Arbeitsplatz Tagesschule (E-Book)

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2.11 Vernetzung und multiprofessionelle Kooperation

Der Kanton Aargau empfiehlt im Leitfaden zum KiBeG die Vernetzung und Kooperation zwischen den Gemeinden, insbesondere bei der Ausarbeitung der Qualitätsstandards (Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau, 2016). Die meisten Einrichtungen der SEBB haben die Qualitätsstandards der Fachstelle Kinder&Familien übernommen. Weiter haben sich verschiedene Gemeinden zusammen darauf geeinigt, ähnliche Elternbeitragsreglemente zu führen (Fachstelle Kinder&Familien, pers. Kommunikation, Juni 2019). Auch der Kanton Solothurn befürwortet die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden, damit gegenseitig profitiert werden kann (ASO, o.J.). Der Kanton Bern empfiehlt bei der Einführung eines Tagesschulangebotes eine Überprüfung und Festlegung der Zusammenarbeit sowohl mit der Schule als auch mit wichtigen Beratungs- und Unterstützungsangeboten (z.B. Erziehungsberatungen, Sozialdienste, offene Kinder- und Jugendarbeit) (ERZ, 2009).

Zur Kooperation zwischen Betreuungspersonen an Tagesschulen und Lehrpersonen empfehlen die verschiedenen Verbände regelmässige Austauschgefässe (K&F, 2017; Kibesuisse, 2017). Diverse Organisationen gehen weiter und empfehlen die Vernetzung von Unterricht und Betreuung, indem die Lehr- und Betreuungspersonen ein Team bilden und an den jeweiligen Aktivitäten gegenseitig teilnehmen und eng zusammenarbeiten. Zudem sollen sie gemeinsam Elterngespräche führen und zusammen Entwicklungsziele festlegen (Bildung und Betreuung, 2010).

Der Verband Bildung und Betreuung empfiehlt in Sachen Kooperation mit den Eltern (2010) ein gegenseitiges Verständnis als gleichwertige Partner zu schaffen und zu pflegen. Zudem empfiehlt er, ein Konzept zur Elternarbeit auszuarbeiten, in dem die Partizipation der Eltern verankert ist. Weiter empfiehlt der Verband die Vernetzung mit gleichartigen Angeboten in der Umgebung, wobei im Idealfall gemeinsame Projekte organisiert werden.

2.12 Fazit

Die professionelle Gestaltung der schulergänzenden Bildung und Betreuung braucht klare Richtlinien, die sich an aktuellen Erkenntnissen orientiert. Viele verschiedene Aspekte tragen dazu bei, dass ein hochwertiges Angebot gewährleistet werden kann. Diese beziehen sich einerseits auf Rahmenbedingungen wie die Raumsituation, aber auch auf pädagogische Aspekte und Anstellungsbedingungen sowie Personalauswahl.

Der Kanton Bern hat im Vergleich zu den Kantonen Aargau und Solothurn zu den meisten Aspekten deutlich spezifischere gesetzliche Vorgaben und Richtlinien für die Tagesschulen und die Tagesstätten (Tagi). Zudem wird die SEBB im Fall der Tagesschulen, die den grössten Anteil im Kanton ausmachen, nicht als soziales Angebot, sondern explizit als ergänzendes Angebot der Volksschulen verstanden (Schüpbach, 2018a) und die Tagesschulen werden als öffentlich-rechtliche Einrichtungen geführt. Im Gegensatz dazu sind die Einrichtungen der SEBB in den Kantonen Aargau und Solothurn öfter private Einrichtungen. In beiden Kantonen gelten für sie andere gesetzliche Anforderungen und Richtlinien als für Einrichtungen der SEBB, die von den Gemeinden oder Schulen geführt werden. Im Kanton Aargau besteht eine gesetzliche Grundlage für die SEBB. Die privaten Trägerschaften werden im Kanton Aargau gemäss den Qualitätsstandards überprüft und müssen die Kosten selbst tragen. Hingegen werden im Kanton Aargau die von Gemeinden oder Schulen angebotenen Einrichtungen der SEBB kaum überprüft und unterliegen wenigen Vorgaben. Das heisst, die Verantwortung für die Qualität wird vollständig an die Gemeinden und Schulen übertragen. Im Kanton Solothurn fehlt bisher eine gesetzliche Grundlage, die die Gemeinden verpflichtet, ein Angebot bereitzustellen. Angebote der SEBB entstanden in den letzten Jahren im Kanton Solothurn sowohl aus neuen Trägerschaften als auch in Schulen bzw. Gemeinden, die allerdings nicht vom Kanton bewilligt werden müssen (private Kommunikation mit ASO, Juni 2019).

Zusammenfassung

 Auf internationaler Ebene fordert die Kinderrechtskonvention eine angemessene Kinderbetreuung.

 Auf nationaler Ebene bestimmt das PAVO die Grundlagen für eine Eröffnung einer Einrichtung der SEBB.

 Das HarmoS-Konkordat schreibt bedarfsgerechte Angebote der SEBB vor (gilt für Bern und Solothurn, nicht aber für Aargau, der dem HarmoS-Konkordat nicht beigetreten ist).

 Im Kanton Aargau ist seit 2016 das KiBeG in Kraft. Es verpflichtet die Gemeinden, einen bedarfsgerechten Zugang zu einem Betreuungsangebot sicherzustellen sowie sich je nach Einkommen der Erziehungsberechtigten finanziell an den Betreuungskosten zu beteiligen. Inhaltlich bleibt das Gesetz sehr vage. Die Bedarfsabklärung sowie die Ausarbeitung von Elternbeitragsreglementen und Qualitätsstandards werden den Gemeinden überlassen. Für Empfehlungen wird auf Fachstellen und Verbände verwiesen.

 Die Tagesschulen im Kanton Bern sind gesetzlich verankert und es gibt viele Vorgaben und Richtlinien. Für andere Einrichtungen der SEBB wie «Tagis» (Tagesstätten) gelten diese Anforderungen jedoch nicht, sondern jene des Kantonalen Jugendamts.

 Der Kanton Solothurn schreibt kein Mindestangebot an Betreuungsplätzen vor. Es bestehen diverse Richtlinien und Anforderungen an Einrichtungen der Kinderbetreuung, damit sie eine Bewilligung erhalten. Eine Bewilligung ist ab mindestens 20 Stunden pro Woche und einer Betreuung von mindestens 6 Kindern notwendig. Für Schulen und Gemeinden als Träger der Angebote besteht keine Bewilligungspflicht beim Kanton.

 Die Verbände Kibesuisse, Bildung und Betreuung, Radix, Kinder&Familien und die Gewerkschaft vpod stellen verschiedene Forderungen an Einrichtungen der SEBB. Es besteht in allen drei Kantonen Entwicklungspotenzial.

3 Arbeit und Gesundheit

Nachdem wir im vorangehenden Kapitel die Rahmenbedingungen für die schulergänzende Bildung und Betreuung in den drei Kantonen dargelegt haben, möchten wir nun die Beziehung zwischen Arbeit und Gesundheit beleuchten. Die nachfolgenden Kapitel bauen allesamt auf diesen Darlegungen auf. Mithilfe dieser Grundlagen können wir die dort dargestellten Ergebnisse einordnen.

Die (Erwerbs-)Arbeit gehört neben diversen anderen Faktoren zu den sozialen Determinanten der Gesundheit (Wilkinson & Marmot, 2004). Dabei verstehen wir «Gesundheit» in einem umfassenden Sinn als körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden und nicht nur als Abwesenheit von Krankheit (Definition nach WHO, 1986; für eine Diskussion des Gesundheitsbegriffs siehe Ulich & Wülser, 2005).

Neben der Einkommenssicherung hat die Erwerbsarbeit unterschiedliche psychosoziale Funktionen. Diese werden deutlich, wenn Folgen der Erwerbslosigkeit untersucht werden (Semmer & Udris, 2004). Bei der Arbeit bauen Personen Kompetenzen auf und erleben sich als wirksam, die Arbeit gibt eine zeitliche Struktur und schafft Kontakt- und Kooperationsmöglichkeiten. Zudem ist Erwerbsarbeit mit sozialer Anerkennung und persönlicher Identität verbunden (ebd., S. 159). Diese Faktoren hängen mit Motivation und Arbeitszufriedenheit zusammen. Viele Aspekte der Arbeit können aber auch mit Belastung und Stress verbunden sein (Zapf & Semmer, 2004). Wie sich Aspekte der Arbeit auf die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Personals auswirken, ist ein komplexes Zusammenspiel von Eigenschaften der Person und Merkmalen der Arbeit. Eine Vielzahl an Theorien und Modellen beschreiben und erklären diese Zusammenhänge (für einen Überblick vgl. ebd.). Dabei wird in der Regel unterschieden zwischen Belastungen, Ressourcen, Beanspruchungsreaktionen und -folgen. Ressourcen sind Merkmale der Arbeitstätigkeit, des sozialen Umfelds oder der Person, die als Motivatoren und Entlastungsfaktoren wirken. Unter Belastungen werden die von aussen wirkenden Einflüsse verstanden und Beanspruchung bezeichnet die Auswirkung auf die Person, welche abhängig ist von deren individuellen Voraussetzungen (Semmer & Udris, 2004). Während viele Modelle vor allem auf Stress und negative Folgen fokussieren, gibt es auch Modelle, die positive und negative Prozesse integrieren. So unterscheidet das Belastungs-Beanspruchungs-Ressourcen-Modell von Rudow (2017) zwischen positiven und negativen Beanspruchungsreaktionen und -folgen. Zu den positiven Beanspruchungsfolgen gehören die Arbeitszufriedenheit und das Wohlbefinden, zu den negativen Beanspruchungsfolgen gehört beispielsweise Burnout. Ein weiteres Modell, das positive und negative Merkmale der Arbeit integriert, ist das Job-Demands-Resources-Modell (Bakker & Demerouti, 2007), welches wir als Rahmenmodell für unsere Forschung gewählt haben (siehe Abbildung 1). Das Job-Demands-Resources-Modell (JD-R) verbindet zwei Forschungstraditionen, die vorher relativ unabhängig waren: die Stressforschung und die Motivationsforschung (Demerouti & Bakker, 2011). Das Modell integriert Wirkungen von positiven und negativen Merkmalen der Arbeit auf das Belastungserleben und die Motivation sowie auf längerfristige Ergebnisse wie die Leistung, Arbeitszufriedenheit oder Gesundheit der Mitarbeitenden. Das Modell ist sehr flexibel, deshalb kann es auf alle Arten von Arbeit angewendet werden. Die Grundannahmen des Modells wurden wiederholt in Forschungsprojekten bestätigt (für einen Überblick siehe Schaufeli & Taris, 2014) und das JD-R-Modell wurde zu einer umfassenden JD-R-Theorie erweitert (Bakker & Demerouti, 2014).


Abbildung 1: Das Job-Demands-Resources-Modell (nach Bakker und Demerouti, 2007, S. 313)

 

Das Modell (Abbildung 1) geht von zwei Prozessen aus: Ressourcen in der Arbeit sind Auslöser eines motivationalen Prozesses und arbeitsbezogene Belastungen lösen einen gesundheitsbeeinträchtigenden Prozess aus.

3.1 Ressourcen und der motivationale Prozess

Arbeitsressourcen sind «all jene physischen, psychischen, sozialen, oder organisatorischen Aspekte der Arbeitstätigkeit, welche entweder/oder

 funktional sind für das Erreichen von Arbeitszielen

 die Belastungen und deren physische und psychische Kosten reduzieren

 persönliches Wachstum, Lernen und Entwicklung stimulieren» (Bakker & Demerouti, 2007, S. 312, eigene Übersetzung).

Ressourcen haben also einerseits ein Motivationspotenzial, andererseits sind sie notwendig für den erfolgreichen Umgang mit Belastungen. Gemäss dem motivationalen Prozess führt das Vorhandensein von Ressourcen bei der Arbeitstätigkeit zu hohem Arbeitsengagement. Arbeitsengagement wird beschrieben als ein positiver affektiv-motivationaler arbeitsbezogener Zustand, der das Erleben von Vitalität, Hingabe und Absorbiertheit beinhaltet (Bakker & Leiter, 2011). Engagierte Arbeitende erleben eine hohe Aktiviertheit und sind stark in ihre Aufgaben involviert. Sie sind oft stark in ihre Arbeit vertieft und konzentriert, sodass die Zeit schnell vorbeigeht (Schaufeli, Salanova, Gonzalez-Roma & Bakker, 2002). Arbeitsengagement ist verbunden mit positiven Ergebnissen sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Organisation, zum Beispiel mit der Arbeitsleistung (Bakker & Bal, 2010), der emotionalen Bindung an die Organisation (Hakanen, Bakker & Schaufeli, 2006) oder mit der Gesundheit der Mitarbeitenden (Bakker, Demerouti & Sanz-Vergel, 2014).

3.2 Belastungen und der gesundheitsbeeinträchtigende Prozess

Belastungen sind nach dem Job-Demands-Resources-Modell «all jene physischen, psychischen, sozialen oder organisatorischen Aspekte der Arbeitstätigkeit, die anhaltende, längerfristige physische und oder psychische (kognitive oder emotionale) Anstrengungen oder Fertigkeiten erfordern und dadurch mit gewissen physiologischen und/oder psychischen Kosten verbunden sind» (Bakker & Demerouti, 2007, S. 312, eigene Übersetzung). Belastungen sind nach dem Modell nicht zwangsläufig negativ. Wenn jedoch der Umgang mit den Belastungen grosse Anstrengung erfordert, von welcher sich die Person nicht genügend erholen kann, dann wirken die Belastungen als Stressoren (Bakker & Demerouti, 2014). Mit Belastungen gehen Personen unterschiedlich um. Dies hat mit individuellen Merkmalen wie dem Gesundheitszustand oder vorhandenen Kompetenzen zu tun (Semmer & Udris, 2004). Dementsprechend werden Belastungen in der neueren Literatur teilweise eingeteilt in herausfordernde und hinderliche Belastungen. Herausfordernde Belastungen bezeichnen Belastungen oder Anforderungen, die als Herausforderungen wirken können und deren erfolgreiche Bewältigung motivierend ist und als Lerngelegenheit wahrgenommen wird. Ein Beispiel dafür wäre die erfolgreiche Bewältigung einer Arbeit unter Zeitdruck. Im Gegensatz dazu werden hinderliche Belastungen als für die Zielerreichung hinderlich wahrgenommen. Dazu gehören beispielsweise Rollenkonflikte oder unklare Aufgaben (Crawford, Lepine & Rich, 2010).

Wenn Personen bei der Arbeit über einen längeren Zeitraum Belastungen ausgesetzt sind, dann müssen sie, um die normale Leistung aufrechtzuerhalten, zusätzliche Anstrengungen erbringen. Diese Zusatzanstrengungen sind mit physischen und mentalen Kosten verbunden. Dazu gehören beispielsweise Müdigkeit oder Irritation (Beanspruchungsreaktionen, vgl. Rudow, 2017). Längerfristig führt die Aufrechterhaltung dieser zusätzlichen Anstrengung zu einem Energieabbau und zu emotionaler Erschöpfung (Bakker & Demerouti, 2007). Emotionale Erschöpfung ist – zusammen mit Depersonalisierung, Zynismus und reduzierter Leistungsfähigkeit – ein Element von Burnout (Demerouti & Bakker, 2008). Es gibt unterschiedliche Definitionen von Burnout, oft wird es als ein Syndrom mit diesen drei Dimensionen beschrieben (Schaper, 2014b). Einigkeit herrscht in der Literatur dahingehend, dass die energetische Dimension, also die emotionale Erschöpfung, den Kern des Burnouts ausmacht (Blöchliger & Bauer, 2018). Die Forschung zeigt, dass Burnout mit verschiedenen negativen gesundheitlichen Konsequenzen sowie mit verminderter Arbeitsleistung und erhöhten Abwesenheitsraten verbunden ist (Bakker et al., 2014).

3.3 Zusammenwirken von Ressourcen und Belastungen

Für die Entwicklung von Stress und Motivation ist die Wechselwirkung von Ressourcen und Belastungen wichtig. Ressourcen können den Einfluss von Belastungen auf das Stresserleben und auf Beanspruchungsfolgen wie Burnout vermindern, da sie die Wahrnehmung von und den Umgang mit den Belastungen beeinflussen (Schaper, 2014b). Weiter haben Ressourcen besonders dann einen starken Einfluss auf die Motivation, wenn die Belastungen hoch sind. Ressourcen sind also insbesondere dann bedeutsam, wenn die Bedingungen herausfordernd sind (Demerouti & Bakker, 2011). Neuere Studien haben das Modell erweitert und zusätzlich auch die Ressourcen der Person einbezogen, wie beispielsweise Optimismus oder Selbstwirksamkeitserwartungen. Diese personalen Ressourcen können einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Gesundheit oder das Wohlbefinden haben. Indirekt wirken sie, indem sie die Wahrnehmung der Arbeitsmerkmale beeinflussen oder die Wirkung von Belastungen auf das Beanspruchungserleben abschwächen (Schaufeli & Taris, 2014).

3.4 Arbeit und Gesundheit in der schulergänzenden Bildung und Betreuung

In den folgenden Abschnitten übertragen wir den anhand des Job-Demands-Resources-Modells dargestellten Prozess des Zusammenwirkens von Ressourcen und Belastungen auf die Situation von Leitungspersonen und Mitarbeitenden in der SEBB.

Dabei beziehen wir auch Merkmale der Person und Merkmale der Einrichtung mit ein, da die Belastungen und Ressourcen als Aspekte der Arbeitstätigkeit sowohl durch Merkmale der Mitarbeitenden als auch durch Merkmale der Organisation beeinflusst werden (Blöchliger & Bauer, 2014). Dieses erweiterte JD-R-Modell wurde bereits in Studien im Bereich der frühkindlichen Betreuung eingesetzt (Blöchliger, 2017; Viernickel, Voss, Mauz, Gerstenberg & Schumann, 2013) und dient in unserem Forschungsprojekt als Rahmenmodell (Abbildung 2). Die Merkmale der Person und die Merkmale der Organisation sind gegeben. Zu den Merkmalen der Person gehören beispielsweise die Qualifikation oder das Alter, zu den Merkmalen der Organisation gehören die Raumausstattung oder das Vorhandensein eines pädagogischen Konzeptes.


Abbildung 2: Rahmenmodell (adaptiert nach Bakker und Demerouti, 2007, Bauer und Jenny, 2012, und Blöchliger, 2017)

3.5 Woraus besteht die Arbeit der Mitarbeitenden in der SEBB?

Die Arbeit besteht hauptsächlich aus der unmittelbaren pädagogischen Arbeit, also der direkten Arbeit mit den Kindern, und der mittelbaren pädagogischen Arbeit. Die mittelbare pädagogische Arbeit «bezeichnet diejenigen Tätigkeiten einer Betreuungsperson, die nicht die direkte Arbeit mit dem Kind betreffen, aber in mittelbarem Zusammenhang damit stehen. Dazu gehören beispielsweise Sitzungen, Anleitungsaufgaben, Elterngespräche, Dokumentationen, Qualitätsmanagement oder Weiterbildungen» (Kibesuisse, 2017, S. 15).

Zur unmittelbaren pädagogischen Arbeit, der Betreuung, Begleitung und Förderung der Kinder, gehören beispielsweise das gemeinsame Essen, die Unterstützung bei den Hausaufgaben, die Begleitung der Kinder auf dem Weg vom Kindergarten in die Einrichtung, oder die Begleitung bei Freizeitaktivitäten. Schüpbach, Rohrbach-Nussbaum und Grütter (2018) unterscheiden zwischen geleiteten und freien Aktivitäten. Die geleiteten Aktivitäten werden von den Mitarbeitenden geführt, haben einen zeitlichen Anfangs- und Endpunkt, finden in einer festen Gruppe statt und werden regelmässig wiederholt. Weiter sind sie freiwillig, jedoch verbindlich, wenn sie gewählt wurden (Schüpbach et al., 2018). Die Autorinnen zählen dazu beispielsweise gemeinsame Mahlzeiten, Hausaufgabenbetreuung, sportliche Aktivitäten oder gemeinsame Bibliotheksbesuche. Unter freien Aktivitäten «werden Tätigkeiten verstanden, die während der Phase des freien Spiels stattfinden» (ebd., S. 148). Die Kinder können auswählen, womit und wo sie ihre Zeit verbringen möchten, und auch zwischen verschiedenen Aktivitäten wechseln. Die Rolle der Betreuungsperson unterscheidet sich zwischen diesen beiden Arten von Aktivitäten. Geleitete Aktivitäten werden angeleitet oder geführt, bei den freien Aktivitäten werden die Kinder bei Bedarf unterstützt. Rudow (2017) unterscheidet insgesamt für Erzieherinnen (in Ganztagsschulen aber auch in Kitas) folgende Teiltätigkeiten: Bildungsarbeit, Sprachförderung, Beobachtung, Dokumentation und Administration, Pflegearbeiten, Verpflegung, Beaufsichtigung, Elternkontakt, Reinigungstätigkeiten, Weiterbildung/Supervision, Einzelkontakt mit Kind, Weg und Pause, Spielen, Basteln, Besprechung sowie Qualitätssicherung und -entwicklung. Dabei hebt er als wesentliches Merkmal dieser Arbeit hervor, dass oft mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen sind («Multitasking», z.B. Unterstützung eines einzelnen Kindes bei einer Aufgabe und gleichzeitige Beaufsichtigung der ganzen Gruppe).

3.6 Arbeit und Gesundheit in der SEBB: Stand der Forschung

Das Personal und die Arbeitsbedingungen in der SEBB wurden bisher wenig erforscht. Es fehlt somit empirisch basiertes Wissen zu den Zusammenhängen zwischen den Arbeitsbedingungen, Merkmalen der Mitarbeitenden und deren Gesundheit, Zufriedenheit und Arbeitsfähigkeit. Die Erkenntnisse aus der Forschung, die uns als Ausgangspunkt für die Entwicklung unseres Forschungsprojekts dienten, stammen darum nur teilweise aus der SEBB in der Schweiz, sondern auch aus Ganztagsschulen in Deutschland oder aus Forschungsprojekten im Bereich der vorschulischen Betreuung in Kitas in der Schweiz und in Deutschland.

Die Evaluation «Schülerclubs und Tagesschulen in der Stadt Zürich» (Forrer & Schuler, 2010) untersuchte neben der Zufriedenheit der Eltern mit dem Angebot die Gestaltungsmöglichkeiten und Strukturen der Einrichtungen. Sie konnten zeigen, dass ein hoher Kooperationsgrad in den multiprofessionellen Teams ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist. Weiter gibt die Evaluation auch Hinweise zu den Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden in den Einrichtungen: Diese erleben die Arbeit als intensiv, es bestehen Ungleichheiten in den Anstellungsbedingungen, Stellen können teilweise nicht adäquat besetzt werden. Gleichzeitig erleben die Mitarbeitenden die Arbeit mit den Kindern an sich und auch die Kooperation im Team als Ressourcen und zeigen eine hohe Zufriedenheit. Auch eine Untersuchung zu Tagesschulmitarbeitenden im Kanton Bern (Jutzi, 2015) zeigt, dass diese sich bei der Arbeit und in ihren Teams wohlfühlen und das Arbeitsklima sowie den Umgang mit Schülerinnen und Schülern als angenehm empfinden. Eine Studie zu Arbeitsbedingungen in Zürcher Kindertagesstätten (Kitas), also in der Arbeit mit Kindern im Vorschulbereich, zeigt hingegen, dass die Arbeitszufriedenheit des Personals tiefer ist als die durchschnittliche Zufriedenheit der Erwerbstätigen in der Schweiz. Zudem ist die Fluktuation in den Kitas relativ hoch und die Einrichtungen haben teilweise Mühe, die freigewordenen Stellen zu besetzen (Blöchliger & Bauer, 2014).

Eine Studie zu Belastungen von Erzieherinnen an Ganztagsschulen in Deutschland (Rudow, 2015) zeigt, dass die Anforderungen hoch sind und ein arbeitsbedingtes Gesundheitsrisiko darstellen. Belastungsfaktoren sind insbesondere Merkmale der Arbeitsaufgaben, wie geringe Planbarkeit, Anzahl und Komplexität der auszuführenden Aufgaben, eine unzureichende Personalausstattung, nicht ergonomische Arbeitsbedingungen und die Belastung durch Lärm. Die Belastungen führen zu Stress- und Ermüdungserleben und einer erhöhten Gefährdung für Burnout. Die Erzieherinnen berichten eine im Vergleich zu anderen Berufsgruppen tiefere Arbeitszufriedenheit (ebd.). Zwei weitere Studien untersuchten die Arbeitsbedingungen und die Gesundheit des Personals in Kindertageseinrichtungen in Deutschland (Schreyer, Krause, Brandl & Nicko, 2014; Viernickel et al., 2013). Diese zeigen auf, dass gute Arbeitsbedingungen einen Einfluss haben auf die Arbeitszufriedenheit, das Engagement und auf die Verbundenheit des Personals mit der Organisation. Unzufriedenheit äussern die Mitarbeitenden bezüglich ihrer Bezahlung und der gesellschaftlichen Anerkennung der Arbeit. Laut Einschätzung in der Aqua-Studie (Schreyer et al., 2014, S. 188) kann mehr als ein Drittel der Mitarbeitenden als Risikogruppe für Burnout-Gefährdung eingestuft werden. Ähnliche Werte bezüglich Burnout-Gefährdung zeigt auch eine Schweizer Studie zu Beanspruchungsfolgen bei Lehrpersonen (Kunz Heim, Sandmeier & Krause, 2014).

 

Insgesamt lassen sich auf der Grundlage des Forschungsstands im Bereich der vorschulischen und schulergänzenden Bildung und Betreuung folgende relevante Rahmenbedingungen und Merkmale der Arbeit sowie Ressourcen und Belastungen identifizieren: