Unbestreitbare Wahrheit

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Wenn ich mit älteren Stars im Columbus zusammen war, und sie ein Mädchen sahen, das mich offenbar mochte, sagten sie: „Warum bringst du sie nicht in mein Hotel zum Abendessen mit? Sie merkten, dass ich bei den Mädchen irgendwie verkrampft war. Als sich im Columbus Mädchen für mich zu interessieren begannen, ging ich mit manchen nach unten in die Toilette. In dem gerammelt vollen Club sah man uns gemeinsam verschwinden. Und wenn wir wieder nach oben kamen, war der Rücken des Mädchens vom Toilettenboden völlig verdreckt. Paulie sagte dann: „He, Mike, die kommen ja alle dreckig wieder hoch.“

Kaum hatte ich angefangen, konnte ich nicht mehr aufhören und ließ mich zügellos gehen. In meinem Hotelzimmer in Vegas hielten sich mal zehn Frauen auf. Als ich zur Pressekonferenz nach unten ging, nahm ich eine mit und ließ die anderen im Zimmer zurück. Manchmal zog ich mich aus, legte den Meisterschaftsgürtel an und vögelte mit dem Mädchen. Immer wenn eine willig war, wollte ich es mit ihr machen. Das Verrückte war, dass ich sie alle zu befriedigen versuchte. Aber das ging nicht, diese Weiber waren verrückt. Irgendwann legte ich mir eine Rollkartei zu, in der ich Mädchen in verschiedenen Städten eintrug. Ich hatte Geliebte in Las Vegas, in L.A., in Florida und in Detroit. Oh Mann, warum tat ich mir das bloß an?

Ich geriet völlig aus der Spur und machte mich selbst fertig. Ich trainierte hart und ließ es ebenso heftig krachen: saufen, die ganze Nacht Frauen vögeln und kämpfen. Dieser dumme Ego-Mist halt, den ein junger Kerl mit ein bisschen Schotter so treibt.

Zu dieser Zeit lernte ich ein Mädchen kennen, das mir überlegen war. Ich war ein paar Leuten vorgestellt worden, die an der Spitze der Modewelt standen. Das war nicht mehr das Columbus, sondern echter internationaler Jetset, der mit dem Königshof dinierte. Zu der Zeit ging ich mit einem Model aus, über das sich mein Freund Q ärgerte. „Vergiss sie, Mike. Ich bring dich mit der schönsten Frau der Welt in Kontakt. Sie ist noch ein Teenager, wird aber bald das teuerste Model werden. Geh besser jetzt ran. In ein paar Jahren redet sie mit keinem mehr.“

Q lud mich zu dieser Party ein, zu der auch das Mädchen kommen würde. Sie fand in einem exquisiten Apartment an der 5th Avenue statt. Wir chillten, als Q mit diesem Model zu mir kam, damit ich sie kennenlernen konnte. Q hatte nicht zu viel versprochen. Sie hatte einen verblüffenden englischen Akzent und machte gerade Karriere. Sie wusste, wer ich war, und schien an mir interessiert zu sein. Wir tauschten Telefonnummern aus. Am nächsten Tag suchte ich nach dem Zettel, den sie mir in die Hand gedrückt hatte, und fand ihn. „Naomi Campbell“ hatte sie draufgekritzelt, und ihre Nummer. Ich rief sie an, und wir verabredeten uns. Wir konnten nicht voneinander lassen. Sie war eine sehr leidenschaftliche und sinnliche Person. Tatsächlich hatten wir viel gemeinsam. Sie war auch nur bei einem Elternteil aufgewachsen. Ihre Mutter hatte sich krummgelegt, um Geld für ihre Ausbildung auf Privatschulen zusammenzukratzen. Naomi war ihr Leben lang eine privilegierte kleine Dame gewesen.

Wir stritten viel. Dass ich dauernd mit anderen Mädchen zusammen war, passte ihr überhaupt nicht. Ich glaube nicht, dass wir für eine große Liebesaffäre bestimmt waren, steckten aber richtig gerne zusammen. Sie war unglaublich auf ihre Karriere fokussiert – eine ehrfurchteinflößende Person mit einem starken Willen. Sie ließ es nicht zu, dass man hinter meinem Rücken schlecht über mich redete, und sie kämpfte für einen. Wenn ich in eine Rauferei geriet, stellte sie sich neben mich und hatte keine Furcht, sich einzumischen. Sie war damals einfach ein kleines Mädchen, das seinen Weg suchte, so wie ich, und der Welt ausgeliefert. Wir hatten damals überhaupt keine Ahnung vom Leben, jedenfalls ich nicht. Aber wenige Jahre später hatte sie den Höhepunkt ihres Könnens erreicht. Dann konnte ihr keiner mehr widerstehen. Sie hätte jeden Mann auf dem Planeten haben können und war einfach umwerfend.

Aber ich wollte mich nicht mit einer Frau begnügen. Neben den jungen Damen, mit denen ich gelegentlich ins Bett ging, verkehrte ich auch mit Suzette Charles. Suzette war bei der Wahl zur Miss America eingesprungen und auf dem zweiten Platz gelandet. Als von der Erstplatzierten, Vanessa Williams, in der Zeitschrift Penthouse Nacktaufnahmen erschienen, musste sie ihre Krone an Suzette abgeben. Suzette, ein sehr nettes, reifes Mädchen, war ein paar Jahre älter als ich.

Aber wieso musste ich mit diesen ganzen Mädchen herumjonglieren? Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das heute noch bewältigen würde. Man besucht die eine, und wenn es langweilig wird, besucht man eine andere. Und am Ende des Abends, nachdem man zwei oder drei Frauen besucht hat, geht man nach Hause und ruft eine an, damit sie die Nacht mit einem verbringt. Das war ein verrückter Lebensstil, aber alle in meiner Umgebung damals behaupteten, das sei normal. Schließlich hätte ich es mit bekannten Leuten zu tun, und die machten es genauso.

Ich hatte bei den Frauen also binnen kurzer Zeit von Enthaltsamkeit auf Völlerei umgeschaltet. Und dann legte ich noch eine aufs Büffet: Ich lernte Robin Givens kennen. Als ich in England mit einer britischen Braut im Bett lag, lief gerade Soul Train im Fernsehen. Und als ich auf den Bildschirm blickte, sah ich in der Sendung ein wunderschönes schwarzes Mädchen.

„Wer ist dieses Mädel?“, fragte ich die britische Schnecke.

Weil sie es auch nicht wusste, verfolgte ich die Sendung weiter. Die Gäste wurden als die Besetzung der Sitcom Head of the Class vorgestellt. Ich rief meinen Freund John Horne in Los Angeles an, der darauf ihren Agenten anrief. Und als ich wieder in den USA war, verabredeten wir ein Abendessen in L.A. Ich ging mit meinem alten Freund Rory Holloway aus Catskill hin. Wir trafen uns im Le Dome, einem netten Restaurant am Sunset Boulevard. Ich kam damals immer zu spät, weil ich meinte, alle müssten auf mich warten. Aber ich hätte merken müssen, dass etwas im Busch war, als ich ins Restaurant spazierte und Robin mit ihrer Schwester, ihrer Mutter und ihrem Presseagenten da saß.

Was ich auch nicht wusste: Robin suchte mit ihrer Mutter Ruth einen bedeutenden schwarzen Star für sich, seitdem sie das College verlassen hatte. Ich spürte nur ihre starke sexuelle Ausstrahlung, irgend so eine Chemie. Heute behauptet sie, als wir beide später an diesem Abend allein gewesen seien, sei ich auf ihrem Schoß eingeschlafen und hätte sie angesabbert. So erobert man wohl eine Frau: Man sabbert sie an.

Als ich sie und ihre Mutter bei der Arbeit beobachtete, fiel mir auf, dass ihre Mutter eine profilierte Bühnenmutter war. Sie investierte unglaublich viel, damit ihre Tochter groß herauskommen oder wenigstens eine Größe heiraten würde. Irgendwie mogelten sie sich in Cosbys Show und schlichen sich dann in sein Haus in Los Angeles.

Ich will für sie bestimmt keine Werbung machen, aber wenn man sich Robins Bericht über unsere gemeinsame Zeit anschaut, meint man den übelsten romantischen Horrorroman zu lesen, den man sich vorstellen kann. In ihrem Bericht über unseren ersten gemeinsamen Tag in L.A. redet Robin davon, dass ihre Mutter und ihre Schwester nach Japan hätten reisen müssen, damit sie allein sein konnte:

„Ich weiß nicht, was du versuchst oder was du von diesem Kerl willst. Ich weiß nicht, wem du wehzutun versuchst“, sagte ihr ihre Mutter. „Manchmal glaube ich, dass du mir wehtun willst, weil du denkst, dass ich zu viel fordere, und ein anderes Mal meine ich, dass du dir selbst wehtun willst, wegen deines Versprechens, weil du dem nicht gerecht werden kannst, was ich verlange. Aber eines weiß ich: Wenn du mit dem Feuer spielst, verbrennst du dich. Lass es dir gesagt sein: Manche Dinge sind zu gefährlich, um mit ihnen zu spielen.“

Dieser Mist klingt wie billigste Seifenoper. In Wahrheit sagte ihre Mutter wohl: Angeln wir uns diesen Typen. Darauf habe ich dich jahrelang trainiert. Bei Eddie Murphy und Michael Jordan hat es nicht geklappt, versuchen wir’s jetzt also bei diesem fetten schwarzen Fisch.

„Wovon redest du, Mom?“

„Ich habe zu hart gearbeitet, um dich an so einen … zu verschleudern.“

„Wir amüsieren uns nur, Mom. Meinst du nicht, dass ich es verdiene, ein bisschen Spaß zu haben?“

Ruth the Ruthless setzte ihre Ellenbogen ein und erweckte den Eindruck, ich sei ein Schmarotzer, der in die Kasse greife, wo noch nicht mal meine Monatsmiete drin sei. Dabei hatten sie nichts, als sie auf der Bildfläche erschienen. Sie waren zwei bankrotte Scharlatane, denen nichts gehörte. Sie waren eine einzige große Illusion.

In ihrem Buch stellt es Robin so dar, als hätten wir nicht miteinander geschlafen. Sie behauptet stattdessen, wir seien durch ein Einkaufszentrum gebummelt und hätten in einer Zoohandlung stundenlang mit Hundewelpen gespielt. Ich, der Weltmeister im Schwergewicht, in einem verkackten Einkaufszentrum! Was zum Teufel hätte ich da verloren?

In Wahrheit habe ich mit ihr keine Hündchen gestreichelt. Vielmehr machte ich sie mit Heroin-Dealern bekannt. Einige Monate später spazierten wir abends in Manhattan an der 6th Avenue und der 41th Street entlang. Als wir am Bryant Park vorbeikamen, sah ich einen Dealer, den ich aus Brownsville kannte. Als ich zu ihm ging und ihn abklatschte, war Robin völlig verblüfft, dass ich so einen Typen kannte. Ich bin sicher, dass ihr die Begegnung höchst peinlich war.

Ich war über drei Monate zu keinem Kampf mehr angetreten, die bislang längste Auszeit in meiner Laufbahn. Jetzt war es Zeit, nach einem weiteren Gürtel zu greifen. Am 7. März nahm ich mir in Vegas den WBA-Weltmeister James „Bonecrusher“ Smith vor. In dem Kampf brachte ich keine 100-prozentige Leistung, weil ich an einem eingeklemmten Nackennerv litt, der mich noch jahrelang plagen sollte. Ich hatte ziemliche Schmerzen. Aber ich zog in den Ring ein, als sei er mein Privatbesitz. Ich dachte einfach, dies ist mein Zuhause, und fühlte mich wohl. Aber ich war noch kein gestandener Kämpfer, sondern noch immer ein unreifes Baby.

 

Mein Ego war damals ganz aus dem Gleichgewicht geraten. Ich fühlte mich wie John McEnroe: „Leckt mich alle.“ Vor McEnroe hatte ich größten Respekt. Er war ein Tier. Und genau so fühlte ich mich. Ich beanspruchte alles, was mit Boxen zu tun hatte, und wenn ich es nicht bekam, war der Teufel im Busch.

Ich stieg als Rrster in den Ring. Als der Knochenbrecher hereinkam und wir uns gegenübertraten, spürte ich keinerlei Bedrohung. Ich wusste, dass ich zu flink war, als dass er mich hätte treffen können. Er war ein wirklich starker und guter Kämpfer und hatte viele Jungs ausgeknockt, aber mich dran zu kriegen, würde für ihn schwierig.

In der zweiten Runde wurde Bonecrushers Strategie deutlich. Er würde mich umklammern oder zurückweichen. Das Publikum buhte schon in der zweiten Runde, an deren Ende ihm Ringrichter Mills Lane wegen Klammerns einen Punkt abzog. Ich konnte mich nicht entspannen und spürte die Schmerzen den ganzen Kampf über. So war ich unglaublich froh darüber, dass er klammerte, weil der eingeklemmte Nerv so sehr schmerzte, dass diese Boxnacht ungemütlich hätte werden können. Mein Gleichgewichtssinn war völlig aus dem Tritt. Bonecrusher machte mir den Kampf jedoch ziemlich leicht. Das einzige Mal, dass er mithalten konnte, war zehn Sekunden vor Ende. Ich hatte jede Runde gewonnen.

Der Kampf gegen Bonecrusher trug mir Kritik ein, aber was hätte ich machen sollen? Er wollte einfach nicht kämpfen. Als ich kurz nach dem Kampf zum Interview auf BBC erschien, musste ich mich verteidigen.

„Der Bonecrusher-Kampf hat uns alle enttäuscht, und Sie doch wohl auch?“, fragte der Moderator.

„Ich habe gegen einen sehr starken Mann gekämpft, der aber einfach nicht in den Kampf eingestiegen ist. Er hielt mich so fest umklammert, dass ich mich kaum von ihm lösen konnte. Ich fasste es nicht. Er kämpfte doch um den Weltmeistertitel im Schwergewicht. Da muss man doch ganz aus sich herausgehen und sich exponieren“, sagte ich.

„Wir sind beeindruckt von Ihrer Haltung im Ring und außerhalb, aber ein- oder zweimal haben Sie sich während des Bonecrusher-Kampfs zwischen den Runden etwas gehen lassen.“ Er spielte auf kleine Gerangel an.

„Nein, nein, im Gegenteil. Ich habe versucht, ihn in den Kampf zu ziehen. Dafür hätte ich alles getan, sogar in der Mitte des Rings einen Stepptanz aufgeführt. Ich habe ihm gesagt: ,Los, kämpfe.‘ Die Leute haben Tausende Dollar für einen Ringplatz hingeblättert. Man muss die Zuschauer unterhalten und ihnen etwas bieten für ihr Geld.“

Vom Videospiele-Hersteller Nintendo erhielt ich einen Vorschuss über 750.000 Dollar dafür, dass man mein Konterfei für das Box-Videospiel Punch Out nutzen durfte. Weil ich nie ein Fan von Videospielen war, ließ mich das ziemlich kalt. Ich wollte einfach kämpfen, alles andere war mir fremd. Irgendwie wurde mir diese Scheißpromiwelt allmählich komplett fremd. Und jetzt, da Cus tot war, konnte ich mit keinem darüber reden. In einem Interview mit Alex Wallau für die ABC-Sendung Wide World of Sports sagte ich: „Ich habe immer vieles für mich behalten, über das Cus und ich dann geredet haben. Wenn jetzt etwas hochkommt, behalte ich es einfach für mich.“ Das war ein Anzeichen dafür, dass ich kurz davor war, auszurasten.

Als mich Wallau nach Mädchen fragte, reagierte ich schüchtern. Ab er ließ nicht locker.

„Also bitte, wollen Sie etwa behaupten, hinter dem Schwergewichtsweltmeister seien keine Heerscharen von Girls her?“

„Die wollen nicht mich, sondern meine Kohle. Ich schaue jeden Tag in den Spiegel und sehe, dass ich kein Clark Gable bin. Ich wünschte, ich würde ein Mädchen finden, das mich schon kannte, als ich noch blank war, und trotzdem nett fand. Davor hat mich Cus nie gewarnt. Er prophezeite mir, dass ich viel Geld verdienen, viele Mädchen haben und glücklich sein würde. Aber von so einem Leben sagte er nie etwas.“

Ich, der Außenseiter aus Brownsville, wurde plötzlich mit Lobhudeleien überschüttet. Es war verrückt. Und es sollte noch verrückter werden. Ich verliebte mich in Robin. Und weiß sogar noch genau, wann.

Wir schlenderten den Wilshire Boulevard in Westwood entlang. Robin zog mich wegen irgendetwas auf, verpasste mir einen Hieb und lief davon. Ich rannte ihr hinterher. Kurz bevor ich sie einholte, schlug sie einen Haken, sodass ich an ihr vorbeischoss, stürzte und buchstäblich auf dem Bauch über die Straße schlitterte wie ein Pitcher beim Baseball über die Home Plate. Autos bremsten, aber ich war so schnell wie ein Schuss aus einer Steinschleuder. Am Ende der Rutschpartie nahm ich meine beste Bad-Boy-Pose ein. Ich hatte meine sündhaft teuren Klamotten geschreddert, und es war mir wahnsinnig peinlich. Robin stand da und lachte nur. Für sie war es das Witzigste, das sie je gesehen hatte, während ich vor Wut schäumte – und mich trotzdem in sie verliebte. Später fiel mir auf, dass dieser Zwischenfall ein Bild für unsere gesamte Beziehung gewesen war. Sie verarschte mich und schlug Haken, sodass ich völlig zerschrammt am Boden liegen blieb. Sie trieb von Anfang an ihr Spiel mit mir.

Dank meiner geringen Selbstachtung fühlte ich mich unbehaglich. Aber in solchen Herzensdingen hatte ich ja auch keine echte Erfahrung. Abgesehen von Naomi, die, nebenbei gesagt, angepisst war, als sie das mit Robin herausfand, war Robin meine erste richtige Beziehung. Zuvor war es darum gegangen, mit vielen Mädchen zu jonglieren, zu vögeln und zahlreiche Lügen zu erzählen. Inzwischen lüge ich nicht mehr, weil ich zu gut darin war. Auch deshalb habe ich mich wahrscheinlich so ins Zeug gelegt, um mich selbst zu entwürdigen. Ich verkraftete es einfach nicht, dass ich plötzlich ein großer Fisch war und alle von mir redeten. Das machte mich so anmaßend, dass ich mir selbst den Kopf waschen und mich auf Normalgröße zurückstutzen musste. Dass alle so viel Gutes über mich sagten, war mir zu Kopf gestiegen. Das musste ich irgendwie zurechtrücken. Ich war doch kein verdammter Heiliger. Ich hatte auf Menschen geschossen und keinerlei soziale Fähigkeiten außer der, einen Typen ins Koma zu prügeln. Und wenn ich es geschafft hatte, bekam ich zum Abendessen eine leckere Pasta serviert. Darauf hatte Cus mich programmiert. Immer wenn du kämpfst und siegst, wirst du belohnt.

So war Robin vielleicht das, was der Arzt verordnete. Eine gerissene manipulierende Giftnudel, die mich in die Knie zwingen konnte. In ihrer Nähe wurde ich zu einem beschissenen dressierten Hundewelpen. „Okay, du kannst mein Geld haben, aber lass mir doch bitte, bitte deine Muschi.“ Um nicht falsch verstanden zu werden: Es ging nicht nur um Sex. Ich glaube, die Intimität hat mir den größten Kick verschafft, ich glaube aber nicht, dass ich damals richtig gut im Bett war. Auch wenn sie es einmal behauptet hat. Ich war einfach ein verliebter junger Mann. Dieses Gefühl hatte ich zuvor nie gekannt.

Im Mai stand ich wieder im Ring. Mein nächster Gegner war Pinklon Thomas, ein großer Kämpfer. Vor dem Kampf hielten wir eine Pressekonferenz ab. Von oben auf der Tribüne sah ich Robin mit Schauspielerkollegen aus ihrer Sitcom hereinkommen und war wie im Rausch. Ich spuckte große Töne, posierte für Fotos und war einfach happy. Für mich war das ein Aufbruch, weil ich mich auf diesen Pressekonferenzen immer unbehaglich gefühlt und diesen hässlichen Ausdruck auf dem Gesicht gehabt hatte. Die Presseleute waren verwirrt.

„Was ist mit Tyson los?“, fragte ein Reporter. Dann drehten sie sich um, sahen Robin und zählten zwei und zwei zusammen.

„Kein Wunder, dass der so glücklich ist“, bemerkte ein anderer.

Kaum hatten sie es gesagt, war es in der Öffentlichkeit. Pinklon kam auf mich zu, schüttelte mir die Hand, worauf ich in den Iron-Mike-Modus schaltete. Ich drehte ihm den Rücken zu.

„Aha, so jetzt also? Zur Hölle mit dir“, sagte er.

„Du dämlicher nichtsahnender Nigga. Weißt du nicht, dass ich Gott bin? Du solltest sofort niederknien und mir den Schwanz lutschen.“ Da war ich wieder. Heute schäme ich mich erbärmlich, dass ich so etwas zu einem erwachsenen Mann gesagt habe.

Ich hoffte inständig, dass Robin es nicht gehört hatte. Verdammte Scheiße, in der Minute, in der sie in diesen Raum getreten war, hatte sie mich umgedreht. Und schon sprang ich von der Bühne herab, ging zu ihr und der Sitcom-Besetzung und machte einen auf coolen, harmlosen Schwarzen.

„Hi, Jungs. Wie geht’s euch allen?“

Das war dieser verlogene Mist, von dem Cus geredet hatte. Ich wechselte zwischen meinem größenwahnsinnigen Scheiß und meinem harmlosen Scheiß hin und her, bis ich selbst nicht mehr durchschaute, was was war. Es ist schwierig, an einem Ort zweimal ein Arsch zu sein.

„Du Arschloch, ich bring dich um, Nigga.“ – „Wie geht’s dir, mein Liebes?“

In dieser Nacht verteidigte ich meine beiden Gürtel. Ich war aufgedreht, aber nicht übertrieben selbstsicher. Pinklon, ein ehemaliger Champion, war ein einziges Mal besiegt worden: von Trevor Berbick, und das auch nur mit Glück. In dieser Nacht kam ich gleich gut in die Gänge und schlug ihn in der ersten Runde beinahe k.o. Aber dann war er in der zweiten, dritten, vierten und fünften Runde wieder richtig zur Stelle. Wahrscheinlich hat er einige Runden gewonnen. Er hatte eine meisterhafte harte Gerade, tippte mich aber nur immer wieder an, um Punkte zu sammeln.

Zwischen der fünften und sechsten Runde trat Kevin in der Ecke auf mich zu.

„Kämpfen wir jetzt oder verarschen wir das Publikum, hä? Kampf oder Verarsche?“

Aber ich wusste, dass Thomas müde wurde. Und das sagte ich Kevin vor Beginn der sechsten Runde. In der sechsten verpasste ich dem Gegner einen vernichtenden linken Haken, der an seinem Kinn förmlich explodierte. Aber er war ein so disziplinierter und beherrschter Kämpfer, dass er sich den Treffer nicht anmerken ließ. Ich hatte allerdings alle großen Kämpfer, Robinson oder Marciano, beobachtet und wusste, dass ein richtiger Treffer auch richtig saß. Kein Pokerface konnte mich beirren. Folglich drosch ich mit allem, was ich zu bieten hatte, auf ihn ein und erzielte so mit einem Trommelfeuer aus vielleicht 15 Schlägen einen fulminanten Knockout. Nachdem er zu Boden gegangen war, versuchte er unglaublich tapfer wieder aufzustehen. Aber sein schmerzverzerrtes Gesicht verriet mir, dass er es nicht schaffen würde. Das war wohl der brutalste Knockout in meiner Laufbahn. Ich hatte auf ihn wie auf einen Sandsack eingeschlagen, ohne Rücksicht darauf, selbst etwas einstecken zu müssen. Man kann sich kaum vorstellen, wie viel Charakterstärke Pinklon Thomas gezeigt hat. Trotz dieser Schmerzen auf dem Gesicht versuchte er aufzustehen. Ich dachte: Verdammt: Willst du noch mehr?

Obwohl ich den Kampf mit einem meisterhaften K.o. gewonnen hatte, war ich mit meiner Leistung insgesamt unzufrieden. Und ich begann, die Kämpfe zu hinterfragen, die Jimmy und Cayton für mich organisierten. Bevor Cus starb, hatte er an verschiedenen Dingen mit mir arbeiten wollen. Aber das war diesen Jungs egal. Sie schickten mich einfach gegen jeden ins Gefecht. Cus hätte wohl gemeint, dass es für ein Match gegen Pinklon zu früh sei, und mir einen anderen Gegner gesucht. Trotz meines spektakulären Knockouts hatte ich keine gute Figur gemacht. Cus wäre sauer auf mich gewesen. Das fehlte mir jetzt. Ich musste mir keine Sorgen mehr machen, dass mich jemand im Umkleideraum zur Sau machte, weil ihm mein Kampf nicht gefallen hatte. Ich musste mir nichts mehr sagen lassen. Kaum zu glauben, wie schnell man sich in Sicherheit wiegt, wenn einem alles scheißegal sein kann.

Nach dem Kampf gegen Thomas traf ich mich wieder mit Robin. Ich dachte einfach, sie sei ein reizendes Mädchen. Bis sie mich beim Fremdgehen erwischte. Und ich ging dauernd fremd, und sie erwischte mich dauernd. Ich war auch nicht besonders geschickt: Sie entdeckte Lippenstift im Schritt meiner Jogginghose.

Damit war die Kacke am Dampfen.

„Aaahh, fick dich, wie kannst du mir so was antun?“, schrie sie, ging auf mich los, schlug mit den Fäusten um sich und versuchte, mir in die Eier zu treten. Sie war unbarmherzig, und ich war frustriert. Ich klebte ihr eine und dachte, damit wäre es vorbei. War es aber nicht. Sie schlug noch härter zurück. Ich dachte, ein Klaps würde sie zur Vernunft bringen, tat es aber nicht. Sie schlug richtig hart zurück. Dabei kam sie nicht aus Brownsville, sondern aus einem Vorort, aber sie war eben nicht zu unterschätzen. Sie hatte schon so manchen Kampf ausgetragen und erinnerte mich an die kaputten Beziehungen, die meine Mutter zu Männern hatte.

 

Aber mir stand das Kämpfen inzwischen bis zum Hals – sowohl mit Robin als auch im Ring. Der Stress, Weltmeister zu sein und mich immer und immer wieder bewähren zu müssen, setzte mir einfach zu. Ich hatte diesen Scheiß gemacht, seit ich 13 war, und nicht nur dann, wenn ich im Ring stand. Ob im Kampf oder beim Sparring, ich war immer gegen erfahrenere Typen angetreten. Wenn man normalerweise einen Champion sieht, der als Sparringspartner oder sogar im Kampf auftritt, kämpft er gegen einen unterlegenen Partner, mit dem er leicht fertig wird. Aber meine Sparringspartner versuchten mich immer zusammenzuschlagen. So lauteten ihre Instruktionen. Wenn sie es nicht taten, wurden sie nach Hause geschickt. Wenn man ins Training einsteigt, kommt die Angst: Man bleibt zu Hause, spielt und feiert nicht mehr, weil man weiß, dass man gegen einen Gegner antritt, der einem beim letzten Mal Scheißschmerzen am Kopf verpasst hat. Man geht weder in die Bar um die Ecke noch zu einem Mädchen, sondern einfach nach Hause. Man setzt sich in die Badewanne und konzentriert sich darauf, wie man gegen den Typen am nächsten Tag boxt. Das war mein Leben. Und jetzt hatte ich es satt.

Ich war schon immer ein deprimierter Typ gewesen, aber der Stress machte es schlimmer. Ich war ständig missmutig. Und am ersten Augusttag musste ich schon wieder in den Ring steigen und konnte mir deshalb eine Trainingspause kaum leisten. Ich ging ins Camp nach Vegas und bekam Heimweh. Ich vermisste es, in Albany mit Rory und anderen Freunden zu feiern. Knapp einen Monat vor dem Kampf gegen Tony Tucker kam es zur Krise. Dieser Kampf würde der bedeutendste meiner Laufbahn werden: Ich sollte alle drei Weltmeistertitel auf mich vereinen.

Eines Tages zog ich Steve Lott in der Boxhalle beiseite.

„Ich werde mich zur Ruhe setzen“, sagte ich.

Der Druck machte mir übel zu schaffen. Mir fielen büschelweise Haare aus, eine nervlich bedingte Alopezie. Inzwischen war es mir egal, ob ich einen dritten Gürtel bekäme. Und Robin war für mich das Gegenteil eines Ankers. Wir stritten ständig und trennten uns zeitweise. Schon über die Straße zu gehen, bedeutete für mich Stress. Typen kamen zu mir und erzählten, sie hätten ihr Leben auf mich verwettet. Ich müsse siegen, sonst würden sie Haus und Frau verlieren, und ich wollte sie natürlich auf keinen Fall hängen lassen.

Eigentlich hatte ich nie das Gefühl, dass ich für den Job gut genug sei. Für jemanden, der so im Vordergrund steht, war ich einfach zu unsicher. Zwischen den Kämpfen trieb ich mich in Spelunken herum, in denen die Gewalt regierte, üble Puffs in Florida, in die ich hineinstolzierte, woraufhin die ganzen Scheißtypen ihre Waffen zückten. Und ich redete Blödsinn und zettelte Streit an. Dabei trug ich diese ganzen Diamanten und anderen wertvollen Scheiß mit mir herum. Sie hätten mich verprügeln und ausrauben oder mir gleich das Licht ausblasen können. Gepriesen sei Allah, dass sie mich am Leben gelassen haben.

Ich würde in jeder Stadt und in jedem Land sofort auf eine Kloake zusteuern. Manchmal gehe ich ohne Leibwächter aus. Aber man hat noch nie auf mich geschossen oder mich gejagt. Ich habe mich in meinem Viertel immer sicher gefühlt. Manchmal fragt man mich: „Mike, fürchtest du dich dort nicht?“, und ich antworte dann immer: „Shit, ich fürchte mich mehr auf dem Strip in Las Vegas.“ Ich fühlte mich in Brownsville immer heimisch. Wenn ich irgendwo eine Frau und ihre Kinder spät nachts in einer Hundekälte draußen stehen sehe, erinnert mich das immer an meine Mutter und mich.

Ungefähr einen Monat vor dem Kampf verschwand ich aus dem Trainingscamp, setzte mich nach Albany ab und ließ es zwei Wochen lang wieder krachen. In einem Nachtclub erzählte ich Freunden, ich würde mich zur Ruhe setzen. Aber Jimmy holte mich ans Telefon und setzte mich unter Druck: Wenn ich nicht zum Kampf antreten würde, bombardierten uns alle mit Klagen. Damals hätte ich mich zurückziehen sollen. Aber ich hatte kein eigenes Leben. Was wussten diese Jungs schon von meinem Leben? Jim dachte, Robin werde mir vielleicht guttun und mich schon zur Vernunft bringen. Aber Robin konnte wohl noch besser betrügen als er.

Ungefähr zwei Wochen vor dem Kampf gegen Tony Tucker kehrte ich ins Training zurück. Ich hatte in Albany heftig gefeiert und war nicht in Topform. In der ersten Runde traf mich ein Aufwärtshaken, der mir allerdings den Rücken stärkte. Alle machten ein riesiges Aufhebens darum, obwohl ich ihn überhaupt nicht gespürt hatte. Ich hatte bloß einen Fehler gemacht. In der vierten Runde gewann ich die Kontrolle über den Kampf und entschied fast jede weitere Runde für mich. Ich ging über die volle Distanz. Als wir auf die Entscheidung warteten, trat Tucker auf Rooney und mich zu.

„Du bist ein verdammt guter Kämpfer. Keine Sorge, ich gebe dir die Chance auf eine Revanche“, sagte er.

„Meinst du, du hast gesiegt?“, fragte Rooney. „Verschwinde, verdammt.“

Daraufhin stimmte Tony einen Lobgesang auf Jesus an. Aber es half nichts. Ich wurde einstimmig zum Sieger erklärt, hatte aber kein gutes Gefühl dabei. An diesem Punkt in meinem Leben hatte ich gar kein gutes Gefühl mehr. Larry Merchant musste es mitbekommen haben, als er mich nach dem Kampf auf HBO interviewte.

„Bei jemandem, der soeben die unangefochtene Weltmeisterschaft errungen hat, würde man ein bisschen mehr Zufriedenheit erwarten“, sagte er.

„Solange man Fehler macht, hat man keinen Grund zur Zufriedenheit“, sagte ich. „Ich bin ein Perfektionist und will perfekt sein.“

Zur Feier meines unangefochtenen Titels schmiss Don King eine kitschige „Krönungs-Party“. Ich wollte wegbleiben, aber weil Jimmy mir sagte, dass das zum Geschäft gehöre, ging ich doch hin. Ich fühlte mich wie ein Ausstellungsstück im Kuriositätenkabinett. Chuck Hull, der Ringansager, erschien in einem mittelalterlichen Kostüm, inmitten von sechs Leibgardisten, die elisabethanische blaue Samttrachten und Federhüte trugen. Sie paradierten mit meinen beiden „Opfern“, „Sir Bonecrusher“ und „Sir Pinky“, über den roten Teppich. Hull ergriff das Wort:

„Hört, hört! Auf Befehl des Volkes in der Welt des Boxsports verkünde ich in diesem ruhmreichen Jahr 1987, dass in den Ländern nah und fern ein Mann vor allen anderen triumphierend im viereckigen Ring der Schlacht steht, der hiermit als unangefochtener Schwergewichtsweltmeister lobgepriesen sei.“

Danach erging sich Don King in seiner Rede in wildem Blödsinn, wie das typisch für ihn war. Er wollte einfach noch berühmter sein als jeder Boxer. Anschließend marschierten sämtliche HBO-Manager und die Box-Promoter über den roten Teppich. Ein Kinderchor sang. Stars wie Dennis Hopper und Philip Michael Thomas überreichten jedem noch so unbedeutenden Funktionär, der da war, eine Trophäe. Als mein Freund Eddie Murphy an die Reihe kam, eine zu überreichen, improvisierte er: „Der Mann hat allen den Arsch versohlt und keine Trophäe bekommen. Alle Weißen haben eine erhalten. Das verstehe ich nicht.“

Das Beste hob man sich für den Schluss auf. Man legte mir einen Chinchilla-Pelz von Le Nobel um. Dann setzte mir Ali eine Juwelenkrone, besetzt mit „Weihnachtskugeln, Rubinen und fantastischem Schnickschnack“, wie King ankündigte, aufs Haupt. Und ich bekam eine Juwelenkette und ein mit Juwelen besetztes Zepter des Juweliers Felix überreicht.

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