Pechschwarzer Sand

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»Was sollte ich denn machen? Ihn verprügeln? Ich habe gesehen, wie du mit geballten Fäusten dagesessen hast.«

»Dieser respektlose Kerl hätte eine Abreibung wirklich verdient.«

»Die wird er ja bald bekommen. Wenn er versucht die Zufahrtswege zum Firmengelände von ENTAL zu blockieren, wird sich der Sicherheitsdienst um ihn kümmern.«

»Ich habe gestaunt, wie ruhig du geblieben bist. Früher warst du impulsiver. Wenn ich daran denke, was du mir so an den Kopf geworfen hast...«, erinnerte sich Eric mit einem melancholischen Lächeln.

»Ich habe gelernt, mich zu beherrschen. Schließlich hängt mein Leben davon ab, ruhig und unauffällig zu sein.« Isabella wich Erics Blick aus und sah zum Haus. »Da kommen Tom und Sunny«, sagte sie leise.

Eric verstand und ließ das Thema fallen. Sie ging den beiden entgegen. Sunny kam sofort zu Isabella und Isabella umarmte sie liebevoll. Sie nahm Sunny nicht gerne mit zu solchen Veranstaltungen, doch sie allein in der Hütte zu lassen kam auch nicht infrage und die Strecke zum Waisenhaus wäre ein zu großer Umweg gewesen.

»Bei euch geht es ja ganz schön heiß her«, sagte Eric zu Tom.

»Ja, Tyrell schießt manchmal über das Ziel hinaus, aber er hat das Herz am richtigen Fleck.«

Sie machten sich auf den Rückweg und Tom berichtete Eric einiges über die Leute auf der Versammlung. Isabella blieb mit Sunny etwas hinter den beiden zurück und erzählte ihr eine neue Geschichte von Lilly und Ole, dem Troll, um das Mädchen von der unerfreulichen Versammlung abzulenken.

»Wie können wir Tyrell von seinem verrückten Plan abbringen?«, fragte Tom.

Sie saßen in der Küche und hatten gerade ihr Mittagessen beendet. Isabella ließ das Gesicht in die Hände sinken.

»Ich weiß es nicht«, murmelte sie resigniert. Die ganze Situation brachte sie an ihre Grenzen. Sie hatte es mit Mühe geschafft, ihr Leben halbwegs auf die Reihe zu bringen und nun war Eric aufgetaucht. Alle Sehnsüchte und Hoffnungen regten sich wieder in ihr. Sie hatte drei Jahre versucht sie zu unterdrücken.

»Warum könnt ihr diesen Typen nicht einfach machen lassen?«, fragte Eric.

»Weil es dann gefährlicher für uns alle wird. ENTAL wird nach so einem Vorfall wesentlich wachsamer sein«, erklärte Tom.

»Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Eric Isabella und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Toms Augen verengten sich, als er die Berührung sah. Isabella sah Eric an.

»Ja, sicher«, antwortete sie wenig überzeugend. Sie stand auf und Erics Hand glitt von ihrer Schulter. Sie räumte die Teller vom Tisch und begann zu spülen. »Sunny, trocknest du ab?«

»Ja, mache ich.« Das Mädchen stand auf und gesellte sich zu Isabella.

»Ihr könnt schon mal ins Büro gehen. Ich komme nach, wenn ich hier fertig bin.« Isabella wollte die Männer für ein paar Minuten loswerden. Sie brauchte ein bisschen Zeit für sich.

Sie begann mit Sunny zu plaudern. Isabella bedauerte, dass sie nicht mehr Zeit für sie hatte. Doch Sunny nahm das klaglos hin. Sie hatte schon Schlimmeres erlebt.

»Ich habe dir ein neues Malbuch mitgebracht«, bemerkte Isabella, während sie sich die Hände abtrocknete. Sie ging zu ihrer Tasche und nahm das Malbuch heraus. Sie überreichte es Sunny, die sich sichtlich darüber freute. »Ich hoffe, morgen habe ich wieder Zeit zum Lesen üben.«

Sunny war sehr wissbegierig und wollte in der Lage sein, ihre Lieblingsbücher selbst zu lesen. Deshalb hatte Isabella beschlossen, ihr das Lesen beizubringen. Sunny war sechs Jahre alt und müsste eigentlich in ein paar Wochen eingeschult werden. Doch das war problematisch. Isabella konnte sie nicht jeden Tag nach Fort McMurray zur Schule bringen. Das würde zu viele Fragen aufwerfen. Außerdem hatte Sunny alleine unter Fremden Angst. Als Isabella das Thema einmal aufgebracht hatte, hatte das Mädchen sich vehement geweigert darüber zu sprechen. Isabella versuchte Sunny zu Hause zu unterrichten, doch es war schwierig diese Aufgabe mit ihrem Engagement gegen ENTAL zu vereinen.

»Okay, wie können wir dir helfen, Eric?«, erkundigte sich Isabella entschlossen, als sie sich zu den Männern gesellte.

»Wir haben eventuell eine Möglichkeit gefunden, wie wir die Lieferung dieses Bauteils nach Kanada unterbrechen können«, informierte Eric die beiden.

Tom sah verwirrt aus, doch Isabella lächelte, als sie das hörte. Eric hatte sich gewundert, wie jemand so genau über die technische Seite der Ölsandförderung Bescheid wissen konnte. Als er Isabella getroffen hatte, war diese Frage beantwortet worden. Sie war eine Spezialistin im Bereich Wechselwirkungen von Klima und Technologie. Mit solchen Sachen kannte sie sich aus.

»Könnte mich jemand darüber aufklären, worüber ihr redet?«, erkundigte sich Tom.

»Eric hat sich vor einigen Wochen bei mir nach der Achillesferse von ENTAL erkundigt. Zumindest denke ich, dass du es warst?« Fragend sah sie ihn an.

Eric nickte zustimmend.

»Ich habe ihm von den Hydrozyklonen berichtet, die ENTAL aus Deutschland bezieht. Wenn die nicht mehr geliefert werden, wird es für die Ölfirma sehr schwer einen adäquaten Ersatz zu finden«, erklärte sie.

»Die Idee ist gut, aber ich denke, das allein wird nicht ausreichen«, sagte Eric. »Wir brauchen noch mehr Munition.«

»Du willst den Abbau der Ölsande komplett stoppen?«, fragte Isabella und sah Eric erstaunt an.

»Ja, ich will das Unmögliche möglich machen.« Eric lächelte Isabella an. Ihre Blicke verfingen sich und für einen Moment gab es nur sie beide.

»Hast du Erfahrung damit?«, unterbrach Tom ihr stummes Zwiegespräch.

»Ein bisschen«, erwiderte Eric mit einem kurzen Seitenblick zu Isabella, der Tom nicht entging.

»Bisher wurden immer wieder Missstände an die Öffentlichkeit gebracht. Es wurde über die Zerstörung der Natur, den immensen Verbrauch von Wasser und Erdgas berichtet. Es ist bekannt, dass durch den Ölsandabbau Schadstoffe ins Wasser gelangen, die Krebs auslösen. Es gab in den letzten 30 Jahren viele Leute, die versucht haben, die Probleme ans Licht zu bringen. Aber den Abbau von Ölsanden konnte das nicht stoppen«, entgegnete Isabella.

Sie diskutierten den ganzen Nachmittag über mögliche Vorgehensweisen. Tom bemerkte zwischen Eric und Isabella eine Vertrautheit, die für zwei Leute, die sich gerade erst kennen gelernt hatten, nicht normal war. Das gefiel ihm nicht.

Nach dem Abendessen brachte Isabella Sunny ins Bett. Sie war froh, der spannungsgeladenen Atmosphäre eine Weile zu entkommen. Sie erzählte Sunny eine besonders lange Gutenachtgeschichte. Sie hatte es nicht eilig sich wieder zu den Männern zu gesellen. Sie gab Sunny einen Kuss auf die Wange und stand auf. Das Mädchen lag warm zugedeckt im Bett und hielt ihren Kuschelbären im Arm. Unwillkürlich musste Isabella bei diesem Anblick lächeln. Sie liebte Sunny wie eine eigene Tochter und würde alles tun, um das Mädchen zu beschützen.

Sie verließ das Schlafzimmer und stieß beinahe mit Tom zusammen. Er war ihr so leise gefolgt, dass sie ihn nicht gehört hatte.

»Du hast mich erschreckt«, sagte sie lächelnd und legte die Hand auf ihr Herz.

»Kennst du Eric von früher?«.

Isabellas Lächeln schwand. Tom sah sie forschend an.

»Wie kommst du darauf?«

»War nur so ein Gedanke.«

Isabella sah Tom unbewegt an. Tom wurde unbehaglich unter diesem Blick. »Ihr macht so einen Eindruck«, versuchte er zu erklären.

Isabella schüttelte den Kopf. »Du kommst auf Ideen«, sagte sie beiläufig.

Im Inneren war sie jedoch alles andere als ruhig. Wie war es möglich, dass Tom die Vertrautheit zwischen Eric und ihr so schnell bemerkt hatte? Sie hatte sich viel Mühe gegeben, Eric wie einen Fremden zu behandeln. Bis jetzt wusste Tom nicht einmal, dass sie erst vor drei Jahren aus Europa gekommen war. Er glaubte, dass sie schon seit ihrer Kindheit in Kanada lebte. Eine Verbindung zu Eric würde zu viele ihrer Geheimnisse offenbaren. Sie zwang sich Tom ruhig anzusehen.

»Wollen wir weitermachen?«, fragte sie.

»Sicher, geh schon mal zu Eric. Ich bin in ein paar Minuten da.«

Isabella ging wieder in die Küche. Eric stand auf und kam zu ihr. Endlich war er mit ihr allein.

»Isa, wir müssen reden«, sagte er ernst und legte seine Hände auf ihre Schultern.

»Das geht jetzt nicht«, wehrte Isabella ab und machte sich los.

»Du vertröstest mich, seit ich hier bin. Mir reicht es jetzt. Ich will wissen, warum du spurlos verschwunden bist und es nicht für nötig gehalten hast, dich bei mir zu melden.« Eric war aufgebracht.

»Weil ich Angst um mein Leben hatte«, flüsterte Isabella.

Tom betrat den Raum. Er hatte ihren Wortwechsel gehört, aber nicht verstanden, was sie gesagt hatten. Sie hatten ihre Unterhaltung auf Deutsch geführt. Doch ihm war die Angst in Isabellas Stimme nicht entgangen.

»Was ist hier los?«, griff er ein.

Eric ignorierte Tom einfach. »Ich will mit dir allein sprechen und zwar sofort!«, forderte er aufgebracht.

»Also gut«, seufzte Isabella resigniert und machte Anstalten mit Eric nach draußen zu gehen. Tom hielt sie am Arm fest.

»Amy, du musst nicht … «, setzte er an.

»Du verstehst das nicht, Tom«, sagte sie erschöpft. »Lass mich bitte los.«

Tom reagierte nicht und hielt ihren Arm weiterhin fest.

»Lass mich sofort los!«, befahl sie. Doch sie gab ihm keine Zeit zu reagieren. Mit einer schnellen Bewegung befreite sie sich aus Toms Griff. Dieser sah sie überrascht an. Kommentarlos verließ sie die Hütte und lief los. Eric musste sich beeilen, um an ihr dran zu bleiben. Nach ein paar Minuten bog sie in den Wald ab und folgte einem kaum sichtbaren Pfad.

 

Schließlich blieb sie stehen, wandte sich zu Eric und sah ihn abwartend an. Eric betrachtete schweigend die Frau, die er die letzten drei Jahre so schmerzlich vermisst hatte, von der er so oft geträumt und um die er getrauert hatte, weil er dachte, er hätte sie für immer verloren.

»Isabella, ich...«, begann er. Doch dann verfiel er wieder in Schweigen. Er wollte ihr so viel sagen und sie so viel fragen, dass er nicht wusste, wo er anfangen sollte. »Isa, ich habe dich schrecklich vermisst. Ich habe mir große Sorgen um dich gemacht. Ich dachte sogar, du wärst vielleicht...« Diesen Gedanken sprach er nicht zu Ende aus. »Warum hast du dich in Brüssel nicht wie verabredet mit mir getroffen? Wenn du deine eigenen Wege gehen willst, ist das in Ordnung, aber ich finde es nicht fair, dass du mich im Ungewissen lässt und einfach verschwindest.« Anklagend sah er Isabella an.

»Eric, so war es nicht«, entgegnete Isabella traurig.

»Dann erklär mir doch bitte endlich, wie ich dein Verschwinden richtig verstehen soll!«, rief Eric gereizt.

Isabella sank erschöpft zu Boden. »Ich hätte nichts lieber getan, als mich in Brüssel mit dir zu treffen«, begann sie leise und sah zu Boden. »Aber ich konnte nicht. Die haben mich verfolgt. Ich bin aus Versehen in den falschen Bus gestiegen. Mir war der Rückweg versperrt. Wäre ich zurückgefahren, wäre ich denen geradewegs in die Arme gelaufen. Ich wollte dich anrufen.« Tränen standen ihr in den Augen, als sie Eric ansah. » Glaub mir, ich hätte dich so gerne angerufen, aber es ging nicht.« Sie hielt kurz inne. »Ich vermute, die haben mich über mein Handy geortet. Wie hätten sie mich sonst so schnell finden können? Ich dachte, wenn ich dich anrufe, hören die uns ab. Also habe ich es ausgemacht, in der Hoffnung zu entkommen.«

»Das wusste ich nicht.« Eric hockte sich zu ihr und nahm ihre Hand in seine. »Aber warum hast du dich nicht später gemeldet, als du außer Gefahr warst?«

»Ich hatte zu große Angst«, gestand Isabella. »Diese Typen haben uns immer wieder aufgespürt, egal, wo wir uns versteckt haben. Ich wollte sie nicht wieder durch einen dummen Fehler auf meine Spur führen. Also habe ich die Einzelteile meines Handys im Atlantik versenkt, um nicht irgendwann in Versuchung zu kommen. Außerdem...«, fügte sie zögernd hinzu, »was hätte es genützt, wenn du gewusst hättest, wo ich bin? Du hast...«

Eric ließ sie nicht weiterreden.

»Was es genutzt hätte?«, fragte er aufgebracht und sprang auf. »Ich habe dich überall auf der Welt gesucht! Ich habe mich schuldig gefühlt, weil ich dachte, dir ist etwas Schreckliches zugestoßen. Wenn ich gewusst hätte, wo du bist, hätte ich sofort alles stehen und liegen gelassen und wäre zu dir gekommen. Verdammt, Isabella, ich liebe dich!«

Isabella starrte Eric sprachlos an. Sie war überrascht, sowohl von Erics Liebeserklärung als auch von deren Heftigkeit. Sie waren nur kurz zusammen gewesen, zu kurz für Liebeserklärungen.

Eric interpretierte Isabellas Schweigen falsch.

»Es tut mir leid. Du hast jetzt ein anderes Leben. Darin ist offensichtlich kein Platz mehr für mich. Sobald ich meine Arbeit hier erledigt habe, werde ich verschwinden.« Er wandte sich um und wollte fortgehen.

»Nein!« Isabella sprang erschrocken auf.

Eric drehte sich wieder zu ihr. Isabella lief zu ihm.

»Nein«, wiederholte sie etwas sanfter und ergriff Erics Hand. »Du verstehst das falsch. Ich habe dich schrecklich vermisst. Es ist so schön, dass du da bist. Für mich ist es ein Wunder, dass wir uns hier am anderen Ende der Welt begegnet sind. Eric, ich liebe dich auch.«

»Was ist mit Tom?«, fragte Eric skeptisch.

»Was meinst du? Was soll mit Tom sein?«

»Du bist jetzt mit Tom zusammen.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

»Nein, bin ich nicht.«

»Er verhält sich aber so.«

»Ich weiß, er ist ziemlich besitzergreifend. Aber wir sind nicht zusammen.« Isabella strich mit ihrer Hand sanft Erics Wange entlang. Sie konnte immer noch Zweifel in Erics Augen erkennen. Ihre Hand glitt in seinen Nacken. Sie spürte seine warme Haut unter ihren Fingern. Sie zog sein Gesicht zu sich und küsste ihn zärtlich. Eric wollte den Kuss vertiefen, doch Isabella legte eine Hand auf seine Brust und schob ihn ein paar Zentimeter von sich.

»Ich liebe dich. Ich bin mit keinem anderen zusammen. Hast du das verstanden?«, erklärte sie nachdrücklich.

Ein Grinsen blitzte in Erics Gesicht auf.

»Yes, Ma‘am.« Er zog sie an sich und küsste sie wieder. Ihre Zungen verschmolzen miteinander. Isabella ließ ihre Hände über seinen Körper gleiten. Sie konnte nicht genug von ihm bekommen, er fühlte sich so unglaublich gut an. Ihr Kuss wurde leidenschaftlicher und es schien, als würde die Last der letzten drei Jahre einfach von ihnen abfallen.

»Ich habe dich so vermisst«, murmelte Eric in Isabellas Ohr.

Die beiden schienen alles um sich herum vergessen zu haben. Sie bemerkten nicht, wie der Wind auffrischte und das leise Wispern der Bäume sich in ein Rauschen verwandelte. Sie wurden von Regentropfen aus ihrer Zweisamkeit gerissen. Lachend liefen sie tiefer in den Wald hinein und suchten Schutz vor dem Regen.

»Wir sollten wieder zurückgehen. Tom ist bestimmt schon ganz krank vor Sorge«, bemerkte Isabella widerstrebend. Sie gab die Zweisamkeit mit Eric nur ungern auf.

»Ich habe das Gefühl, Tom mag mich nicht besonders. Er benimmt sich, als ob ich dir etwas Schlimmes angetan hätte.«

Isabella blickte verlegen zu Boden. Das entging Eric nicht.

»Was hast du ihm über mich erzählt?«

»Ich habe ihm gar nichts über dich erzählt«, verteidigte sie sich.

»Wie erklärst du dir dann sein Verhalten? Er führt sich auf wie der große Beschützer, der dich vor einem bösen Exfreund retten will.« Auf einmal ging Eric ein Licht auf. »Ist es das?«

»Irgendwie musste ich mein Verhalten erklären«, antwortete Isabella verhalten. »Er hat gemerkt, dass ich oft traurig war und Liebeskummer ist eine gute Erklärung dafür.«

»Also denkt er, dass ich dein Exfreund bin? Wie kommt er darauf?«

»Er hat gemerkt, dass wir uns nicht zum ersten Mal begegnet sind. Unser Gespräch in der Küche hat wahrscheinlich sein Übriges dazu beigetragen, diesen Eindruck zu bekräftigen. Tom ist ein guter Freund. Allerdings weiß er nichts von meinem früheren Leben. Er weiß nicht mal, dass ich aus Deutschland bin.«

»Warum? Vertraust du ihm nicht?«

»Ich vertraue niemandem mehr. Alle hier kennen mich unter dem Namen Amy Brown. Sie denken, ich komme aus Toronto. Bis jetzt habe ich es geschafft unerkannt zu bleiben. Ich habe mich immer im Hintergrund gehalten, habe es vermieden fotografiert oder gefilmt zu werden, damit die Leute von Veller Energy nicht wieder auf mich aufmerksam werden. Du weißt sicherlich noch, was in Norwegen passiert ist. Dort bin ich nur durch eine Mautstation gefahren und schon haben die uns aufgespürt. Ich versuche einfach jeden Fehler zu vermeiden und dazu gehört auch, alle Verbindungen zu meinem alten Leben zu verbergen.«

»Du erwartest aber hoffentlich nicht, dass ich jetzt den bösen Exfreund spiele.«

»Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird. So wie ich Tom kenne, wird er eine Erklärung verlangen.«

»Du könntest lügen«, schlug Eric vor.

»Nein, das kann ich Tom nicht antun. Ich bin ihm die Wahrheit schuldig.« Isabella wischte sich ein paar Regentropfen aus dem Gesicht.

»Also vertraust du ihm doch«, stellte Eric fest.

»Ja, sieht so aus«, murmelte Isabella. Sie hauchte Eric einen Kuss auf den Mund. »Lass uns gehen, bevor Tom anfängt den Wald nach uns abzusuchen.«

»Da bist du ja!« Die Erleichterung in Toms Stimme war unüberhörbar.

Isabella stand tropfend nass in der Eingangstür.

»Geht es dir gut?«, fragte er besorgt.

»Ja, es ist alles in Ordnung«, beruhigte sie ihn. »Ich muss mir etwas Trockenes anziehen.« Sie ging an Tom vorbei.

Nun geriet Eric in Toms Blickfeld, doch er begnügte sich mit einem bösen Blick in Erics Richtung.

Isabella ging leise in ihr Schlafzimmer, um Sunny nicht zu wecken. Diese Mühe hätte sie sich sparen können, denn Sunny saß ängstlich zusammengekauert am Kopfende ihres Bettes.

»Sunny, was ist los?«, fragte Isabella besorgt und eilte zu dem Kind. Sie nahm Sunny in die Arme. Vergessen waren ihre nassen Sachen und auch Sunny schienen sie nicht zu stören.

»Sunny, was ist passiert? Wovor hast du solche Angst?«, fragte Isabella noch einmal.

»Ich habe gehört, wie ihr euch gestritten habt und dann bist du plötzlich mit diesem Mann verschwunden …«

»Ach Kleines, es tut mir leid, dass ich dir Angst gemacht habe. Ich glaube, ich bin dir eine Erklärung schuldig und Tom auch«, stellte Isabella seufzend fest. »Aber vorher brauche ich ein paar trockene Sachen, denn das wird länger dauern.« Sie zog sich um.

»Komm, Sunny.« Auffordernd hielt Isabella dem Mädchen ihre Hand hin. Sunny krabbelte aus dem Bett und ergriff die Hand. Isabella nahm die Bettdecke. Gemeinsam gingen sie in die Küche. Tom lief unruhig hin und her und blickte Isabella ärgerlich an, als sie den Raum betrat.

»Wir müssen reden«, sagte Isabella leise.

»Das glaube ich allerdings auch!«, sagte Tom aufgebracht.

Nun kam auch Eric in die Küche. Er hatte sich ebenfalls umgezogen. Tom funkelte ihn wütend an.

»Setzt euch«, sagte Isabella so ruhig wie möglich.

Sie nahm mit Sunny auf der Eckbank Platz und wickelte das Mädchen fürsorglich in die Decke. Ihren Arm schlang sie um Sunnys Schulter.

»Ich denke, ich bin euch eine Erklärung schuldig«, wandte sie sich an Sunny und Tom.

Sunny sah sie abwartend an, Tom wirkte immer noch aufgebracht.

»Du hattest mit deiner Vermutung recht, Tom. Ich kenne Eric von früher. Allerdings ist er nicht mein Exfreund. Ich bin vor drei Jahren aus Deutschland nach Kanada gekommen. In Deutschland habe ich in einem Umweltforschungsinstitut gearbeitet. Dort bin ich auf die Gefahren aufmerksam geworden, die der Abbau von Methanhydrat mit sich bringt. Ich wollte die Öffentlichkeit warnen, damit der Abbau von Methanhydrat verboten wird. Dabei hat Eric mir geholfen.«

»Du warst an dem Gesetz gegen den Abbau von Methanhydrat beteiligt?«, fragte Tom ungläubig. Staunend sah er Isabella an. Inzwischen hatten auch Kanada und die USA ein Abkommen unterzeichnet, das den Abbau von Methanhydrat an ihren Küsten verbot.

»Ja«, bestätigte Isabella. »Ich musste nach Brüssel zu einer Anhörung. Nur so konnte ein Gesetz verabschiedet werden. Dort erwarteten mich die Gegner des Vorhabens. Sie wollten verhindern, dass ich an dieser Anhörung teilnahm. Ich habe es geschafft, unbehelligt zu der Versammlung zu gelangen und von den Gefahren zu berichten, die der Abbau von Methanhydrat mit sich bringt. Danach haben sie mir aufgelauert. Ich wollte mich mit Eric treffen, der mich in Sicherheit bringen sollte. Aber unsere Verfolger haben mich in die Enge getrieben und mir den Weg zu Eric abgeschnitten. Ich bin Hals über Kopf aus Brüssel geflohen und schließlich hier in Kanada gelandet.«

»Warum hast du nichts davon erzählt? Vertraust du mir etwa nicht?« Tom sah sie gekränkt an.

»Wenn ich dir nicht vertrauen würde, hätte ich schon längst meine Sachen gepackt und wäre mit Sunny verschwunden.« Isabella ergriff Toms Hand. »Ich habe noch nie jemandem davon erzählt, denn ich hatte Angst.« Eindringlich sah sie Tom an.

»Wie ist dein richtiger Name?«

Isabella ließ Toms Hand los. »Ich heiße Isabella.« Eric konnte sehen, wie sie mit sich rang. »Isabella Filanders«, sagte sie leise.

Tom nahm diese Erklärung schweigend zur Kenntnis.

»Sollen wir dich jetzt Isabella nennen?«, erkundigte sich Sunny sachlich. Sie hatte Isabellas Erklärungen bis jetzt gleichmütig gelauscht.

»Nein, ich bin weiterhin Amy.«

»Warum?«, fragte Tom scharf.

»Ich habe immer noch Angst davor, dass diese Männer mich wieder aufspüren könnten«, gab Isabella zu.

»Was hat das für Konsequenzen?«, erkundigte sich Tom.

»Alles geht weiter wie geplant«, erwiderte Isabella. »Wir werden Eric helfen, so gut wir können. Vielleicht ist er in der Lage, etwas gegen ENTAL zu erreichen.«

Beide Männer sahen sie vorwurfsvoll an. Tom war gekränkt, weil sie ihm nicht eher von ihrer Vergangenheit erzählt hatte und Eric war verärgert, weil sie den Eindruck erweckte, er wäre nur ein Bekannter aus früheren Tagen.

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