Jung! Schön! Devot! Erotischer SM-Roman

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Ich wusste von Anfang an, dass er diese Vorliebe hat, und er wusste, dass ich damit weder Erfahrungen hatte noch anstrebte, es zu probieren. Nach ein paar Wochen sprach ich das Thema einfach an und fragte ihn, ob ihm nicht etwas fehle. Kim hatte mir vor einiger Zeit mal ihr Leid über die Zeit geklagt, in der sie mit Männern zusammen gewesen war, die nicht auf SM standen. Somit hatte ich eine Ahnung, dass es bei ihm vielleicht auch so sein könnte – egal, wie ernst es ihm mit mir war. Ich musste es einfach wissen. Er schlug vor, eine Runde spazieren zu gehen, um sich ganz offen darüber unterhalten zu können.

Zuerst hat er mich gefragt, was ich mir unter SM vorstelle. Ich wusste im ersten Moment gar nicht, was ich dazu sagen sollte. Schließlich fielen mir ein paar Dinge ein, die ich von Kim wusste. Und ich hatte mitbekommen, dass Tom die ein oder andere Sache auch in der Öffentlichkeit nicht duldete und Kim sich einen bösen Blick einfing, wenn sie es doch tat. Da war zum Beispiel das Zappeln mit dem Bein, wenn sie die Beine übereinandergeschlagen hatte, oder das ständige Spielen mit ihrem Zungenpiercing zwischen den Lippen. Ich hatte das Spiel zwischen den beiden immer eher amüsant gefunden. Und dann kam ich natürlich erst mal mit den »Klassikern« um die Ecke – Schmerzen, Zwang, Schläge und Strafe. Da hat er ein bisschen geschmunzelt und ich hab es ihm fast übel genommen, dass er sich über mich lustig gemacht hat. Sollte er doch mal erklären, worum es denn dann ginge!

Er kam fast schon ins Schwärmen, als er von der Hingabe und dem grenzenlosen Vertrauen zu erzählen begann und davon, wie sanft und anschmiegsam ein Herr seine Sub behandeln konnte. Ich hab ihm lange zugehört, hab auch verstanden, was er sagte, aber so richtig nachempfinden konnte ich es nicht. Nach einer langen Pause fragte er mich dann einfach, ob er es mir zeigen dürfe, nur um mir zu vermitteln, was es bedeuten kann.

Ich hab damals recht schnell und aus dem Bauch heraus zugesagt, es mal zu probieren – zu verlieren hatte ich ja nichts. Ich glaube, in dem Moment war auch eine gehörige Portion Neugier dabei. Marc hat sich unglaublich gefreut, dass ich mich darauf einlassen wollte, aber an dem Abend ist erst mal nichts weiter gewesen.

Die Woche über konnten wir uns nicht oft sehen und ich dachte schon fast, dass er gar nicht mehr daran dachte. Aber als wir uns dann für das Wochenende verabredeten, kam das Thema wieder auf, allerdings so völlig anders, als ich es erwartet hätte. Wir haben miteinander telefoniert und er fragte, ob ich mir immer noch sicher sei, mit ihm einen Ausflug in diese Welt zu wagen. Ich zögerte nicht und versicherte ihm, dass ich das wolle. Er bedankte sich für mein Vertrauen und versprach mir, gut auf mich aufzupassen, sodass mir nichts passierte, fügte aber nach einer kurzen Pause hinzu: ›Du wirst vielleicht erschrocken sein nach diesem Abend, entweder weil es dich abstößt oder weil es ungeahnte Gefühle und Dinge in dir freisetzt, mit denen du nicht gerechnet hast. Aber lass dich von mir führen.‹ Damit machte er mir fast ein bisschen Angst, aber das sagte ich ihm nicht. Ich sollte um acht bei ihm sein und … ähm, ja … ohne Unterwäsche auftauchen.«

Luna atmete hörbar ein. Nun wurde es ernst und sie wusste nicht, ob sie noch mehr von Sina hören wollte, gab sich dann aber einen Ruck. Sie wollte sie einfach nicht vor den Kopf stoßen.

»Erzähl weiter, ich bin ganz Ohr«, versuchte sie es locker.

»Als ich damals bei seiner Wohnung ankam, war die Tür offen. Auf der Fußmatte lag ein Umschlag mit meinem Namen – der Umschlag war richtig schick, ganz fest und mit tiefblauer Tinte beschrieben. Es befanden sich zwei Seiten darin. Auf der ersten standen einige Anweisungen.«

Luna hörte gebannt zu.

»In dem Brief stand: Du wirst den Flur entlang zum letzten Zimmer gehen. Die Tür steht offen, dort wirst du etwas auf dem Sessel finden, und du wirst nur dieses Stück tragen, nichts anderes. Danach begibst du dich zurück in das erste Zimmer des Flures.

Das Zimmer am Ende Gangs war eine Art Bibliothek, es standen deckenhohe Bücherregale drin. Das passte zu Marc, ich wusste, dass er leidenschaftlich gern las. Das Licht war gedämpft, in der Mitte des Raums erkannte ich einen Sessel, auf dem ein lila Samttuch lag. Ich zog mich aus und legte es mir um den Hals, locker über die Schultern, um meine Brust etwas zu bedecken. Ich atmete tief durch. Mir war flau im Magen und doch war es kein unangenehmes Gefühl. Langsam ging ich den Flur zurück. Als ich vor dem ersten Zimmer stand, fiel mir ein, dass noch ein zweiter Bogen Papier in dem Umschlag gewesen war. Ich zog ihn heraus. Es stand ein einziges Wort darauf: Topas – ein Stein. Ich runzelte die Stirn, etwas verwirrt, was ich damit anfangen sollte, und schob das Papier zurück in den Umschlag. Zitternd legte ich meine Hand auf die Türklinke, ließ sie kurz darauf ruhen. Das kalte Metall brannte fast in meiner Hand, ich drückte die Klinke hinunter und betrat den Raum. Außer einigen Kerzen war es fast dunkel. Ich sah mich um, konnte Marc aber nirgends entdecken.

›Stell dich in die Mitte, ich möchte dich anschauen‹, vernahm ich seine Stimme aus der hinteren Ecke des Raumes. Ich tat, was er gesagt hatte. Obwohl ich sein Wohnzimmer kannte, wirkte es völlig fremd auf mich, das gedämpfte Licht veränderte die Atmosphäre völlig. Ich konnte nun erkennen, dass er auf einem Stuhl saß, ein Glas Wein in der Hand, und mich ernst, aber sanft ansah.

›Ich gebe dir noch mal die Möglichkeit zu entscheiden, ob du dich wirklich auf dieses Abenteuer einlassen möchtest. Wenn ja, musst du mir einfach vertrauen. Ich werde gut auf dich achtgeben! Hast du dir das Wort gemerkt, das auf dem Zettel stand?‹

›Ja – Topas.‹ Meine Stimme bebte.

›Mit diesem Wort kannst du mir jederzeit signalisieren, dass du nicht weitergehen möchtest, es ist das Zeichen für mich, nicht weiterzumachen. Ich werde das Spiel ohne zu zögern sofort abbrechen. Es ist dein Safeword.‹

Ich glaube, ich habe nur stumm genickt und darauf gewartet, was als Nächstes passiert.

Er stand auf, stellte sein Glas ab, kam auf mich zu und ging um mich herum. Als ich ihn ansehen wollte, befahl er mir, nach vorn zu schauen. Ich spürte, wie er hinter mir stehen blieb und das Tuch von meinen Schultern gleiten ließ. Sanft berührte er meine Ellenbogen, die Unterarme und schließlich meine Handgelenke, wo er plötzlich verharrte.

›Ich habe dir gesagt, du sollst nur dieses Tuch tragen.‹ Seine Stimme hatte sich verändert, sie war nun dunkler und bestimmter. Ich dachte an den Armreif, den ich immer trug, und schluckte.

›Du wirst genau sein müssen, wenn du meinen Anweisungen folgst, merk dir das!‹

Er nahm das Tuch, legte es auf den Tisch und schaute mich eine Weile einfach nur an. Ich wurde etwas nervös unter seinem Blick, wobei ich nicht wusste, warum. Wir hatten uns schon oft nackt gesehen, aber nun war ich es und er nicht, das veränderte alles …

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er wieder auf mich zu und blieb erneut hinter mir stehen. Seine Finger strichen meinen Nacken entlang – ich bekam sofort eine Gänsehaut und ein wohliger Schauer lief mir über den Rücken. Einen kurzen Moment war seine Berührung verschwunden, dann merkte ich, wie er mir etwas um den Hals legte, und ein jäher Anflug von Angst überkam mich. Er hielt inne, sprach sanft auf mich ein.

›Denk daran, du musst mir vertrauen! Ich würde dich nie in Gefahr bringen.‹

Mir schossen tausend Dinge durch den Kopf. Hatte ich mich getäuscht? War er ein Verrückter, dem ich auf den Leim gegangen war? Das Herz schlug mir bis zum Hals.

Er setzte seine Bewegung fort und ich spürte, wie er mir ein Band umlegte und es im Nacken schloss. Er nahm meine Hand und trat vor mich, um mich direkt anzuschauen.

Ein Lächeln lag auf seinen Lippen. ›Das hast du gut gemacht, ich bin stolz auf dich! Weißt du, was ich dir um den Hals gelegt habe?‹ Ich schüttelte nur den Kopf. Ich hatte zwar eine Ahnung, aber sicher war ich mir nicht.

›Das ist ein Halsband, ein Symbol dafür, dass du auf diese spezielle Art und Weise zu mir gehörst. Natürlich musst du es nicht immer tragen, aber ich wollte dir einmal das Gefühl geben, wie es ist, wenn ich es dir anlege.‹

Mein Atem beruhigte sich langsam wieder, mir war auch nicht mehr ganz so warm und irgendwie war ich stolz, dass ich keinen Rückzieher gemacht hatte. Das war also SM?

›Und soll ich dir etwas zeigen? Ich bin mir sicher, dass es etwas in dir ausgelöst hat.‹ Er strich mit seiner Hand an meinem Bauch entlang, schob sie zwischen meine Beine …

Und, na ja, ich glaube, das möchte ich dir nun nicht so genau beschreiben, den Teil lasse ich jetzt mal aus.«

Luna konnte fast hören, dass Sina gerade tiefrot anlief. Ihr ging es nicht anders, Sina hatte sie zum zweiten Mal an diesem Wochenende gänzlich sprachlos gemacht. »Wow, ich meine, ja, sorry, ich weiß gerade nicht, was ich dazu sagen soll.«

»Das musst du auch nicht, ich habe dir die Geschichte ja nur erzählt, mehr nicht.«

»Ich muss zugeben, ich kann nun immerhin verstehen, warum dich dieser Abend neugierig gemacht hat. Dabei wird es sicher nicht geblieben sein.«

Weil sie beide nicht so richtig wussten, was sie dazu noch sagen sollten, wechselten sie das Thema. »Was hältst du davon, wenn wir heute Nachmittag eine Runde Squash spielen gehen und danach in die Sauna?«, schlug Sina vor.

Luna war sofort dabei, es würde guttun, sich nach diesem geständnisreichen Wochenende einfach auszupowern und danach die Wärme zu genießen.

»Ich hole dich um 17 Uhr ab, ja?«

»Alles klar, ich warte unten an der Straße auf dich.«

Nachdem sie aufgelegt hatten, starrte Luna den Hörer an, als könnte er etwas dafür, was sie gerade erfahren hatte. Eigentlich gab es keinen Grund, skeptisch zu sein, und schon gar nicht, sich zu schämen! Sie hatten beide schließlich immer offen über Sex gesprochen, warum sollte das jetzt anders sein?

 

Immer noch in Gedanken packte sie schon mal ihre Sachen für den Nachmittag zusammen. Vorher musste sie noch etwas für die Schule vorbereiten, da sie morgen früh den Unterricht einer Kollegin übernahm. Biologie, achte Klasse, da musste sie noch ein paar Unterlagen zusammensuchen.

Sie versuchte sich zu konzentrieren, so gut es ging, aber es gelang ihr nicht, die Bilder auszublenden, die in ihrem Kopf wie ein Film abliefen.

3

Luna stand an der Straße und wartete auf Sina. Der Himmel hatte sich zugezogen, bald würde es anfangen zu regnen. Die ersten Tropfen prasselten auf den Asphalt, als sie Sinas Auto um die Ecke kommen sah. Schnell sprang sie hinein, um nicht nass zu werden.

Sie begrüßte Sina mit einem Kuss auf die Wange und spürte, dass sie ganz heiß war. Als sie ihre Freundin ansah, konnte sie auch sehen, warum. Sina hatte tatsächlich rote Wangen, wahrscheinlich war ihr das Telefongespräch doch etwas unangenehmer gewesen, als sie hatte zugeben wollen.

Luna begann einfach, über völlig unwichtige Dinge zu quatschen, erzählte ihr, wie genervt sie davon war, dass sie momentan ständig Stunden von Kollegen übernehmen musste. Sie erklärte lang und breit, wie anstrengend es war, andauernd neue Klassen zu haben, deren Leistungsstand sie nicht kannte. Nie wusste sie so genau, wo sie im Thema fortfahren sollte.

»Hol mal Luft«, unterbrach Sina sie irgendwann. »Es ist ja lieb von dir, dass du mich nicht in Verlegenheit bringen willst, aber ich kenne nun jeden einzelnen deiner Schüler und Kollegen, deren Reiseziele und Krankheiten. Bevor du jetzt noch mit Bio, achte Klasse anfängst, unterbreche ich dich lieber.«

Luna fing laut an zu lachen, nun war sie etwas verlegen. So konnte man auch übers Ziel hinausschießen! Der Regen wurde immer heftiger und Sina musste sich auf die Fahrt konzentrieren, um in dem Wassernebel überhaupt etwas sehen zu können. Die Squashhalle lag nur etwa zehn Kilometer von ihnen entfernt, aber bei diesem Wetter brauchten sie zwanzig Minuten, bis sie endlich da waren. Schnell flitzten sie vom Parkplatz in die Eingangshalle, nass waren sie trotzdem. Sie zogen sich um und gingen auf ihren Court. Die beiden hatten lange regelmäßig in einer Mannschaft gespielt. Mittlerweile hatten sie neben dem Beruf und Sinas Studium jedoch keine Zeit mehr dazu und gaben sich damit zufrieden, zumindest relativ oft zusammen zu spielen.

Nachdem sie sich warmgelaufen hatten und die ersten Spielzüge locker hatten angehen lassen, zischten nun die Bälle mit Schwung gegen die Wand.

»Sag mal, weiß Marc eigentlich, dass du mir das erzählt hast?« Luna war der Gedanke ganz spontan gekommen.

»Klar, warum sollte ich ihm das nicht sagen?« Sina holte aus und feuerte den Ball zurück an die Wand, nur knapp über der Linie.

»Na ja, hätte ja sein können, dass er das nicht will.« Luna sprintete weit nach hinten, um den Ball noch zu kriegen, erwischte ihn und spielte ihn ohne viel Schwung so kurz, dass Sina es nicht mehr schaffte, heranzukommen. Sie hob den Ball auf, ging in ihr Feld und schlug auf.

»Ihn stört das nicht. Er muss es zwar nicht der ganzen Welt erzählen und es gibt auch nur wenige Freunde, die über seine Vorlieben Bescheid wissen – genauer gesagt zwei –, aber er vertraut darauf, dass ich schon weiß, mit wem ich darüber reden kann und mit wem nicht. Oder sagen wir, wen es nichts angeht.«

Die beiden hatten sich nun richtig warmgespielt und der Ball flog durch die Luft, sodass er manchmal kaum auszumachen war. Am Ende lag Sina ganz knapp vorn und gewann schließlich auch. »Bestehst du auf eine Revanche?« Sie war völlig außer Atem und klatschnass geschwitzt.

Luna winkte ab. »Lass mal, ich glaube, ich lasse dir den Erfolg und wir verschwinden in die Sauna.«

»Super Idee, dann lass uns schnell duschen.« Die beiden gingen zurück zu den Kabinen, sprangen unter die Dusche und gingen dann mit Bademantel und Handtuch bewaffnet in den angrenzenden Saunabereich. Als sie sich schließlich auf dem warmen Holz ausstreckten, seufzten sie beide zufrieden. Es gab nichts Besseres, als total ausgepowert die Wärme zu genießen, die nach und nach alle Muskeln entspannte, und seinen Gedanken nachzuhängen. Nach zehn Minuten drehte sich Sina auf den Bauch. Luna blinzelte kurz durch die halb geschlossenen Augenlider, um zu schauen, was sie da machte. Da entdeckte sie etwas auf Sinas Haut. Sie öffnete die Augen, um zu sehen, ob sie sich geirrt hatte oder ob das gedämpfte Licht ihr einen Streich spielte, aber nein, sie hatte richtig gesehen. Auf Sinas Rücken verliefen drei zarte rote Striemen. Wenn man nur flüchtig hinsah, hätten es auch Abdrücke der Holzbank sein können, auf der sie lagen. Sollte sie etwas sagen? Sie fragen, was da passiert war? Sie konnte es sich ja denken, zumindest war ihr im Grunde klar, wer oder was das verursacht hatte, aber sie hatte keinen Schimmer, wie sie sich das auch nur ansatzweise vorstellen sollte.

Sie beschloss, erst mal nicht zu fragen, legte den Kopf wieder auf die Seite und schloss die Augen. Nachdem sie sich so verausgabt hatten, fiel es Luna nicht schwer, auch die Gedanken abzustellen. Sie wollte sich nicht noch mehr Gedanken darüber machen, was Sina da umgab. Sie hatte fürs Erste genug gehört an diesem Wochenende und wollte nun einfach noch ein bisschen entspannen, bevor es morgen wieder in den Job ging.

Das kalte Wasser im Becken war eine Wohltat nach der Hitze, auch wenn Luna wie immer zehn Minuten brauchte, um überhaupt hineinzugehen, und dann sofort heftig anfing zu zittern. Sina machte sich jedes Mal darüber lustig, so auch heute. Das Lachen wollte ihr gar nicht mehr aus dem Gesicht weichen.

»Ja, ist ja gut, ich weiß, dass ich ein Feigling bin, aber ich kann auch nix dafür«, bibberte Luna vor sich hin.

»Ich lache eigentlich nicht deswegen oder sagen wir nicht nur deswegen. Mir ist nur gerade ein Gedankenblitz gekommen. So wie das kalte Wasser nach der Sauna musst du dir das vorstellen, was Marc und ich tun.« Sie sprach nun etwas leiser, flüsterte fast. Luna guckte gänzlich verständnislos und vergaß sogar das Zittern. »Na ja, so wohltuend die Kälte nach dieser Hitze ist, so stechend fühlt sie sich trotzdem auf der Haut an – und doch genießt man es, selbst du Frostbeule.«

Luna dachte einen Moment darüber nach. So hatte sie die Sache noch gar nicht gesehen, aber der Vergleich war gut, sie bekam nun eine vage Vorstellung davon, was Sina meinte. Das Frieren holte sie schließlich aus ihren Gedanken und sie verließ schnell das Becken und schlüpfte in ihren Bademantel. Das war das Schönste: Am Ende in den Bademantel gekuschelt auf einer der Liegen vor sich hin zu dösen. Nach drei weiteren Saunagängen duschten die beiden und Sina brachte Luna wieder nach Hause.

»War schön, meine Süße, vielleicht schaffen wir es diese Woche noch mal zu spielen, ich schreibe am Donnerstag meine letzte Klausur. Dann bin ich erst mal durch und dann sind ja auch Semesterferien.«

Luna nickte. »Gern, muss nur morgen mal schauen, wie es mit den ganzen Vertretungsstunden aussieht. Ich schicke dir eine Nachricht.«

Sie stieg aus dem Auto. Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war kalt geworden. Wäre sie nicht noch so überheizt von der Sauna gewesen, hätte sie sicher gefroren. Schnell betrat sie den Hausflur und schloss ihre Wohnungstür auf. Sie regelte die Heizung hoch und machte sich Wasser für einen Tee und eine Wärmflasche, die sie schon mal ins Bett legte, zum Vorwärmen. Dann packte sie die Unterlagen ein, die sie am Nachmittag vorbereitet hatte, und putzte sich die Zähne, doch wieder konnte sie die Gespräche mit Sina nicht ganz ausblenden. Nicht nur das, immer wieder tauchten die Striemen vor ihrem inneren Auge auf, die sie auf Sinas Rücken gesehen hatte. Mit Tee und Buch verzog sie sich ins Bett. Das Lesen lenkte sie ab und sie merkte, dass sie immer müder wurde. Als sie ausgetrunken hatte, machte sie das Licht aus, stellte den Wecker und schlief dank Squash und Sauna sofort ein.

***

Der nächste Tag verging wie im Fluge. Wie erwartet war ihr Stundenplan für diese Woche recht voll. Immerhin hatte ihr Unterricht, den sie gestern auf die Schnelle noch zusammengebastelt hatte, an dem anknüpfen können, was die Schüler bisher gemacht hatten. Als sie nachmittags zu Hause war, schickte sie Sina die versprochene Nachricht.

Bin bis Mittwoch voll, hab dafür aber am Donnerstag und Freitag jeweils nur bis 14 Uhr. Wie war deine Klausur? Hab dich lieb.

Sie bekam sofort eine Antwort.

Bis Mittwoch lerne ich eh. Werde dich auf dem Laufenden halten, wie die Klausur gelaufen ist. Ruf mal Kim an, hab sie heute in der Stadt getroffen, sie hat ewig nichts von dir gehört. Bis dann.

Luna biss sich auf die Lippe. Mist, das stimmte, sonst hatte sie Kim auch mindestens einmal die Woche gesehen, aber bei dem ganzen Stress und nach diesem denkwürdigen Wochenende hatte sie es total vergessen. Sie würde sie heute Abend anrufen, jetzt musste sie sich wohl oder übel erst mal den alltäglichen Dingen widmen, einkaufen, putzen – ihre Wohnung hatte es bitter nötig.

Als sie alles erledigt hatte, dämmerte es schon. Wieso verbrachte man nur so viel Zeit mit Dingen, die nicht mal Spaß machten? Egal, sie mussten erledigt werden.

Luna schnappte sich das Telefon und wählte. Kim ging nach dem zweiten Klingeln dran. »Luna? Bist du es wirklich? Mensch, ich dachte schon, du wärst nach Kuba ausgewandert oder so.« Immerhin schwang ein Funken Humor in ihrer Stimme mit.

»Ja, es tut mir leid, Kim, ich hab total vergessen, mich zu melden, viel los in der Schule, und ich nehme mal stark an, dass Sina dir erzählt hat, was sie mir am Wochenende um die Ohren gehauen hat? Und damit meine ich nicht die Squashbälle, auch wenn sie da tatsächlich gewonnen hat.«

Sie hörte, wie Kim anfing zu lachen. »Klar hat sie mir das erzählt, und wenn es dich beruhigt, sie war total froh und erleichtert, dass du es so locker aufgenommen hast!«

»Was hätte ich denn auch sagen sollen? Ich meine, hat sie erwartet, dass ich ihr die Freundschaft kündige? Ich bin lediglich etwas durch den Wind, hab gerade das Gefühl, dass jeder zweite in irgendeiner Form etwas mit SM zu tun hat. Du, Tom, jetzt Sina …«

Draußen hatte es schon wieder begonnen, in Strömen zu regnen. Luna hatte sich ans Fenster gesetzt und das Telefon zwischen Schulter und Kopf geklemmt, um sich ein Kissen im Rücken zurechtzuschieben.

»Bleib locker, Luna. Zum einen ist das gar nicht so, zum anderen ist es auch nichts, was irgendwie wichtig wäre. Zumindest hat es doch in einer Freundschaft keinerlei Gewicht. Abgesehen davon wärst du überrascht, wie viele Menschen darauf stehen – es sind mehr, als man denkt. Und dann bleibt da immer noch die Frage, wie man BDSM definiert. Da hat auch jeder seine eigene Ansicht, wie bei so vielem.«

»Ja, ich weiß, du hast ja recht. War nur trotzdem erst mal irgendwie ein Schreck – hab an alles gedacht, nur nicht daran. Es passt einfach nicht zu ihr oder sagen wir, ich wäre nie darauf gekommen. Aber wenn es so ist, muss es ja irgendwie zu ihr passen.«

Sie hörte, wie Kim nebenbei herumkramte.

»Weißt du, ich wusste ja, dass Sina mit dir darüber reden will, und hab ihr vorgeschlagen, dass du einfach mal auf eine der Partys mitkommst, nur um zu sehen, dass das alles ganz normale Leute sind. Die Partys sind total entspannt. Das wollte sie aber erst mal nicht. Du musst dich auch jetzt nicht entscheiden, behalte es einfach mal im Hinterkopf. Was viel wichtiger ist: Wann sehen wir uns mal wieder? Also ich hab diese und nächste Woche noch Urlaub, mir ist es also egal, wann.«

Luna überlegte kurz. »Also nachmittags wird das bei mir in den nächsten Tagen nix. Wir könnten am Mittwoch essen gehen oder du kommst auf ein Glas Wein vorbei? Am Donnerstag muss ich erst um neun los.«

»Gut, dann bin ich am Mittwoch um sieben bei dir, auf ein Glas Wein. Ich bringe noch was zum Knabbern mit.«

»Alles klar, dann bis Mittwoch, schönen Abend noch und grüß Tom.«

Nachdem sie das Telefon weggelegt hatte, schaute Luna noch eine Weile hinaus – sie liebte es, in den Regen zu schauen und die Gedanken treiben zu lassen.

Ehe sie sich versah, war es Mittwoch. Luna hatte den Kamin angemacht, denn nach dem Regen am Montag hatte es noch mal einen regelrechten Temperatursturz gegeben. Sie hatte gerade zwei Gläser hingestellt, als es an der Tür klingelte.

 

»Hi, schön dass du da bist.« Luna nahm Kim in den Arm.

Kim zog Schuhe und Jacke aus und folgte Luna ins Wohnzimmer. »Ich liebe deinen Kamin, ich hätte auch so gern einen, aber Tom ist der Meinung, dass die Arbeit dann an ihm hängen bleibt. Na, ich bekomme ihn schon noch soweit.« Sie grinste.

Luna holte aus der Küche eine Schale für die Chips, die Kim mitgebracht hatte, und brachte den Wein mit. Sie machten es sich auf dem Sofa gemütlich. Etwas verträumt schaute Luna in ihr Glas, die rote Flüssigkeit reflektierte das Feuer.

»Erde an Luna!« Kim wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum.

»Keine Angst, ich hab nicht vergessen, dass du vor mir sitzt.« Luna grinste. »Man kann einfach wunderbar vor sich hinträumen. Vielleicht ist das für Tom ein Argument – dann redest du weniger.«

Kim schnappte sich ein Sofakissen und Luna konnte gerade noch ihr Glas abstellen, bevor sie das Kissen traf. Kim grinste. »Sag das noch mal!«

»Nein, danke, kein Bedarf, bis eben war es gemütlich«, stellte Luna mit gespielter Entrüstung fest.

Sie nahmen die Gläser wieder in die Hand. »Auf einen schönen Abend«, prostete Luna Kim zu. Sie stießen an, tranken einen Schluck und Luna nahm sich eine Handvoll Chips.

»Na, komm, rück schon raus, was willst du wissen?« Kim schaute Luna nun direkt an. »Du schleichst wie eine Katze um den heißen Brei, frag einfach, ich beiße nicht.«

Luna spürte sofort, wie sie rot anlief. Sie mochte es nicht, ertappt zu werden, und Kim hatte voll ins Schwarze getroffen. Den ganzen Tag schon hatte Luna sich den Kopf zermartert, ob und wenn ja, was sie Kim fragen wollte. Eigentlich war es eine gute Gelegenheit, Sina etwas besser zu verstehen.

»Ich weiß eigentlich überhaupt nicht, was ich fragen soll. Es schwirrt mir viel durch den Kopf, aber ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll. Im Internet bekommt man zwar Infos, aber das sind ja mehr Fakten … Wie Sina und Marc sich kennengelernt haben und wie sie darauf gekommen ist, es auszuprobieren, hat sie mir selbst erzählt.« Sie holte tief Luft, als sie an das Gespräch oder eher gesagt Sinas Geschichte dachte. »Aber zugegeben, es hat mich auch irgendwie fasziniert, das kann ich nicht abstreiten. Ich glaube, sonst würde es mich ja auch nicht so beschäftigen.«

Kim nickte zustimmend. »Mir ging es am Anfang nicht anders, ich war einfach von mir selbst überrascht und auch erschrocken, was für Fantasien ich habe. Aber mit Tom hat dann alles gepasst.« Sie schaute Luna direkt an. »Hast du dir Gedanken darüber gemacht, ob du uns mal begleiten willst?«

Luna hatte sich tatsächlich Gedanken gemacht und war jedes Mal zu demselben Schluss gekommen, nämlich zu gar keinem. Sie wusste nicht, ob sie das wollte. »Ich glaube, das muss ich aus dem Bauch heraus entscheiden. Ihr könnt euch ja melden, wenn ihr mal wieder loswollt, und dann schauen wir mal, okay?«

»Klar, kein Thema, und es muss ja auch nicht gleich die nächste Party sein, ganz wie du Bock hast.«

Luna quittierte dies nur mit einem Nicken. »Wie läuft es eigentlich mit deiner Arbeit?«

Kim begann zu strahlen. »Super, es gefällt mir total gut, hab mich mittlerweile eingelebt, alle Kollegen und Abläufe kennengelernt. Es macht echt Spaß!« Sie hatte vor drei Monaten den Job gewechselt, von einem kleinen Betrieb in ein großes Labor an der Uni. Sie war BTA – Biologisch-technische Assistentin – und hatte lange auf so einen Job lange gewartet. Jetzt hatte es endlich geklappt. Sie hatte sogar direkt einen unbefristeten Vertrag bekommen und das Anfangsgehalt war höher als ihr letztes. Erfolg auf ganzer Linie sozusagen.

»Das freut mich für dich.« Luna stand auf und legte Holz nach, da das Feuer bereits weit heruntergebrannt war. Sie kam zurück zum Sofa und setzte sich wieder. »Eine Frage habe ich tatsächlich.« Kim horchte auf und schaute sie erwartungsvoll an. »Hast du bei alldem denn keine Angst? Ich meine nicht nur um dich, sondern allgemein.«

Kim lächelte. »Nein, warum sollte ich Angst vor meinem Partner haben? Angst hat man nur, wenn man befürchtet, dass einem etwas angetan wird, was man nicht möchte, oder vor Dingen, die man nicht mag. Aber alles, was Tom tut, und auch, was Marc mit Sina tut, geschieht ja mit unserem Einverständnis. Trotz allem bespricht man, in welchem Rahmen man sich bewegt, was man auf keinen Fall will. Das gilt für beide Seiten. Hält sich einer nicht daran, stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Das ist dann nämlich der Unterschied zwischen SM und Körperverletzung. Kannst du mir folgen?«

In Lunas Kopf ratterte es, sie versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie sich von jemandem bewusst Schaden oder eher gesagt Schmerzen zufügen lassen würde, und ging in Gedanken ihren Traum durch, den sie nach dem ersten Gespräch mit Sina gehabt hatte. Zumindest in ihrem Traum hatte sie tatsächlich keine Angst gehabt. Sie nickte nur stumm, damit Kim wusste, dass sie ihr zugehört hatte.

»Es gibt viele Gefühle, an die ich dabei denke – Aufregung, Nervosität, Unsicherheit, Nervenkitzel, Erregung, Vertrauen, Schutz, Schmerz und so viel mehr, aber Angst gehört nicht dazu«, fuhr Kim fort.

Luna schaute auf. »Ich schätze, das wird mir ein Rätsel bleiben, aber ich bin einfach froh, dass es euch ja offensichtlich damit gut geht. Und so, wie du erzählst, klingst du sehr überzeugt.« Nun lächelte sie tatsächlich, langsam konnte sie entspannter mit dem Thema umgehen.

Mittlerweile war es fast Mitternacht, der Wein war leer und Kim begann zu gähnen. »Ich mache mich mal auf den Weg, ich bin hundemüde.«

Luna nickte. »Schön, dass du da warst.« Sie stand auf und begleitete ihre Freundin noch bis zur Tür. Sie umarmten sich, Luna schloss die Tür und machte sich auf direktem Weg ins Bett – nicht ohne einen letzten Gedanken an all die speziellen Unterhaltungen in der letzten Zeit.