiener bekamen nichts. Sie ließ man verhungern“. Als sein Vater krank wurde, konnten sie ihn nicht zu einem richtigen Arzt bringen. Sie mussten auf einen kleinen italienischen Medizinmann warten, der ins Haus kam und seine kleine Tasche auf dem Fahrrad transportierte.

Niemand machte mir stärker bewusst, dass ich ein Schwarzer bin, als Cus: „Die denken, sie sind was Besseres als du, Mike“, sagte er über die Weißen. Das war kein leeres Gerede. Einige Monate nachdem ich bei ihm eingezogen war, hatte Cus das südafrikanische Boxteam zu Gast, das während der Apartheid nur aus Weißen bestand. Das Erste, was Cus tat, war, ihnen Folgendes zu sagen: „Es gibt einen schwarzen Jungen in diesem Haus. Er gehört zur Familie. Ihr behandelt ihn mit demselben Respekt, mit dem ihr uns behandelt, habt ihr verstanden?“ Freundlich, aber todernst. Und sie antworteten: „Ja, Sir.“

Das berührte mich zutiefst. Wie hätte ich diesen Mann nicht lieben können? Er sprach immer nur darüber, wie groß ich werden konnte, wie ich mich täglich in jeder Hinsicht verbessern konnte.

Cus fand schon sehr früh etwas über mich heraus. „Oh, du bist ein Chamäleon, nicht wahr?“, sagte er eines Tages zu mir. Er kam darauf, weil ich, nachdem ich stundenlang die Filme über die alten Boxer gesehen hatte, nach unten kam und begann, wie sie zu sprechen. Ich imitierte sogar ihre Kampfstile. Ich nahm sogar Cus’ Persönlichkeit an. Das war kein Spiel – ich meinte es mit dem Training todernst.

An vielen Abenden war Camille oben, während Cus und ich unten saßen und unsere Welteroberung planten. Ich hatte noch nicht einmal einen einzigen Amateurkampf gehabt, aber wir sprachen darüber, wie wir als Majestäten nach Europa reisen würden, und dass „Nein“ ein Fremdwort für mich wäre, wenn ich nur auf Cus hörte. Wer sagt denn so einen Scheiß zu einem Kind – „‚Nein‘ wird ein Fremdwort für dich sein“? Das schwarze Kind hört so etwas ausgerechnet von einem Weißen. Und dieser Weiße scheint auch noch wer zu sein, weil Typen wie Norman Mailer, über den ständig was in der Zeitung steht und der im Fernsehen präsent ist, oder Leute wie Budd Schulberg ihn wahnsinnig respektieren. Ist das zu glauben? Zwei Penner – ein ehemaliger und ein Slumbewohner – sitzen in einem Zimmer in Upstate New York und planen die Weltherrschaft.


Der 2. Oktober 1980 war ein schwarzer Tag für Cus. Einige von uns waren nach Albany rausgefahren, um über die Videoüberwachungsanlage den Kampf Ali gegen Holmes zu sehen. Muhammad Ali war wie ein Gott. Cus war der Ansicht, dass niemand auf der Welt einen Kampfgeist wie Ali hatte. Er war der vollkommene Kämpfer, nicht nur wegen seiner Fähigkeiten, sondern wegen seiner ganzen psychologischen Sichtweise. „Ali ist der Größte, denn er ist dazu fähig, sich selbst zu lieben“, sagte Cus. Cus liebte Menschen, die unverschämt und beleidigend waren wie er. Er hätte Kanye West geliebt. „Dieser Kerl weiß, wovon er redet“, hätte er vermutlich gesagt.

Jeden Tag sagte mir Cus, ich sei der unerbittlichste und wildeste Kämpfer der Welt. Ich bräuchte nur auf ihn zu hören, dann würde ich unbesiegbar. Dieses Wort traf mich bis ins Mark. Cus sprach über mittelmäßige Kämpfer, aber auch über klasse Kämpfer wie Beau Jack. Aber wenn er über Ali sprach, hörte sich das ganz anders an.

„Ali sieht eher aus wie ein Model als wie ein Sieger im Schwergewicht, oder?“, sagte er zu mir. „Aber wenn ich meine Flinte nehmen und volles Rohr auf ihn feuern würde, und wenn dann noch irgendwas von ihm übrig wäre, sollte ich besser zusehen, so schnell wie möglich abzuhauen, weil er direkt auf mich losgehen würde.“

Diese Art von Gesprächen hörte ich oft zwischen Cus und seinen älteren Freunden, die in ihren Siebzigern waren. „Dieser Kerl? Du musst ihn schon töten, um ihn zu besiegen.“ Heute wird nicht mehr in dieser Art über Boxer gesprochen.

So sehr Cus Ali liebte, so wenig mochte er Holmes. Holmes war ein großartiger Kämpfer, aber er kam nach Ali, und er war nicht Cus’ Typ. Vielleicht hatte Cus so etwas wie eine Fehde mit den Menschen, die hinter Holmes standen. Cus sagte mir nur, dass nichts anderes zählte, nur das Training und das Ziel, der beste Kämpfer der Welt zu werden. „Das ist dein Hauptziel“, sagte er, „wir müssen Larry Holmes außer Gefecht setzen. Ich will keine Ausreden hören; ich will nur Ergebnisse sehen.“ Dein Wert als Mensch bedeutete nichts. Das einzige, was zählte, war, zu gewinnen. „Bester Kämpfer der Welt.“ Das war alles, worüber er sprach.

„Dein Verstand ist nicht dein Freund, Mike“, predigte er. „Dein Verstand will Vergnügen, aber du hast dir das Vergnügen noch nicht verdient. Wenn es an der Zeit ist, zu arbeiten, will dein Verstand etwas anderes. Er arbeitet auch, wenn du arbeiten willst, aber er arbeitet nicht die ganze Zeit, so wie du willst, deshalb musst du deine alten Muster ablegen und darfst deinem Verstand nicht erlauben, zu deinem Feind zu werden.“

Cus hatte eine Theorie: Wenn du etwas ins Feuer hältst, siehst du, was daraus wird. Wird es zu Asche zerfallen oder sich zu einem eisernen Schwert umformen, welches das Unbezwingbare durchdringen kann? So redete Cus. Das Feuer konnte alles sein: Widrigkeiten, psychologische Diagnostik oder deine eigene Meinung von dir selbst. Cus setzte alles daran, das Feuer dazu zu nutzen, erfolgreich zu sein. Wir sahen den Gewinner eines Radrennens in den Nachrichten und Cus überlegte sich, wie man den Kerl überholen konnte, um ihn zu besiegen.

„Ich würde dich jetzt gleich gegen Larry Holmes kämpfen lassen. Du könntest ihn schlagen. Aber du glaubst es nicht. Selbstvertrauen, richtig eingesetzt, wird Genialität übertreffen. Nichts übertrifft Selbstvertrauen.“

Ali war bereits im Ruhestand, aber er kehrte noch einmal zurück, um gegen seinen früheren Sparringspartner Holmes zu kämpfen. Und er schien noch immer die alte Ali-Großspurigkeit zu besitzen. „Ich bin so glücklich, in diesen Kampf zu gehen“, sagte er. „Ich widme diesen Kampf allen Menschen, denen jemals gesagt wurde: ‚Du schaffst es nicht‘, den Menschen, die die Schule abbrechen, weil ihnen gesagt wird, sie seien dumm. Menschen, die kriminell werden, weil sie nicht daran glauben, jemals Arbeit zu finden. Ich widme diesen Kampf euch allen, die einen Larry Holmes im Leben haben. Ich werde meinen Holmes fertigmachen und ich will, dass ihr euren Holmes fertigmacht.“

Es bestanden Zweifel darüber, ob Ali an diesem Abend überhaupt kämpfen sollte. Drei Monate zuvor wurde er von der Nevada State Athletic Commission zu neurologischen Untersuchungen in die Mayo-Klinik beordert. Die Untersuchungsergebnisse wurden damals nicht öffentlich gemacht, aber später wurden sie veröffentlicht und sie waren beängstigend. Ali schaffte es nicht, mit dem Finger seine Nase zu treffen. Seine Sprache war verwaschen. Er konnte nicht einmal anständig auf einem Fuß springen. Nichtsdestotrotz wurde der Kampf genehmigt.

Den ganzen Kampf über zuckten wir nur noch zusammen. Alis Beine waren weg, sein Punch war nicht existent. Alles, was er tun konnte, war, zehn Runden lang Schläge einzustecken, bis sein Trainer Angelo Dundee das Handtuch warf. Es war ein Massaker. In der neunten Runde wurde Ali mit einem Aufwärtshaken in die Seile befördert, gefolgt von einer Rechten gegen den Körper. Es war das erste Mal, dass Alis Trainer ihn schreien hörten.

Die Rückfahrt nach Catskill glich einer Beerdigung. Ich habe Cus noch nie so fassungslos gesehen. Cus und Ali kannten sich schon sehr lange. Als Ali noch jung war, borgte er sich mit seinem Bruder Rahman das Auto ihres Onkels und sie fuhren von Louisville nach Cincinnati, um Floyd Patterson beim Work-out vor einem Schaukampf zu sehen. Cus war Floyds Manager und für Ali war es, als würde er Gott treffen, weil er schon so viel von Cus gehört hatte.

„Mr. D’Amato, ich bin Cassius Clay. Ich bin angehender Boxer, und wir sind hergekommen, um Floyd Patterson zu sehen“, sagte Ali.

„Nun, dann habe ich hier zwei Tickest für dich“, sagte Cus.

Nach dem Kampf ging Ali zu Cus, um ihm zu danken.

„Wenn ich ein kleines bisschen berühmt werde, möchte ich Sie an meiner Seite haben“, sagte er zu Cus.

Cus lachte. „Gut, wir reden darüber, wenn es so weit ist. Wie kommt ihr zurück nach Kentucky?“

Ali sagte ihm, sie würden fahren.

„Wie viel Geld habt ihr?“, fragte Cus.

„Wir haben genug“, antwortete Ali.

„Zeig es mir“, insistierte Cus. Ali zog einen Zwanzig-Dollar-Schein heraus.

„Das ist nicht genug“, sagte Cus und gab ihm zweihundert Dollar.

Das machte großen Eindruck auf Ali. Jahre später, als er Weltmeister war und sein Trainingslager in Deer Lake, Pennsylvania, hatte, stellte Ali seinen jungen Fans, die kamen, um ihn boxen zu sehen, dieselben Fragen, die Cus damals gestellt hatte, und gab ihnen danach selbst Geld.

Über die Jahre machte Ali Cus noch einige Angebote, ihn zu managen, aber Cus war mit Patterson beschäftigt. Ali liebte Cus, aber er wollte Angelo Dundees Gefühle nicht verletzen. Dundee war nur theoretisch sein Trainer, denn Ali trainierte sich tatsächlich selbst und bezahlte Dundee nur seinen Lohn. Cus hatte ein angespanntes Verhältnis zu Dundee. Er war neidisch auf den Bekanntheitsgrad, den Dundee hatte, denn er war der Ansicht, dass Dundee eigentlich nur ein glorifizierter Cheerleader war. Cus war so verbittert darüber. Mich verwirrte das Ganze eher, denn Angelo hat Cus gemocht und stets respektiert.

 

Aber Ali hatte schon immer eine enge Beziehung zu Cus. Sie entwickelten Strategien, sprachen darüber, wie man im Ring und im Leben zum Gewinner wird. Als Ali gegen Liston kämpfte, sagte ihm Cus, dass er gewinnen könnte, wenn er seinen Kampf durchziehen und seine Angst im Griff behalten würde. Als der erste Liston-Ali-Kampf wegen Alis Bruch-Notoperation verschoben wurde, befand sich Cus vor Ort im Krankenhaus in Boston, und als Ali in den Operationssaal geschoben wurde, stand er draußen und informierte die Reporter. Er sagte ihnen, dass der Kampf wie geplant stattfinden könne, wenn die Operation gut verlaufen würde.

Nachdem Ali im Kampf gegen Liston den Titel geholt hatte, flog er nach Puerto Rico, um Cus’ Boxer José Torres kämpfen zu sehen. Als er Cus sah, zeigte er auf ihn und sagte zu den Reportern, die ihm folgten: „Bester Boxlehrer der Welt!“

Niemand unterstützte Ali mehr als Cus, als ihm sein Titel aberkannt wurde, nachdem er sich geweigert hatte, als Soldat in Vietnam zu kämpfen. Cus und sein Freund Jim Jacobs produzierten einen Dokumentarfilm über Ali und drehten eine Fernsehsendung mit dem Titel Battle of the Champions, in den Hauptrollen Muhammad Ali und Cus D’Amato. Aus dem Filmmaterial geht hervor, wie viel Respekt und Liebe diese beiden Männer füreinander empfanden.

Ali: Cus D’Amato sieht man schon von Weitem, besonders wenn die Sonne scheint, weil sein Kopf glänzt. Cus D’Amato, das Box-Genie. Er weiß alles über das Boxen. Er kann dir alles über jeden Kämpfer sagen, vom ersten Boxer bis hin zu mir. Er sieht nicht aus wie ein Box-Trainer oder ein Boxmanager, er ist ein konservativ aussehender Bursche. Er sieht aus wie ein Senator oder ein Kongressmitglied. Er ist die Bibel des Boxens. Außerdem ist er hässlich. Sag, Cus, eines interessiert mich: Wenn ich mir einen neuen Trainer suchen müsste – irgendjemand erzählte mir, du würdest keine Lohnarbeit machen. Cus: Ich und Lohnarbeit, ich? Ali: Na ja, ein Lohn ist doch nicht verkehrt. Cus: Ich arbeite doch nicht für Lohn, ich doch nicht. Ich bin kein Arbeiter. Ich bin kein Angestellter. Ali: Ich könnte dir hundertfünfzig Dollar pro Woche zahlen. Cus: Mir? Hundertfünfzig Dollar pro Woche, mir? Ali: Zweihundertfünfzig die Woche, mehr geht nicht. Cus: Nicht einmal für zweihundertfünfzig pro Minute, geschweige denn pro Woche. Ich arbeite nicht für Lohn. Ali: Es ist ziemlich gutes Geld. Cus: Dann mach du den Job. Ali: Ich bin der Arbeitgeber. Cus: Du bist mein Arbeitgeber? Du, mein Arbeitgeber!? Das Einzige, worauf du hoffen kannst, ist, mein Partner zu werden. Ali: Dreihundert Dollar pro Woche. Cus: Das interessiert mich nicht, selbst wenn du mir dreihundert Dollar pro Minute geben würdest! Ali: Dreihundertfünfzig die Woche. Cus: Ich würde selbst dreihundertfünfzig pro Minute nicht nehmen, pro Minute, und schon gar nicht pro Woche. Pro Minute, ich würde es nicht nehmen. Ali: Wir kommen nicht zusammen. Cus: Stimmt, da gebe ich dir recht.

Zwei stolze Steinböcke. Zufälligerweise hatten sie am selben Tag Geburtstag – am 17. Januar. Aber Cus wurde ernst, wenn er über Ali im Film a.k.a. Cassius Clay sprach. „Einen großartigen Boxer erkennt man daran, dass er neben seinem Können Charakter besitzt, denn ein Boxer mit Charakter und Können wird sich weiterentwickeln und deshalb einen besseren Kämpfer schlagen. Charakter ist die Eigenschaft, auf die du dich verlassen kannst, unter Druck und bei anderen Gegebenheiten. Charakter macht den Kämpfer berechenbar, Charakter hilft ihm, zu gewinnen.“ Für Cus hatte niemand mehr Charakter als Ali.

Ali war über dreieinhalb Jahre nicht aktiv gewesen und Cus überlegte sich viele kreative Szenarien, in denen Ali gegen Frazier kämpfen konnte – ohne offizielle Zustimmung der Boxkommissionen, die Alis Lizenz eingezogen hatten. Cus’ erste Idee war, den Kampf auf einem Mississippi-Riverboat stattfinden zu lassen, vor einem kleinen Publikum, das eine Unsumme bezahlte, um auf das Boot zu gelangen. Das Live-Publikum wäre verschwindend gewesen, aber das Publikum der Live-Übertragung immens. Als sich die Logistik als ungünstig herausstellte, entschied er sich um und wollte einen Lastkahn nehmen, der auf offener See verankert werden sollte, zehn Meilen außerhalb des Territoriums der Vereinigten Staaten. Eine weitere Idee war, den Kampf in einem Indianerreservat oder an einen Ort im District of Columbia stattfinden zu lassen, außerhalb des Staatsgebiets, damit keine Genehmigung der staatlichen Kommission notwendig war. Aber die kreativste Idee von allen war, seinen Freund Norman Mailer ein Theaterstück schreiben zu lassen, in dem der letzte Akt ein Preiskampf zwischen Ali und Frazier war.

Ali verlor seinen linearen Titel an Joe Frazier, nachdem er wieder angefangen hatte zu boxen, und als er Frazier im zweiten Kampf besiegt hatte, war er bereit, sich George Foreman vorzunehmen, der sich den Titel von Frazier geholt hatte. Aber Foreman war ein kräftiger Bursche mit einem kräftigen Punch, und Ali machte sich Sorgen über den Ausgang des Kampfes. Kurz bevor er in den Bus einstieg, der ihn vom Deer Lake Camp nach New York zum Flug nach Zaire bringen sollte, ließ er seinen Assistenten Gene Kilroy bei Cus in Catskill anrufen.

„Cus, wie kämpfe ich gegen diesen Burschen?“, fragte Ali.

„Du nimmst seine Stärke und wandelst sie in Schwäche um“, antwortete Cus. „Foreman hat keinen Respekt vor dir. Er glaubt nicht, dass du ihn verletzen könntest. Du gehst in der ersten Runde da raus, sammelst dich und verpasst Foreman eine harte Rechte, die ihm wehtut. Dein erster Punch muss eine Rechte sein, aber eine mit bösen Absichten.“

Das war eine seltsame Anweisung. Niemand schlägt in einem Meisterschaftskampf in der ersten Minute von Runde eins direkt einen rechten Punch.

„Ich weiß nicht, was ich machen soll. Erzähl es Gene“, sagte Ali und gab Gene Kilroy den Hörer.

„Cus, denk daran, was George Foreman mit Joe Frazier gemacht hat. Denk daran, was er mit Kenny Norton gemacht hat“, sagte Kilroy.

„Der ist nicht Ali!“, schrie Cus so laut, dass ihn beinahe jeder in Deer Lake hören konnte.

Sie legten auf und Ali sagte Gene, dass er sich an die Anweisungen halten würde.

Und so beschrieb Norman Mailer die erste Runde des Ali-Foreman-Kampfes in Zaire:

„Die Glocke ertönte! Ali lief, begleitet von einem langen, unhörbaren Seufzer kollektiver Erleichterung, quer durch den Ring. Er sah genauso groß und entschlossen aus wie Foreman, deshalb er blieb gelassen, so als ob er die wirkliche Bedrohung wäre. Sie prallten aufeinander, ohne sich zu berühren, ihre Körper waren noch eineinhalb Meter voneinander entfernt. Dann ging jeder etwas zurück, wie zwei magnetische Pole, die sich gegenseitig abstoßen. Dann kam Ali wieder nach vorn, Foreman kam nach vorn, sie kreisten umeinander, sie täuschten an, sie bewegten sich in einem elektrisierenden Ring, dann wagte Ali den ersten Punch, eine zaghafte Linke aus kurzer Distanz. Dann schleuderte er eine blitzartige rechte Gerade wie einen Pfahl direkt in die Kopfmitte des verblüfften Foreman mit dem unverkennbaren dumpfen Geräusch eines kraftvollen Schlages. Ein Schrei ertönte. Was auch immer noch passieren mochte, Foreman war schwer getroffen worden. Seit Jahren hatte kein Gegner Foreman derart hart getroffen und kein Sparringspartner hat es je gewagt. Foreman geriet in Rage. Ali setzte noch eins drauf. Er packte den Champion am Genick und drückte seinen Kopf nach unten, rang ihn nieder, grob und bestimmt, um Foreman zu zeigen, dass er deutlich härter war, als alle glaubten. Der Machtkampf hatte begonnen … Ali tanzte nicht … Es vergingen vielleicht fünfzehn Sekunden. Plötzlich schlug Ali erneut zu. Es war wieder die Rechte … Champions schlagen keine anderen Champions mit der rechten Führhand. Nicht in der ersten Runde.“

Cus war am Morgen, nachdem Ali von Holmes so brutal zugerichtet worden war, immer noch aufgebracht. Wie erwartet klingelte das Telefon. Kilroy war dran. Ali wollte mit Cus sprechen. Ich saß daneben und hörte zu.

„Wie konntest du dich von diesem Penner schlagen lassen, Muhammad? Er ist ein Penner! Ein Penner!“ Cus schrie und wir waren beide zutiefst erschüttert. Da lag so viel Aufrichtigkeit in Cus’ Worten, die mir durch Mark und Bein gingen. Es war jedes Mal, als ob eine Explosion das Haus erschütterte, wenn er das Wort „Penner“ aussprach.

Sie redeten noch eine Weile und dann wechselte Cus das Thema. „Ich habe hier einen jungen Schwarzen, der einmal Schwergewichtsweltmeister werden wird. Mach ihm klar, dass er auf mich hören soll, Ali, okay? Er ist fast fünfzehn und er wird Weltmeister werden.“

Cus gab mir das Telefon. Ich weinte noch immer und erzählte Ali, dass ich traurig war, weil er verloren hatte. Ali sagte mir, dass er Medikamente nahm, die ihn krank machten, und dass er zurückkommen und Holmes k. o. schlagen werde. Dann sagte ich: „Wenn ich so weit bin, werde ich ihn mir für Sie vorknöpfen.“ Es dauerte etwas länger als sieben Jahre, aber ich habe mein Versprechen gehalten.

Ein paar Monate darauf sah ich einen weiteren Kampf, der meine Welt auf den Kopf stellte. Mein Held Roberto Durán trat in einem Rückkampf gegen Sugar Ray Leonard an. Der erste Kampf hatte meine Leidenschaft für das Boxen verstärkt, und nun freute ich mich auf den zweiten. Aber Cus verdarb mir den Spaß. „Durán wird den zweiten Kampf nicht gewinnen. Er wird nie mehr so gut sein können. Er ist jetzt schon tot.“

Cus behielt recht. Wir sahen den Kampf im Fernsehen und Leonard nutzte seine Schnelligkeit, um Durán sechs Runden lang auszuweichen, brachte ein paar schnelle Kombinationen an und ließ ihn ins Leere schlagen. Während der siebten Runde fing Leonard an, Durán zu verhöhnen. An einer Stelle begann er, seine rechte Hand für einen Schwinger in die Luft zu reißen, täuschte aber nur an und versetzte ihm einen Jab mit der Linken auf die Nase. Durán fühlte sich so gedemütigt, dass er gegen Ende der folgenden Runde Leonard den Rücken zudrehte, abwinkte und dem Ringrichter erklärte, er könne nicht mehr. Obwohl Durán es abstreitet, soll er gesagt haben: „No más.“

Ich fing an zu weinen, denn ich war verletzt, weil jeder schlechte Dinge über meinen Helden sagte. Bei einem Kerl wie Cus winkst du nicht einfach ab und beendest einen Kampf. Du musst jedes Quäntchen Kraft aufwenden und alles geben. Wenn du aufgibst, wird Cus nicht in den Ring steigen und dich ermutigen, er wird dich dort zurücklassen wie einen verdammten Hund. Jahre später behauptete die Ehefrau von Duráns legendärem Trainer Ray Arcel, dass die Art und Weise, wie Durán aufgegeben hatte, Arcel das Herz gebrochen und ihm Jahre seines Lebens genommen habe.

Duráns Niederlage bewegte mich tagelang. Ich hing traurig im Haus herum, und Cus fing an, sich Sorgen zu machen. Acht Monate darauf, als Durán in den Ring zurückkehrte und gegen einen Burschen aus Jersey namens Nino Gonzales kämpfen sollte, nahm mich Cus beiseite.

„Ich will, dass du dir morgen Nachmittag mit mir den Kampf ansiehst“, sagte er. „Durán kämpft gegen diesen puerto-ricanischen Jungen aus Bayonne, Nino, und der hat das Herz eines Löwen.“ Cus hob diesen Gonzales regelrecht in den Himmel. Es war ein guter, ausgeglichener Kampf und Nino verpasste Durán sogar eine Platzwunde. Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich begriff, warum Cus darauf bestand, dass ich Nino kämpfen sah. Er wollte verhindern, dass ich mich emotional zu sehr an einen Drückeberger band. Aber ich blieb Durán treu und er kam zurück und gewann drei neue Titel. Dadurch zeigte er mir, dass man niemals aufgeben kann, nicht einmal nachdem man es schon getan hat.

Jetzt, da ich bei Cus lebte, trainierte ich sieben Tage die Woche in der Sporthalle, ohne Ausnahme. Neben den gelegentlichen Besuchen von Bobby Stewart ließ mich Cus gegen ein paar einheimische Jugendliche der Schwergewichtsklasse boxen. Wir kämpften niemals mit Kopfschutz. Cus war der Meinung, dass der Kopfschutz einem Boxer ein falsches Gefühl von Sicherheit gab. Ohne Kopfschutz könne man besser feststellen, woher der Punch kommt, und man achte mehr darauf, den Treffer zu vermeiden. Schon sehr früh lernte ich einen netten neuen Trick: Ein Punch, bekannt als „Blinder“. Du hältst deine Führhand für einen Sekundenbruchteil vor das Gesicht des Gegners, bevor der Schiedsrichter dazu kommt, dich zu verwarnen. Dein Boxhandschuh verdeckt dem Typen für eine Sekunde lang die Sicht, und dann springst du augenblicklich nach rechts, verlagerst dein Gewicht richtig und startest einen Sechs-fünf-zwei. Das war tödlich.

 

Nach dem Ali-Holmes-Kampf war Cus der Meinung, ich wäre bereit für meine ersten Kämpfe. Jede Woche fuhr Teddy oder Lennie Daniels, ein älterer Schüler von Cus, ein paar von uns in die Bronx, damit wir in Nelson Cuevas’ Halle kämpfen konnten. Nelson hatte im Gramercy Gym von Cus das Boxen gelernt und war so beeindruckt von Cus’ Hingabe für die Kinder im Viertel, dass er sich dazu entschloss, dasselbe für die Kinder in der Bronx zu tun. Er sparte sich 14.000 Dollar zusammen und eröffnete den Apollo Boxing Club in der Gegend um Fort Apache, dem kriminellsten Teil der Bronx. Die Kämpfe im Apollo wurden „Smokers“ (Raucher) genannt. Es waren nicht autorisierte Kämpfe, besucht von einem Haufen lauter, verrückter Einheimischen, die über gebrauchte Spritzen hinweg eine mit Urin vollgesogene Treppe hochstiegen, drei Dollar an der Tür bezahlten, sich mit Rum betranken, der in Pappbechern serviert wurde, widerliche Zigarren rauchten (deshalb der Name) und auf die Kämpfe wetteten.

Ich musste an diesen nicht genehmigten Kämpfen teilnehmen, weil ich körperlich schon zu weit entwickelt war, um in der jüngeren Version der Golden Gloves, genannt die Silver Gloves, zu boxen. Sie waren für Kinder und Jugendliche von acht bis fünfzehn Jahren angesetzt, aber als mich John Condon vom Madison Square Garden sah, verbot er mir die Silvers sofort. Ich blickte ängstlich drein. „Ich kann dich nicht im Turnier kämpfen lassen“, sagte er mir. „Du wirst diese Kids verletzen.“ Er war ein guter Mann, der wusste, was die Stunde geschlagen hatte, deshalb verstand ich seine Entscheidung.

An meinem ersten Abend in der Bronx konnte ich nur zusehen, weil niemand in meiner Gewichtsklasse verfügbar war. Sie hatten nur zwei Schwergewichte, und die waren bereits gegeneinander zum Kampf aufgestellt. Deshalb wurde vereinbart, dass einer von ihnen in der Woche darauf wiederkommen sollte, und damit war ich für meinen ersten Kampf aufgestellt. Die ganze Woche über bereitete ich mich darauf vor, dennoch hatte ich Todesangst, als ich in der Bronx ankam. Ich hatte diesen Kerl eine Woche zuvor kämpfen sehen und wusste, dass ich ihn schlagen konnte, aber ich war einfach unsicher. Ich geriet allmählich in Panik und ging nach unten, um frische Luft zu schnappen. Direkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite war eine U-Bahn-Haltestelle. Ich saß auf der Treppe, die zum Gleis hinaufführte – die U-Bahn fuhr auf dieser Teilstrecke als Hochbahn –, und dachte ernsthaft daran, in einen Wagen zu springen, an der Rockaway Avenue auszusteigen und drei Blocks bis zum Haus meiner Mama zu laufen.

Ich hatte Angst davor, zusammengeschlagen zu werden, ich hatte Angst davor, Menschen im Stich zu lassen, aber im Grunde lief alles darauf hinaus, dass ich nicht gedemütigt werden wollte. Und dann dachte ich an das Buch „In This Corner …!“ und erinnerte mich daran, dass all die Größen ebenfalls Angst gehabt hatten. Cus’ Unterrichtseinheiten über Disziplin kamen mir wieder in den Sinn. Ich riss mich zusammen und ging zurück in die Sporthalle.

Ich stieg in den Ring mit einem hochgewachsenen Puerto-Ricaner, der einen riesigen Afro hatte. Er war achtzehn, vier Jahre älter als ich. In den ersten beiden Runden gingen wir beide ganz schön zur Sache, doch in der dritten schlug ich ihn in die Seile und setzte einen Aufwärtshaken hinterher, woraufhin sein Mundstück bis in die sechste Zuschauerreihe flog. Er war bewusstlos. Von meinen Emotionen überwältigt, stieg ich, während er bewusstlos war, mit einem Fuß auf ihn und streckte meine Arme in die Luft. Wenn du heute Nelson darauf ansprichst, wird er dir sagen, dass ich nur auf den Kerl drauf gestiegen bin, weil ich ihn in meiner Ecke k. o. geschlagen hatte und über ihn steigen musste, um in eine neutrale Ecke zu gelangen. Das ist absoluter Blödsinn! Ich bin absichtlich auf ihn drauf gestiegen. Die Menge fing an zu buhen. Um einen Krawall zu vermeiden, erklärte Nelson den Kampf für unentschieden.

Cus hatte Nelson darum gebeten, ihm über meinen Kampf Bericht zu erstatten, deshalb rief er ihn an und sagte: „Es tut mir leid. Mike hat seinen Gegner zwar k. o. geschlagen, aber danach tat er etwas, das den Leuten nicht gefiel, und deshalb musste ich den Kampf für unentschieden erklären.“ Er erzählte Cus, was geschehen war, aber den ließ das völlig kalt. Cus hatte meinen Enthusiasmus immer schon geliebt.

Ich hab mich in Nelsons Ring immer gut angestellt. Ich verlor keinen Kampf, die meisten endeten in spektakulären Knock-outs. Nach einigen Kämpfen wurde es schwierig, Gegner für mich zu finden, deshalb verfolgte ich manchmal nur die verrückten Vorgänge dort. Nelson musste oftmals die Wertung ändern, deshalb gewannen unsere Jungs nicht alle Kämpfe. Es passierte gar nicht selten, dass ein Typ im tollen Dress ankam, professionell aussah und deshalb stark favorisiert wurde, aber als ihm in der ersten Runde in den Arsch getreten wurde, änderten sie mitten im Kampf die Quoten! Eines Tages geriet Teddy in einen großen Streit, weil ihm die Art nicht gefiel, wie die Punkte vergeben wurden. Nelson zertrümmerte einen Pokal auf dem Kopf des Typen, der gegen Teddy kämpfte, und zückte anschließend seine Pistole. Es war wie im Wilden Westen.

Ich reiste im ganzen Land herum und kämpfte bei diesen nicht autorisierten „Smokers“. Die Kämpfe fanden manchmal in einer Scheune bei irgendjemandem im Hinterhof statt. Cus sagte mir immer: „Du musst Selbstvertrauen haben. Du kannst mit einem Kerl in seinem Wohnzimmer boxen, mit seiner Familie als Ringrichter, und du wirst trotzdem gewinnen.“ Wir kämpften an jedem Ort, an dem man kämpfen konnte. Meistens kam Cus nicht mit, aber egal, ob er mich nach Massachusetts, Rhode Island oder Ohio schickte – bevor ich ging, setzte er sich mit mir hin und bellte in einem sehr flachen, abgehackten Ton: „Hör zu, einige meiner Freunde werden dich heute Abend sehen. Sie werden mich nach dem Kampf anrufen, und ich erwarte, dass sie deinetwegen ausrasten.“ Das heizte mich noch richtig an. Ich saß drei Stunden in irgendeinem Flugzeug und kam nicht eine Minute zur Ruhe, weil mir das Herz bis zum Hals schlug. Ich konnte es kaum erwarten, in den Ring zu steigen und wie wild auf diese Wichser einzuschlagen, genau das zu tun, was Cus mir beigebracht hatte. Vielleicht war ich ein Arschloch der ersten Liga, aber ich habe diese Scheiße gelebt. Er verkaufte sie mir und ich nahm sie ihm ab.

Nun bekam ich die Chance, Cus’ Theorien über die Angst auszuprobieren. Ich hatte diese Erfahrung im Ring noch nie gemacht, außer beim Sparring mit Bobby Stewart. Das Sparring mit neuen Leuten war beängstigend für mich. Cus turnte es jedesmal an, wenn ich ihm sagte, dass ich Angst hätte und mich selbst für einen Feigling hielt. Er liebte das. Er wusste, dass das meiner ängstlichen Grundeinstellung entsprach, und diese Angst war die Basis seiner Arbeit. Cus wollte, dass du wie ein Roboter reagiertest, sodass du auf Kommando das tatest, was er dir sagte. Cus zeigte mir den Unterschied zwischen Furcht und Einschüchterung. Die Einschüchterung hält dich von den Höchstleistungen ab, zu denen du fähig bist. Angst kann jedoch bewirken, dass du in große Höhen aufsteigst. „Fürchte deinen Gegner, aber fürchte dich nicht davor, ihn zu verletzen“, sagte er mir. Die Leute begreifen einfach nicht, dass dich kontrollierte Angst auf ein Level der Euphorie heben kann, auf dem du dich für unbesiegbar hältst. Nur sehr wenige Leute kommen auf dieses Level. Aber wenn du es schaffst, wirst du durch eine seltsame Laune der Natur glauben, unbesiegbar zu sein.